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WEG – Bemessung der Rücklage für Instandsetzungsarbeiten

AG Hamburg-Blankenese – Az.: 539 C 26/18 – Urteil vom 12.06.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 30.000,00 €.

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft S. Das Gebäude wurde 1927 errichtet.

Der Kläger zu 1) ist Sondereigentümer der Wohnung Nummer 1 (16,4 %).

Die Kläger zu 2) und 3) sind Sondereigentümer der Wohnung Nummer 4 (21,1 %), des Teileigentumskeller Nummer 5 (3,1 %) sowie der Garage Nummer 9 (2,0 %).

Die Beklagte ist Sondereigentümerin der Wohnungen Nummer 2 und 3 sowie der Garagen Nummer 7 und 10. Die Kläger verfügen insgesamt über 42,6 %, die Beklagte über 57,4 % der MEA.

Wegen des Inhaltes der Teilungserklärung (TE) wird auf die Anlagen K 2 und K 3 verwiesen.

§ 11 Ziffer 5 TE regelt: „Das Stimmrecht in den Versammlungen bemisst sich nach Miteigentumsanteilen.“

Auf der Eigentümerversammlung vom 30.10.2018 wurde mehrheitlich beschlossen den Verwalter T zum 31.12.2018 abzuwählen. Zum neuen Verwalter wurde ab 01.01.2019 die R-Verwaltungs GmbH für die Zeit bis 31.12.2020 mehrheitlich gewählt.

Zu TOP 4 „Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne 2018/2019“ heißt es im Protokoll:

Abstimmung

dafür 317/600 MEA,

dagegen 95/600 MEA,

Enthaltungen 188/600 MEA

Beschluss: Damit ist mehrheitlich beschlossen den Wirtschaftsplan zu genehmigen mit der Maßgabe einer Rücklage von 60.000,00 €, wobei 40.000,00 € ausdrücklich nur für das Dach und den Umbau des Kellers benutzt werden dürfen. Das neue Wohngeld ist ab 01.01.2019 zu zahlen.

Zuvor war auf der Eigentümerversammlung vom 17.08.2016 (Anlage K 4, Blatt 57 d. A.) zu TOP 10/5 beschlossen worden „der Wirtschaftsplan 2016/2017 wird mehrheitlich genehmigt, mit der Maßgabe, dass die Rücklage 30.000,00 € beträgt und die Zahlungspflicht ab 01.10.2016 besteht.“

Am 30.10.2018 belief sich die Rücklage auf 37.000,00 €.

Durch die Erhöhung der Rücklage und bezogen auf die Fläche der Einheit des Klägers zu 1) ergibt sich für diesen eine Instandhaltungsrücklage von nunmehr 134,01 € pro m² und Jahr.

Für die Kläger zu 2) und 3) verdoppelt sich ebenfalls die Rücklagenzahlung.

Insoweit wird auf die Einzelwirtschaftspläne (Anlage K 5 und K 6, Blatt 64 bis 71 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte als Mehrheitseigentümerin hat die Erhöhung der Instandhaltungsrücklage auf das Doppelte damit begründet, dass eine Sanierung des Hauptdaches des Mehrfamilienhauses notwendig sei. Insoweit stützt sie sich auf den Kostenanschlag des Dachdeckermeisters R vom 29.10.2018 (Anlage K 7, Blatt 72 d. A.).

Zu TOP 7 hat die Eigentümergemeinschaft am 30.10.2018 einstimmig beschlossen, mit der Überprüfung des Daches und der Vordächer einen Fachmann zu beauftragen, der dem Eigentümer notwendige Maßnahmen vorschlagen soll. Die Kosten einer solchen Überprüfung sollen aus der Rücklage bezahlt werden.

Die Kelleraufteilung entspricht derzeit nicht den Vorgaben der Teilungserklärung.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Verdoppelung der Instandhaltungsrücklage den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.

Das 1927 errichtete Gebäude bedürfe keiner Dachsanierung in Höhe von rund 100.000,00 €, sondern kleinere Arbeiten seien zuletzt durch die Firma O (Anlage K 8) durchgeführt worden.

Die Regelung in § 8 Ziffer 5 der Gemeinschaftsordnung (GO) in Verbindung mit § 21 Absatz 5 Ziffer 4 GO lasse nur die Ansammlung einer angemessenen Rücklage zu.

Letztlich sind die Kläger der Auffassung, dass die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage hier deutlich überhöht sei. Selbst die Tatsache, dass Asbestplatten am Haus Verwendung fanden, ließe es zu, die Rissbildung ohne weiteren größeren finanziellen Aufwand zu beheben.

Das Gebäude könne keinesfalls als „Bruchbude“ bezeichnet werden.

Das hier bisher gewählte Modell über eine erhöhte Instandhaltungsrücklage seit 2016 Beträge anzusparen, trage bereits dem Umstand Rechnung, dass der Kläger zu 1) zahlungsschwach ist.

Die Kläger beantragen, den Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 30.10.2018 der WEG S gefassten Beschluss zu TOP 4, soweit er die Rücklage in Höhe von 60.000,00 € des Wirtschaftsplanes 2018/2019 betrifft, für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt unter anderem vor:

Bei dem Mehrfamilienhaus handele es sich um ein ursprünglich nur als Gartenhaus 1927 errichtetes Gebäude, das durch diverse Baumaßnahmen erweitert und mit Anbauten versehen wurde.

Die Voreigentümer, Eheleute M, sollen im Hinblick auf den beabsichtigten Verkauf kein Interesse mehr an regelmäßiger Instandsetzung gehabt haben. Ein weiterer Voreigentümer sei schwer erkrankt, war arbeitslos und schuldete die Kosten gebotener Instandsetzungsmaßnahmen.

Das Dach des Mehrfamilienhauses stamme noch aus dem Jahre 1980. Inzwischen seien lediglich Notreparaturen der Schornsteineinfassung durchgeführt worden, Dachplatten konnten nicht demontiert werden, da sie asbesthaltig sind.

Nach Kenntnis der Beklagten sollen die auf dem Dach bereits vorhandenen Risse innerhalb der Asbestplatten lediglich provisorisch ausgespritzt worden sein, um den Eintritt von Feuchtigkeit zu verhindern. Letztlich sei dies bloße Flickschusterei gewesen.

Auch im Übrigen bestehe ein Sanierungsstau.

Trotz der beschlossenen Erhöhung der Instandhaltungsrücklage würden künftige Instandsetzungen noch weitere Sonderumlagen erforderlich machen.

Im Einzelnen werden folgende Kosten künftig mit einiger Wahrscheinlichkeit anfallen:

32.500,00 € für die bestandskräftig beschlossene Sanierung des Kellerabganges,

für den Rückbau des Kellers einschließlich aller Nebenarbeiten 80.000,00 € sowie

Kosten in noch unbekannter Höhe für die Sanierung der seitlichen Vordächer.

Aufgrund bestandskräftigen Beschlusses vom 30.10.2018 ist der Dachüberstand des Balkons bis zur Hauskante in Stand zu setzen (max. 4.500,00 €).

Ferner wurde die Sanierung des Fensters im Hauseingangsflur beschlossen, die voraussichtlich weitere 4.000,00 € kosten werde.

Aufgrund der Feuchtigkeit in der Erdgeschosswohnung würden geschätzt 7.600,00 € für die Außensanierung und ca. 5.100,00 € für die Innensanierung zuzüglich Maler- und Fußbodenarbeiten anfallen.

Hinzu kämen Malerarbeiten nach dem Fenster- und Türeinbau, Metallschienen, die auf der Kelleraußentreppe anzubringen sind,

Sicherungskasten und Stromzähler – derzeit nicht jedermann zugänglich – müssen verlegt werden (Kosten ca. 10.000,00 €).

Letztlich sei die ausgewiesene Instandhaltungsrücklage von ca. 37.000,00 € vor diesem Hintergrund bei weitem zu niedrig bemessen.

Auch die sogenannte Prioritätenliste des Bauberaters R sei keineswegs vollständig abgearbeitet worden.

Das Holz des Flurfensters sei völlig marode, das Fenster müsste ausgetauscht werden.

Ergänzend verweist die Beklagte auf die Fotografien in den Anlagenkonvoluten B 2, B 3 und B 4 (Blatt 152 f., Blatt 163 f., Blatt 171 f. d.A.).

Außerdem soll eine unfachmännisch verlegte Regenwasserleitung mit Kontergefälle existieren, die in Stand gesetzt werden müsse.

Die tatsächliche Anpassung der Verhältnisse im Keller in Übereinstimmung mit der grundbuchlichen Eintragung sei faktisch Voraussetzung für einen erfolgreichen Weiterverkauf. Inzwischen soll auch der Mieter der Wohnung Nummer 2 wegen der dortigen Feuchtigkeit und Schimmelbildung seit Januar 2018 die Miete mindern.

Im Ergebnis sei die Instandhaltungsrücklage von 60.000,00 € nicht einmal ausreichend bemessen, um alle gefassten Sanierungsbeschlüsse und die darüber hinaus zeitnah zu fassenden weiteren Beschlüsse zur Beseitigung baulicher Mängel finanziell umsetzen zu können.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der mit der fristgerecht erhobenen und begründeten Beschlussanfechtungsklage angegriffene Beschluss zu TOP 4 vom 30.10.2018 widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Im Ausgangspunkt besteht auch zwischen den Parteien Einigkeit, dass bei der Bemessung der Rücklage für Instandsetzungsarbeiten – um die es hier geht – die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen haben. Die Ansammlung einer angemessenen Rücklage hat den Zweck, Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentumes zu sichern, deren Entstehung dem Grunde nach sicher, der Höhe nach und der Fälligkeit nach aber ungewiss ist und dass zahlungsschwache Miteigentümer über vertretbare Kleinbeträge für Reparaturen langfristig mit ansparen, damit sie nicht wegen einer sonst erforderlichen ggf. hohen Sonderumlage zahlungsunfähig werden (LG Hamburg, ZMR 2012, 472).

Der Beschluss über den Wirtschaftsplan ist hier – zugunsten der Kläger unterstellt, dass er teilbar ist – nicht wegen überhöht festgelegter Zuführungen zur Instandhaltungsrückstellung für ungültig zu erklären.

Bei der Beschlussfassung – auch wenn die Beklagte die einzige übrige Wohnungseigentümerin ist – wurde mit ihren Mehrheitsstimmen weder die Minderheit majorisiert noch eine – in der Praxis gar nicht anzutreffende – überhöhte Instandhaltungsrückstellung kreiert.

Da im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 30.10.2018 lediglich eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 37.000,00 € für das gesamte Objekt existierte, war es hier dringend geboten, diese viel zu niedrige Instandhaltungsrücklage deutlich aufzustocken. Zur Berechnung der anzusparenden Rücklage vgl. etwa die Software „Epiqr“ der Fa. CalCon (Ausgliederung des Fraunhofer-Instituts), die von WEG-Verwaltern gerne herangezogen wird. Es darf hier nicht mit eingeschränktem Blick auf die aktuell zu zahlenden Beträge abgestellt werden, sondern es ist auf die zu erreichende Höhe der Rücklage bezogen auf den – hier suboptimalen – Instandsetzungszustand zu schauen.

Durch die Gemeinschaftsordnung für eine Mehrhausanlage kann sogar den Mitgliedern der für einzelne Gebäude oder Gebäudekomplexe gebildeten Untergemeinschaften die Kompetenz eingeräumt werden, unter Ausschluss der anderen Eigentümer die Durchführung von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, die ein zu der jeweiligen Untergemeinschaft gehörendes Gebäude betreffen, wenn zugleich bestimmt wird, dass die durch diese Maßnahmen verursachten Kosten im Innenverhältnis allein von den Mitgliedern der jeweiligen Untergemeinschaft zu tragen sind (vgl. BGH ZMR 2018, 234).

Sind im Bereich des Gemeinschaftseigentums gravierende bauliche Mängel vorhanden, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist sogar eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich und einzelne Wohnungseigentümer können die Sanierung verlangen (vgl. BGH ZMR 2018, 835).

Die geplante erstmalige plangerechte Herstellung der Zustände im Keller ist unabhängig von der dinglichen Zuordnung Aufgabe aller Wohnungseigentümer (der Untergemeinschaft) und nicht nur der benachbarten Sondereigentümer (vgl. BGH ZMR 2016, 215). Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein könnte, z.B. weil die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht, sind nicht gegeben.

Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn einzelne Eigentümer keinen Kredit mehr bekommen (BGH ZMR 2016, 49 und BGH ZMR 2013, 127). Zur Instandsetzungspflicht vgl. BGH ZMR 2015, 241.

Dass die Einzelwirtschaftspläne und der Gesamtwirtschaftsplan für die Zeit vom 01.11. bis 31.10. des Folgejahres liefen, wurde klägerseits nicht gerügt.

Nach § 10 Ziffer 3 der Teilungserklärung und nach § 28 WEG hätte der Wirtschaftsplan für das Kalenderjahr und nicht für 12 Monate wie im Mietrecht mit beliebigem Beginn an einem der 12 Monate aufgestellt werden müssen.

Legt man für die Wohnung Nr.1 die angegebenen 73,4 m² zu Grunde, die 16,4 % MEA entsprechen, so hätte die nicht rechtsfähige Untergemeinschaft „Mehrfamilienhaus S“ insgesamt ca. 447,5 m² Wohnfläche.

Da gemäß § 5 Ziff. 1 TE/GO das Mehrfamilienhaus auf dem vorderen Teil des Grundstückes so behandelt werden soll, als wenn die den Häusern zugeordnete Grundstücksflächen real geteilte Flurstücke wären, kommt es für die Bestimmung der angemessenen Höhe der Instandhaltungsrücklage nur auf den baulichen Zustand des Mehrfamilienhauses an.

In der Änderungsurkunde vom 28.09.2011 ist zur Kosten- und Lastentragung für das Mehrfamilienhaus geregelt, dass alle derartige Kosten, die in einwandfreier Weise dem Mehrfamilienhaus zugeordnet werden können von den Eigentümern der in dem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten nach folgenden Prozentsätzen in Abweichung von den Miteigentumsanteilen getragen werden sollen … (Blatt 53 d. A.).

Zur Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage wird ergänzend verwiesen auf LG München I, ZMR 2016, 986 Rn. 27 nach juris: Nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gehört die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage in angemessener Höhe dient der Sicherung notwendiger Reparaturen des Gemeinschaftseigentums größeren Ausmaßes. Die Höhe der Rücklage, die angemessen sein muss, ist nach objektiven Maßstäben zu ermitteln. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Einzelfall, insbesondere Alter, Größe, bauliche Besonderheiten und Zustand der Anlage, insbesondere welche absehbaren Instandsetzungsmaßnahmen anstehen und welchen Kapitaleinsatz diese erfordern. Bei der Bemessung der Instandhaltungsrücklage haben die Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum. Nur wesentlich zu hohe oder wesentlich zu niedrige Ansätze widersprechen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Zur Lebensdauer einzelner Gebäudeelemente – neben Epiqr – wird verwiesen auf von Hauff/Musielack, das große Verwalterhandbuch, 7. Auflage, Seite 305 f..

In der Immobilienwirtschaft haben sich verschiedene Methoden zur Berechnung der Instandhaltungsrückstellung herausgebildet. Nach der sogenannten Peters´schen Formel wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen Herstellungskosten, Nutzungsdauer und dem Teil der Immobilie, der zum gemeinschaftlichen Eigentum zu rechnen ist und damit der Instandhaltungsverantwortung der Gemeinschaft unterliegt (vergleiche Peters, Fachverwalter, Seite 193).

Die Formel lautet für die reine Zuweisung zur Instandhaltungsrückstellung

IR = Herstellungskosten/m² x 1,5 x 0,65

geteilt durch Nutzungs-/Lebensdauer von 80 Jahren.

Hieraus errechnen sich derzeit je nach Baukosten Werte für Wohnflächen zwischen 20,00 und 50,00 € je m² und Jahr an Zuweisungen zur Rücklage.

Wenn – wie hier – die Rücklage trotz Erhöhung in den letzten Jahren lediglich 37.000,00 € ausmacht, erschließt sich bei einem bereits 1927 errichteten Gebäude mit Renovierungsstau, das obendrein ursprünglich nur als Gartenhaus geplant war, dass die bloße Aufnahme angemessener oder erhöhter Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage niemals dazu führen werden, dass eine ausreichende Instandhaltungsrücklage angespart werden kann.

Von Hauff entwickelte folgende Formel:

IR = Marktpreis pro m² x 0,25 geteilt durch 50.

Dabei unterstellt er, dass das gemeinschaftliche Eigentum etwa ein Viertel des Kaufpreises ausmacht. Der Planungshorizont wird nur auf 50 Jahre festgelegt, in denen die zu betrachtenden/ in Stand zu setzenden Gewerke des gemeinschaftlichen Eigentumes mindestens einmal von einer Maßnahme betroffen sind (zum Beispiel Dach oder Außenfassade).

Letztlich kann es nicht auf die einzelne Zuführung zur Rücklage ankommen, sondern es bedarf einer individuellen auf die hier gegebene Untergemeinschaft bezogene Instandhaltungsrückstellungsplanung. Hierbei sind zu berücksichtigen

– das Alter der Immobilie,

– der technische Instandhaltungsgrad und der Instandhaltungsbedarf,

– ein umfangreicher und individuell erweiterbarer Gewerkekatalog,

– Wiederherstellungskosten der einzelnen Gewerke zum Planungszeitpunkt,

– individuelle Instandhaltungsintervalle,

– eine auf 30 Jahre ausgerichtete rollierende Planung,

– Mindesthöhe der Instandhaltungsrückstellung,

– Ausgleichszahlung zur Berücksichtigung von Instandhaltungsstaus.

Genau dieser Punkt ist hier einschlägig, da der Beginn der Rückstellungsplanung nicht zwingend mit dem Erstellungsdatum der Immobilie identisch sein muss. Hier gab es im Errichtungsjahr 1927 noch kein WEG.

Ob die Immobilie bereits seit fast 100 Jahren – wie hier – besteht oder ein Neubau ist, ist für die Anwendung des Berechnungssystems erstmal ohne Bedeutung.

Die planenden Eigentümer müssen jedoch immer den tatsächlichen Ist-Zustand der Immobilie zu Grunde legen. Abgeglichen werden müssen der Erhaltungszustand mit eventuellen Sanierungsstaus und die aktuelle Höhe der angesammelten Rücklage. Wenn der Zustand der Immobilie bereits zu Planungsbeginn umfangreiche Sanierungen erfordert und die angesammelte Rücklage nicht ausreicht, so sind zu Beginn des Planungszeitraumes zusätzliche Zahlungen anzunehmen entweder durch Sonderumlage oder durch erhöhte Zuführung zur Rücklage im Rahmen des Wirtschaftsplanes.

Die zur Akte gereichten Fotos zeigen, dass hier mit dem Wort „Instandsetzungsstau“ der heutige Zustand noch positiv umschrieben ist.

Die gesamte Bausubstanz macht einen wenig gepflegten Eindruck. Die technischen Defizite bei der Entwässerung dokumentieren sich am baulichen Zustand, insbesondere der Außenwände, Kellerzugänge etc.

Um die Anlage wieder auf Vordermann zu bringen, bedarf es erheblicher Kraftakte, wobei das Gericht dahingestellt sein lassen kann, ob sämtliche im Schriftsatz vom 18.04.2019 erwähnten Maßnahmen tatsächlich zeitnah durchzuführen sind. Gegebenenfalls bedarf es hierzu einer echten Prioritätenliste (vgl. dazu OLG Hamburg ZMR 2010, 129), die sukzessive – je nach finanzieller Machbarkeit – abzuarbeiten ist.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass bei einer erhöhten Zuführung zur Instandhaltungsrücklage keine ernsthaften Zinsverluste zu befürchten sind, da Banken inzwischen schon mit Negativzinsen drohen.

Soweit der umgekehrte Fall gegeben ist, ist die Aufnahme eines Kredites – wenn denn tatsächlich erforderlich – auch in der heutigen Zeit mit extrem niedrigen Kosten verbunden, wenn man als Sicherheit ein Sondereigentum bieten kann oder der Verband den Kredit aufnimmt.

Auch eine mögliche Beteiligung der Voreigentümers M an den Kosten, die für die Umbauarbeiten im Keller erforderlich sind, ändern nichts daran, dass die Gemeinschaft die Kosten hier mutmaßlich erst einmal vorstrecken muss (zu den Problemen der fiktiven Schadensabrechnung vgl. BGH NZM 2018, 345, zum Werkvertragsrecht).

Auch wenn das klägerseits gleich zweimal vorgelegte Angebot des Dachdeckermeisters R vom 29.10.2018 (Anlage K 7 und Anlage K 16) mit einem Volumen von 99.285,60 € derzeit noch nicht umgesetzt werden müsste, wäre mit derartigen Kosten schon im Hinblick auf das Alter des Daches zumindest in den nächsten ein bis zwei Jahren zu rechnen.

255 m² Dachfläche mit asbesthaltigen Welldachplatten sind sicher keine Lösung für die Zukunft.

Zu den Dachdeckerarbeiten kommen auch noch die im Angebot nicht enthaltenen Innenmaßnahmen (Verkleidung von Dachflächenfenstern) hinzu. Außerdem reichen erfahrungsgemäß prognostizierte Kosten eher nicht aus, sondern werden um mindestens 20 % überschritten. Derzeit könnte die Gemeinschaft solche Arbeiten nicht guten Gewissens in Auftrag geben, sondern müsste erst durch Sonderumlagen sicherstellen, dass auch etwa 120.000,00 € für den Dachdecker verfügbar sind für den aktuellen WEG-Verwalter als Vollzugsorgan der Gemeinschaft.

Ob der Beschluss hinreichend bestimmt ist, obwohl weder die Worte Gesamtwirtschaftsplan und Einzelwirtschaftspläne vorkommen noch die Gesamtsumme genannt wird, kann hier dahinstehen, da eine entsprechende Rüge innerhalb der 2 Monats-Frist jedenfalls nicht erhoben wurde. Der angegriffene Beschluss ist ersichtlich durchführbar und nicht nichtig.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 49 a GKG. Es ist nicht der höchste Einzelwert bei den Klägern zu 1) bis 3) zugrunde zu legen, sondern die Summe aller Einzelinteressen, das heißt 47 % der gesamten Untergemeinschaft. Bei einer Instandhaltungsrückführung von jährlich 60.000,00 € ergibt sich ein Betrag von mindestens 28.200,00 €, während das hälftige Gesamtinteresse mit 30.000,00 € zu Buche schlägt und hier angesetzt werden kann, da das 5-fache Interesse aller Kläger deutlich darüber liegt.

Die Hamburger Formel ist seit langem überholt (vergleiche jetzt auch LG Hamburg, ZMR 2017, 764). Zur Streitwertfestlegung vergleiche auch OLG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2018, 2 W 88/18.

Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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