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WEG – Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens

Eigentumsfragen in Wohnungseigentümergemeinschaften: Wer hat Anspruch auf die Mitbenutzung des Gemeinschaftsvermögens?

In dem vorliegenden Fall der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschäftigt sich das Landgericht München mit der Frage des Mitgebrauchs des Gemeinschaftsvermögens. Im Zentrum des Konflikts steht die „Rezeption“, die als Sondereigentum von der GdWE gehalten wird. Die klagende Partei fordert einen Anspruch auf Mitgebrauch dieses spezifischen Gemeinschaftsvermögens ein. Dieser Fall wirft entscheidende Fragen auf bezüglich der Nutzung und Rechte des Gemeinschaftsvermögens in Wohnungseigentümergemeinschaften und den damit verbundenen Rechtsbeziehungen der einzelnen Wohnungseigentümer.

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Rechte und Pflichten in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Laut dem Urteil des Amtsgerichts Sonthofen, gegen welches Berufung eingelegt wurde, besteht kein Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens. Dies ist in Übereinstimmung mit diversen juristischen Werken und Kommentaren zum Wohnungseigentumsgesetz. Die Berufungskammer plant, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Analyse der Entscheidungsgründe

Die Entscheidungsgründe des Gerichts basieren auf der Auslegung des § 16 Abs. 1, S. 3 WEG. Dieser ist auf das Gemeinschaftsvermögen, zu dem die Rezeption zählt, nicht anwendbar. Die Klägerin hätte somit keinen Anspruch auf Mitgebrauch der Rezeption, die im Sondereigentum der GdWE steht. Die Entscheidungsgründe des Gerichts sind durch vorgängige gründliche Überprüfung bestätigt worden.

Bewertung der Berufung und Ausblick

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet, wie das Landgericht München feststellt. Die Klägerin scheint die rechtliche Unterscheidung zwischen Gemeinschaftseigentum und Gemeinschaftsvermögen nicht vollständig zu erfassen. Das Urteil betont, dass diese Unterscheidung entscheidend für die Rechtsbeziehungen in Wohnungseigentümergemeinschaften ist und dass der Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens nicht gegeben ist. Somit kann dieser Fall als Präzedenzfall für zukünftige Fragen der Nutzung und der Rechte am Gemeinschaftsvermögen innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften dienen.


Das vorliegende Urteil

LG München – Az.: 36 S 6500/22 WEG – Beschluss vom 08.11.2022

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Sonthofen vom 03.05.2022, Az. 4 C 304/20 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass diese im Ergebnis offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, wobei das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht voraussetzt, dass die Aussichtslosigkeit quasi auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Überprüfung sein.

Weiterhin kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Soweit die Kammer weitere Erwägungen anstellt, handelt es sich sämtlich um Gesichtspunkte, die nach hiesiger Einschätzung im schriftlichen Verfahren ausreichend erörtert werden können.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO):

1. Die Klägerin verkennt, dass die „Rezeption“ im Sondereigentum der GdWE steht und nicht zum Gemeinschaftseigentum, sondern zum Gemeinschaftsvermögen zählt, auf das § 16 Abs. 1, S. 3 WEG nicht anwendbar ist. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens (vgl. LehmannRichter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 174; BeckOGK/Falkner, 1.6.2022, WEG § 9a Rn. 274, 275; MüKoBGB/Burgmair, 8. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 44; Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rz. 20).

1.1. Das erstinstanzliche Gericht hatte zunächst (zutreffend) im Tatbestand ausgeführt, dass der Rezeptionsraum eine Teileigentumseinheit ist, die im Eigentum der WEG steht, dies sodann aber mit Beschluss vom 20.06.2022 als „offensichtliche Unrichtigkeit gem. § 319 ZPO“ dahingehend berichtigt, dass es sich bei dem Rezeptionsraum um eine mit der Sondereigentumseinheit 101b verbundene Sondernutzungsrechtsfläche handelt, welche im Jahr 2019 von der WEG erworben wurde.

Der als Anl. K 1 vorgelegte Grundbuchauszug des Grundbuchs von … Bd. 30 Bl. 1213 (Teileigentumsgrundbuch), weist allerdings – wie zunächst im Tatbestand auch angegeben – insoweit eine Teileigentumseinheit mit einem MEA von 11,93/10.000, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Kiosk und der Rezeption, im neuen Aufteilungsplan mit Nr. 101b bezeichnet, aus. Als Eigentümer ist die … angegeben (Auflassung vom 31.01.2019, Eintragung am 25.07.2019).

Eine strikte Bindung (ohne Ausnahmen) an die von der 1. Instanz gefundene Tatsachengrundlage besteht für das Berufungsgericht nicht, § 529 ZPO. Das Festhalten an einer erkannt falschen Tatsachengrundlage der 1. Instanz ist unzumutbar und widerspricht der Gerechtigkeit. Deshalb ist eine Neubewertung der Tatsachengrundlage im Interesse der materiellen Gerechtigkeit möglich, wenn auf Grund Vorliegens „konkreter Anhaltspunkte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen“ bestehen (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, Rn. 1). So ist es hier.

1.2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Hieraus ergibt sich unmittelbar, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Trägerin eigenen Vermögens sein kann. § 9a Abs. 3 WEG bezeichnet dieses Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Gemeinschaftsvermögen. Dieser Begriff ist präziser als der bisher für dieses Vermögen verwendete Begriff des Verwaltungsvermögens. Zum Gemeinschaftsvermögen zählen alle durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erworbenen Sachen und Rechte I wie hier die Sondereigentumseinheit 101b I sowie die entstandenen Verbindlichkeiten (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 137, 138).

1.3. Das Gemeinschaftsvermögen repräsentiert neben dem Sonder- und dem Gemeinschaftseigentum, das im Eigentum der Wohnungseigentümer steht, die dritte Vermögenssphäre des Wohnungseigentumsrechts. Ein Gegenstand kann stets nur einer dieser drei Vermögenssphären zugeordnet werden. Ob er zum Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum oder Gemeinschaftsvermögen gehört, ist eine rein sachenrechtliche Frage (LehmannIRichter/Wobst, aaO Rz. 169).

1.4. Das Gemeinschaftsvermögen unterscheidet sich grundlegend vom gemeinschaftlichen Eigentum. Die beiden Vermögensmassen müssen daher strikt voneinander getrennt betrachtet werden. Das Gemeinschaftsvermögen steht im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das gemeinschaftliche Eigentum steht hingegen eigentumsrechtlich den Wohnungseigentümern als Teilhabern in einer Gemeinschaft nach Bruchteilen zu (BGH NJW 2011, 1351 Rn. 7; vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 137, 138).

1.5. Ein Raum des Gebäudes oder eine Freifläche kann zum Gemeinschaftseigentum oder zum Gemeinschaftsvermögen gehören. Erwirbt die Gemeinschaft – wie hier – selbst Grundbesitz (z.B. ein angrenzendes Grundstück als Parkfläche oder eine Sondereigentumseinheit als Hausmeisterwohnung oder einen Sondereigentums-Kellerraum als Lagerraum), ist dieser wie jeder andere Gegenstand des Verwaltungsvermögens zu behandeln (vgl. BeckOGK/ Falkner, 1.6.2022, WEG § 9a Rn. 263-264.1). Die Nutzung es Gemeinschaftsvermögens erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Stellung als Eigentümerin oder Rechteinhaberin, ohne dass es einer besonderen Regelung bedürfte.

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, den Wohnungseigentümern insoweit § 16 Abs. 1, S. 3 WEG entsprechende Nutzungsrechte einzuräumen (D/S/Z, aaO Kap. 3 Rz. 13), und zwar weder im Wortlaut des § 16 Abs. 1 S. 3 WEG, noch durch Verweisung in § 9a Abs. 3 WEG. Am Gemeinschaftsvermögen sollten keine automatischen Individualrechte der einzelnen Wohnungseigentümer begründet werden, weil dies der „bloßen Hilfsfunktion“ des Gemeinschaftsvermögens für die Verwaltung nicht gerecht würde und die wirtschaftliche Verwertung desselben erschweren könnte (D/S/Z, aaO Kap. 7, Rz. 20). Insoweit ist der „Zugriff“ der Eigentümer auf das Gemeinschaftsvermögen schwächer ausgestaltet, was freilich mit der fehlenden Rechtsinhaberschaft der Eigentümer erklärbar ist. Diese haben eben nicht unmittelbare, sondern nur mittelbare, über die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft abgeleitete, Rechte am Gemeinschaftsvermögen (BeckOGK/Falkner, 1.6.2022, WEG § 9a Rn. 274, 275)

Verwaltungs- und Benutzungsregelungen (also auch Gebrauchsregelungen) durch Mehrheitsbeschluss, sind – soweit es keine entgegenstehende Vereinbarung gibt – möglich, da § 9a Abs. 3 WEG explizit auf § 19 Abs. 1 WEG verweist (vgl. D/S/Z, aaO). Erwirbt die Gemeinschaft z.B. ein angrenzendes Grundstück als Parkfläche, so kann durch Beschluss geregelt werden, welche Wohnungseigentümer welchen Stellplatz nutzen dürfen. Den Stellplatznutzern sollte bewusst sein, dass ihr Gebrauchsrecht durch eine neue Beschlussfassung – deren Ordnungsgemäßheit unterstellt – wieder aufgehoben werden könnte. Dies folgt aus der nur mittelbaren Beteiligung des Wohnungseigentümers über die Gemeinschaft an dem Nachbargrundstück. Hingegen ist der Wohnungseigentümer als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum dessen unmittelbarer Rechtsinhaber und daher stärker – über § 16 Abs. 1 S. 3 WEG – in seinen Gebrauchsrechten geschützt (BeckOGK/ Falkner, 1.6.2022, WEG § 9a Rn. 263-264.1).

Hier sind – soweit ersichtlich – keine Beschlüsse über Verwaltungs- und Benutzungsregelungen gefasst worden.

2. Nachdem also die Wohnungseigentümer, deren Ansprüche die Klägerin als Zessionarin bzw. Prozessstandschafterin geltend macht, vorliegend weder aus Gesetz noch aufgrund entsprechender Beschlüsse einen direkten Anspruch auf Nutzung der Rezeption haben, sind weder der Unterlassungs-, noch der hilfsweise erhobene Feststellungs-, noch der Leistungsantrag auf Ermöglichen des Zutritts begründet, ebenso wenig besteht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weswegen das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung dringend anregt. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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