Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Kinderwagen vor dem Fenster: Gericht befindet über umstrittene Garage auf Gemeinschaftseigentum
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und welche Rechte und Pflichten sind damit verbunden?
- Unter welchen Voraussetzungen kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Beschlüsse fassen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, und welche Rolle spielt dabei der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung?
- Welche Rechte haben Eigentümer einer Gewerbeeinheit innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und wie können sie sich gegen Beschlüsse wehren, die ihre Rechte beeinträchtigen?
- Was bedeutet „berechtigtes Interesse“ im Zusammenhang mit der Nutzung von Gemeinschaftseigentum und wie wird dieses von Gerichten bewertet?
- Welche Rolle spielen mögliche alternative Standorte bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Nutzung von Gemeinschaftseigentum?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 980b C 16/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Hamburg-St. Georg
- Datum: 10.04.2025
- Aktenzeichen: 980b C 16/24 WEG
- Verfahrensart: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht (WEG)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer einer Teileigentumseinheit im Kellergeschoss/Souterrain. Sie fochten einen Beschluss an, da sie ihr Eigentum durch eine Kinderwagen-Garage beeinträchtigt sahen und eine Vermietung erschwert werde.
- Beklagte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Sie beantragte die Abweisung der Klage und verteidigte den Beschluss als ordnungsgemäß zur Berücksichtigung der Belange einer Familie mit Kleinkindern.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss, die befristete Aufstellung einer Kinderwagen-Garage auf Gemeinschaftseigentum direkt vor einem Fenster der Keller-Einheit der Kläger zu erlauben. Die Kläger, Eigentümer dieser Einheit, fochten den Beschluss an, da sie ihr Eigentum dadurch beeinträchtigt sahen und eine gewerbliche Nutzung erschwert würde.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Beschluss zur Aufstellung der Kinderwagen-Garage rechtmäßig war und den Regeln für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums entsprach. Das Gericht musste prüfen, ob die Interessen der Familie mit Kinderwagen und die Beeinträchtigung der Kläger angemessen gegeneinander abgewogen wurden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Klage der Eigentümer gegen den Beschluss ab. Die Kläger müssen die Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Begründung: Das Gericht sah in dem Beschluss eine zulässige Regelung zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums, die den Bedürfnissen einer Familie mit kleinen Kindern diene. Die Beeinträchtigung der Kläger durch die Garage wurde als zumutbar angesehen, da solche Nutzungskonflikte zum Zusammenleben in einer WEG gehören und hier eine angemessene Lösung gefunden wurde.
- Folgen: Die Kläger müssen die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden.
Der Fall vor Gericht
Kinderwagen vor dem Fenster: Gericht befindet über umstrittene Garage auf Gemeinschaftseigentum
Ein alltäglicher Gegenstand wie eine Kinderwagengarage kann zum Zankapfel in einer Wohnungseigentümergemeinschaft werden, insbesondere wenn sie in unmittelbarer Nähe zu einer Gewerbeeinheit aufgestellt werden soll. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob ein Beschluss der Eigentümerversammlung, der die temporäre Aufstellung einer solchen Garage vor dem Fenster einer Souterrain-Gewerbeeinheit gestattete, rechtmäßig war. Im Kern ging es um die Frage, ob dieser Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach und die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigte.

Die Kläger, Eigentümer einer Teileigentumseinheit, die im Folgenden als „die Eigentümer der Gewerbeeinheit“ bezeichnet werden, sahen sich durch den Beschluss in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte, die Wohnungseigentümergemeinschaft, verteidigte die Entscheidung als notwendig und ausgewogen.
Worum ging es konkret?
Die Eigentümer der Gewerbeeinheit sind Inhaber der Einheit G16 im Kellergeschoss bzw. Souterrain des Gebäudes. Diese Räumlichkeiten wurden in der Vergangenheit unter anderem als Kneipe („Fr.“) betrieben und sind aktuell an Dritte verpachtet. Die Fassade des Hauses an der P. Straße springt an einer Stelle zurück und bildet eine Nische. Genau in dieser Nische befindet sich ein Fenster der Einheit G16, das laut Aufteilungsplan zu einem als „Leergut-Raum“ bezeichneten Teil der Gewerbeeinheit gehört.
Auf der Eigentümerversammlung am 15. März 2024 stellten zwei andere Wohnungseigentümer, eine Familie mit zwei kleinen Kindern (geboren Ende 2022 und Frühjahr 2024), den Antrag, temporär eine Kinderwagengarage auf dem Gemeinschaftseigentum – also Flächen, die allen Eigentümern gemeinsam gehören – aufstellen zu dürfen. Sie benötigten diese für einen Doppelkinderwagen. Als Standort wurde explizit die Nische „links bündig an der Wand zum Nachbargebäude P. Str. … vor dem Fr.“ vorgeschlagen. Die Garage sollte Abmessungen von circa 1,2 Metern Breite, 2,0 Metern Tiefe und 1,35 Metern Höhe haben. Die Genehmigung wurde für einen begrenzten Zeitraum von etwa zwei Jahren beantragt.
Der Beschlussvorschlag sah zudem vor, dass sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Garage entstehen (Aufstellung, Betrieb, Wartung, Reparatur, Unterhalt und späterer Rückbau), von der antragstellenden Familie zu tragen sind. Ebenso sollten sie für die Einholung und Einhaltung aller eventuell notwendigen behördlichen Auflagen verantwortlich sein. Laut Protokoll der Eigentümerversammlung wurde dieser Antrag (TOP 9) einstimmig angenommen. Im Anschluss an die Beschlussfassung wurde eine Doppelgarage des Modells K. XL mit den tatsächlichen Maßen 93 cm Breite, 110 cm Tiefe und 132 cm Höhe in der besagten Nische aufgestellt.
Gegen diesen Beschluss reichten die Eigentümer der Gewerbeeinheit am 12. April 2024 Klage ein, die der Wohnungseigentümergemeinschaft am 2. Mai 2024 zugestellt wurde. Sie vertieften ihre Klagebegründung am 15. Mai 2024. Ihre Hauptargumente waren:
- Der Beschluss sei ungültig, da er nicht auf einem berechtigten Interesse der antragstellenden Familie beruhe. Vielmehr vermuteten sie dahinter die Absicht, ihre Gewerbefläche gezielt zu beeinträchtigen und eine Vermietung nahezu unmöglich zu machen.
- Die Aufstellung der Garage unmittelbar vor dem einzigen Schaufenster bzw. Fenster ihrer Einheit stelle eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Eigentums dar. Sie verhindere eine gewöhnliche gewerbliche Nutzung, blockiere den Zugang von einer Seite, erschwere die Sicht nach außen, verdunkele den Innenraum und behindere die Belüftung.
- Die Eigentümer der Gewerbeeinheit behaupteten, die antragstellende Familie gehöre zu einer Gruppe von Eigentümern, die ihre vormalige Kneipe jahrelang „angegriffen“ hätten. Die Platzierung der Garage sei daher bewusst und ohne Prüfung von Alternativstandorten erfolgt.
- Sie bestritten zudem die im Protokoll vermerkte Einstimmigkeit des Beschlusses. Einer der Gewerbeeigentümer habe nach eigener Aussage gegen den Antrag gestimmt.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte die Abweisung der Klage. Sie hielt den Beschluss für ordnungsgemäß und verwies auf die berechtigten Belange der Familie mit den Kleinkindern und dem notwendigen Doppelkinderwagen. Der gewählte Standort sei der einzige geeignete, barrierefrei zugängliche Bereich auf dem Grundstück. Andere Flächen würden das Überwinden von Treppen erfordern. Darüber hinaus trug die Wohnungseigentümergemeinschaft vor, dass der Miteigentümer der Gewerbeeinheit in der Versammlung keine Einwände gegen den Standort erhoben und bei der Abstimmung weder mit „Nein“ gestimmt noch sich enthalten habe. Der Versammlungsleiter habe sein Verhalten daher als Zustimmung gewertet.
Die zentralen Rechtsfragen vor dem Gericht
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg musste im Kern folgende juristische Fragen klären:
- Handelte es sich bei der Genehmigung der Kinderwagengarage um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 20 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG), die möglicherweise einer Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer oder qualifizierten Mehrheiten bedurft hätte? Oder stellte die Genehmigung lediglich eine Regelung der Benutzung des Gemeinschaftseigentums gemäß §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG dar?
- Sofern es sich um eine Benutzungsregelung handelte: Entsprach der gefasste Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung?
- Wurden im Rahmen des Beschlusses die Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, insbesondere auch die der Eigentümer der Gewerbeeinheit, nach billigem Ermessen berücksichtigt und ein angemessener Ausgleich gefunden?
So entschied das Gericht
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg wies die Klage der Eigentümer der Gewerbeeinheit ab. Der angefochtene Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15. März 2024 zur temporären Aufstellung der Kinderwagengarage wurde somit als rechtmäßig bestätigt.
Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Eigentümern der Gewerbeeinheit auferlegt. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei beiden Parteien die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit abzuwenden, wie es § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorsieht. Die Zivilprozessordnung regelt das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
Die Begründung des Gerichts im Detail
Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich. Es kam zu dem Schluss, dass der angefochtene Beschluss nicht gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstößt, gemessen an den Einwendungen, die von den Gewerbeeigentümern innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist (eine Frist, innerhalb derer nach Klageerhebung die Gründe für die Anfechtung eines WEG-Beschlusses detailliert dargelegt werden müssen, gemäß § 45 Satz 1 Alternative 2 WEG) vorgebracht wurden.
Keine bauliche Veränderung, sondern Regelung der Benutzung
Zunächst stellte das Gericht klar, dass der Beschluss nicht die Gestattung einer baulichen Veränderung zum Gegenstand hatte, sondern eine Regelung der Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Eine bauliche Veränderung im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG ist eine auf Dauer angelegte Maßnahme, die reale Teile des gemeinschaftlichen Eigentums umgestaltet oder dessen äußere Gestalt verändert. Eine reine Benutzungsregelung nach §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG liegt hingegen vor, wenn die bauliche Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums unangetastet bleibt.
Für die Abgrenzung ist die objektiv-normative Auslegung des Beschlusses entscheidend. Das bedeutet, der Beschluss ist „aus sich heraus“ anhand seines protokollierten Wortlauts so zu verstehen, wie ihn ein unbefangener, objektiver Betrachter verstehen würde. Im vorliegenden Fall genehmigte die Eigentümerversammlung die „temporäre Aufstellung“ einer Garage für einen Zeitraum von circa zwei Jahren. Dies wertete das Gericht als eine zeitlich begrenzte Genehmigung zur Benutzung einer bestimmten Fläche des Gemeinschaftseigentums. Es handele sich nicht um eine auf Dauer angelegte Maßnahme. Zudem erfordere die Aufstellung der Garage keinen Eingriff in die Gebäudesubstanz, da die Garage aufgrund ihres Eigengewichts lediglich auf dem Boden abgestellt wird. Somit lag eine Regelung der Benutzung vor.
Maßstäbe für eine ordnungsgemäße Benutzungsregelung
Bei Beschlüssen über die Benutzung des Gemeinschaftseigentums übt die Mehrheit der Wohnungseigentümer ihre Beschlusskompetenz gemäß § 18 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 WEG aus. Solche Beschlüsse müssen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dies erfordert, dass die Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen berücksichtigt werden, wie es § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG vorschreibt. Billiges Ermessen bedeutet hier, dass die Entscheidung der Mehrheit nicht willkürlich sein darf, sondern auf sachlichen Gründen beruhen und einen fairen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen anstreben muss.
Als Maßstab gilt das Verhalten eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sinnvollen Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Hauseigentümers. Das Gericht betonte, dass es den Ermessensspielraum der Mehrheit der Eigentümer respektiert, solange eine aus Sicht der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen „vertretbare“ Lösung gefunden wurde und der Beschluss verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist. Eine Benutzungsregelung muss die „goldene Grundregel“ der gegenseitigen Rücksichtnahme wahren, die Interessen der Betroffenen und der Gemeinschaft zum Ausgleich bringen und dem geordneten Zusammenleben sowie dem Hausfrieden dienen.
Abwägung im konkreten Fall: Beschluss ist nicht zu beanstanden
Gemessen an diesen Maßstäben kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Beschluss nicht ermessensfehlerhaft war.
Die Gestattung der Kinderwagengarage diene der Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der antragstellenden Familie. Diese benötige eine barrierefreie Unterbringungsmöglichkeit für ihren Doppelkinderwagen im Außenbereich. Ob die antragstellende Familie möglicherweise zusätzlich ein sogenanntes Schikanemotiv – also die Absicht, die Gewerbeeigentümer gezielt zu ärgern – verfolgte, sei irrelevant. Entscheidend sei, dass die beschlussfassende Mehrheit der Eigentümer sich ein solches Motiv nicht erkennbar zu eigen gemacht habe.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte zudem dargelegt, dass keine anderen, vergleichbar geeigneten Flächen im Außenbereich zur Verfügung stehen, die ebenfalls barrierefrei zugänglich wären.
Das Gericht verkannte nicht, dass die Aufstellung der Garage zu einem Nutzungskonflikt mit der Gewerbeeinheit der Kläger führt. Die Auflösung solcher Konflikte gehöre jedoch zum Kernbereich des Zusammenlebens in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Auswirkungen auf die Interessen der Gewerbeeigentümer seien im konkreten Fall „gerade noch hinzunehmen“.
Hierfür führte das Gericht mehrere Gründe an:
- Die Garage sei laut Beschluss nur „links bündig an der Wand zum Nachbargebäude“ mit den spezifizierten, begrenzten Maßen aufzustellen. Sie nehme somit nicht die gesamte Fläche der Nische vor dem Fenster der Gewerbeeigentümer in Anspruch.
- Selbst wenn die Garage von der Gewerbeeinheit aus sichtbar sei, führe dies im Streitfall nicht zur Unbilligkeit der Entscheidung der Eigentümermehrheit. Es entspreche dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, eine solche temporäre Einrichtung für einen Doppel-Kinderwagen – insbesondere im Lichte der Notwendigkeit einer barrierefreien Abstellmöglichkeit – hinzunehmen.
- Die Maßnahme diene dem geordneten Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft. Andere Aufstellorte, beispielsweise im Treppenhaus, könnten andere Eigentümer möglicherweise stärker beeinträchtigen.
- Wohnungseigentümer müssten zudem zeitweise optische Veränderungen des Gemeinschaftseigentums dulden.
- Die Gefahr einer erheblichen Verdunklung des Raumes hinter dem Fenster schätzte das Gericht angesichts der genehmigten Garagengröße als vergleichsweise gering ein.
- Ein wichtiges Indiz für das Gericht war auch die Bezeichnung des betroffenen Raumes im Aufteilungsplan als „Leergut-Raum“. Dies spreche dafür, dass die Interessen der Gewerbeeigentümer an einer optimalen Belichtung und freien Sicht gerade für diesen spezifischen Raum ein eher geringeres Gewicht haben könnten im Vergleich zu beispielsweise einem Hauptverkaufsraum oder einem Büro mit ständigem Publikumsverkehr.
Frage der Zustimmung in der Versammlung unerheblich
Die von den Gewerbeeigentümern aufgeworfene Frage, ob einer von ihnen in der Eigentümerversammlung Einwendungen erhoben oder gegen den Antrag gestimmt hat, war für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses nach Ansicht des Gerichts unerheblich. Für die hier vorliegende Art der Benutzungsregelung sei keine Einstimmigkeit erforderlich gewesen. Selbst wenn der Gewerbeeigentümer in der Versammlung ein Verhalten gezeigt haben sollte, das als Zustimmung interpretiert werden konnte, hätte dies sein Recht zur späteren Anfechtung des Beschlusses und zur Erhebung von Einwendungen nicht ausgeschlossen.
Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils stützte das Gericht auf § 91 Abs. 1 ZPO (Grundsatz, dass die unterliegende Partei die Kosten trägt) sowie § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO (Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit von Urteilen).
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung zeigt, dass temporäre Nutzungen von Gemeinschaftseigentum (wie die Aufstellung einer Kinderwagengarage) keine bauliche Veränderung darstellen, sondern als Benutzungsregelung zu werten sind, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Für solche Entscheidungen ist ein angemessener Interessenausgleich zwischen allen Eigentümern notwendig, wobei das Gericht einen Ermessensspielraum der Eigentümergemeinschaft respektiert. Im vorliegenden Fall wurden die berechtigten Bedürfnisse einer Familie mit kleinen Kindern höher gewichtet als die temporäre Beeinträchtigung eines als „Leergutraum“ geführten Nebenraums einer Gewerbeeinheit.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und welche Rechte und Pflichten sind damit verbunden?
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gibt es grundsätzlich zwei Arten von Eigentum: das Sondereigentum und das Gemeinschaftseigentum.
Was gehört zum Gemeinschaftseigentum?
Das Gemeinschaftseigentum umfasst alle Teile der Immobilie und des Grundstücks, die nicht zum Sondereigentum eines einzelnen Wohnungseigentümers gehören. Stellen Sie sich das Gebäude wie einen großen Kuchen vor. Ein Teil gehört Ihnen ganz allein (Ihre Wohnung), der Rest gehört allen Eigentümern gemeinsam.
Typische Beispiele für Gemeinschaftseigentum sind:
- Das Grundstück, auf dem das Gebäude steht
- Das Fundament, die tragenden Mauern und Decken
- Das Dach
- Die Fassade und die Außenfensterrahmen
- Das Treppenhaus und Flure
- Gemeinschaftlich genutzte Räume wie Waschküche oder Fahrradkeller
- Versorgungsleitungen (Wasser, Strom, Heizung) außerhalb der eigenen Wohnung
- Gartenflächen oder Hofflächen, die von allen genutzt werden können
Für Sie bedeutet das: An diesen Teilen haben Sie nicht alleinige Rechte, sondern teilen sie sich mit allen anderen Eigentümern in der WEG.
Im Gegensatz dazu steht das Sondereigentum. Das ist in der Regel der Innenraum Ihrer Wohnung – also Wände, Böden und Decken innerhalb Ihrer Räume, nicht tragende Wände, Innentüren und die Innenseiten der Fenster. Über Ihr Sondereigentum können Sie weitgehend frei entscheiden.
Welche Rechte und Pflichten sind mit Gemeinschaftseigentum verbunden?
Als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum haben Sie sowohl Rechte als auch Pflichten:
- Nutzungsrechte: Sie haben das Recht, das Gemeinschaftseigentum mitzubenutzen. Die Art und Weise der Nutzung wird oft durch die Teilungserklärung, eine Gemeinschaftsordnung oder Beschlüsse der WEG geregelt, um Konflikte zu vermeiden und die Nutzung fair zu gestalten. Ihre Nutzung darf die Rechte der anderen Miteigentümer nicht unzumutbar einschränken.
- Mitbestimmungsrechte: Sie haben das Recht, an Entscheidungen über das Gemeinschaftseigentum mitzuwirken. Entscheidungen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen (z.B. eine größere Reparatur an der Fassade, die Gestaltung des Gartens), werden in der Wohnungseigentümerversammlung getroffen. Hier entscheiden die Eigentümer gemeinsam über die Verwaltung und Nutzung des gemeinsamen Eigentums.
- Entscheidungen durch Mehrheit: Wichtige Entscheidungen über das Gemeinschaftseigentum werden in der Regel durch Mehrheitsbeschlüsse der Wohnungseigentümer gefällt. Nicht jeder Eigentümer muss zustimmen, damit eine Maßnahme beschlossen werden kann. Dies stellt sicher, dass die Gemeinschaft handlungsfähig bleibt.
- Pflichten zur Instandhaltung und Instandsetzung: Alle Eigentümer sind gemeinsam dafür verantwortlich, das Gemeinschaftseigentum in einem guten Zustand zu erhalten und bei Bedarf zu reparieren. Die Kosten dafür tragen in der Regel alle Eigentümer gemeinsam, meist entsprechend ihrer Miteigentumsanteile.
- Duldungspflichten: Sie müssen Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum dulden, die von der Gemeinschaft beschlossen wurden, selbst wenn sie Sie persönlich beeinträchtigen (z.B. Gerüst bei Fassadenarbeiten).
Wichtig: Weil das Gemeinschaftseigentum allen gehört, kann kein einzelner Eigentümer allein darüber entscheiden oder es verändern, es sei denn, dies ist ausdrücklich in der Teilungserklärung oder einem wirksamen Beschluss der WEG geregelt. Dies unterstreicht die Bedeutung der gemeinsamen Entscheidungsfindung und der gegenseitigen Rücksichtnahme in einer WEG.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Beschlüsse fassen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, und welche Rolle spielt dabei der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung?
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann durch Beschluss über das Gemeinschaftseigentum entscheiden. Zum Gemeinschaftseigentum gehören Teile des Gebäudes und des Grundstücks, die allen Eigentümern gemeinsam gehören und nicht zu einer einzelnen Wohnung gehören, wie zum Beispiel das Dach, die Außenmauern, das Treppenhaus oder der Garten.
Damit ein solcher Beschluss gültig ist, muss er einem wichtigen Grundsatz entsprechen: dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung. Dieser Grundsatz ist gesetzlich verankert und bildet die Leitlinie für alle Entscheidungen der WEG, insbesondere wenn es um die Instandhaltung, Instandsetzung oder Veränderungen am Gemeinschaftseigentum geht.
Was bedeutet der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung?
Der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung bedeutet, dass Beschlüsse im Interesse aller Wohnungseigentümer gefasst werden müssen. Die WEG darf nicht willkürlich handeln. Vielmehr muss jede Entscheidung über das Gemeinschaftseigentum:
- Objektiv geboten oder zumindest vorteilhaft sein: Die Maßnahme muss aus sachlichen Gründen sinnvoll, notwendig oder zumindest nützlich für die gesamte Gemeinschaft sein. Stellen Sie sich vor, das Dach ist undicht. Eine Reparatur ist notwendig und liegt im Interesse aller. Eine sehr teure, rein optische Verschönerung des Daches ohne Notwendigkeit könnte dagegen eher kritisch betrachtet werden.
- Die berechtigten Interessen aller Eigentümer angemessen berücksichtigen: Auch wenn ein Beschluss mit Mehrheit gefasst wird, dürfen die Interessen der überstimmten Eigentümer nicht einfach ignoriert werden. Es muss eine Interessenabwägung stattfinden. Der Beschluss muss den einzelnen Eigentümern auch zumutbar sein, selbst wenn er mit Kosten oder Einschränkungen verbunden ist.
- Gesetzliche Vorschriften und die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung einhalten: Der Beschluss darf nicht gegen geltendes Recht verstoßen oder den Bestimmungen widersprechen, die regeln, wie die Gemeinschaft verwaltet wird (z.B. in der Teilungserklärung oder einer vereinbarten Gemeinschaftsordnung).
Für Sie als Wohnungseigentümer bedeutet dies: Ein Beschluss über das Gemeinschaftseigentum ist nicht automatisch rechtmäßig, nur weil eine Mehrheit dafür gestimmt hat. Er muss stets dem Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung genügen. Ob dies der Fall ist, hängt immer von den genauen Umständen des Einzelfalls ab. Ein Beschluss, der gegen diesen Grundsatz verstößt, kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden.
Welche Rechte haben Eigentümer einer Gewerbeeinheit innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und wie können sie sich gegen Beschlüsse wehren, die ihre Rechte beeinträchtigen?
Grundsätzlich haben Eigentümer einer Gewerbeeinheit in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) die gleichen grundlegenden Rechte und Pflichten wie die Eigentümer von Wohnungen. Das regelt das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dazu gehören insbesondere das Recht zur Nutzung ihres Sondereigentums (der Gewerbeeinheit) und des gemeinschaftlichen Eigentums nach den Regelungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung, das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung sowie Informationsrechte über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.
Rechte als Eigentümer
Obwohl die gesetzlichen Rechte gleich sind, können die Interessen von Gewerbeeigentümern oft anders gelagert sein als die von Wohnungseigentümern. Ein Geschäft hat andere Bedürfnisse als eine Wohnung, zum Beispiel bezüglich Öffnungszeiten, Kundenverkehr, Lärm, Anlieferung oder der Anbringung von Werbung. Die Nutzung der Gewerbeeinheit muss sich aber immer an die in der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung festgelegten Regeln halten. Änderungen dieser Regeln oder Beschlüsse, die die Nutzung beeinflussen, müssen die Interessen aller Eigentümer berücksichtigen.
Gegen Beschlüsse wehren
Wenn ein Eigentümer einer Gewerbeeinheit der Meinung ist, dass ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft seine Rechte unzulässig beeinträchtigt, hat er die Möglichkeit, diesen Beschluss gerichtlich anzufechten. Dies geschieht durch eine sogenannte Anfechtungsklage vor Gericht.
Ein Beschluss kann angefochten werden, wenn er gegen Gesetze, die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung oder die Grundsätze einer ordnungsmäßigen Verwaltung verstößt. Letzteres ist oft relevant, wenn der Beschluss einzelne Eigentümer, insbesondere Gewerbeeigentümer, unangemessen benachteiligt oder die Grenzen der Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft überschreitet.
Um einen Beschluss anzufechten, ist eine wichtige Frist zu beachten: Die Klage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung bei Gericht eingereicht werden. Wenn der Beschluss schriftlich (im Umlaufverfahren) gefasst wurde, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Ergebnisses. Verpasst man diese Frist, wird der Beschluss, auch wenn er fehlerhaft war, bestandskräftig und kann in der Regel nicht mehr angefochten werden.
Ob eine Anfechtungsklage Erfolg hat, hängt stark vom Einzelfall ab. Das Gericht prüft, ob der angefochtene Beschluss rechtmäßig zustande gekommen ist und ob er mit den gesetzlichen Vorgaben und den Vereinbarungen der Gemeinschaft vereinbar ist. Auch die Frage, ob der Beschluss die Interessen der Gewerbeeinheit unangemessen beeinträchtigt, spielt eine Rolle.
Was bedeutet „berechtigtes Interesse“ im Zusammenhang mit der Nutzung von Gemeinschaftseigentum und wie wird dieses von Gerichten bewertet?
Im Wohnungseigentum gehört nicht alles einer einzelnen Person. Neben der eigenen Wohnung (Sondereigentum) gibt es das Gemeinschaftseigentum. Das sind zum Beispiel das Treppenhaus, der Garten, der Hof oder auch tragende Wände. Wie dieses Gemeinschaftseigentum genutzt werden darf, ist oft eine wichtige Frage unter Nachbarn.
Grundsätzlich darf jeder Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum nutzen. Aber es gibt eine wichtige Grenze: Die Nutzung darf nicht über das hinausgehen, was üblich und den Miteigentümern zumutbar ist. Man spricht hier auch von der Rücksichtnahme auf die anderen Eigentümer. Wenn eine Nutzung des Gemeinschaftseigentums nicht mehr ganz alltäglich oder nur für einen einzelnen Eigentümer von besonderem Vorteil ist, braucht es oft eine besondere Begründung – ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“.
Was ist ein „berechtigtes Interesse“?
Ein „berechtigtes Interesse“ im Zusammenhang mit der Nutzung des Gemeinschaftseigentums bedeutet, dass Sie einen triftigen, nachvollziehbaren Grund für Ihre spezielle Nutzung haben. Dieser Grund muss so wichtig sein, dass er unter bestimmten Umständen schwerer wiegen kann als die Interessen der anderen Eigentümer, die Gemeinschaftsflächen unverändert oder nur auf übliche Weise zu nutzen.
Es geht dabei oft um einen Ausgleich zwischen den individuellen Bedürfnissen einzelner Eigentümer und den gemeinsamen Interessen der Gemeinschaft. Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn die Nutzung notwendig oder angemessen ist, um Ihnen das Wohnen in der Wohnung zu ermöglichen oder erheblich zu erleichtern.
Wie bewerten Gerichte ein berechtigtes Interesse?
Gerichte schauen sich jeden Einzelfall genau an und wägen die verschiedenen Interessen gegeneinander ab. Dabei berücksichtigen sie viele Umstände:
- Art und Umfang der Nutzung: Was genau soll wie und wo im Gemeinschaftseigentum genutzt werden? Eine kleine, temporäre Nutzung wird anders bewertet als eine dauerhafte, raumgreifende Veränderung.
- Auswirkungen auf die anderen Eigentümer: Werden andere Eigentümer durch die Nutzung gestört, eingeschränkt, belästigt oder entsteht ihnen ein Schaden?
- Notwendigkeit der Nutzung: Ist die Nutzung wirklich notwendig oder gibt es alternative Möglichkeiten, die das Gemeinschaftseigentum weniger berühren?
- Grund für die Nutzung: Welcher persönliche Grund liegt vor? Geht es um die Ausübung grundlegender Rechte, um Sicherheit oder um eine besondere Lebenssituation?
Gerichte suchen immer nach einer fairen Lösung, die die Interessen aller Beteiligten so gut wie möglich berücksichtigt.
Beispiele: Bedürfnisse von Familien mit kleinen Kindern
Die Bedürfnisse von Familien mit kleinen Kindern sind ein gutes Beispiel, wo Gerichte oft ein berechtigtes Interesse an einer bestimmten Nutzung des Gemeinschaftseigentums sehen können.
- Kinderwagen im Treppenhaus: Ein klassisches Beispiel. Gerichte haben oft entschieden, dass das vorübergehende Abstellen eines Kinderwagens im Treppenhaus ein berechtigtes Interesse einer Familie mit kleinen Kindern darstellen kann. Wichtig ist dabei aber, dass der Kinderwagen niemanden behindert, insbesondere nicht Fluchtwege versperrt, und dass dies nur eine vorübergehende Lösung ist. Das Interesse der Familie an einfacher Handhabung des Kinderwagens wird hier gegen das Interesse der anderen an einem komplett freien Treppenhaus abgewogen.
- Abstellen von Fahrrädern/Laufrädern: Ähnlich wie beim Kinderwagen kann das zeitweise Abstellen von Kinderfahrzeugen in dafür geeigneten, nicht störenden Bereichen des Gemeinschaftseigentums (z. B. Hof, bestimmter Bereich im Keller) als berechtigtes Interesse angesehen werden, besonders wenn es keine guten Alternativen im Sondereigentum gibt. Auch hier darf aber keine Behinderung oder übermäßige Beeinträchtigung der anderen vorliegen.
- Temporäre Spielgeräte im Garten: Die Aufstellung von kleineren, nicht fest installierten Spielgeräten (z. B. kleines Planschbecken im Sommer, Sandkasten, Trampolin) im gemeinschaftlichen Garten kann ebenfalls auf Basis eines berechtigten Interesses möglich sein, wenn der Garten dafür geeignet ist und andere Eigentümer nicht unzumutbar gestört werden (z. B. durch Lärm) oder der Garten übermäßig blockiert wird.
Für Sie als Wohnungseigentümer bedeutet das: Wenn Sie eine besondere Nutzung des Gemeinschaftseigentums planen, die vom Üblichen abweicht, sollten Sie sich fragen, ob Sie dafür einen triftigen, nachvollziehbaren Grund haben, der das Interesse der Gemeinschaft eventuell überwiegen kann. Wie Gerichte entscheiden, hängt immer stark von den genauen Umständen des Einzelfalls ab. Es gibt keine feste Liste, was immer ein berechtigtes Interesse ist.
Welche Rolle spielen mögliche alternative Standorte bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Nutzung von Gemeinschaftseigentum?
Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschließt, wie ein Teil des gemeinsamen Eigentums genutzt werden soll, können dadurch einzelne Eigentümer beeinträchtigt werden. Damit ein solcher Beschluss rechtlich in Ordnung ist, muss er den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Zumutbarkeit der Beeinträchtigung für die betroffenen Eigentümer.
Hier kommen mögliche alternative Standorte ins Spiel: Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, dass die WEG die Interessen aller Eigentümer angemessen berücksichtigt. Bei der Nutzung von Gemeinschaftseigentum bedeutet das, dass die WEG prüfen muss, ob die geplante Nutzung an dem vorgesehenen Ort die Eigentümer stärker beeinträchtigt, als es unbedingt notwendig ist.
Deshalb spielt die Prüfung möglicher alternativer Standorte eine entscheidende Rolle. Die WEG ist verpflichtet zu überlegen, ob es einen anderen Platz im Gemeinschaftseigentum gibt, an dem die gleiche Nutzung möglich wäre, der aber weniger Störungen, Lärm oder andere Nachteile für andere Eigentümer mit sich bringt.
Wenn die WEG diese Prüfung von Alternativen nicht oder nur unzureichend vornimmt oder offensichtlich weniger beeinträchtigende alternative Standorte ignoriert, kann das ein starkes Indiz dafür sein, dass der Beschluss nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Es geht immer um eine Abwägung der Interessen: Der Nutzen der geplanten Nutzung an einem bestimmten Ort wird gegen die Beeinträchtigung der anderen Eigentümer abgewogen. Ein alternativer Standort, der die Beeinträchtigung deutlich reduziert, kann entscheidend dafür sein, ob der Beschluss als insgesamt zumutbar und damit als ordnungsgemäß gilt.
Für Sie als Eigentümer bedeutet das: Wenn ein Beschluss über die Nutzung von Gemeinschaftseigentum getroffen wird, der Sie beeinträchtigt, kann es relevant sein, ob die WEG Alternativen geprüft hat, die für Sie weniger belastend gewesen wären. Das Fehlen dieser Prüfung kann darauf hindeuten, dass der Beschluss nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung sind ein gesetzlich verankertes Leitbild im Wohnungseigentumsgesetz (WEG), das alle Entscheidungen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) über das Gemeinschaftseigentum leitet. Demnach müssen Beschlüsse im Interesse aller Eigentümer getroffen werden, dürfen nicht willkürlich sein und müssen eine angemessene Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten nach dem Prinzip des billigen Ermessens gewährleisten (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Das bedeutet, dass Entscheidungen sachlich begründet, wirtschaftlich sinnvoll und für alle Eigentümer zumutbar sein müssen.
Beispiel: Wenn eine WEG entscheidet, eine defekte Haustür zu reparieren, muss sie sinnvoll planen und die Kosten minimieren, sodass es allen Eigentümern zugutekommt – eine teure Luxusvariante ohne Mehrwert wäre nicht ordnungsgemäß.
Gemeinschaftseigentum
Gemeinschaftseigentum bezeichnet alle Teile einer Immobilie, die nicht im alleinigen Besitz eines einzelnen Wohnungseigentümers stehen, sondern allen Eigentümern gemeinsam gehören (§ 5 WEG). Dazu zählen beispielsweise das Grundstück, tragende Mauern, Fassaden, Treppenhäuser und gemeinschaftlich genutzte Flächen. Über das Gemeinschaftseigentum können die Eigentümer nur gemeinschaftlich entscheiden, etwa durch Beschlüsse in der Eigentümerversammlung.
Beispiel: Eine Sitzbank im Hof des Hauses gehört zum Gemeinschaftseigentum. Kein Eigentümer allein kann darüber verfügen, sondern nur alle gemeinsam über dessen Nutzung oder Aufstellung.
Bauliche Veränderung (§ 20 Abs. 1 WEG)
Eine bauliche Veränderung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes liegt vor, wenn reale Teile des Gemeinschaftseigentums dauerhaft umgestaltet oder die äußere Gestalt des Gebäudes verändert wird (§ 20 Abs. 1 WEG). Das bedeutet, dass ein Eingriff in die Substanz oder Struktur des Gebäudes erfolgt, der über das bloße Nutzen der vorhandenen Flächen hinausgeht. Für bauliche Veränderungen ist in der Regel eine qualifizierte Mehrheit oder sogar Einstimmigkeit der betroffenen Eigentümer erforderlich.
Beispiel: Das Errichten eines Wintergartens, der die Fassadenlinie verändert, ist eine bauliche Veränderung. Das bloße Aufstellen eines nicht befestigten Kinderwagens auf dem Hof ist keine bauliche Veränderung.
Regelung der Benutzung (§§ 18 Abs. 2 Nr. 2, 19 Abs. 1 WEG)
Eine Regelung der Benutzung betrifft die Festlegung, wie das Gemeinschaftseigentum von den Eigentümern genutzt wird, ohne dass dessen bauliche Substanz verändert wird. Solche Regeln können durch Beschluss gefasst werden und benötigen meist nur eine einfache Mehrheit (§ 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 WEG). Sie betreffen zum Beispiel, wer welche Gemeinschaftsflächen zu welchen Zeiten nutzen darf oder wo Gegenstände vorübergehend abgestellt werden dürfen.
Beispiel: Die Entscheidung, dass eine bestimmte Nische im Hof temporär für das Abstellen eines Kinderwagens genutzt werden darf, ohne dass etwas am Gebäude verändert wird, ist eine Benutzungsregelung.
Billiges Ermessen
Billiges Ermessen ist ein rechtlicher Maßstab, der verlangt, dass Entscheidungen – insbesondere von Wohnungseigentümergemeinschaften – nicht willkürlich, sondern aufgrund sachlicher, nachvollziehbarer Erwägungen getroffen werden. Es bedeutet, dass bei der Abwägung der Interessen der Eigentümer ein fairer, ausgewogener Ausgleich gefunden wird (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Entscheidungen im billigen Ermessen müssen für Außenstehende objektiv vertretbar sein und berücksichtigen sowohl die Interessen des Antragstellers als auch der übrigen Eigentümer gerecht.
Beispiel: Wenn eine WEG entscheidet, eine temporäre Kinderwagengarage zu erlauben, obwohl dadurch eine Gewerbeeinheit leicht beeinträchtigt wird, muss diese Entscheidung auf einem sachlichen Ausgleich basieren, der die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt und nicht nur eine Seite bevorzugt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 WEG: Diese Vorschriften regeln die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Benutzung des Gemeinschaftseigentums und verlangen, dass solche Beschlüsse den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wobei die Interessen aller Eigentümer nach billigem Ermessen abzuwägen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beschluss zur temporären Aufstellung der Kinderwagengarage ist als Benutzungsregelung ein solcher Beschluss, der nach diesen Maßstäben auf seine Rechtmäßigkeit überprüft wird.
- § 20 Abs. 1 WEG: Definiert die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, die einer qualifizierten Mehrheit oder Zustimmung aller betroffenen Eigentümer bedarf, wenn die Substanz oder äußere Gestalt des Eigentums dauerhaft verändert wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass die temporäre Aufstellung der Garage keine bauliche Veränderung darstellt, da sie keine dauerhafte Veränderung der Gebäudesubstanz bewirkt.
- Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung (insb. billiges Ermessen nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG): Diese Grundsätze verlangen eine sachliche, faire und nachvollziehbare Interessenabwägung und das Verbot willkürlicher Entscheidungen bei Beschlüssen der Wohnungseigentümer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Entscheidung der Eigentümerversammlung musste einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Familie mit Kindern und der Gewerbeeinheit gewährleisten, was das Gericht bejahte.
- § 45 Satz 1 Alternative 2 WEG (Anfechtungsbegründungsfrist): Regelt, dass innerhalb einer bestimmten Frist nach Klageerhebung die Gründe für die Anfechtung eines WEG-Beschlusses detailliert vorgebracht werden müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gewerbeeinheit nutzte diese Frist, um ihre Einwendungen zu vertiefen, was für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses relevant war.
- § 91 Abs. 1 ZPO: Bestimmt, dass die unterlegene Partei grundsätzlich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kläger der Gewerbeeinheit wurden zur Kostenübernahme verurteilt, da ihre Klage abgewiesen wurde.
- §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO: Regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils sowie die Möglichkeit der Vollstreckungsabwendung gegen Sicherheitsleistung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Urteil wurde vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei beiden Parteien die Aufhebung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung erlaubt wurde.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 16/24 WEG – Urteil vom 10.04.2025
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