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WEG-Anlage: Hausgeld muss nur auf WEG-Konto gezahlt werden

LG Saarbrücken, Az.: 5 S 44/17

Urteil vom 04.05.2018

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 12.10.2017, Az.: 9 C 223/17 (10), aufgehoben und die Klage, soweit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt, als derzeit unbegründet abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 2.828,40 € festgesetzt.

Gründe

I.

WEG-Anlage: Hausgeld muss nur auf WEG-Konto gezahlt werden
Foto: monkeybusinessimages/Bigstock

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, der Beklagte ist Eigentümer der Wohnung Nummer 1. Mit der Klage hat die Klägerin Wohngelder für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 aufgrund des bestandskräftigen Wirtschaftsplans für das Jahr 2016 in Höhe von 12 × 234,40 € = 2.828,40 € verfolgt. Der Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen streitig eingewandt, der Klägerin stünden keinerlei Ansprüche zu, da er zum einen vergeblich versucht habe, Einblick in die Buchhaltungsunterlagen zu bekommen, im Wirtschaftsplan festgehaltene Ausgabenpositionen nicht getätigt würden (zum Beispiel Pflege des Hauses) und ihm der Zutritt zum Heizungsraum verwehrt worden sei, weshalb er mangels Ablesemöglichkeiten seinen Mietern seit 2010 keinerlei Nebenkostenabrechnungen mehr hätte erteilen können, wodurch ihm Schaden entstanden sei.

Das Amtsgericht hat mit dem am 12.10.2017 verkündeten Urteil den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 2.828,40 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides am 12.05.2017 zu zahlen und die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Kosten gegenüber den Rechtsanwälten …, …, durch Zahlung in Höhe von 334,75 € freizustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob Gegenansprüche des Beklagten bestünden oder eine etwaige Zurückbehaltungslage, denn gegenüber Hausgeldforderungen bestehe ein grundsätzliches Aufrechnungsverbot. Aufgerechnet werden könne nur mit gemeinschaftsbezogenen Gegenforderungen nach § 21 Abs. 2 WEG (Notmaßnahmen) oder §§ 680, 683 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag), es sei denn, die Gegenforderungen seien anerkannt oder rechtskräftig festgestellt, was vorliegend beides nicht der Fall sei. Das Verbot der Aufrechnung sei darin begründet, dass eine ordnungsgemäße Verwaltung nur dann gewährleistet sei, wenn alle Wohnungseigentümer ihren Zahlungspflichten nachkämen. Dies dürfe nicht durch eine Auseinandersetzung oder Gegenansprüche gefährdet werden. Rechtsgrundlage seien die zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Schutz- und Treuepflichten. Diese Grundsätze fänden auch Anwendung gegenüber der Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten.

Ebenfalls am 12.10.2017 fand eine Eigentümerversammlung statt, in welcher die Jahresabrechnung 2016 beschlossen wurde. Nach der dem Beklagten erteilten, bestandskräftig gewordenen Abrechnung schuldet er einen Betrag in Höhe von 1.373,46 €.

Gegen das ihm am 19.10.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2017, am gleichen Tage eingegangen, Berufung einlegen lassen und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 19.01.2018, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen, begründet. Die Berufung ist damit begründet, dass eine Ermächtigung des Verwalters, den vorliegenden Prozess zu führen, zu bestreiten sei, dass das Hausgeldkonto des Verwalters als offenes Treuhandkonto geführt werde, was den einzelnen Wohnungseigentümer berechtige, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen sowie damit, dass aufgrund der Wohngeldabrechnung 2016 allenfalls ein Anspruch in Höhe von 1.373,48 € bestehe.

Im Berufungstermin vom 20.04.2018 haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 1.454,92 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt im Übrigen, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts St. Ingbert vom 12.10.2017, Az: 9 C 223/17 (10), die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt im Übrigen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die in der Berufung vorgebrachten neuen Tatsachen seien nicht berücksichtigungsfähig und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht zwar nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO; die von der Kammer nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen jedoch eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Hausgeldansprüche der Klägerin, so wie sie sich erstinstanzlich darstellten, für begründet erklärt und Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Beklagten nicht zugelassen. Insofern wird das erstinstanzliche Urteil von der Berufung auch nicht angegriffen. Die Berufung ist vielmehr auf die im Tatbestand genannten anderen Gründe gestützt. Soweit die Ermächtigung des Verwalters angezweifelt und der Einwand der unzureichenden Hausmeistertätigkeit und der Gartenpflege erhoben werden, sind diese Tatsachen nach § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufung nicht mehr zu berücksichtigen. Dem Einwand der nicht ordnungsgemäß durchgeführten Hausmeistertätigkeiten und der Gartenpflege, mit dem der Beklagte eine Reduzierung seines Hausgeldes erreichen will, steht auch die mittlerweile eingetretene Bestandskraft der beschlossenen Einzelabrechnung 2016 entgegen.

Allerdings – und dies ist unstreitig und deshalb in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen – hat die Einzelabrechnung einen geringeren Schuldbetrag als die Summe der für 2016 fälligen Hausgeldabschlagszahlungen ergeben.

Für Fälle wie den vorliegenden gilt:

Die gemäß § 28 Abs. 2 WEG für das Wirtschaftsjahr im Voraus geschuldeten Vorschüsse stehen unter dem Vorbehalt der Korrektur durch die später nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gemäß § 28 Abs. 5 WEG beschlossene Jahresabrechnung. Ist der in der Einzelabrechnung ausgewiesene Betrag niedriger als die zuvor durch Beschluss des Einzelwirtschaftsplans festgelegten Vorschüsse, begrenzt der Beschluss der Abrechnung die Vorschusspflicht des Wohnungseigentümers aus § 28 Abs. 2 WEG auf das Abrechnungsergebnis. Durch Beschluss der Jahresabrechnung werden die geschuldeten Vorschüsse den tatsächlich umzulegenden Kosten angepasst. Dem betroffenen Wohnungseigentümer steht insoweit gegenüber der Gemeinschaft eine rechtsvernichtende Einwendung zu. Hat die Gemeinschaft bereits vor Beschluss der Abrechnung rückständige Vorschüsse eingeklagt, muss sie den Rechtsstreit in Höhe des Differenzbetrages für erledigt erklären, um ein teilweises Unterliegen zu vermeiden (Bärmann, 13. Aufl., § 28, Rn. 65 m. w. N.).

Auf Hinweis der Kammer im Beschluss vom 07.03.2018 hat die Klägerin in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit in Höhe von 1.454,92 € für erledigt erklärt und damit ihren Anspruch auf Zahlung in Höhe des Abrechnungsergebnisses (1.373,48 €) begrenzt, der Beklagte ist der Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung beigetreten.

Demzufolge war in der Sache selbst nur noch über die restliche abgerechnete Hausgeldforderung in unstreitiger Höhe von 1.373,48 € zu entscheiden. Insofern greift der Einwand des Beklagten, er könne die Zahlung dieses Betrages verweigern, weil die Zahlung von der Klägerin auf ein offenes Treuhandkonto der Verwalterin verlangt werde, derzeit durch. Dieser Einwand ist vom Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz erhoben worden. Dennoch kommt hinsichtlich dieses Umstandes § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Anwendung. Denn mit Schriftsatz vom 18.04.2018 hat die Klägerin einen Kontoauszug der … eG vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass das Verwalterkonto auf den Namen der Verwalterin läuft und als Treuhandkonto ausgestaltet ist. Damit ist der Umstand, dass die Verwalterin ein sog. offenes Treuhandkonto führt, unstreitig geworden. Ebenso ist unstreitig, dass Zahlungen des Beklagten auf dieses Konto verlangt wurden.

Nach inzwischen fast einhelliger Auffassung ist der WEG-Verwalter im Zuge seiner Verpflichtung aus § 27 Abs. 5 Satz 1WEG, eingenommene Gelder von seinem Vermögen getrennt zu halten, verpflichtet, ein Konto auf den Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft einzurichten. Die mit dieser Vorschrift bezweckte Insolvenz- und Pfandsicherheit der eingenommenen Gelder verbietet im bargeldlosen Zahlungsverkehr, die Gelder auf einem Eigenkonto des Verwalters zu führen, bei dem Kontoinhaber und Verfügungsberechtigter der Verwalter ist. Die eingenommenen Gelder sind dem Zugriff Dritter am effektivsten durch Anlage auf einem sogenannten offenen Fremdkonto entzogen. Demnach ist der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WEG dem Wortlaut nach auch verpflichtet, für die eingenommenen Gelder ein Konto im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu eröffnen. Dies hat zudem den Vorteil, dass bei einem Wechsel des Verwalters nur die Verfügungsbefugnis des bisherigen Verwalters widerrufen und dem neuen Verwalter eingeräumt zu werden braucht. Die Führung eines offenen Treuhandkontos mit dem Verwalter als Kontoinhaber ist wegen der Pflicht zur Vermögenssonderung nicht mehr zulässig, da die Wohnungseigentümergemeinschaft bei einer Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Verwalters Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO erheben müsste und bei Insolvenz des Verwalters nur dann ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO vorliegen würde, wenn auf dem Konto nachweislich nur Gelder der Wohnungseigentümergemeinschaft eingezahlt worden sind. Die Führung offener Treuhandkonten ist damit grundsätzlich unzulässig (s. Zusammenstellungen der Rechtsprechung und Literatur in Bärmann, 13. Auflage, § 27 Rn. 239, Geiben in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 27 WEG, juris-Rn. 26, Fn. 114 sowie bei LG Hamburg, Urteil vom 28. Januar 2015 – 318 S 118/14 -, juris- Rn. 38). Ältere Rechtsprechung aus der Zeit vor Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. aus dem Übergangszeitraum (vgl. etwa Hanseatisches OLG, Beschluss vom 26.09.2006 – 2 Wx 78/05, ZMR 2007, 59, juris-Rn. 11, auf den sich die Klägerin beruft) ist inzwischen überholt. Der beklagte Wohnungseigentümer darf die Wohngeldzahlung auf ein offenes Treuhandkonto verweigern mit der Folge der Klageabweisung, wenn nicht die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft durch die Weigerung gefährdet ist (LG Hamburg, a. a. O., Orientierungssatz 4, in juris-Rn. 38 fälschlicherweise als „Zurückbehaltungsrecht“ bezeichnet, was nach § 274 BGB eine Zug um Zug-Verurteilung und nicht eine Klageabweisung hätte nach sich ziehen müssen; AG Hamburg, Urteil vom 25. Juli 2014 – 10 C 24/14 -, juris; Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 27 WEG, juris-Rn. 104). Nach Auffassung der Kammer ist in den Fällen, in denen die Zahlung auf ein Konto verlangt wird, das kein Eigenkonto der WEG darstellt, der Anspruch auf Hausgeldzahlung solange nicht fällig, bis ein Eigenkonto der Gemeinschaft eingerichtet ist. Fälligkeit tritt erst ab dem Zeitpunkt ein, ab dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann (BGH, NJW 2014, 847). Zahlung auf ein Konto kann der Verwalter aber erst dann verlangen, wenn das Konto den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Dafür, dass die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft vorliegend gefährdet wäre, wenn der Beklagte seine Rückstände nicht zahlt, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Der Beklagte war deshalb von Anfang an berechtigt, die Zahlungen zu verweigern.

Die Klage war daher als derzeit unbegründet abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 und, soweit die übereinstimmende Teilerledigungserklärung im Raume steht, § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Von der Möglichkeit des § 49 Abs. 2 WEG hat die Kammer keinen Gebrauch gemacht, weil für ein grobes Verschulden des Verwalters nicht genügend Anhaltspunkte vorgetragen worden sind. Eventuelle materiell-rechtliche Ansprüche der Gemeinschaft gegen den Verwalter bleiben dadurch unberührt.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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