AG Offenbach – Az.: 320 C 151/18 – Urteil vom 29.01.2020
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger und zwei von diesem noch zu benennenden Erbbauberechtigten im Büro der Beklagten an einem Werktag während der Arbeitszeiten von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr Einsicht in folgende Verwaltungsunterlagen der pp. zu gewähren:
– alle Buchungsunterlagen aus dem Wirtschaftsjahr 2017
– laufende Buchhaltung 2018
und dem Kläger aus diesen Unterlagen die Anfertigung von genau bezeichneten Kopien auf dessen eigenen Kopierer zu ermöglichen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 71 % zu und die Beklagte zu 29 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Abwenden, wenn nicht zu vor die jeweils andere Partei Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
5. Der Streitwert wird auf 3.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Einsicht in Verwalterunterlagen einer Erbbauberechtigtengemeinschaft einschließlich Fertigung von Kopien.
Der Kläger ist einer der Erbbauberechtigten der pp., die Beklagte ist seit 2017 Verwalterin der Liegenschaft, ihre Vorgängerin war die pp..
Mit der Klage begehrt der Kläger Einsicht, einschließlich der Möglichkeit zur Fertigung von Kopien, in die im Klageantrag genannten Verwalterunterlagen, wobei die Beklagte dem Kläger die begehrten Unterlagen betreffend 2017 und 2018 in Kopie bereits zur Verfügung gestellt hat.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger und zwei von diesem noch zu benennenden Erbbauberechtigten im Büro der Beklagten an einem Werktag während der Arbeitszeiten von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr Einsicht in folgende Verwaltungsunterlagen der pp. zu gewähren:
Einsicht in alle Sammelüberweisungsprotokolle aus dem Jahr 2012,
Einsicht in alle Sammelüberweisungsprotokolle aus dem Jahr 2013,
Einsicht in alle Sammelüberweisungsprotokolle aus dem Jahr 2014,
Einsicht in alle Sammelüberweisungsprotokolle aus dem Jahr 2015,
Einsicht in alle Sammelüberweisungsprotokolle aus dem Jahr 2016,
Einsicht in alle Buchungsunterlagen aus dem Wirtschaftsjahr 2017,
Einsicht in die laufende Buchhaltung 2018
und dem Kläger die Anfertigung von genau bezeichneten Kopien auf dessen eigenem Kopierer zu ermöglichen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet zur Gewährung von Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen in der Lage zu sein, soweit die Unterlagen für die Jahre 2012-2016 betroffen sind. Sie behauptet, nicht im Besitz dieser Unterlagen zu sein, wobei sie in diesem Zeitraum – was unstreitig ist – auch nicht Verwalterin gewesen ist. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.11.2019 hat die Beklagte erklärt, dass die betreffenden Unterlagen zu den Jahren 2012 bis 2016 im Rahmen einer polizeilichen Beschlagnahme im Oktober 2016 beschlagnahmt worden seien. Mit Schriftsatz vom 30.12.2019 hat der Beklagtenvertreter Unterlagen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme /Sicherstellung bei der pp. vom 15.10.2015 zur Akte gereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie das Sitzungsprotokoll vom 20.11.2019, Bl. 47 ff. der Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet, nämlich soweit die betreffenden Unterlagen für die Jahre 2017 und 2018 betroffen sind. Jeder Eigentümer hat ein individuelles Recht auf Einsicht in die Buchführung und die Abrechnungsbelege einschließlich aller Einzelabrechnungen, auch der anderen Wohnungseigentümer und der Bankkontoauszüge (BeckOK WEG/Bartholome, 39. Ed. 1.11.2019, WEG § 28 Rn. 105 ff. m.w.N.); die Klage ist dabei gegen den Verwalter zu richten (Niedenführ/Vandenhouten, WEG 12. Aufl., § 28 Rn. 151). Das Einsichtsrecht setzt kein besonders darzulegendes rechtliches Interesse voraus und besteht auch noch nach Eigentümerbeschlüssen über die Jahresabrechnung und über die Entlastung des Verwalters. Seine Grenzen findet das Recht lediglich im Verbot des Rechtsmissbrauchs und dem Schikaneverbot (BeckOK WEG/Bartholome, 39. Ed. 1.11.2019, WEG § 28 Rn. 106 f. m.w.N.); dass ein derartiger Fall hier gegeben wäre ist aber weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Dass die Beklagte dem Kläger bereits Kopien der Unterlagen zur Verfügung gestellt hat steht dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Einsicht in die Originalunterlagen.
Soweit die Unterlagen für die Jahre 2012-2016 betroffen sind, war die Klage als unbegründet abzuweisen. Passivlegitimiert für die Klage auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen ist der Verwalter, der die Unterlagen in Besitz hat, auch wenn dies der frühere Verwalter ist (vgl. Niedenführ/Vandenhouten, WEG 12. Aufl., § 28 Rn. 151). Unstreitig war die Beklagte in dem Zeitraum 2012-2016 nicht Verwalterin der Liegenschaft. Bereits mit der Klageerwiderung vom 27.12.2018 hat sie vorgetragen, nicht im Besitz der Unterlagen für diese Jahre zu sein. Für seinen Anspruch auf Einsicht in die Verwalterunterlagen für diese Jahre wäre es nun an dem Kläger gewesen zu beweisen, dass die Beklagte, obwohl sie in dem Zeitraum nicht Verwalterin der Liegenschaft war, im Besitz der Unterlagen und in der Lage ist, in diese Einsicht zu gewähren. Insoweit ist der Kläger aber seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen; weder hat er substantiiert vorgetragen, dass, wie und weshalb die Beklagte im Besitz der Unterlagen sein sollte, obwohl sie seinerzeit nicht Verwalterin war, noch hat er seine Behauptung, dass sich die Unterlagen bei der Beklagten befänden, unter Beweis gestellt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 I 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 49a GKG, wobei das Gericht für jeden Jahrgang der begehrten Unterlagen 500,00 € in Ansatz gebracht hat.