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WEG – Anspruch auf Herstellung eines Elektroanschlusses an einem Tiefgaragenstellplatz für ein noch nicht angeschafftes Elektroauto

AG München, Az.: 482 C 12592/14 WEG

Urteil vom 17.12.2014

I. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.04.2014 zu TOP 6.3:

WEG – Anspruch auf Herstellung eines Elektroanschlusses an einem Tiefgaragenstellplatz für ein noch nicht angeschafftes Elektroauto
Foto: Hanoi Photography / Bigstock

„Die Eigentümerversammlung genehmigt dem Miteigentümer Herrn … die Installation einer Steckdose beim Tiefgaragenstellplatz Nr. 348. Die Maßnahmen werden sach- und fachgerecht durchgeführt, die Verlegung der Leitung soll ausgehend vom Verteiler beim Stellplatz Nr. 278 mit einem separaten Stromzähler bis zum Stellplatz 348 gezogen werden. Der Verlauf des Kabels soll entlang der linken oder rechten Betonquerstütze, die sich an der Decke direkt vor den Stellplätzen entlang der Durchfahrt zieht, erfolgen. Je nach dem an welcher der beiden Querstützen das Kabel angebracht wird, wird entweder auf der Höhe des Stellplatzes Nr. 278 oder auf der Höhe des Stellplatzes Nr. 348 das Kabel über die Decke zur gegenüberliegenden Seite gebracht. Montiert wird die Steckdose im mittleren/hinteren Bereich der Seitenwand des Stellplatzes 348. Alle Kosten hinsichtlich der Anbringung der Steckdose, sowie des Unterhalts der Steckdose gehen zu Lasten des Eigentümers …. Der Stromverbrauch wird gemäß Ableseergebnis vom Verwalter mit dem betreffenden Eigentümer abgerechnet. Die Belastung erfolgt durch Umbuchung über die Jahresabrechnung. Im Falle des Verkaufs des Stellplatzes ist der Rückbau sach- und fachgerecht durchzuführen bzw. der Rechtsnachfolger in die Maßgaben einzubinden.

Der Versammlungsleiter verkündet, dass der vorab genannte Beschlussantrag mit obigem Wortlaut mit 1 Ja-Stimme und 0 Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt ist. Abgestimmt haben nur die Eigentümer von Stellplätzen in der Tiefgarage mit Ausnahme des Eigentümers Herrn … Negativbeschluss“

wird für ungültig erklärt.

II. Die Beklagten werden verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Genehmigung der Installation einer Steckdose – wie in Antrag 1 beschrieben – in einem Beschluss zuzustimmen.

III. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist in Ziffer III vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger und die Beklagten bilden zusammen die oben näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 30.04.2014 fasste die Gemeinschaft eine Reihe von Beschlüssen, von denen der Kläger den zu TOP 6.3 ergangenen angefochten hat. Ziel des Klägers ist die Genehmigung der Installation eines Stromanschlusses an seinem Tiefgaragenstellplatz für ein Elektroauto.

Er führt hierzu im Wesentlichen aus, dass der ablehnende Beschluss hinsichtlich des Antrags des Klägers auf Genehmigung der Installation eines Stromanschlusses in der Tiefgarage für ein Elektroauto nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, da er einen Anspruch auf Erteilung dieser Genehmigung bzw. Duldung habe.

Der Kläger beabsichtige, sich ein Elektroauto zuzulegen, sobald er einen entsprechenden Stromanschluss an seinem Tiefgaragenstellplatz Nr. 348 in der Tiefgarage der Anlage habe. Er habe sich hierzu durch die Firma … auf Empfehlung der Hausverwaltung beraten lassen, welche zu dem Schluss gelangt sei, dass eine Verbindung zu dem Wohnungsstromzähler des Klägers aufgrund der fehlenden Verbindung zwischen der Tiefgarage und dem Wohnblock nicht möglich sei, jedoch ein mit einem separaten Stromzähler versehendes Kabel bis zum Stellplatz des Klägers Nr. 348 vom Verteiler beim Stellplatz Nr. 278 gezogen werden könne. An der Decke würden sich bereits entlang einer Betonquerstütze unmittelbar von den Stellplätzen entlang der Durchfahrt entsprechende andere Kabel befinden. Der verbrauchte Strom des Klägers wäre dann bei der Abrechnung vom jeweiligen Gesamtverbrauch der Tiefgarage abzuziehen. Ein entsprechendes Angebot habe die Firma … mit Datum vom 04.12.2013 vorgelegt. Nach Rücksprache mit der Verwaltung, die davon ausgegangen sei, dass es sich hierbei um eine bauliche Veränderung mit Zustimmungspflicht der übrigen Eigentümer handele, habe der Kläger den dann abgelehnten Antrag in der Eigentümerversammlung gestellt.

Überraschenderweise hätte die Verwaltung sowie die anwesenden Beiräte jedoch von vornherein eine Ablehnung dieses Antrags empfohlen. Beweggründe waren dem Kläger bis dahin nicht mitgeteilt worden. So sei es entgegen der Meinung der Verwaltung nicht zutreffend, dass es sich in Bezug auf einen separaten Zähler um eine „komplizierte Sache“ handle. Auch das Argument „den Anfängen zu wehren“ sei nicht stichhaltig, da wohl nicht damit zu rechnen sei, dass sich bald viele andere Eigentümer ebenfalls Elektroautos zulegen würden. Auch sei unzutreffend, dass die benötigte Leistung des Anschlusses als kritisch beurteilt worden. Der Elektrofachmann …, der dem Kläger ausdrücklich von der Verwaltung empfohlen worden sei, habe die Installation dieser Steckdose weder technisch noch fachlich als ein Problem angesehen.

Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Zustimmung, da es sich nicht um eine bauliche Veränderung handle. Zudem würde durch die geplante Maßnahme (die Installation des Stromanschlusses erfolge im Sondereigentum des Klägers) weder das Gemeinschaftseigentum noch die Rechte der anderen Wohnungseigentümer über § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt. Zusätzliche Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum für das Verlegen der Kabel seien nicht erforderlich, da das Kabel parallel zu anderen bereits vorhandenen Kabeln und Leitungen verlegt werden könne. Eine Überlastung des Verteilerkastens oder der vorhandenen Stromversorgung sei nach Angaben der Fachfirma nicht zu befürchten.

Der Beschluss sei aber auch bereits aus formellen Gründen für unwirksam zu erklären, da die Art und Weise der Abstimmung und der Abfrage der entsprechenden Stimmen durch die Verwaltung den Kläger in seinen Rechten verletzt hätten. Bei der Abstimmung über den streitgegenständlichen Antrag sei die Verwaltung von der sonst ausgeübten Handhabung abgewichen und habe zuerst die Ja-Stimmen abgefragt.

Der Anspruch auf Genehmigung der Maßnahme ergebe sich aus § 21 Abs. 4 i. V. m. § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG. Es handle sich hierbei um eine erstmalige Ausstattung des Tiefgaragenstellplatzes mit dem für ein Elektroauto erforderlichen Stromanschluss. Der Kläger sei darauf angewiesen, dass sein Stellplatz, der in seinem Sondereigentum steht, mit einem entsprechenden Stromanschluss ausgestattet werde. Hierbei handelt es sich um eine Maßnahme zur Herstellung eines Energieversorgungsanschlusses zu Gunsten des Klägers. Die übrigen Wohnungseigentümer seien daher zur Duldung dieser Maßnahme verpflichtet, da diese erforderlich sei, dass der Kläger an seinem Tiefgaragenstellplatz ein Elektroauto aufladen könne.

Aus diesem Grund sei auch dem Verpflichtungsantrags stattzugeben.

Der Kläger beantragt daher:

Wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Sie führen im Wesentlichen aus, dass die nur vage Aussicht, dass der Kläger vielleicht irgendwann ein Elektroauto erwerben könnte, keinen Anspruch auf Installation eines Elektroanschlusses bereits zum heutigen Zeitpunkt begründe.

Es handle sich auch nicht um eine Maßnahme im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG. Durch die vom Kläger beabsichtigte Maßnahme werde auch fremdes Sondereigentum, nämlich beim Stellplatz Nr. 278 tangiert. Darüber hinaus sei Sinn und Zweck des § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG lediglich, einen gewissen Mindeststandard zu gewährleisten. Dieser Mindeststandard sei in der streitgegenständlichen Wohnanlage längst erfüllt, da ausreichend Energieversorgungsanschlüsse vorhanden seien. Es handle sich bei der vom Kläger gewünschten Maßnahme nicht um eine erstmalige Herstellung eines Energieversorgungsanschlusses. Die Verwaltung habe zulässigerweise darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine bauliche Veränderung handeln würde. Gemäß § 5 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung dürfen bauliche Veränderungen jedoch grundsätzlich nicht vorgenommen werden.

Abgesehen davon, dass es insoweit auf einen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG nicht ankomme, würden solche Nachteile auch vorliegen. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes seien künftig auch die übrigen Eigentümer dann berechtigt, im Bereich ihres Stellplatzes eine Steckdose zu installieren, um dadurch diverse Elektrogeräte oder Elektroautos anschließen zu können. Hierfür sei das gemeinschaftliche Strom- und Leitungsnetz aber nicht ausgerichtet. Bestritten werde, dass die Installation einer Steckdose weder technisch noch fachlich ein Problem sei. Auch würde mit der geplanten zusätzlichen Stromleitung das Brandrisiko in der Tiefgarage erhöht werden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die vom Kläger gewünschten Einrichtungen zum Gemeinschaftsordnung werden würden. Durch eine generelle Regelung per Beschluss, dass der Kläger sämtliche Kosten übernehmen würde, würde bedeuten, dass der Kostenverteilerschlüssel auf Dauer geändert würde. Dies ist jedoch von § 16 Abs. 4 WEG nicht gedeckt. Auch würde es einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten, wenn die Verwaltung den gesonderten Verbrauch „herausrechnen“ müsse. Hierzu sei der Verwalter nicht verpflichtet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 10.12.2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 Nr. 4, 62 Abs. 1 WEG.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Die Ablehnung des Beschlussantrages des Klägers widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Kläger einen Anspruch auf Duldung der begehrten Maßnahme, nämlich die Installation einer Steckdose an seinem Tiefgaragenstellplatz zum Zwecke des Aufladens eines Elektroautos gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 6 WEG hat.

Bei der begehrten Maßnahme handelt es sich um die erstmalige Herstellung eines Energieversorgungsanschlusses am Tiefgaragenstellplatz.

Zwar ist Sinn des § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG, einen gewissen Mindeststandard zu gewährleisten mit der Folge, dass nach dieser Vorschrift nur die erstmalige Herstellung der genannten Einrichtung verlangt werden kann, nicht jedoch die Installation einer weiteren (zweiten) Anlage. Um eine derartige Herstellung und Gewährleistung eines Mindeststandards handelt es sich hier, da zum einen unstreitig an dem streitgegenständlichen Tiefgaragenstellplatz noch kein Elektroanschluss vorhanden ist und es sich bei dem Stromanschluss für Elektroautos nicht um „normale“ Steckdosen handelt, die auch für andere Elektrogeräte geeignet sind. § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG ist in Zeiten des Klimawandels und der auch von Seiten der Politik beschworenen Energiewende dahingehend auszulegen, dass auch Stromanschlüsse für Elektroautos zu den Mindeststandards der Elektroversorgung gehören. Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum sind nicht erforderlich, da vorhandene Kabelschächte benützt werden können. Insoweit wird fremdes Sondereigentum nicht tangiert. Darüberhinaus hat der Gesetzgeber in § 21 Abs. 6 einen Ausgleich für eventuelle Nachteile, die den Wohnungseigentümern aus ihrer Duldungspflicht erwachsen können, vorgesehen. Demnach ist der Kläger, zu dessen Gunsten eine Maßnahme im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG durchgeführt wird, den anderen Wohnungseigentümern zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese gegebenenfalls durch die Maßnahme erleiden (vergleiche Bärmann, WEG, 12. Auflage, § 21 Randziffer 162 ff, Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage, § 21 Randziffer 70, Jennißen, WEG, 4. Auflage, § 21, Randziffer 101 ff und Niedenführ, WEG, 11. Auflage, § 21, Randziffer 128 ff).

Voraussetzung der Duldung dieser Maßnahme ist auch nicht, dass der Kläger bereits ein Elektroauto hat. Es reicht hierfür die konkrete Absicht, sich ein solches anzuschaffen, sobald der erforderliche Stromanschluss gelegt ist.

Wegen § 21 Abs. 6 WEG handelt es sich bei der im Beschluss enthaltenen Kostentragungsregelung auch nicht um eine Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 4 WEG, sondern um die Bekräftigung des in § 21 Abs. 6 WEG geregelten Schadensersatzanspruches.

Zwar besteht keine Verpflichtung der Verwaltung auf Ablesung des Stromzählers des Klägers, jedoch durchaus eine Verpflichtung der Verwaltung, im Rahmen der Einzelabrechnungen zum Sondereigentum gehörende Kosten, die zunächst über das Gemeinschaftskonto verauslagt werden, auf die einzelnen Eigentümer zu verteilen. Um eine solche Zuordnung handelt es sich auch bei dem streitgegenständlichen Stromanschluss und dem entsprechenden Stromverbrauch.

Aus dem Beschlusstext ergibt sich nicht, dass die Verwaltung ablesen soll, sondern lediglich, dass der Stromverbrauch gemäß Ableseergebnis vom Verwalter mit dem betreffenden Eigentümer abgerechnet wird. Hierdurch ist nicht impliziert, dass die Verwaltung auch den Stromzähler ablesen muss. Der Beschlusstext spricht lediglich vom „Ableseergebnis“, das gegebenenfalls auch vom Kläger der Verwaltung mitgeteilt werden kann.

Als Unterlegene tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 WEG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wurde bereits in der mündlichen Verhandlung auf 2.312,03 € festgesetzt.

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