Verfahren zur künftigen Zahlung von Hausgeld: Streit um Streitwert
In einem aktuellen Fall vor dem Landgericht Frankfurt am Main, stellte die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft einen Antrag gegen einen Wohnungseigentümer. Dieser sollte verpflichtet werden, künftig ein im Voraus zu zahlendes monatliches Hausgeld zu leisten. Die Summe dieser monatlichen Zahlung wurde auf Grundlage des aktuellen Wirtschaftsplans festgelegt, welcher eine Fortgeltungsklausel enthielt. Der Vertreter der Klägerseite forderte, den Streitwert dieses Antrags auf das 3,5-fache des Jahresbetrags des monatlich geschuldeten Wohngelds festzusetzen.
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Übersicht
Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts
Das Amtsgericht setzte den Streitwert auf den einjährigen Betrag fest, was bei der Klägerseite auf Widerstand stieß. Die Beschwerde, gerichtet gegen diese Wertfestsetzung, wurde als statthaft und zulässig erklärt, doch die Streitwertbeschwerde wurde nicht als begründet angesehen. Die Streitwertfestsetzung durch das Amtsgericht wurde somit bestätigt und für unbedenklich erklärt.
Die Rechtsgrundlage zur Festsetzung des Streitwerts
Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG und § 3 ZPO. Bei monatlich zu leistenden Vorschüssen aus dem Wirtschaftsplan handelt es sich um wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO. Die Kammer vertritt zudem die Auffassung, dass bei Vorliegen einer Fortgeltungsklausel im aktuellen Wirtschaftsplan auch Forderungen für den Streitwert zu berücksichtigen sind, die über das laufende Kalenderjahr hinausgehen.
Einschränkungen bei der Festsetzung des Streitwerts
Die Anwendung von § 9 ZPO, wonach sich der Streitwert nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag bemisst, führt jedoch nicht zur gewünschten Erhöhung des Streitwerts. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass das in Rede stehende Recht voraussichtlich noch für eine Dauer von mindestens 3,5 Jahren besteht oder erfahrungsgemäß zumindest noch so lange bestehen könnte.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 T 25/23 – Beschluss vom 10.05.2023
In der Beschwerdesache hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 10.05.2023 beschlossen:
die Streitwertbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des AG Wiesbaden vom 3.1.2023 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 28.02.2023 wird zurückgewiesen.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
GRÜNDE:
I.
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft hat im Urkundenprozess gegen den beklagten Wohnungseigentümer neben der Zahlung von Hausgeld begehrt, den Beklagten zu verpflichten, künftig im Voraus monatliches Hausgeld i.H.v. 1.298 Euro bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan zu zahlen. Die Forderungshöhe ergab sich aus dem Beschluss über den aktuellen Wirtschaftsplan, der eine Fortgeltungsklausel enthielt.
Der Klägervertreter begehrt die Wertfestsetzung für diesen Antrag mit dem 3,5 fachen Jahresbetrag des monatlich geschuldeten Wohngelds. Im Abhilfeverfahren hat das Amtsgericht den Streitwert auf 15.576 Euro, den einjährigen Betrag, festgesetzt.
II.
Die Beschwerde, die sich gegen die Wertfestsetzung des Amtsgerichts richtet, ist nach § 68 GKG, § 32 Abs. 2 RVG statthaft und zulässig.
Die Streitwertbeschwerde ist allerdings nicht begründet.
Die Streitwertfestsetzung durch das Amtsgericht im Teilabhilfebeschluss ist nicht zu beanstanden. Die Wertfestsetzung der richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.
Bei Forderungen der Vorschüsse aus dem Wirtschaftsplan, die wie hier als monatliche Zahlung geschuldet sind, handelt es sich um wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO. Die Kammer teilt auch die Auffassung, dass im Falle einer Fortgeltungsklausel bezüglich des aktuellen Wirtschaftsplans, wie hier, für den Streitwert auch Forderungen zu berücksichtigen sind, die über das laufende Kalenderjahr, für welches der aktuelle Wirtschaftsplan gilt, hinausgehen (ebenso LG Karlsruhe ZWE 2022, 922).
Dies führt allerdings nicht dazu insoweit für die Wertberechnung § 9 ZPO gilt, wonach sich der Streitwert nach dem 3,5 fachen Jahresbetrag bemisst (so aber LG Karlsruhe aaO; ebenso MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl. 2023, WEG § 43 Rn. 61). Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass das in Rede stehende Recht seiner Natur nach voraussichtlich noch für eine Dauer von wenigstens 3,5 Jahren besteht oder erfahrungsgemäß zumindestens noch so lange bestehen könnte (vgl. nur BeckOK ZPO/Wendtland, 1.12.2022, § 9 Rn. 9 f.). Dies ist bei der Vorschusszahlung aufgrund eines Wirtschaftsplans (§ 28 Abs. 1 WEG) erfahrungsgemäß nicht der Fall.
Zwar entspricht die Fortgeltung des aktuellen Wirtschaftsplans ordnungsmäßiger Verwaltung, weil dadurch verhindert wird, dass in Fällen, in denen sich die Aufstellung eines neuen Wirtschaftsplans und die Beschlussfassung verzögert, die Liquidität der Gemeinschaft nicht sichergestellt ist (vgl. BGH NZM 2019, 374). Allerdings ist durch einen derartigen Beschluss weder der Verwalter von seiner Verpflichtung aus § 28 Abs. 1 WEG entbunden, jährlich einen Wirtschaftsplan aufzustellen, noch ändert sich etwas hierdurch an der Verpflichtung der Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit jährlich einen Beschluss nach § 28 Abs. 1 WEG zu fassen (BGH aaO). Da dies die einzelnen Wohnungseigentümer gegebenenfalls auch auf dem Klageweg erzwingen können, kann nicht davon ausgegangen werden, dass üblicherweise Fortgeltungsklauseln dazu führen, dass aktuelle Wirtschaftspläne über einen Zeitraum von 3,5 Jahren Bestand haben (so auch Toussaint/Elzer, 53. Aufl. 2023, ZPO § 9 Rn. 6). Dies entspricht nach dem Kenntnisstand der Beschwerdekammer, die als zentrales Berufungsgericht in Wohnungseigentumssachen (§ 72 Abs. 2 GVG) zuständig ist, auch nicht der üblichen Praxis. Auch im vorliegenden Fall waren Wirtschaftspläne offensichtlich jährlich beschlossen worden.
In diesen Fällen bemisst sich der Streitwert nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO (BGH NJW 1962, 583 (584), wobei insoweit ein Zeitraum zu schätzen ist. Die Annahme des Amtsgerichts, dass ein Zeitraum von einem Jahr sachgerecht ist (so auch BayObLG ZMR 2004, 49), hält sich im Rahmen des weiten Ermessens und ist nicht zu beanstanden. Üblicherweise finden Eigentümerversammlungen jährlich statt, vorliegend wurde die Klage im November 2022 eingereicht, aus der Klageschrift ergibt sich, dass die beiden vorangegangenen Eigentümerversammlungen im November 2021 und im Juli 2022 stattgefunden haben. Die Annahme des Jahresbetrages der Vorschusszahlungen beschwert bei dieser Sachlage den Beschwerdeführer nicht. Für die Annahme eines längeren Zeitraumes als ein Jahr bis zum nächsten Beschluss über einen Wirtschaftsplan ist daher nichts ersichtlich.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG. Die weitere Beschwerde war zuzulassen, weil die Rechtsfrage, wie ein derartiger Antrag zu bemessen ist umstritten ist, das Landgericht Karlsruhe vertritt eine gegenteilige Rechtsauffassung.