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WEG – Anspruch eines Eigentümers auf Entfernung einer Trennwand

LG München I – Az.: 36 S 1546/22 WEG – Urteil vom 20.10.2022

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 14.12.2021, Az. 1294 C 13676/21 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Zusammenfassung

Ein Wohnungseigentümer klagt gegen seine Eigentümergemeinschaft, um eine Trennmauer, die zwischen zwei nebeneinanderliegenden Stellplätzen in der gemeinschaftlichen Tiefgarage errichtet wurde, entfernen zu lassen. Der Kläger argumentiert, dass die Mauer nicht im Aufteilungsplan vorgesehen ist und keine tragende Funktion hat. In der Eigentümerversammlung wird der Antrag auf Entfernung der Mauer abgelehnt, jedoch gibt das Amtsgericht der Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage statt und erklärt den Negativbeschluss für ungültig. Der Kläger hat aus §§ 18 Abs. 2 Nr.1, 19 Abs. 2 Nr.2 WEG einen Anspruch auf die Entfernung der Mauer, da diese eine wesentliche Abweichung zum Aufteilungsplan darstellt und ihre Entfernung mit keinem Nachteil für die anderen Wohnungseigentümer verbunden ist. Der Beklagte legt Berufung ein und argumentiert, dass die Mauer im Aufteilungsplan vorgesehen war und die Eigentümergemeinschaft den Willen habe, die Mauer zu belassen. Das Berufungsgericht entscheidet, dass die Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage zulässig und begründet sind. Der Kläger hat aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch auf die begehrte Beschlussfassung „Entfernung der Mauer“. Die Berufung wird zurückgewiesen. […]

Gründe

Der Kläger ist Mitglied der rubrizierten WEG und seit dem Jahr 2019 Eigentümer der Wohnung Nr. 13 sowie der Tiefgaragen-Stellplätze 22 und 23. Die Stellplätze Nr. 22 und 23 liegen nebeneinander, neben dem Stellplatz 22 befindet sich die Tiefgaragenzufahrt. Zwischen der Zufahrt und dem Stellplatz wurde mit Erstellung der Anlage im Jahr 1978 eine Mauer errichtet, an der ein Garagentor befestigt ist, mit dem die beiden Stellplätze abgeschlossen werden können. Die Trennmauer ist nicht tragend. Im Aufteilungsplan ist sie nicht vorgesehen.

In der Eigentümerversammlung vom 26.07.2021 wurde der Antrag des Klägers zu TOP 9 auf Entfernung der Mauer mehrheitlich abgelehnt.

Mit der vorliegenden Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage verfolgt der Kläger sein Anliegen, die Trennmauer zu entfernen, weiter. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der in erster Instanz gestellten Anträge wird im übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Endurteils vom 14.12.2022 (Bl. 56/ 69 d.A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 14.12.2021 den zu TOP 9 in der Eigentümerversammlung vom 26.07.2021 gefassten Negativbeschluss für ungültig erklärt und der korrespondierende Beschlussersetzungsklage stattgegeben. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen, plangerechten Zustands des Gemeinschaftseigentums aus §§ 18 Abs. 2 Nr.1, 19 Abs. 2 Nr.2 WEG zu. Dieser Anspruch sei nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, da die plangerechte Herstellung weder mit tiefgreifenden Eingriffen in das Bauwerk noch mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Auch liege keine nur unwesentliche Abweichung vom Aufteilungsplan vor. Die Erwerbsverträge zwischen den Ersterwerbern und dem Bauträger, die nach Beklagtenvortrag sämtlich die Mauer vorgesehen hatten, seien für den Soll-Zustand nicht maßgeblich.

Gegen das dem Beklagtenvertreter am 13.01.2022 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 08.02.2022, eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag, form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese fristgerecht innerhalb der verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 13.04.2022 (Bl. 88/98 d.A.) begründet. Die Beklagte trägt im wesentlichen – neben der Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag – vor, dass sich aus dem streitgegenständlichen Beschluss der Wille der GdWE ergebe, die im Aufteilungsplan nicht vorhandene Mauer bestehen zu lassen. Hier könnten keine anderen Maßstäbe gelten, als wenn die GdWE einen Beschluss über die Errichtung einer Mauer als bauliche Veränderung fassen würde; diese sei dann auch nicht konform zum Aufteilungsplan. Gerade durch das WEMoG habe den Eigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden sollen, nachträgliche Änderungen des Bau-Solls mehrheitlich zu beschließen. Die Maße der Garagenplätze würden der Garagenverordnung entsprechen. Dem gesteigerten Platzbedarf des Klägers wegen seiner breiten Fahrzeuge müsse die Beklagte nicht Folge leisten. Die streitgegenständliche Mauer tangiere die Einzelgaragen des Klägers auch gar nicht, da sie sich nicht auf, sondern neben der Fläche von Stellplatz 22 befinde. Wenn die Mauer entfernt werden würde, hätte der Stahlrahmen des Tors keinen festen Anschluss an den Baukörper mehr. Ebenso werde nicht hinreichend darauf eingegangen, dass sich an der Mauer auch der Lichtschalter für das Garagenlicht, die Notausgangsbeleuchtung und ein Warnschild befinde. Der Beschlussersetzungsantrag sei unbegründet, da er sich nicht auf das Schwingtor, die Versetzung des Lichtschalters, der Notausgangsbeleuchtung und des Warnschilds erstrecke. Insoweit habe auch keine Vorbefassung stattgefunden.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 13.04.2022 (Bl. 88/98 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zuletzt:

1. Das Endurteil des AG München vom 14.12.2021, Az. 1294 C 13676/21 WEG, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt in seiner Berufungserwiderung vom 13.05.2022 (Bl. 101/ 110 d.A.) insbesondere aus, dass sich der Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Negativbeschlusses in der Ablehnung des klägerischen Antrags erschöpfe. Eine nachträgliche Änderung des Bau-Solls werde damit hingegen nicht beschlossen. Für letzteres würde auch die Beschlusskompetenz fehlen, da durch einen bloßen Mehrheitsbeschluss nicht in Bereiche eingegriffen werden könne, die – wie die Aufteilungspläne – Gegenstand einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer seien; hierfür sei eine Vereinbarung erforderlich. Die Möglichkeit, bauliche Veränderungen mit einfacher Mehrheit zu beschließen, bestehe nur insoweit, als dadurch die Aufteilungspläne und die Rechte der einzelnen Eigentümer nicht „belastet“ würden. Auch wäre hier die Grenze des § 20 Abs. 4 WEG zu beachten. Der Anspruch sei nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, da die Mauer eine wesentliche Abweichung zum Aufteilungsplan darstelle und ihre Entfernung mit keinem Nachteil für die anderen Wohnungseigentümer verbunden sei; auch unverhältnismäßig hohe Kosten entstünden nicht. Bei der Verlegung des Lichtschalters, der Notausgangsbeleuchtung und des Warnschilds handele es sich lediglich um Details der Beschlussumsetzung, die im Beschluss nicht notwendigerweise mit ausgeführt werden müssten. Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderung vom 11.08.2018 (Bl. 95/99 d.A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat am 20.10.2022 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2022.

II.

Die Berufung der Klagepartei ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Berufung wurde frist- und formgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt.

2. Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage zulässig und begründet sind und das Amtsgericht daher zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben hat.

Im Einzelnen ist hierzu folgende ergänzende Begründung seitens des Berufungsgerichts veranlasst:

2.1. Die Klage ist zulässig.

a) Für die Anfechtungs- wie für die Beschlussersetzungsklage ist nach neuem Recht die GdwE die richtige Beklagte, § 40 Abs. 2 wEG.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis ist hinsichtlich beider Komplexe (Beschlussanfechtung und -ersetzung) gegeben.

aa) Auch für die Anfechtung eines Negativbeschlusses besteht nach h.M. grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis (BGH NJw 2015, 3713 Rn. 8; 2012, 1722 Rn. 5; 2011, 2660 Rn. 18). Dieses folgt zwar nicht daraus, dass ein Negativbeschluss den Kläger in seinen Rechten beeinträchtigt. Ein Negativbeschluss entfaltet gegen eine erneute Beschlussfassung über denselben Gegenstand keine Sperrwirkung. Ein Rechtsschutzbedürfnis folgt in der Regel aber daraus, dass ein Wohnungseigentümer durch einen Negativbeschluss in seinem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums aus § 18 Abs. 2 WEG – das auch bei Negativbeschlüssen Platz greift – verletzt wird (vgl. BeckOK WEG/Elzer, 50. Ed. 30.9.2022, WEG § 44 Rn. 107).

bb) Da die Gerichte nur in Ausnahmefällen in den Gestaltungsspielraum der Eigentümer eingreifen dürfen, ist für ein Rechtsschutzbedürfnis einer Beschlussersetzungsklage erforderlich, dass zuvor Bemühungen um eine Beschlussfassung auf einer Eigentümerversammlung erfolglos geblieben sind. Dies erfordert im Regelfall, dass der Kläger mit einem konkreten Beschlussantrag auf der Eigentümerversammlung versucht hat, eine Beschlussfassung zu erwirken (BGHZ 184, 88 Rn. 14 = NZM 2010, 205;BGH BeckRS 2017, 112009 Rn. 6; LG Frankfurt a. M. NZM 2020, 671 Rn. 7; vgl. BeckOK BGB/Zschieschack/ Orthmann, 63. Ed. 1.8.2022, WEG § 44 Rn. 41). Eine solche Vorbefassung der Eigentümer hat vorliegend in der Eigentümerversammlung vom 26.07.2021 stattgefunden.

2.2. Die Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage ist auch begründet, da eine Handlungspflicht besteht und der Kläger aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch auf die begehrte Beschlussfassung „Entfernung der Mauer“ als Grundlagenbeschluss, also bzgl. des „Ob“ der Maßnahme, hat.

a) Die für die Begründetheitsprüfung maßgeblichen zeitlichen Bezugspunkte von Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage weichen zwar voneinander ab: Maßgeblicher zeitlicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein angefochtener Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung (Eigentümerversammlung; Suilmann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 44 WEG, Rn. 94); bei der Entscheidung, ob ein auf § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG gestützter Antrag auf Beschlussersetzung (zulässig und) begründet ist, kommt es nach allgemeinen prozessualen Regeln hingegen darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung besteht (§ 136 Abs. 4 ZPO), und es ist unerheblich, ob bereits bei der vorausgegangenen Ablehnung des Beschlussantrags und zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung eine Handlungspflicht der Wohnungseigentümer bestand (Suilmann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 44 WEG, Rn. 135).

Vorliegend wirkt sich dieser Umstand hingegen nicht aus, da sich keine Veränderungen in der Sach- und Rechtslage zwischen den beiden maßgeblichen Zeitpunkte ergeben haben. Die Prüfung kann einheitlich erfolgen.

b) Für den Anspruch des Klägers auf die begehrte Beschlussfassung ist neben der aus Gesetz oder Vereinbarung begründeten Beschlusskompetenz erforderlich, dass das grundsätzlich bestehende Ermessen der Wohnungseigentümer es nicht erlaubt, keinen Beschluss zu treffen, wie das etwa bei Ansprüchen dem Grunde nach, z.B. bei § 20 Abs. 3 WEG oder bei der Notwendigkeit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten (Brandschutzauflagen usw.) der Fall ist, also in Fällen, in denen kein Entschließungsermessen besteht oder dieses auf null reduziert ist (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 29).

c) So liegt es hier. Dem Kläger steht ein (Erstherstellungs-)Anspruch aus § 18 Abs. 2 WEG gegen die Beklagte auf (Fassen eines Grundlagenbeschlusses über die) Entfernung der Trennmauer zu, das Entschließungsermessen der Eigentümer ist insoweit auf Null reduziert.

aa) Die Bauausführung mit der streitgegenständlichen Mauer ist planwidrig. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der Grundbucheintragung, und zwar nach der Teilungserklärung und dem dort in Bezug genommenen Aufteilungsplan (BGH Urteil v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, ZWE 2016, 79, beck-online). Die streitgegenständliche Mauer ist weder im Aufteilungsplan der beigezogenen Grundakte vorgesehen, noch findet sie im Text der Teilungserklärung eine Erwähnung. Es besteht ein Widerspruch zwischen Rechtslage und tatsächlichem Zustand (Hogenschurz, ZfIR 2019, 9, 10).

bb) Ein (gleichlautender) Inhalt der Verträge zwischen den einzelnen Ersterwerbern und dem Bauträger ist nicht maßgeblich für die Frage, welcher Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums erstmalig ordnungsmäßig ist und kann den Inhalt des Anspruchs auf ordnungsgemäße Erstherstellung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nicht mitbestimmen, da der Vertragsinhalt nicht aus dem Grundbuch für jedermann ersichtlich ist. Diese Aussage lässt sich umkehren: Wenn eine Baubeschreibung in die Teilungserklärung aufgenommen worden ist – wie hier nicht -, so gilt sie (gem. § 8 Abs. 2, § 5 Abs. 4 Satz 1, § 10 Abs. 1 WEG) als Vereinbarung im Verhältnis der Wohnungseigentümer, deren Einhaltung nach § 18 Abs. 2 WEG beansprucht werden kann.

Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung einer Baubeschreibung im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer, ist zwar in der Rechtsprechung des BGH bisher weitgehend offengelassen worden, welche Bedeutung die Baubeschreibungen in den Bauträgerverträgen für den Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung haben. Geklärt ist nur: Den für die Erstherstellung maßgeblichen Bauplänen und der Baubeschreibung kann nur Bedeutung zukommen, soweit der Aufteilungsplan keine Aussage trifft. Offengeblieben ist bisher, ob und unter welchen – auch zeitlichen – Voraussetzungen die Wohnungseigentümer untereinander über die in der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan vorgesehenen Abgrenzung des Gemeinschaftseigentums von dem Sondereigentum und der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum hinausgehend die Herstellung bestimmter Ausstattungsmerkmale des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können. Für die Grenzen der Nutzung des Sondereigentums, nämlich die Frage des Schallschutzniveaus bei der Sanierung des Sondereigentums, hat der BGH aber bereits festgehalten, dass es auf ein besonderes Gepräge der Wohnanlage, wie es sich anders als eine spätere Zufallsausstattung aus dem Zustand bei Errichtung ergeben kann, nicht ankommen kann. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass ein Rückgriff auf die bei der Gebäudeerrichtung erstellte Baubeschreibung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil diese keine Wirkungen im Verhältnis der Wohnungseigentümer und deren Sonderrechtsnachfolgern untereinander entfalte, sondern deren Vertragsverhältnis zu dem Bauträger betreffe. Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Grenzen der Nutzung des Sondereigentums, sondern in gleicher Weise für den Inhalt der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums (vgl. Hogenschurz, ZfIR 2019, 9, 13) und kommen auch vorliegend zum Tragen. Selbst wenn also – wie von der Beklagtenpartei vorgetragen – die Erwerberverträge der Ersterwerber mit dem Bauträger die streitgegenständliche Trennmauer vorgesehen hätten, könnte dies als Umstand außerhalb des Grundbuchs nicht maßgeblich sein für den Inhalt des Anspruchs auf ordnungsgemäße Erstherstellung.

cc) Ist ein Gebäude – wie hier – planwidrig erstellt worden, stellt die erstmalige plangerechte Herstellung keine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 WEG dar, sondern eine Instandsetzung, mit der die Planwidrigkeit behoben wird. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nämlich nicht nur verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum nach den Vereinbarungen und Beschlüssen und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung zu erhalten, sondern auch, es bei Bedarf erstmals in den Zustand zu versetzen, den es nach der Teilungserklärung haben soll (vgl. MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 19 Rn. 24).

dd) Nach der h.M. zum alten Recht hatte jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Von der erstmaligen Herstellung konnte nur in Ausnahmefällen, in denen mit ihr unzumutbare Belastungen einhergingen, abgesehen werden.

Diese Sichtweise lässt sich vor dem Hintergrund des neuen Rechts, nach dem es gem. § 20 Abs. 1 WEG möglich ist, mit einfacher Stimmenmehrheit bauliche Veränderungen zu beschließen, also den Soll-Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums neu zu definieren, nicht mehr unverändert aufrechterhalten. Bei wertender Betrachtung besteht nämlich kein Unterschied, ob die Wohnungseigentümer die erstmalige Herstellung ablehnen oder aber einen Beschluss fassen, das bereits errichtete Gemeinschaftseigentum baulich so zu verändern, dass es dem Zustand vor erstmaliger Herstellung entspricht. Wenn die Mehrheit die Kompetenz hat, unter den Voraussetzungen des § 20 WEG Beschlüsse über bauliche Veränderungen zu fassen, so muss sie unter denselben Voraussetzungen die Macht haben, von der erstmaligen Herstellung abzusehen.

Nach neuem Recht steht der Anspruch nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG folglich unter dem Vorbehalt eines abweichenden Beschlusses nach § 20 WEG. Im Ergebnis besteht ein Anspruch auf erstmalige Herstellung also nur dann, wenn ein solcher abweichender Beschluss weder bestandskräftig gefasst wurde, noch rechtmäßigerweise gefasst werden kann (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1282ff).

ee) Auch diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Zum einen wurde kein entsprechender Beschluss zur Neudefinierung des Soll-Zustands bestandskräftig gefasst, zum anderen könnte eine solche Beschlussfassung auch nicht rechtmäßigerweise erfolgen, da damit die in § 20 Abs. 4 WEG statuierten absoluten Grenzen für die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen überschritten werden würden.

(1) Der hier streitgegenständliche (Negativ-) Beschluss kommt von vorneherein nicht als entsprechender bestandskräftiger Beschluss in Frage.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass durch einen bloßen Negativbeschluss der Soll-Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums ohnehin nicht neu definiert wird. Die Mehrheit darf sich nicht darauf beschränken, die Erstherstellung abzulehnen, sondern es bedarf eines Beschlusses über die bauliche Veränderung des in Rede stehenden Bauteils, der die Erhaltungsmaßnahme „ordnungsgemäße Erstherstellung“ überflüssig macht (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, aaO Rz. 1285).

(2) Ein abweichender Beschluss nach § 20 WEG könnte vorliegend auch nicht rechtmäßigerweise gefasst werden.

Dies wäre nur dann möglich, wenn die Maßnahme weder zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage noch zu einem Sonderopfer bei einem Wohnungseigentümer führen (§ 20 Abs. 4 WEG) noch aus anderen Gründen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 1282ff).

Vorliegend würde ein Beschluss über die Errichtung der streitgegenständlichen Mauer dem Kläger als Eigentümer der beiden einzigen von der Maßnahme direkt betroffenen Stellplatzeinheiten 22 und 23 ein Sonderopfer abverlangen (§ 20 Abs. 4 WEG) und ihn unbillig gegenüber anderen benachteiligen. Ihm würden Nachteile zugemutet, die bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den bei der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer nicht abverlangt werden dürfen. Welche Vorteile für die anderen Wohnungseigentümer mit der Trennmauer verbunden sein sollten, erschließt sich nicht. (Nur) dem Kläger hingegen wird das Einparken durch die Mauer, die über die gesamte Längsseite seines Parkplatzes verläuft, erheblich erschwert, ebenso das Öffnen der Türen insbesondere bei gleichzeitiger Belegung auch des Parkplatzes Nr. 23. Die bedeutet eine treuwidrige Ungleichbehandlung („treuwidriges Sonderopfer“, vgl. D/S/Z, Kap.6, Rz. 59).

ff) Der Anspruch des Klägers aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG auf erstmalige Herstellung durch Entfernen der Mauer ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

(1) Im Einzelfall kann der Anspruch zwar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein. Dies kann grds. in Betracht kommen, wenn seine Erfüllung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist, z.B. wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht oder die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erfordert. Insbesondere kann die Gefahr erheblicher Bauschäden den Einwand von Treu und Glauben begründen (BayObLG Beschl. v. 4.3.2004 – 2Z BR 232/03, BeckRS 2004, 3775, beck-online; MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 19 Rn. 25).

(2) Dass diese Voraussetzungen vorliegen, wurde von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagtenpartei aber bereits nicht substantiiert vorgetragen.

(a) § 242 BGB enthält keine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, die von den dafür geltenden allgemeinen Maßstäben abweicht. Daher hat im Grundsatz der Gläubiger die Voraussetzungen eines auf § 242 gestützten Anspruchs darzulegen, der Schuldner – wie hier die Beklagte – diejenigen einer Einwendung (BeckOGK/Kähler, 15.9.2022, BGB § 242 Rn. 1877, 1878, m.w.N.).

(b) Eine nur unwesentliche Abweichung der tatsächlichen Bauausführung vom Aufteilungsplan ist bei der planwidrigen Errichtung einer Trennmauer über die komplette Längsseite eines Stellplatzes nicht gegeben.

(c) Die Beklagte als Schuldnerin hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk nötig wären, um die Trennmauer zu beseitigen. In dem für die Berufungsinstanz gem. § 529 ZPO verbindlichen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist festgehalten, dass die Mauer nicht tragend ist. Die Klagepartei hat überdies ihrerseits (überobligatorisch) substantiiert unter Vorlage eines statischen Gutachtens von Dipl.-Ing. … vom 25.09.2021 vorgetragen, dass es sich bei der Mauer um eine leichte, nur 11,5 cm dicke Trennwand aus Hochlochziegel handelt, die unten auf der Bodenplatte aufsteht und „gegen Umfallen“ oben durch einen dünnen Blechwinkel gehalten wird, ohne dass eine Verbindung zur Ortbeton – Außenwand besteht.

(d) Ebenso wenig liegt substantiierter Vortrag der Beklagtenpartei dafür vor, dass durch die ordnungsgemäße Erstherstellung Kosten verursacht würden, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig sind. Im erstinstanzlichen Urteil findet sich diesbezüglich die tatbestandliche Feststellung, dass für die fachmännische Entfernung Kosten i.H.v. € 8.000 – € 10.000 entstehen. Die Klagepartei hat weiter ein Angebot der Fa. … vom 21.08.2021 vorgelegt, wonach nur Kosten i.H.v. € 4.584,48 anfallen würden. Die Beklagte hat demgegenüber lediglich vorgetragen, dass „ein Kostenaufwand“ entstehen würde sowie eine „Kostenbelastung, die nicht so unerheblich ist, wie vom Erstgericht zu Unrecht unterstellt“. Weder wurde vorgetragen, wie hoch „die Kostenbelastung“ nach Dafürhalten der Beklagtenpartei ausfallen würde, noch, wieso die Kostenbelastung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klagepartei unverhältnismäßig sein sollte. Dass überhaupt Kosten für die Erstherstellung anfallen, vermag den Einwand aus § 242 BGB als solches nicht zu begründen.

2.3. Zutreffend hat das Amtsgericht die Beschlussersetzung vorliegend als bloßen Grundlagenbeschluss („Ob“) gestaltet.

a) Die gerichtliche Beschlussersetzung bedeutet einen unmittelbaren Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie (Art. 2 GG) und in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt nämlich nach § 18 Abs. 1 WEG den Wohnungseigentümern; sie entscheiden durch Beschluss (§ 23 Abs. 1 WEG) über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums (§ 19 Abs. 1 WEG). Der Eingriff in ihre Entscheidungsbefugnisse ist von den Wohnungseigentümern als unvermeidliche Begleiterscheinung des Gemeinschaftsverhältnisses hinzunehmen und verfassungsrechtlich jedenfalls solange nicht zu beanstanden, wie die gerichtliche Entscheidung das Selbstverwaltungsrecht der Wohnungseigentümer in seinem Kernbereich unberührt lässt und sie nicht unverhältnismäßig ist. Daher darf eine gerichtliche Ermessensentscheidung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in dem Maße getroffen werden, wie sie – auch i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG – „notwendig“ ist. Das Gericht hat immer vorrangig zu prüfen, ob und auf welche Weise es den Wohnungseigentümern – unter Beachtung der Rechtsschutzinteressen des Klägers – ermöglicht werden kann, noch selbst und in eigener Verantwortung eine Entscheidung zu treffen (Suilmann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 44 WEG, Rn. 146).

b) Zulässig ist es daher auch, lediglich – wie hier – eine sog. Grundlagenentscheidung („Grundlagenbeschluss“) zu treffen – also anzuordnen, dass eine Instandsetzung bestimmter Bauteile zu erfolgen hat („Maßnahme als solche“, „Ob“) – und den Wohnungseigentümern im Übrigen die weitere inhaltliche Konkretisierung („Art und Weise“, „Wie“, z.B. Auswahl des Fachunternehmens; Finanzierung der Maßnahme) zu überlassen (vgl. Jennißen/Suilmann, aaO Rz 161, 162; Schmid ZfIR 2010, 90 (91); BeckOK WEG/Elzer, 50. Ed. 30.9.2022, WEG § 19 8.).

Auch vorliegend haben die Eigentümer bzgl. der Ausführung eine Wahl, das Ermessen ist insoweit nicht auf Null reduziert. In diesem Rahmen kann dann auch den von der Beklagtenpartei angesprochenen Details wie etwa der Verlegung des Lichtschalters oder des Warnschilds Rechnung getragen werden. Dass auch das Tor, das ohne die Zwischenmauer nicht sinnvoll stehen bleiben kann und letztlich mit der Mauer einen Komplex bildet, zu entfernen ist, ergibt sich von selbst.

3. Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4. Gründe die Revision zuzulassen bestehen nicht.

5. Der Streitwert wurde bereits in der mündlichen Verhandlung festgelegt; die Parteien haben insoweit auf Rechtsmittel und Gründe verzichtet.

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