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WEG: Anspruch des Sondereigentümers auf eigenen Briefkasten

LG Itzehoe 11. Zivilkammer, Az.: 11 S 98/12, Urteil vom 12.04.2013

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Eutin vom 22.10.2012 (Az. 29 C 14/12) abgeändert:

1. Der Beschluss zu TOP 19 aus der Versammlung der Wohnungseigentümer der WEG H, … S, vom 31.03.2012 (Beschlussprotokoll Anlage K 5, S. 11) wird für ungültig erklärt, soweit den Klägern darin verweigert wird, im äußeren Hauseingangsbereich einen eigenen Briefkasten zu installieren.

2. Die Beklagten werden verurteilt, die Anbringung eines üblicher Herstellungsart entsprechenden Standard-Briefkastens im Format C 4 durch die Kläger im Bereich der Hauseingangstür zu dulden.

II. Im Übrigen bleibt es bei den Anordnungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kläger verlangen von dem Beklagten im zweiten Rechtszug die Duldung der Installation eines eigenen Briefkastens.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird auf die nachfolgenden, in der Berufungsinstanz entscheidungserheblichen Passagen des amtsgerichtlichen Tatbestands Bezug genommen:

WEG: Anspruch des Sondereigentümers auf eigenen Briefkasten
Foto: wittayayut/Bigstock

Unter TOP 19 lehnten die Wohnungseigentümer einen Antrag der Klägerin zu 1), Briefkästen je Eigentümer an der Außenseite der Anlage anzubringen, sowie einen Antrag der Klägerin zu 1), einen separaten Briefkasten im äußeren Hauseingangsbereich zur alleinigen Nutzung der Kläger zu 1) und 2) anzubringen, mit Mehrheit ab. Zum damaligen Zeitpunkt verfügt die Wohnungseigentumsanlage lediglich über einen gemeinsamen Briefkasten, zu dem lediglich die Beklagten zu 3) und 4) einen Schlüssel haben. Dieser Briefkasten wird dann nach Bedarf durch die Beklagten zu 3) und 4) geleert und auf dem Tresen der Rezeption des Hotels ausgelegt.

Die Kläger sind der Auffassung, es werde durch diese Praxis gegen das Postgeheimnis verstoßen.

Die Beklagten zu 1) sind der Auffassung, es bestehe für separate Briefkästen kein Bedarf. Sämtliche Wohnungen würden ohnehin als Ferienwohnungen vermietet, so dass ohnehin keine Post anfalle.“

Das Amtsgericht hat der Anfechtungsklage, die insgesamt sechs auf der Eigentümerversammlung vom 31.03.2012 gefasste Beschlüsse betraf, hinsichtlich eines Anfechtungspunktes stattgegeben. Im Übrigen, auch hinsichtlich der im zweiten Rechtszug noch streitgegenständlichen Anbringung von Briefkästen, hat es die Klage abgewiesen. Auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, der Beschluss zu TOP 19 entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Kläger hätten weder einen Anspruch auf Herstellung einer Briefkastenanlage noch auf Anbringung eines Briefkastens ausschließlich für sich. Die Errichtung einer Briefkastenanlage für sämtliche Wohnungseigentümer sei unter Berücksichtigung aller Umstände mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, zumal es sich bei den in der Anlage befindlichen Wohnungen ausschließlich um Ferienwohnungen handele, die kommerziell vermietet würden. Den Feriengästen sei jedoch zuzumuten, ihre Post vom Tresen des Hotels abzuholen, da ohnehin selten Posteingänge zu erwarten seien. Die Situation sei vergleichbar mit dem Aufenthalt in einem Hotel. Auch die Ablehnung eines Briefkastens ausschließlich für die Kläger habe ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen. Zum einen sei zu befürchten, dass später auch andere Wohnungseigentümer einen entsprechenden Wunsch äußern würden; unterschiedliche Briefkästen hätten jedoch negative Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild der Anlage. Zum anderen hätten die Kläger nicht vorgetragen, weswegen ihr Wohnungseigentum unbedingt mit einem Briefkasten ausgestattet sein müsse.

Mit ihrer Berufung erstreben die Kläger nur noch die Ungültigkeitserklärung des Beschlusses zu TOP 9 der Versammlung, soweit ihnen darin verweigert wird, im äußeren Hauseingangsbereich einen eigenen Briefkasten zu installieren, sowie die Verurteilung der Beklagten, die Anbringung eines Standardbriefkastens üblicher Herstellungsart im Format C im Bereich des Hauseingangs zu dulden.

Die Kläger beantragen, wie erkannt.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszug wird Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet. Es kann offenbleiben, ob die Entscheidung des Amtsgerichts betreffend TOP 19 der Versammlung rechtsfehlerhaft ist; jedenfalls rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die besseren Gründe sprechen dafür, der Klage hinsichtlich des TOP 19 der Versammlung stattzugeben.

Der Beschluss zu TOP 19, in welchem die Wohnungseigentümer den Klägern die Genehmigung versagt haben, einen separaten Briefkasten ausschließlich für ihre Post am Gemeinschaftseigentum anzubringen, ist für ungültig zu erklären, denn er widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Im Übrigen können die Kläger von den Beklagten als Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung die Duldung der Anbringung eines Briefkastens, wie in Ziff. 2. der Urteilsformel bezeichnet, verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus § 21 Abs. 4 WEG. Nach dieser Bestimmung kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

1. Einer ordnungsgemäßen Verwaltung in diesem Sinne entspricht es, dass eine Anbringung von Briefkästen im Hauseingangsbereich durch diejenigen Wohnungseigentümer, die einen solchen für sich beanspruchen, zumindest solange zu dulden ist, bis sich die Wohnungseigentümer zu der Installation einer Briefkastenanlage für das gesamte Objekt entschlossen haben. Allein eine solche Entscheidung entspricht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen. Diese in § 21 Abs. 4 WEG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sind im Lichte des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG auszulegen, welches auch das Brief- und Postgeheimnis schützt. Denn in die unbestimmten Rechtsbegriffe des Zivilrechts fließen im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch Grundrechte und mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte ein (vgl. BVerfG NJW 2003, 2815). Aufgrund der hier praktizierten Handhabung der Postverwahrung und -zuteilung besteht die Befürchtung, dass das nach Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Brief- und Postgeheimnis der Kläger verletzt wird. Der Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst nicht nur den Inhalt der Kommunikation, sondern auch die Daten der am Kommunikationsprozess beteiligten Personen (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 10 Rn. 9). Gelangt die Briefpost nicht in einen dem jeweiligem Empfänger zugeordneten Briefkasten, so ist nie ganz auszuschließen, dass eine Vielzahl von Personen über die Art der Postsendung oder deren Absender Kenntnis erlangt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Post auf einem allgemeinzugänglichen Rezeptionstresen abgelegt wird, wie dies in der Anlage K 9 fotografisch dokumentiert ist. Indes hat der einzelne Wohnungseigentümer regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, dass den übrigen Wohnungseigentümern nicht offenbart wird, welche Tages- oder Wochenzeitung er bezieht, vom wem er sonst Postsendungen erhält und ob sich darunter womöglich auch Mahnschreiben von Inkassoinstituten befinden. Diesem Interesse wird allein durch die Errichtung von separaten Briefkästen Rechnung getragen.

Die bislang in der Wohnungseigentumsanlage herrschende Praxis mag für eine gewisse Übergangszeit vertretbar sein, insbesondere wenn nicht allzu viele Postsendungen erwartet werden, was bei der Ferienwohnungsanlage der Fall sein mag. Eine Dauerlösung kann sie jedoch aus den oben genannten Gründen auch hier nicht darstellen. Auch bei einer Ferienwohnung ist es nicht ausgeschlossen, dass diese nicht nur zu Urlaubszwecken, sondern längerfristig genutzt wird. Dann aber muss das Postgeheimnis durch die Bereitstellung von Briefkästen gewährleistet werden.

2. Der Anspruch der Kläger ist auf eine uneingeschränkte Duldung eines Briefkastens gerichtet. Eine zeitliche Beschränkung, etwa bis zur Umsetzung einer von den Wohnungseigentümern beschlossenen Installation einer einheitlichen Briefkastenanlage für das gesamte Objekt, kommt nicht in Betracht. Sollte derartiges geschehen, wäre es bei etwaigen Streitigkeiten über einen von den Klägern genutzten individuellen Briefkasten zunächst Sache der Eigentümergemeinschaft, sich hiermit zu befassen. Ein Tätigwerden der Kammer ist derzeit nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Nach § 543 Abs. 2 ZPO lässt das Berufungsgericht die Revision zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Das ist hier nicht der Fall. Es handelt es um eine Problematik, die in erster Linie die streitgegenständliche Ferienwohnanlage betrifft und deshalb einer Verallgemeinerung nicht zugänglich ist.

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