AG Hamburg-St.Georg – Az.: 980a C 7/20 WEG – Urteil vom 11.09.2020
In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 980a – am 11.09.2020 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2020 für Recht:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 16.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft in Hamburg. Der Kläger wendet sich im Wege der Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 09.01.2020 zum Tagesordnungspunkt 1 über eine Balkonsanierung.
Ziffer 2 b) der Teilungserklärung sieht folgendes vor:
Gegenstand des Sondereigentums sind die in der Anlage zu dieser Teilungserklärung bezeichneten Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt wird oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. In Ergänzung dieser Bestimmungen wird festgelegt, dass zum Sondereigentum gehören:
…
c) die Balkone, falls vorhanden, …
Ziffer 9 der Teilungserklärung sieht vor, dass jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die dem Sondereigentum unterliegenden Gebäudeteile auf seine Kosten instandzuhalten.
Von den insgesamt elf Wohnungen im Objekt verfügen nicht alle Wohnungen über einen Balkon. Unter anderem hat die Wohnung des Klägers keinen Balkon.
Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 06.06.2019 heißt es unter dem Tagesordnungspunkt 10, der ebenfalls die Sanierung der Balkone betraf, dass die betroffenen Wohnungseigentümer die Sanierung der Balkone in Eigenregie übernehmen würden. Im Rahmen einer BGB-Gesellschaft solle eine Sonderumlage erhoben werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 06.06.2019 (überreicht als Anlage K4) verwiesen.
Auf ihrer Versammlung am 09.01.2020 beschlossen die Wohnungseigentümer unter dem Tagesordnungspunkt 1 die Sanierung der Balkone gemäß einem Angebot der Firma P.. Der Beschluss sieht vor, dass an den Sanierungskosten sämtliche Eigentümer zu beteiligen sind, d. h. auch diejenigen Eigentümer, deren Wohnung über keinen Balkon verfügt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 09.01.2020 (überreicht als Anlage K3) sowie auf das als Anlage B1 überreichte Angebot der Firma P. verwiesen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.01.2020 (eingegangen am 04.02.2020) hat der Kläger gegen den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 09.01.2020 zum Tagesordnungspunkt 1 Klage erhoben. Diese hat er mit Schriftsatz vom 05.03.2020 (eingegangen am 09.03.2020) näher begründet.
Der Kläger meint, die Teilungserklärung bestimme, dass die betroffenen Eigentümer die Kosten für die Sanierung ihrer Balkone selbst zu tragen hätten. Wahrscheinlich hätten die betroffenen Wohnungseigentümer, zu deren Wohnung die Balkone gehören, ihre Eigenverpflichtung zur Kostenübernahme ebenso gesehen. Ausweislich des Tagesordnungspunkts 10 der Versammlung vom 06.06.2019 hätten diese sich gerade verpflichtet, die Kosten der Balkonsanierung in Eigenregie zu übernehmen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2020 bestreitet der Kläger zudem, dass es sich bei den Kosten für die Balkonsanierung um notwendige Instandhaltung- und Instandsetzungskosten handele. Ebenso heißt es in jenem Schriftsatz, das als Anlage B1 überreichte Angebot enthalte zu einem großen Teil Positionen, die eine eindeutige Zuordnung zum Gemeinschaftseigentum bzw. zum Sondereigentum nicht ermöglichen würden.
Der Kläger beantragt, den auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft, Hamburg, vom 09.01.2020 gefassten Mehrheitsbeschluss zu TOP 01 für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die Arbeiten gemäß dem als Anlage B1 überreichten Angebot würden sich auf Abdichtungsarbeiten am Balkon (Instandsetzung der Abdichtungsebene) beziehen. Es handele sich damit um Arbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum.
Die Beklagten meinen, die in der Teilungserklärung vorgenommene Zuordnung zum Sondereigentum beziehe sich nur auf die sondereigentumsfähigen Bestandteile der Balkone, mithin den Luftraum oberhalb der Balkone und den Fußbodenbelag, wie Terrassendielen aus Holz usw.
Die vorliegende Zuordnung der Balkone zum Sondereigentum sei in Bezug auf nicht sondereigentumsfähige Bestandteile auch nicht in eine Kostentragungsregelung umzudeuten. Es können nur durch eine klare und eindeutige Regelung in der Teilungserklärung von der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG abgewichen werden. Damit sei für eine Umdeutung kein Raum.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I)
1) Zwar ist die Klage nicht deshalb unbegründet, weil die Fristen des § 46 WEG nicht eingehalten worden wären. Die Klage ist innerhalb der Fristen des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG erhoben und begründet worden.
2) Der streitgegenständliche Beschluss ist jedoch nicht zu beanstanden. Die Kosten der Balkonsanierung sind von sämtlichen Eigentümern zu tragen, nicht nur von denjenigen, deren Wohnungen über einen Balkon verfügen.
a) Die Eigentümer von Wohnungen mit Balkon hätten die Kosten für deren Sanierung gemäß Ziffer 9 der Teilungserklärung selbst zu tragen, wenn es sich bei den Balkonen im Ganzen um Sondereigentum handeln würde. Dies wäre wiederum dann der Fall, wenn die Balkone im Ganzen in Ziffer 2 b) der Teilungserklärung zulässigerweise als Sondereigentum eingeordnet worden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach § 5 Abs. 2 WEG sind Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand erforderlich sind, nicht sondereigentumsfähig. Von dieser gesetzlichen Regelung kann durch die Teilungserklärung nicht abgewichen werden. Für den Bestand des Gebäudes erforderlich sind jedenfalls die konstruktiven Bestandteile des Balkons. Sondereigentumsfähig können nur solche Balkonbestandteile sein, denen keine Schutz- oder Isolierungsfunktion zukommt (vgl. Bärmann-Armbrüster § 5 WEG Rn 59, 60). Eine derartige Differenzierung enthält Ziffer 2 b) der vorliegenden Teilungserklärung ihrem Wortlaut nach jedoch nicht. Die Regelung wäre daher unwirksam, sofern sie nicht dahingehend zu verstehen ist, dass sie sich nur auf sondereigentumsfähige Teile der Balkone bezieht.
Ob die Regelung im vorbeschriebenen Sinn zu verstehen ist, kann an dieser Stelle offen bleiben. Selbst wenn sich die Regelung in Ziffer 2 b) lit. c) der Teilungserklärung nur auf die sondereigentumsfähigen Teile der Balkone beziehen würde, wären die streitgegenständlichen Sanierungskosten nach Ziffer 9 der Teilungserklärung nur dann ausschließlich von den jeweiligen Eigentümern der Wohnung mit Balkon zu tragen, wenn die Sanierung ausschließlich Sondereingentum betreffen würde. Es wird vom Kläger jedoch nicht behauptet, dass sich die beschlossene Sanierungsmaßnahme oder bestimmte Teile davon nur auf sondereigentumsfähige Teile bezieht. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass eine eindeutige Zuordnung der Arbeiten nicht möglich wäre. Dieser Vortrag erfolgte zudem nach Ablauf der Frist zur Begründung der Anfechtungsklage, so dass dieser nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG präkludiert ist. Damit ergibt sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine Kostentragungspflicht nur der Eigentümer von Wohnungen mit Balkon.
Eine Einordnung der Balkone im Ganzen als Sondereigentum (verbunden mit einer entsprechenden Kostentragungspflicht nach Ziffer 9 der Teilungserklärung) ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 WEG unwirksam.
b) Die Eigentümer von Wohnungen mit Balkon hätten die Kosten für die Sanierung ihrer Balkone aber auch dann selbst zu tragen, wenn Ziffer 2 b) der Teilungserklärung in eine entsprechende Kostentragungsregelung umzudeuten wäre.
Von der Rechtsprechung sind unwirksame Zuordnungen zum Sondereigentum in eine entsprechende Kostentragungsregelung umgedeutet worden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07. Juli 2010 – 11 Wx 115/08; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. Mai 2000 – 11 Wx 71/99). Allerdings ist diese Umdeutung im Zusammenhang mit Teilungserklärungen vorgenommen worden, bei denen bestimmte einzelne Bauteile unzulässigerweise dem Sondereigentum zugeordnet worden waren. Die Umdeutung bezog sich damit nur die Kostentragung für die Instandsetzung bestimmter Bauteile.
Wenn man im vorliegenden Fall eine Umdeutung vornähme, würde diese allerdings nicht zu einer Kostentragungsregelung im Hinblick auf bestimmte Bauteile führen. In Ziffer 2 b) lit. c) ist nicht die Rede von bestimmten Bauteilen der Balkone, sondern nur von den Balkonen allgemein. Ergebnis einer Umdeutung wäre damit, dass die Kosten für sämtliche Sanierungsarbeiten an den Balkonen von den jeweiligen Eigentümern zu tragen wären. Eine Umdeutung in diesem Umfang ist indes unzulässig: Eine Umdeutung von unwirksamen Zuordnungen zum Sondereigentum in eine entsprechende Kostentragungsregelung kommt nur in Betracht, wenn sich als Ergebnis der Umdeutung eine Regelung ergibt, die – entsprechend den Anforderungen an Regelungen zur Kostenverteilung allgemein – eindeutig und klar ist (vgl. zu den Anforderungen an Regelungen zur Kostenverteilung Jennißen in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 16 WEG, Rn. 16). Bei einer Umdeutung im vorbeschriebenen Umfang bliebe indes offen, wer die Kosten für Arbeiten zu tragen hätte, die im Übergangsbereich von den Balkonen zur Fassade vorgenommen werden. Eine Umdeutung von Ziffer 2 b) der Teilungserklärung in eine Kostentragungsregelung scheidet damit aus.
Ob einzelne Eigentümer von Wohnungen mit Balkon im vorliegenden Fall davon ausgegangen sind, dass sie die Kosten selbst zu tragen hätten, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 06.06.2019 lässt sich keinerlei individualvertragliche Regelung der Eigentümer dahingehend entnehmen, dass gerade die Kosten für eine Balkonsanierung gemäß dem als Anlage B1 überreichten Angebot nur von den Eigentümern von Wohnungen mit Balkon getragen werden. In dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 05.06.2019 ist vielmehr überhaupt kein Angebot erwähnt. Damit beschränkt sich die Aussage in dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 6.6.2019, die betroffenen Eigentümer würden die Sanierung der Balkone in Eigenregie übernehmen, auf eine bloße Absichtserklärung.
c) Das vorstehende Ergebnis ist auch interessengerecht. Die Instandhaltung von Gemeinschaftseigentum ist die Sache sämtlicher Eigentümer. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Eigentümer mit dem instandzusetzenden Teil des Gemeinschaftseigentums nicht in Berührung kommen. So wären beispielsweise an einer Sanierung der rückwärtigen Fassade eines Gebäudes auch die Eigentümer zu beteiligen, die ausschließlich nach vorne raus wohnen und den rückwärtigen Teil des Gebäudes nicht nutzen. Dass sich die beschlossene Sanierung nur auf solche Teile der Balkone bezieht, die sondereigentumsfähig wären, wird vom Kläger (wie bereits ausgeführt) nicht behauptet.
3) Offen bleiben kann auch, ob die beschlossenen Arbeiten tatsächlich notwendig sind. Der Kläger hat die Notwendigkeit der Arbeiten erstmals im Schriftsatz vom 12.06.2020 und damit nach Ablauf der Frist zur Begründung der Anfechtungsklage bestritten. Der Kläger ist damit mit diesem Einwand präkludiert.
II)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bei der Festsetzung des Streitwertes ist das Gericht dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien zu dessen Höhe gefolgt.