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WEG – Anforderungen an Heizkostenabrechnung

AG Wuppertal – Az.: 91b C 162/14 – Urteil vom 01.06.2016

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 29.10.2014 zu den Tagesordnungspunkten TOP 2, TOP 3 zur Position Heizkosten, TOP 4 zur Position Heizkosten und zu TOP 5 werden für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits sind von den Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft L-Straße, 28 und 28 a in X. Das Objekt wird mit einer sogenannten Einrohrheizanlage beheizt. Die Heizungsanlage ist ein Zentralsystem und versorgt alle angeschlossenen Wohngebäude mit Wärme. Der Heizkessel befindet sich im Heizraum im Keller des Gebäudes Hausnummer 26. Von hier aus wird die produzierte Wärme über ein Rohrleitungssystem bis zu den jeweiligen Treppenhäusern der einzelnen Gebäude transportiert und jeweils von hier aus mittels Rohrsteigleitungen zu den einzelnen Etagen geführt. An den Heizkörpern sind elektronische Heizkostenverteiler montiert, welche die Wärmeabgabe der Heizkörper erfassen. Die Wärme, die von den Rohrleitungen abgegeben wird, wird dadurch nicht erfasst. Die Heizungsrohre sind nicht bzw. nur unzureichend isoliert. In Wohnungen, die näher am Anfang des Heizungsstrangs liegen, ist die Rohrwärmeabgabe höher als in Wohnungen am Ende des Heizungsstrangs.

Der Kläger M ist Eigentümer der Dachgeschosswohnung im Haus 28 a. Die Klägerin L ist Eigentümerin einer im Untergeschoss des Hauses 28 a gelegenen Wohnung. Die Klägerin S ist Eigentümer der in der Heizkostenabrechnung als Einheit Nr. 25 bezeichneten Wohnung. Die Kläger E sind Eigentümer der in der Heizkostenabrechnung als Einheit Nr. 3 bezeichneten Wohnung.

In einer Eigentümerversammlung vom 19.04.2008 beschloss die WEG unter Top 7 (Bl. 35 d. A.), den Abrechnungsschlüssel für die Verteilung der Heizkosten dahingehend zu ändern, dass 70 % verbrauchsabhängig und 30 % nach dem Verhältnis der beheizten Flächen abgerechnet werden.

Mit Schriftsatz vom 12.6.2014 leitete der Kläger M das selbständige Beweisverfahren 91 b H 2/14 ein. Der Sachverständige B erstattete dort zu dem Beweisbeschluss vom 8.8.2014 ein Gutachten vom 2.12.2014 (Bl. 158 ff. d. A.) und eine ergänzende Stellungnahme vom 17.2.2015 (Bl. 258 ff. d. A.).

WEG - Anforderungen an Heizkostenabrechnung
(Symbolfoto: Solarisys/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 25.09.2014 übermittelte die Verwaltung den Eigentümern die Einladung zur Eigentümerversammlung unter Beifügung von jeweils zwei Einzelabrechnungen der Heizkosten für den Abrechnungszeitraum 2013, wobei die erste Abrechnung vom 07.03.2014 datiert und die Heizkosten unter Berücksichtigung der Rohrwärmeeinheiten gemäß Heizkostenverordnung § 7 Abs. 1 S. 3 i. V. m. VDI 2077 Beiblatt/Bilanzverfahren ermittelt und die zweite Abrechnung vom 30.04.2014 die Heizkosten ohne Berücksichtigung der Richtlinie VDI 2077 ermittelt. Die Gesamtheizkosten 2013 betrugen 36.085,83 EUR. Für d. Kl. L ergaben sich nach der Abrechnung vom 07.03.2014 (Bl. 15 bis 16 d. A.) Heizkosten von 2.168,75 EUR und nach der Abrechnung vom 30.04.2014 (Bl. 17 bis 18 d. A.) Heizkosten von 3.102,94 EUR. Für die Wohnung mit der Verwaltungsnummer 8 (im Dachgeschoss des Hauses 28 a gelegen) ergaben sich nach der Abrechnung vom 07.03.2014 (Bl. 19 bis 20 d. A.) Heizkosten von 1.472,62 EUR und nach der Abrechnung vom 30.04.2014 (Bl. 21 bis 22 d. A.) Heizkosten von 3.874,51 EUR. Für d. Kl. S betragen die Heizkosten nach der Abrechnung vom 07.03.2014 1.216,64 EUR (Bl. 209 bis 210 d. A.) und nach der Abrechnung vom 30.04.2014 2.790,04 EUR (Bl. 205 bis 206 d. A.). Für die Kläger E ergab die Abrechnung (Bl. 202 bis 203 d. A.) Kosten in Höhe von 3.935,01 EUR.

Den Abrechnungen vom 07.03.2014 war jeweils eine Erläuterung zur Ermittlung der Rohrwärmeeinheiten gemäß Heizkostenverordnung § 7 Abs. 1 i. V. m. VDI 2077 Beiblatt/Bilanzverfahren (Bl. 214, 266 d. A.) beigefügt. Für die Heizkosten ergaben sich insgesamt die Werte aus der Tabelle Heizkostenübersicht (Bl. 170 bis 172 d. A., Bl. 207 bis 208 d. A.).

In der Eigentümerversammlung vom 25.09.2014 wurden die aus dem Protokoll (Bl. 9 bis 13 d. A.) ersichtlichen Beschlüsse gefasst. Unter Top 2 wurde der Beschlussantrag, beginnend mit Abrechnungserstellung für das Jahr 2015 die Richtlinie VDI 2077 in der Heizkostenabrechnung zu berücksichtigen, mehrheitlich abgelehnt. Unter Top 3 wurde die Jahresabrechnung 2013 beschlossen, und zwar die von der Verwaltung mit Datum vom 23.05.2014 vorgelegte Abrechnung, mit den Heizkostenabrechnungen in der Variante vom 30.04.2014. Unter Top 4 wurde der Wirtschaftsplan 2014 (vom 23.05.2014) beschlossen (Bl. 215 bis 216 bzw. 217 bis 218 d. A.). Unter Top 5 wurde der folgende Beschlussantrag mehrheitlich abgelehnt: „Beginnend mit der Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2015 wird der Abrechnungsschlüssel für die Verteilung der Heizkosten geändert. Es werden dann 50 % der zu verteilenden Kosten verbrauchsabhängig und 50 % der Kosten nach dem Verhältnis der beheizten Flächen zueinander abgerechnet. Zusätzlich soll die VDI-Richtlinie 2077 angewandt werden.“

D. Kl. L trägt vor:

Die vorliegende Problematik beziehe sich insgesamt und ausschließlich auf die Abrechnung der zentralen Wärmeversorgung. Die beschlossene Abrechnung führe für d. Kl. zu einer nicht mehr hinnehmbaren Mehrbelastung. Nach den Erläuterungen zu den Ermittlungen der Rohrwärmeeinheiten gemäß Heizkostenverordnung gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 i. V. m. VDI 2077 Beiblatt/Bilanzverfahren ergeben sich Rohrwärmeeinheiten in einem Umfang von 120.512 Einheiten. Das bedeute, dass lediglich 22,15 % von den Wärmeerfassungsgeräten an den Heizkörpern gemessen werden. Hieraus sei ersichtlich, dass ein Festhalten an der beschlossenen Kostenverteilung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Ein großer Teil der verbrauchten Heizwärme werde durch die elektronischen Heizkostenverteiler nicht korrekt erfasst. Diese Geräte seien an den Heizkörpern montiert und erfassen systembedingt nur die von den Heizkörpern abgegebene Wärme. Wärme die von ungedämmten oder schlecht gedämmten Rohrleitungen frei gesetzt werde, bleibe unberücksichtigt. Da sich die Verteilung des Verbrauchskostenanteils nach den erfassten Einheiten richte, komme es innerhalb der Liegenschaft zu Verzerrungen bei der Kostenverteilung. Ein Teil der Nutzer profitiere von der Wärme, die über die Rohrleitungen abgegeben werde. Die übrigen Nutzer tragen diese Kosten mit. So entstehe bei Wohnungen, die sehr weit abseits der zentralen Heizanlage gelegen seien, in massiver Weise einen Heizkostenmehrverbrauch. Diese Wohnungsnutzer würden dann dadurch andere Wohnungsnutzer, deren Wohnung über einen entsprechenden Lagevorteil verfügen, im Hinblick auf die Heizkosten subventionieren. Dieses entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Vorliegend seien die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 3 der Heizkostenverordnung erfüllt. Hierbei handele es sich zwar um eine Kannbestimmung und die Anwendung liege grundsätzlich im Ermessen des Gebäudeeigentümers. Das diesbezügliche Ermessen sei jedoch sachgerecht und nach § 315 BGB im Rahmen der Billigkeit auszuüben. Es sei hier eine Ermessensreduzierung auf null gegeben, da die Kostenverteilung nach den allgemeinen Vorschriften nicht mehr billigem Ermessen entspreche. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie seien erfüllt (vgl. Bl. 251 d. A.). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine vorherige Mängelbeseitigung bzw. ein vorheriger hydraulischer Abgleich keine Voraussetzung für die Anwendung der Richtlinie. Die Mangelbeseitigung sei unabhängig von der Anwendung der Richtlinie.

Der Kläger M trägt vor:

Es bestehe ein Anspruch, die Abrechnung auf Bilanzierungsverfahren nach VDI 2077, und auf einen Verteilungsschlüssel 50/50 umzustellen. Bei der Abrechnung 2013 sei eine Anpassung durchzuführen und die Heizkostenverteilung nach VDI 2077 einzubinden. Bei dem Wirtschaftsplan 2014/2015 sei ebenfalls eine Anpassung unter Berücksichtigung der Heizkostenverteilung nach VDI 2077 durchzuführen. Der ablehnende Beschluss unter Top 5 sei nicht ordnungsgemäß, da ein Anspruch auf die Anwendung der VDI 2077 bestehe.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen B sei bei der hier vorliegenden Heizung das Abrechnungssystem 50/50 sinnvoller.

Die Voraussetzungen für das Korrekturverfahren gemäß der VDI-Richtlinie seien erfüllt: Der Verbrauchswärmeanteil unterschreite die kritische Erfassungsrate kleiner als 34 %. Die Standardabweichung von normierten Verbrauchsfaktoren sei größer als 0,85. Der Anteil der Niedrigverbraucher sei größer als 15 %. Der Anteil unerfasster Rohrwärmeabgabe in der Heizkostenabrechnung sei als wesentlich anzusehen. Ausweislich der Tabellenheizkostenübersicht seien die drei Kriterien erfüllt. Der Verbrauchswärmeanteil betrage 9,52 %, sei somit kleiner als 34 %. Die Standardabweichung des Verbrauchs betrage 1,3, sei also größer als 0,85. Der Anteil der Niedrigverbraucher sei größer als 30 %. Infolgedessen seien die Beschlüsse für ungültig zu erklären (vgl. Urt. AG Neuss v. 14.06.2012, Az.: 84 C 5219/11).

Die Kläger S und E tragen vor:

Die Ergebnisse nach der beschlossenen Abrechnung seien grotesk und völlig unrealistisch. § 7 Abs. 1 S. 3 der Heizkostenverordnung sei gerade im Hinblick auf Heizungsanlagen, wie im vorliegenden Fall, geschaffen worden. Die Richtlinie VDI 2077 enthalte anerkannte Regeln der Technik zur Bestimmung des Wärmeverbrauchs und Verteilung der Heizkosten. Der Vergleich der Abrechnungswerte vom 07.03.2014 einerseits und vom 30.04.2014 andererseits zeige, dass die Ergebnisse der beschlossenen Abrechnung unrealistisch seien. Die Beschlussfassung stelle einen Verstoß gegen den in § 16 WEG geregelten Grundsatz dar. Die Ergebnisse seien grob unbillig. Es bestehe unter diesen Zuständen ein Anspruch, dass die Verteilung der Heizkosten unter Berücksichtigung der Richtlinie VDI 2077, Beiblatt/Bilanzverfahren, erfolge. Ein Ermessen der Wohnungseigentümer sei auf null reduziert.

Um die zutreffende Quote bestimmen zu können, müsse die gesamte verbrauchte Heizenergie in Verbrauchseinheiten umgerechnet werden, wie sie von den Heizkostenverteilern gezählt werden. Die auf diese Weise ermittelten fiktiven Verbrauchseinheiten werden zu der Gesamtzahl der von den Heizkostenverteilern tatsächlich ermittelten Verbrauchseinheiten in Realisation gesetzt. Diese Berechnung führe dazu, dass in der Abrechnungseinheit Heizöl in einer Menge verbraucht worden sei, die 154.796 Verbrauchseinheiten entspreche (vgl. Erläuterung zur Ermittlung der Rohrwärmeabgabe, Bl. 214 d. A.). Da die von den Heizkostenverteilern gezählten Verbrauchseinheiten sich insgesamt auf 34.284 addieren, seien lediglich 22,15 % der Verbrauchseinheiten von den Heizkostenverteilern überhaupt gemessen worden. Der Schwellenwert der Richtlinie VDI 2077 sei damit deutlich unterschritten und die Regelung anwendbar.

Auch die Voraussetzung eines hohen Anteils von sogenannten Niedrigverbrauchen sei hier erfüllt (vgl. Bl. 6 der Klagebegründung vom 29.12.2014, Bl. 198 d. A.). Auch das Kriterium einer erheblichen Verbrauchsspreizung sei erfüllt. Die Standardabweichung liege bei 0,85 oder darüber (S. 7 der Anspruchsbegründung, Bl. 199 d. A. i. V. m. d. Tabelle Bl. 207 bis 208 d. A.).

Es sei unzutreffend, dass die VDI 2077 lediglich anwendbar sei, wenn die betreffende Heizungsanlage keine Mängel aufweise. Eventuelle Mängel der Heizungsanlage seien zwar zu beseitigen. Das habe jedoch nichts mit der Frage zu tun, ob die VDI 2077 angewendet werden könne. Das wäre allenfalls dann anders zu beurteilen, wenn die ungerechte Verteilung der Heizkosten auf dem festgestellten Mangel der Heizungsanlage beruhen würde. Davon könne hier jedoch keine Rede sein. Ursache für die unerträgliche Falschverteilung sei, dass eine ganze Reihe von Wohnungen nicht über die Heizkörper beheizt werden, an denen der Verbrauch gezählt werde, sondern über das Rohrsystem der Heizungsanlage, wo der Verbrauch gerade nicht gezählt werde.

D. Kl. L beantragt, die Beschlüsse der Versammlung vom 29.10.2014 zu den Tagesordnungspunkten Top 2, Top 3 und Top 5 für ungültig zu erklären.

Der Kläger M beantragt, die Beschlüsse zu Top 2, 3, 4 und 5 insoweit für ungültig zu erklären, soweit die Heizkosten und deren Abrechnungsmodalitäten betroffen sind.

Die Kläger S und E beantragen, den Beschluss zu Top 2 für ungültig zu erklären,

den Beschluss zu Top 3 für ungültig zu erklären, soweit damit über die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen die angefallenen Heizkosten verteilt werden

und den Beschluss zu Top 4 für ungültig zu erklären, soweit damit über den Gesamt- und jeweiligen Einzelwirtschaftspläne Vorauszahlungen auf die Heizkosten festgelegt werden.

Die Beklagten beantragen, die Klageanträge abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:

Die Anfechtung unter Top 2 gehen ins Leere. Denn unter Top 2 sei kein Beschluss gefasst worden. Mit Hilfe der Anfechtungsklage könne insoweit das offensichtliche Ziel der Kläger, die Anwendung der Richtlinie VDI 2077 in der Heizkostenabrechnung, nicht erreicht werden. Dasselbe gelte auch zu Tagesordnungspunkt 5.

Die zu Top 3 beschlossene Abrechnungen entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Bei der Regelung in § 7 Abs. 1 S. 3 der Heizkostenverordnung handele es sich um eine „Kann-Bestimmung“. Das Ermessen sei nicht reduziert. Die Voraussetzungen für eine zwingende Anwendung der Richtlinie seien nicht gegeben. Die Anwendung der Richtlinie setze voraus, dass überhaupt eine ordnungsgemäße Wärmeversorgung in sämtlichen Wohnungen gegeben sei. Dieses sei hier nicht der Fall. Die in dem Heizkessel produzierte Wärme werde nämlich nicht ordentlich in allen drei Häusern und sämtlichen Wohnungen verteilt. Dieses ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen B in dem selbständigen Beweisverfahren. Gemäß dem Gutachten müssten insoweit Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt werden. Es müssten spezielle Ventile an jeder der drei Steigleitungen eingebaut werden und in den Abgängen zu jeder Wohnung und darüber hinaus müsse zwingend ein hydraulischer Abgleich durch ein Ingenieurbüro erfolgen. Da noch keine ordnungsgemäße Wärmeverteilung erfolge, könne auch keine ordnungsgemäße Verbrauchswärme und auch keine Rohrwärme ermittelt werden, die zu einer gerechteren Abrechnung der Heizkosten führen würde. Zunächst müssten die Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt werden, worauf in der VDI-Richtlinie 2077 auch ausdrücklich hingewiesen werde. Es werde bestritten, dass die drei Anwendungsvoraussetzungen für die Richtlinie hier erfüllt seien.

Sinn und Zweck der Heizkostenverordnung sei, dass jeder Nutzer den Verbrauch der Wärme steuern könne. Das sei aber bei Einrohrheizungen, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben. Daher könne eine verbrauchsabhängige Abrechnung nicht erstellt werden und es seien Maßnahmen erforderlich, die der Sachverständige B in seinem Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme getroffen habe. In diesem Zusammenhang sei § 11 Abs. 1 Nr. 1 b der Heizkostenverordnung zu berücksichtigen: Danach sei eine verbrauchsabhängige Abrechnung nicht vorzunehmen, wenn die Erfassung des Wärmeverbrauchs oder die Verteilung der Kosten des Wärmeverbrauchs nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich sei. Unverhältnismäßig hohe Kosten lägen nach dieser Vorschrift vor, wenn diese nicht durch die Einsparung, die in der Regel innerhalb von 10 Jahren erzielt werden können, erwirtschaftet werden können. Der Sachverständige B habe vorliegend Kosten in Höhe von mindestens 200.000,00 EUR geschätzt. Es sei fraglich, ob in Anbetracht der Höhe dieser Kosten Energieeinsparungen innerhalb von 10 Jahren in entsprechender Höhe erwirtschaftet werden könnten. Wenn dieses nicht der Fall sei, dann sei gemäß § 9 a Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 5 Heizkostenverordnung die Verteilung der Heizkosten wieder nach Wohn- bzw. Nutzfläche oder umbauten Raum vorzunehmen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15.4.2015 (Bl. 295 d. A.). Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen vom 1.12.2015 (Bl. 426-434 der Akte) und dessen ergänzende Stellungnahme vom 31.1.2016 (Bl. 458 der Akte).

Das Teilurteil vom 15.4.2015 (Bl. 286 ff. d. A.) wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9.12.2015 (Bl. 373 ff. d. A.) aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Negativbeschluss zu TOP 2 entsprach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Dem Beschlussantrag (Beginnend mit der Abrechnungserstellung für das Jahr 2015 soll die Richtlinie VDI 2077 in der Heizkostenabrechnung berücksichtigt werden) hätte zugestimmt werden müssen. Es bestand eine Ermessensreduzierung zu einer positiven Beschlussfassung entsprechend dem Antrag.

Die Anwendungsvoraussetzungen der Richtlinie VDI 2077 für die Heizkostenabrechnung in 2015 und 2016 liegen vor. Dieses ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Sachverständige K hat festgestellt, dass die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind (Seite 5-7 des Gutachtens, Bl. 430-432 d. A.).

Der Umstand, dass Mängel an der Heizungsanlage vorhanden sind und diese künftig möglicherweise beseitigt werden sollen, steht dem nicht entgegen.

Für die Jahre 2013-2016 sind die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt. Die Anwendung der VDI Richtlinie 2077 wird im vorliegenden Fall zu einer besseren Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse führen (vgl. ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen K vom 31.1.2016, Bl. 458 d. A.), so dass auch eine Ermessensreduzierung gegeben ist.

Das Gericht schließt sich dem Gutachten an. Erhebliche Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten liegen nicht vor.

Soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 22.2.2016 einwenden, auch eine Feststellung des Wärmeverbrauchs nach der VDI 2077 spiegele die tatsächlichen Verhältnisse nicht wider, so überzeugt dieses nicht. Der Gutachter hat vielmehr ausgeführt, dass die Anwendung zu einer Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse führe.

Es handelte sich bei dem Beschlussantrag zu TOP 2 der Versammlung vom 29.10.2014 auch nicht etwa um eine nachträgliche oder rückwirkende Änderung, da sie sich auf den Zeitraum ab 1.1.2015 beziehen sollte. Ferner ging es insoweit nicht um die Wahl des Verteilerschlüssels (§6 Abs. 4 HeizKVO), sondern um die Bestimmung des Wärmeverbrauchs der Nutzer nach §7 Abs. 1 S. 3 HeizKVO.

Der Negativbeschluss zu TOP 5 widersprach ebenfalls ordnungsgemäßer Verwaltung. Auf das Teilurteil vom 15.4.2015 wird Bezug genommen. Es bestand eine Ermessensreduzierung entsprechend dem Beschlussantrag. Die Anwendungsvoraussetzungen der VDI Richtlinie lagen vor (siehe oben). Auch bei der Anwendung dieser Richtlinie wäre es unabhängig davon sachgerecht gewesen, zusätzlich den Verteilungsschlüssel auf 50:50 zu ändern. Dieses ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Auf das Gutachten des Sachverständigen B wird Bezug genommen: Bei diesem Einrohrsystem ist tatsächlich das Abrechnungsverhältnis 50% zu 50% sinnvoller.

Der Beschluss zu TOP 3 entsprach – zu der hier allein streitgegenständlichen Position Heizkostenabrechnung – nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Gleiches gilt für den Wirtschaftsplan 2014 (TOP 4) zu dieser Position.

Das Gericht schließt sich der Auffassung der Kläger sowie der Entscheidung des AG Neuss vom 14.6.2012 (BeckRS 2012, 19345) an. Dieses hat dort ausgeführt:

Die Heizkosten dürfen aber gemäß § 9a HKV dann nicht nach den Ergebnissen der Heizkostenverteiler verbrauchsabhängig abgerechnet werden, wenn der anteilige Wärmeverbrauch für einen Abrechnungszeitraum wegen eines Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden kann.

Ein solcher zwingender Grund ist vorliegend gegeben, da eine verbrauchsabhängige Abrechnung den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspricht, wenn – wie vorliegend – von den vorhandenen Heizkostenverteilern bereits nur ganz geringe Anteile der im Gebäude tatsächlich abgegebenen Wärmemenge erfasst werden. Dies entspricht dann keiner gerechten Verteilung mehr.

Ferner wird Bezug genommen auf das Urteil des AG Lichtenberg vom 14.9.2011:

… kann ein Wohnungseigentümer eine Änderung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben verlangen, wenn das Abrechnungsergebnis zu einer für ihn nicht mehr hinnehmbaren Mehrbelastung führt (vgl. BayObLG, NJW-RR 1993, 663, 664; AG Brühl, ZMR 2010, 883 f.; Schmid, a.a.O., S. 886). So liegt es hier. Bei ungedämmten vertikalen Einrohrheizungen ergibt sich ein sehr hoher Preis pro Werteinheit mit der Folge, dass einige Bewohner kaum und andere sehr hohe Heizkosten haben (vgl. Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl., S. 452, Rz. 129), da in einigen Wohnungen – abhängig von ihrer Lage – häufig die von den Rohren abstrahlende Wärme ausreicht, während das in anderen Wohnungen nicht der Fall ist. Weil der Verbrauch nicht auf „0“ reduziert werden kann, hat der einzelne Bewohner nur eine begrenzte Möglichkeit durch sparsames Heizen auf diese Ungleichheit zu seinen Gunsten Einfluss zu nehmen … .

Bei einer Kostenverteilung zu 70 % nach dem aber nur zu 12,83 % gemessenen Verbrauch musste sich den Eigentümern aufdrängen, dass die „Vielverbraucher“ die „Wenigverbraucher“ bei dieser Sachlage „subventionieren“. Das ist mit dem wohnungseigentumsrechtlichen Rücksichtnahmegebot (vgl. Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10, Rz. 46 ff.) nicht zu vereinbaren, weswegen die Beklagten in ihrem Vertrauen darauf, dass keine rückwirkende Änderung des Verteilungsschlüssels und/oder der Verbrauchsermittlungsmethode stattfinden wird, nicht schutzwürdig sind. (AG Lichtenberg, Urteil vom 14. September 2011 – 119 C 14/11 -, Rn. 14, juris).

Dieses gilt entsprechend auch im vorliegenden Fall. Schließlich wird noch verwiesen auf die zutreffende Entscheidung des AG Bonn vom 21.12.2012, 27 C 136/12, BeckRS 2013, 08113: Stellt sich nach einem bestandskräftig beschlossenen Umlageschlüssel heraus, dass eine ordnungsgemäße Erfassung des Verbrauchs nicht gewährleistet ist, so ist die Abrechnung entsprechend zu korrigieren.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: TOP 2, 3, 4 und 5 jeweils 5.000 EUR, insgesamt 20.000 EUR.

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