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WEG – Anspruch eines Wohnungseigentümers auf einen abändernden Zweitbeschluss

LG Frankfurt – Az.: 2/13 S 103/19 – Urteil vom 13.02.2020

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 06.06.2019 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.500,00 EUR.

Gründe

I.

Durch bestandskräftigen Beschluss vom 10.11.2011 ist dem Kläger und seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau – der vormaligen Miteigentümerin – der Einbau eines Treppenliftes genehmigt worden, als Auflage wurde die Stellung einer von dem Kläger und seiner Ehefrau angebotenen Sicherheit in Höhe von 10.000,00 EUR für eventuelle Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum und nicht ordnungsgemäßem Rückbau beschlossen. Diese Sicherheitsleistung wurde erbracht. Auf der Eigentümerversammlung vom 26.04.2017 stellte der Kläger den Antrag den Betrag der Sicherheitsleistung auf 3.000,00 EUR zu reduzieren. Er ist der Auffassung, die Gemeinschaft sei übersichert. Der entsprechende Beschluss wurde auf der Eigentümerversammlung abgelehnt, hiergegen richtet sich die Anfechtungsklage des Klägers, der zudem begehrt, die Sicherheitsleistung auf 3.000,00 EUR herabzusetzen.

Das Amtsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Sicherheitsleistung auf 4.500,00 EUR herabgesetzt wurde, hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Soweit der Kläger den Beschluss zu TOP 5a angefochten hat, handelt es sich um die Anfechtung eines Negativbeschlusses. Eine derartige Anfechtungsklage hat indes nur dann Erfolg, wenn lediglich eine positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hat. Dies ist vorliegend bereits deshalb nicht der Fall, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts unter Einbeziehung eines geringen Sicherheitszuschlages von 10 % die Aufwendungen für den Abbau des Treppenliftes 3.000,00 EUR übersteigen.

Bereits angesichts dieses Umstandes bestand kein denkbarer Anspruch des Klägers darauf, dass die Eigentümer dem Beschlussantrag zustimmen. Damit bewegt sich die Ablehnung des Beschlussantrages im Rahmen des den Eigentümern zustehenden Ermessens, sie war zutreffend.

Da Gegenstand der Anfechtung eines Negativbeschlusses nur der Beschluss ist, wie ihn die Eigentümer in der Versammlung zur Abstimmung vorliegen hatten, kann die Anfechtungsklage nicht deshalb Erfolg haben, weil die Eigentümer einen anderen Beschluss hätten fassen müssen, denn ein derartiger Beschluss lag den Eigentümern nicht zur Abstimmung vor.

2. Die Kammer teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts nicht, dass gem. § 21 Abs. 8 WEG ein Beschluss der Eigentümer dahingehend zu ersetzen ist, dass eine andere Sicherheit festgelegt wird. Die Kammer hat insoweit bereits Bedenken, ob eine hinreichende Vorbefassung der Eigentümerversammlung vorgelegen hat und damit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt.

Die Eigentümer waren lediglich mit einer Herabsetzung der Sicherheit auf 3.000,00 EUR vorbefasst, diese war – wie ausgeführt – deutlich zu niedrig. Mit einer höheren Sicherheit waren die Eigentümer nicht vorbefasst. Wie sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung ergibt, bestand auf Seiten der Eigentümer insbesondere Zweifel daran, ob eine Reduzierung auf die zur Abstimmung gestellten 3.000,00 EUR ausreichend sei, weil den Eigentümern diese Sicherheitsleistung im Hinblick auf die Preisentwicklung als zu niedrig erschien. Dies schließt es nicht aus, dass die Eigentümer auf einer anderen Eigentümerversammlung bei einem deutlich höheren Sicherheitsbetrag nicht doch eine positive Beschlussfassung herbeiführen, zumal die Kammer insoweit den Eigentümern ein erhebliches Ermessen zubilligt. Eine Ausnahmekonstellation, in welcher eine Vorbefassung der Eigentümer reine Förmelei ist, erscheint vorliegend nicht ersichtlich. Denn es ist nicht dargetan, dass die Eigentümer jegliche Herabsetzung der Sicherheitsleistung ablehnen würden.

Allerdings hat die Kammer auch in der Sache Bedenken, ob der Kläger einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung hat. Der Beschluss über die Sicherheitsleistung aus dem Jahre 2011 ist bestandskräftig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist aufgrund der Bestandskraft eines Beschlusses im Folgeverfahren der Einwand ausgeschlossen, der Beschluss habe seinerzeit nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen (BGH NJW 2012, 2955). Nach der Konzeption des WEG soll über die Frage, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht oder nicht abschließend im fristgebundenen Anfechtungsverfahren entschieden werden.

Ist ein entsprechender Beschluss nicht angefochten worden, ist er für die Wohnungseigentümer und den Verwalter bindend (§ 23 Abs. 4 WEG) und demzufolge auch vom Verwalter und den Wohnungseigentümern umzusetzen und hinzunehmen. Dieses schließt nach allgemeiner Auffassung auch einen Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss aus, wenn nicht schwerwiegende Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als unbillig erscheinen lassen, wobei überwiegend nur solche Umstände als berücksichtigungsfähig angesehen werden, die bei der Beschlussfassung noch nicht berücksichtigt wurden oder werden konnten und auch durch ein Beschlussanfechtungsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten (vgl. Niedenführ/Vandenhouten § 21 Rn. 31 mwN).

Ein derartiger Umstand liegt ersichtlich nicht vor. Aber auch soweit man in Ausnahmefällen aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein Anspruch auf einen Zweitbeschluss bejaht, weil ein Festhalten an einem gefassten Beschluss grob unbillig ist und damit als gegen Treu und Glauben verstößt (so OLG Frankfurt NZM 2009, 440), liegen diese Umstände hier nicht vor.

Dabei kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob eine sittenwidrige Übersicherung zu einem derartigen Abänderungsanspruch führt, vorliegend nicht an, denn bereits die objektiven Voraussetzungen einer sittenwidrigen Übersicherung sind nicht gegeben. Auch wenn im Einzelnen umstritten ist, ob eine Pauschalierung einer Grenze für eine Übersicherung zulässig ist, besteht Einigkeit darüber, dass unterhalb einer Sicherung der doppelten Deckungsgrenze die objektiven Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit nicht in Betracht kommen, wobei die Deckungsgrenze in Anlehnung an die vom Großen Senat des Bundesgerichtshofes für die nachträgliche Übersicherung vertretene 150 % Grenze angesiedelt wird (vgl. im Einzelnen Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 90 Rn 352 ff.; Palandt/Ellenberger § 138 Rn. 97; jew. mwN). Diese Grenze ist vorliegend ersichtlich nicht erreicht. Selbst unter Zugrundelegung der vom Amtsgericht angesetzten Absicherungsbeträge von 4.057,00 EUR ergibt sich eine Deckungsgrenze von 6.000,00 EUR, sodass der Betrag von 10.000,00 EUR sich deutlich unterhalb der Grenze der Sittenwidrigkeit bewegt.

Hinzu kommt jedoch, dass die Sicherheitsleistung nicht nur für die Ausbaukosten sondern auch, wie sich aus dem Beschluss ergibt, für Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum vorgesehen war. Derartige Schäden können jedoch nicht nur durch den Ausbau, sondern auch durch den Betrieb der Anlage, etwa in Folge von Fehlern der Anlage im Bereich des Stromnetzes – oder Abnutzungen des Treppenhauses bei der Benutzung – oder mangelnder oder unzureichender Wartung entstehen. Auch insoweit steht es den Eigentümern frei, hierfür eine angemessene Sicherheitsleistung zu begehren. Jedenfalls unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Sicherheitsleistung zwar hoch, aber nicht so hoch, dass das Festhalten an der Sicherheitsleistung Treu und Glauben widerspricht, wobei insoweit auch zu berücksichtigen ist, dass die Höhe der Sicherheitsleistung seinerzeit auf ein Angebot des Klägers und seiner verstorbenen Ehefrau zurückzuführen ist.

3. Nach alledem sieht, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die Kammer die Voraussetzungen des § 21 Abs. 8 WEG nicht als gegeben an. Demzufolge war das angefochtene Urteil durch die Berufung abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage im §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen liegen nicht vor, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49a GKG.

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