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WEG – Anlehngewächshaus auf Dachterrasse

AG München – Az.: 481 C 26682/15 WEG – Urteil vom 09.11.2016

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, das auf der an die Wohnung Nr. 29 laut Aufteilungsplan, … angrenzenden Dachterrasse vorhandene Anlehngewächshaus einschließlich etwaiger Befestigungsvorrichtungen zu beseitigen sowie den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin, zu Händen der Verwalterin, € 492,54 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.10.2015 zu zahlen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 €, im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Klage wird die Beseitigung eines sog. Anlehngewächshauses geltend gemacht.

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Die Beklagten sind als je hälftige Miteigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 29 im Gebäude … Mitglieder der Klägerin. Die wesentlichen Rechtsbeziehungen der WEG werden in der Teilungserklärung mit GO geregelt, deren § 9 auszugsweise wie folgt lautet:

§ 9

Veränderungen oder Verbesserungen

1. a) Bauliche Veränderungen, soweit sie (…) das Gemeinschaftseigentum betreffen, dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung des Verwalters vorgenommen werden. Hierdurch wird das einstimmige Beschlusserfordernis der Eigentümerversammlung ersetzt. (…)

2. Änderungen an der äußeren Gestaltung und der Farbe des Gebäudes ‒ einschließlich Balkone ‒ können nur mit qualifizierter Mehrheit von 2/3 der Stimmen aller Miteigentümer beschlossen werden (…).

Die Beklagten haben auf der zu ihrer Sondereigentumseinheit gehörenden Dachterrasse ein sog. Anlehngewächshaus aufgestellt (Lichtbilder, Anlage K2). Dieses besteht aus Aluminiumprofilen sowie seitlichen Elementen und einem Dach aus Hohlkammerplatten aus Kunststoff; in die seitlichen Elemente sind Scheiben eingefügt (Beschreibung Anlage B1). Das ca. 265 kg schwere Anlehngewächshaus ist auf den schwimmend verlegten Bodenplatten aufgestellt und nicht mit der Fassade verbunden. Mit Schreiben vom 17.12.2014 wurden die Beklagten von der Verwalterin unter Fristsetzung aufgefordert, einen die Installation des Anlehngewächshauses auf der Dachterrasse genehmigenden Eigentümerbeschluss vorzulegen oder einen Beschlussantrag zu stellen (Anlage K4). Dies lehnten die Beklagten mit Schreiben vom 15.01.2015 ab (Anlage K6). Mit Schreiben vom 22.06.2015 forderte die Verwalterin die Beklagten auf, einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung des Anlehngewächshaus für die kommende Eigentümerversammlung zu übersenden (Anlage K5). Dem kamen die Beklagten nicht nach. In der ETV am 23.09.2015 wurde die Verwalterin unter TOP 13 ermächtigt, den Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten wegen der Terrassenteilverglasung außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich durchzusetzen und hiermit einen Rechtsanwalt zu beauftragen (Protokoll der ETV vom 23.09.2016, Anlage K3). Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.10.2015 wurden die Beklagten erneut unter Fristsetzung zum 16.10.2015 zur Beseitigung des Anlehngewächshauses aufgefordert (Anlage K7). Für dieses anwaltliche Aufforderungsschreiben musste die Klägerin Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 492,54 bezahlen.

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen.

Die Beklagten seien gem. § 1004 Abs. 1 BGB zur Beseitigung des Anlehngewächshauses einschließlich aller Befestigungsvorrichtungen verpflichtet, da es sich dabei um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG handle. Das Anlehngewächshaus führe zu einer erheblichen optischen Beeinträchtigung.

Die Klägerin beantragte zuletzt wie mit Klageschrift vom 02.11.2015 und im Ergebnis wie tenoriert.

Die Beklagten beantragten, Klageabweisung.

Sie haben im Wesentlichen vorgetragen.

gewächshaus auf Dachterrasse
(Symbolfoto: L. Feddes/Shutterstock.com)

Das Anlehngewächshaus stelle keine bauliche Veränderung dar, da es mit keinerlei Befestigungsvorrichtungen am Gemeinschaftseigentum befestigt sei, sondern alleine aufgrund seines Eigengewichts stehe. Außerdem existiere ein „Wildwuchs“ an vielerlei baulichen Veränderungen in der gesamten Wohnanlage, etwa fest mit der Fassade verbundene Windschutzwände aus Glas auf anderen Dachterrassen (Lichtbilder, Anlage B2), Glas-/Gewächshäuser, Vordächer, Trenn- und Sichtschutzwände, Pergolas etc. im Bereich des Gartens (Lichtbilder, Anlage B3, auch Anlage B6). Hiervon sei die Wohnanlage geprägt. Zudem fühlen sich die Beklagten dadurch, dass bauliche Veränderungen anderer Wohnungseigentümer durch einen ‒ von den Klägern im Verfahren 481 C 25193/15 WEG angefochtenen ‒ Mehrheitsbeschluss genehmigt werden sollen, während sie selbst zur Beseitigung aufgefordert werden, in dem auch für Wohnungseigentümer geltenden Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Das Gericht hat im Hinblick auf beide anhängigen Rechtsstreite und die Vielzahl baulicher Veränderungen im Bereich der WEG im Termin am 15.07.2016 eine gerichtliche Mediation angeregt. Seitens der übrigen Eigentümer der WEG bestand hiermit kein Einverständnis. Mit der terminsvorbereitenden Verfügung vom 30.08.2016 hat das Gericht auf seine Einschätzung der Rechtslage hingewiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug auf die wechselseitigen Schriftsätze, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.07.2016 und 12.10.2016 und die terminsvorbereitende Verfügung vom 30.08.2016 (Bl. 34) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist nach § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG örtlich und sachlich zuständig.

Rechtlich nicht relevant ist, ob die Bezeichnung „Glashaus“ durch die Klägerin für das von den Beklagten so bezeichnete Anlehngewächshaus korrekt ist. Für die Bestimmtheit der Klage im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit deren Zulässigkeit ist die Bezeichnung ausreichend, da allen Parteien und auch dem Gericht zweifelsfrei klar war, wogegen der Beseitigungsanspruch gerichtet wurde. Das Gericht hat sich im Urteil einheitlich der Bezeichnung der Beklagten als „Anlehngewächshaus“ angeschlossen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung des Anlehngewächshauses nach § 1004 BGB i. V. m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG.

Die Aktivlegitimation der Klägerin gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Alt. 1 WEG ergibt sich aus dem Ansichziehungs- und Vergemeinschaftungsbeschluss vom 23.09.2015 unter TOP 13 („gekorene Ausübungsbefugnis“, vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.12.2014 ‒ V ZR 5/14, BGHZ 203, 327).

Bei der Errichtung des Anlehngewächshauses auf der zur Sondereigentumseinheit der Beklagten gehörenden Dachterrasse handelt es sich um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, für das gem. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erforderlich gewesen wäre. Bauliche Veränderung ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes nach Fertigstellung abweicht und über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (st. Rspr., Nachweise bei Merle, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 14, Rn. 10). Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ergibt sich bereits aus der damit einhergehenden Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Gemeinschaftseigentums; ein Substanzeingriff in das Gemeinschaftseigentum, etwa durch Befestigungsvorrichtungen, ist für das Vorliegen einer baulichen Veränderung nicht Voraussetzung, so dass die Frage, ob Befestigungsvorrichtungen hier angebracht wurden, offen bleiben kann (vgl. Suilmann, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 14, Rn. 10; Merle, ebd., § 22, Rn. 191 mwN; AG Oberhausen v. 10.05.2011 ‒ 34 C 130/10, ZMR 2012, 62-63). Angesichts der Tatsache, dass das Anlehngewächshaus der Beklagten von außen deutlich sichtbar ist, wie die Lichtbilder (Anlage K2) zeigen, liegt schon deshalb eine deutliche Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Gemeinschaftseigentums vor. Der Einwand, dass auch in anderen Bereichen des Gemeinschaftseigentums bauliche Veränderungen von anderen Wohnungseigentümern vorgenommen worden seien, hat nicht zur Folge, dass die Qualifizierung der Errichtung des Anlehngewächshauses durch die Beklagten als bauliche Veränderung entfiele. Daher wäre vorliegend nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer, deren Rechte davon beeinträchtigt sein können, erforderlich gewesen. Unstreitig liegt eine solche Zustimmung nicht vor. Insbesondere wurde hier auch nicht vorab die Zustimmung der Verwalterin eingeholt, was nach § 9 lit. 1 a. der GO ausreichend gewesen wäre. Die Beklagten können daher auf Beseitigung nach § 1004 BGB iVm. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG in Anspruch genommen werden. Selbst unzulässige bauliche Veränderungen in anderen Bereichen des Gemeinschaftseigentums führen nicht dazu, dass die bauliche Veränderung der Beklagten entgegen §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG ohne Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zulässig wäre. Ein unrechtmäßiger Zustand begründet ‒ wie auch im Bereich des Verfassungsrechts ‒ keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.

Im Ergebnis sind die Beklagten daher gegenüber der Klägerin gemäß § 1004 BGB i. V. m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, das Anlehngewächshaus von der zu ihrer Sondereigentumseinheit gehörenden Dachterrasse zu entfernen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 ZPO.

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