Teilungserklärung macht WEG-Beschlüsse ungültig
In der Welt des Wohneigentumsrechts spielen Beschlüsse der Eigentümerversammlung eine entscheidende Rolle. Sie sind das zentrale Instrument, mit dem Wohnungseigentümer gemeinschaftliche Entscheidungen treffen. Doch was passiert, wenn diese Beschlüsse in Konflikt mit der Teilungserklärung stehen oder wenn Unklarheiten in der Beschlussfassung auftreten? Dies führt oft zu juristischen Auseinandersetzungen, bei denen die Gültigkeit der Beschlüsse und die korrekte Kostenverteilung zwischen den Wohnungseigentümern im Fokus stehen. Besonders relevant wird dies bei Themen wie Jahresabrechnungen und Nachschüssen, bei denen es nicht nur um rechtliche, sondern auch um finanzielle Aspekte geht. Solche Streitigkeiten fordern ein tiefgehendes Verständnis des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) und der jeweiligen Teilungserklärung, die als Grundlage für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dient.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat entschieden, dass die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung zu verschiedenen Tagesordnungspunkten ungültig sind, da sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums widersprechen.
Liste der zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Ungültigkeit der Beschlüsse: Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 zu TOP 4, 5, 12 und 14 wurden für ungültig erklärt, da sie gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstießen.
- Kostenverteilung nach Wohnfläche: Die Verteilung der Kosten für Kabelgebühren und Rauchmelderwartung erfolgte fälschlicherweise nach Einheiten statt nach Wohnfläche, wie in der Teilungserklärung vorgesehen.
- Teilungserklärung als Maßstab: Die notarielle Teilungserklärung vom 25.11.1993 spielt eine entscheidende Rolle für die Gültigkeit der Beschlüsse, insbesondere hinsichtlich der Kostenverteilung.
- Bestimmtheit der Beschlüsse: Die Beschlüsse zu TOP 12 (Fahrradständer) und TOP 14 (Kosten für Heizungsanschluss) waren zu unbestimmt formuliert, um gültig zu sein.
- Fehlende Alternativangebote: Für die Anschaffung neuer Fahrradständer wurden keine Alternativangebote eingeholt, was gegen die ordnungsgemäße Verwaltung verstößt.
- Unklarheit bei Heizungsanschlusskosten: Der Beschluss zu TOP 14 war unklar, da nicht ersichtlich war, was genau durchgeführt wurde und worauf der Erstattungsanspruch beruhte.
- Tragung der Kosten des Rechtsstreits: Die Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden.
Übersicht
- Teilungserklärung macht WEG-Beschlüsse ungültig
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Bedeutung der Teilungserklärung im Kontext der WEG-Beschlüsse
- Ungültige Beschlüsse zur Jahresabrechnung und Kostenverteilung
- Problematik bei der Anschaffung von Fahrradständern
- Ungültigkeit des Beschlusses über Heizungsanschlusskosten
- Fazit: Bedeutung von Klarheit und Rechtskonformität in WEG-Beschlüssen
- ✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Die Bedeutung der Teilungserklärung im Kontext der WEG-Beschlüsse
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat in einem bemerkenswerten Urteil die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 zu den Tagesordnungspunkten (TOP) 4, 5, 12 und 14 für ungültig erklärt. Dieses Urteil beleuchtet die essenzielle Rolle der Teilungserklärung im Rahmen von Wohnungseigentümergemeinschaftsbeschlüssen (WEG-Beschlüssen). Im Kern des Rechtsstreits stand die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse, die von der Klägerin, der Eigentümerin der Wohnung Nr. 10, angefochten wurden. Dabei spielte die notarielle Teilungserklärung vom 25.11.1993 eine zentrale Rolle, die in § 12 spezifische Regelungen zur Kostenverteilung unter den Wohnungseigentümern vorsieht.
Ungültige Beschlüsse zur Jahresabrechnung und Kostenverteilung
Die Beschlüsse zuTOP 4 und 5 bezogen sich auf die Einforderung von Nachschüssen und Anpassungen von Vorschüssen basierend auf der Jahresabrechnung 2020 und deren Einzelabrechnungen sowie auf die Wohngeldabrechnung 2021 und deren Einzelberechnungen. Die Klägerin monierte, dass die Formulierung „Anpassungen und Nachschüsse“ nicht den Vorgaben des § 28 Abs. 2 S. 1 WEG entspreche und es unklar sei, welche Abrechnung genau beschlossen worden sei. Ein entscheidender Punkt war die fehlerhafte Anwendung der Verteilungsschlüssel, insbesondere bei den Kabelgebühren und der Rauchmelderwartung, die nicht gemäß der in der Teilungserklärung festgelegten Wohnfläche, sondern nach Einheiten verteilt wurden. Das Gericht stellte fest, dass die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 insgesamt ungültig sind, da sie nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprachen.
Problematik bei der Anschaffung von Fahrradständern
Beim Beschluss zu TOP 12 ging es um die Anschaffung von Fahrradständern. Die Klägerin kritisierte, dass der Beschluss zu unbestimmt sei, da unklar blieb, welches konkrete Modell mit welcher Ausführung und Maßen angeschafft werden sollte. Hinzu kam, dass keine Alternativangebote eingeholt wurden, was es unmöglich machte, sich ein Bild von der Marktgerechtigkeit der angesetzten Kosten zu machen. Das Gericht erklärte auch diesen Beschluss für ungültig, da er gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstieß.
Ungültigkeit des Beschlusses über Heizungsanschlusskosten
Der Beschluss zu TOP 14 betraf die Erstattung der Kosten für den Anschluss einer Wohnung an die Zentralheizung. Die Klägerin argumentierte, dass unklar sei, was genau durchgeführt wurde und worauf der Erstattungsanspruch beruhe. Das Gericht folgte dieser Argumentation und erklärte den Beschluss für ungültig. Es wurde festgestellt, dass es keine Rechtsgrundlage gab, die Gemeinschaftskosten für den Anschluss an eine gemeinschaftliche Heizungsanlage zu Lasten aller Wohnungseigentümer zu verteilen.
Fazit: Bedeutung von Klarheit und Rechtskonformität in WEG-Beschlüssen
Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit von Klarheit und Rechtskonformität in den Beschlüssen von Wohnungseigentümerversammlungen. Es zeigt auf, dass die Teilungserklärung und die gesetzlichen Vorgaben des WEG maßgeblich sind und strikt eingehalten werden müssen. Die Entscheidung des Gerichts, alle vier angefochtenen Beschlüsse für ungültig zu erklären, dient als Mahnung für alle Wohnungseigentümergemeinschaften, bei ihren Beschlussfassungen die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu beachten und transparente, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was ist der Zweck einer Teilungserklärung?
Der Zweck einer Teilungserklärung besteht darin, ein Gebäude oder Grundstück in mehrere Eigentumseinheiten aufzuteilen und die Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer zu regeln. Sie bildet die rechtliche Grundlage für das Zusammenleben und die Verwaltung von Eigentumswohnungen und legt unter anderem fest, welche Flächen zum Sondereigentum und welche zum Gemeinschaftseigentum gehören. Die Teilungserklärung dient dazu, klare Regeln für das gemeinschaftliche Zusammenleben festzulegen, die Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer zu definieren und die Prozesse für gemeinschaftliche Entscheidungen und Beschlussfassungen zu regeln. Sie wird üblicherweise von einem Notar erstellt und im Grundbuch eingetragen.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 22/22 WEG – Urteil vom 12.05.2023
In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 980b – auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2023 für Recht:
1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 zu TOP 4, TOP 5, TOP 12 und zu TOP 14 werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 42.843,01 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse einer Eigentümerversammlung.
Die Klägerin – Eigentümerin der Wohnung Nr. 10 mit einer Fläche von 63,36 m² – ist Mitglied der Beklagten; es gilt die not. Teilungserklärung vom 25.11.1993 gemäß Anlage B1. Dort heißt es in § 12:
„(…) 2. In Ergänzung und teilweiser Abänderung des § 16 WEG wird folgendes bestimmt: a) Die Bewirtschaftungskosten sind unter den Wohnungseigentümern entsprechend der in der ANLAGE 1 ausgewiesenen Größe (qm-Wohnfläche) zu verteilen, wenn keine besonderen Meßvorrichtungen vorhanden sind. Ansonsten gilt Absatz d). Zu den Bewirtschaftungskosten gehören insbesondere (…). b) Die Verwaltungskosten sind für jedes Wohnungseigentum gleich zu bemessen. (…) d) Jeder Eigentümer trägt die auf ihn bzw. sein Sondereigentum fallenden Kosten allein, soweit für diese besondere Meßvorrichtungen vorhanden sind oder sonst in einwandfreier Weise gesondert festgestellt werden können. (…)“.
In der Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 wurden u.a. folgende Beschlüsse mehrheitlich gefasst und sodann verkündet (Protokoll, Anl. K1):
TOP 4 „Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen und Anpassungen von Vorschüssen auf Grundlage der Jahresabrechnung 2020 und deren Einzelabrechnungen. Die Abrechnungen wurden bereits zur letzten Eigentümerversammlung am 06.10.2021 verschickt.“
[…]
Die Eigentümer genehmigen die Anpassungen und Nachschüsse, die sich aus der Wohngeldabrechnung 2020 und deren Einzelberechnungen ergeben.
TOP 5 „Die Eigentümer genehmigen die Anpassungen und Nachschüsse, die sich aus der Wohngeldabrechnung 2021 und deren Einzelberechnungen ergeben. Die Salden werden zum 01. Oktober 2022 fällig.“
TOP 12 „Diskussion und Beschlussfassung zur Anschaffung von Fahrradständern mit Überdachung für mindestens zehn Fahrräder. Der Unterstand soll auf der Außenfläche vor dem Fahrradraum (Rückseite des Gebäudes) aufgestellte werden, wo derzeit auch schon Fahrräder abgestellt werden. Die Eigentümerversammlung vom 05.11.2021 hatte sich für das Model https://… entschieden.“
… berichtet, dass Frau … den Beschluss der letzten Eigentümerversammlung zur Anschaffung eines Schräghochparkers angefochten hat und das Gericht der Anfechtung wegen fehlender Alternativangebote stattgegeben hat.
Herr … teilt mit, dass an dem vorgesehenen Platz genügend Fläche vorhanden ist und somit ein Schräghochparker, der den Nachteil hat, dass die Fahrräder angehoben werden müssen, gar nicht erforderlich ist.
Die Eigentümer beschließen, die vorhandenen Fahrradständer aus dem Fahrradraum auszubauen und auf der Außenfläche vor dem Fahrradraum auf der Rückseite aufzustellen. Für den Fahrradraum sollen neue Boden-Fahrradständer mit abwechselnder Tief-/Hochstellung und einem Abstand von ca. 40-45 cm in maximaler Anzahl angeschafft werden. Der Kostenrahmen beträgt Euro 2.000,00. Die Finanzierung erfolgt aus den laufenden Kosten.
TOP 14 „Antrag von Herrn …: Erstattung der Kosten für den Anschluss der Wohnung von Herrn …. an die Zentralheizung in Höhe von Euro 590,95.
Die Eigentümer beschließen Herrn … die Kosten für den Anschluss seiner Wohnung an die Zentralheizung gemäß Pos. 4 der Rechnung der Firma … vom 18.02.2022 in Höhe von Euro 590,95 zu erstatten.“
Die Klägerin macht mit ihrer am 07.10.2022 bei Gericht per beA eingegangenen, der Beklagten am 21.11.2022 zugestellten und mit weiterem Schriftsatz vom 07.11.2022 – bei Gericht eingegangen am selben Tag – begründeten Anfechtungsklage geltend, dass die Beschlüsse zu TOP 4, TOP 5, TOP 12 und zu TOP 14 für ungültig zu erklären seien. Dazu bringt sie im Einzelnen vor:
* Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 seien hinsichtlich ihrer Bestimmtheit sowie der Beschlusskompetenz fehlerhaft. Die Formulierung „Anpassungen und Nachschüsse“ entspreche nicht den Vorgaben von § 28 Abs. 2 S. 1 WEG. Außerdem werde nicht deutlich, welche Abrechnung genau beschlossen worden sei, nachdem der Beschluss vom 05.11.2021 über die inhaltsgleiche „Jahresabrechnung 2020“ durch Urteil vom 01.07.2022 – 980a C 41/21 WEG (veröffentlicht in ZMR 2022, 833) rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei. Hinzu komme, dass die „Wohngeldabrechnungen“ für 2020 und 2021 keine „Nachschüsse“ oder „Anpassungen“ enthalten, sondern – in ihrem Fall – nur ein „Guthaben per 31.12.“ ausweisen würden.
Inhaltlich mangelhaft seien die Beschlüsse aber auch aufgrund einer fehlerhaften Anwendung der Verteilungsschlüssel. So seien in der Abrechnung 2020 die „Kabelgebühren“ (Gesamtbetrag 2.048,16 Euro) nach dem Schlüssel „Einheiten Kabel“ (mit 18 Einheiten), aber nicht gemäß § 12 Ziff. 2 TE nach Wohnfläche verteilt worden. Bei einer Gesamtwohnfläche von – unstreitig – 1.426 m² hätten auf sie, die Klägerin, nicht 113,79 Euro (1/18stel Einheiten), sondern nur 91,00 Euro umgelegt werden dürfen. Das gleiche gelte für die Position „Rauchmelder Wartung“, die ebenfalls nach Einheiten (2 von 69) umgelegt worden sei. Auch die Abrechnung 2021 enthalte diese Fehler; betreffend die „Gebühren Kabelfernsehen“ hätten auf sie auch dort nur 92,17 Euro und nicht 115,24 Euro umgelegt werden dürfen. Ferner seien – was unstreitig ist – zu Unrecht „Anwalts- und Gerichtskosten“ in Höhe von 308,20 Euro auch auf sie (mit 13,69 Euro) verteilt worden; dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine Teilanfechtung bzw. Teilungültigkeit der Beschlüsse zu TOP 4 und 5 komme nicht in Betracht, weswegen beide insgesamt aufzuheben seien.
* Der Beschluss zu TOP 12 betreffend die Fahrradständer sei zu unbestimmt. Es sei unklar, wo und in welcher Richtung die ausgebauten Fahrradständer auf der Außenfläche aufgestellt und wie diese am Erdboden befestigt werden sollen. Bei den neuen Bodenfahrradständern sei unklar, um was für Ständer es sich dabei handeln solle. Weder die Anordnung noch die Erreichbarkeit für die Eigentümer sei beschrieben.
Auch fehlten Angaben zu Form, Farbe und zur sonstigen optischen Ausgestaltung. Wie bereits im o.g. Verfahren 980a C 41/21 WEG sei ferner zu bemängeln, dass keine (Alternativ-)Angebote eingeholt worden seien. Es sei nicht möglich, sich ein Bild davon zu machen, die angesetzten Kosten marktgerecht seien und wie sie sich zusammensetzen. Die Verwaltung habe dazu überhaupt kein Angebot vorgelegt.
* Auch der Beschluss zu TOP 14 sei zu unbestimmt. Es erschließe sich nicht, was genau durchgeführt worden sei und worauf der Erstattungsanspruch beruhe. Offensichtlich sei auch kein Maßnahmebeschluss gefasst worden, so dass unklar sei, für welche Leistungen der beschlossene Geldbetrag tatsächlich aufgewendet werden solle und wer die Leistung – und welche – erbracht habe. Letzteres sei auch wegen möglicher Gewährleistungsansprüche von Relevanz. Im Übrigen bleibe auch unklar, weswegen nur „Position 4“ erstattet werden solle.
Die Klägerin beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 zu TOP 4, TOP 5, TOP 12 und zu TOP 14 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse und macht betreffend TOP 4 und 5 ergänzend geltend, dass für die Verteilung der Kosten für „Gebühren Kabelfernsehen“ und „Wartung Rauchmelder“ die Regelung in § 12 Ziff. 2 d) greife, weil diese Kosten den Einheiten individuell zugeordnet werden könnten. Die vorhandenen Fahrradständer (TOP 12) seien solche, wie sie jeder kenne: halbrunde Bögen, in die die Fahrräder geschoben werden könnten; diese könnten einfach auf dem Boden verschraubt werden. Auch die neuen Ständer seien im Beschluss ausreichend genau beschrieben. Alternativangebote seien bei einem Kostenvolumen von nur 2.000,00 Euro bzw. einer sog. Bagatellmaßnahme nicht einzuholen gewesen. Sollte der Beschluss für diesen Betrag nicht umzusetzen sein, werde der Verwalter keinen Auftrag vergeben können bzw. dürfen. Betreffend den Beschluss zu TOP 14 sei von Belang, dass die Wohnung Nr. 4, die noch mit eigenen Gasthermen beheizt worden sei, mittlerweile an die zentrale, mit Fernwärme versorgte Heizungsanlage angeschlossen worden sei. Die Kosten für diesen Anschluss seien von der Gemeinschaft zu tragen, weil es sich bei dem Heizungssystem um gemeinschaftliches Eigentums handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 07.09.2022 zu TOP 4, 5, 12 und 14 widersprechen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.
1. Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 sind – insgesamt – für ungültig zu erklären, weil die „auf Grundlage der Jahresabrechnung 2020 und deren Einzelabrechnungen“ abzuleitenden Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer bzw. diejenigen, wie sie sich aus der „Wohngeldabrechnung 2021 und deren Einzelberechnungen ergeben“, fehlerhaft sind. Beide Beschlüsse sind indes nicht deswegen nichtig, weil den Eigentümern die Kompetenz gefehlt hat, gestützt auf § 28 Abs. 2 S. 1 WEG die „Anpassungen und Nachschüsse“, die sich aus den Abrechnungen 2020 und 2021 sowie deren Einzelberechnungen ergeben, zu genehmigen. Das Gericht hat zwar bereits entscheiden, dass den Wohnungseigentümern nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage die Kompetenz fehlt, eine „Wohngeldabrechnung“ bzw. die bloße Genehmigung des Zahlenwerks „Jahresabrechnung“ zu beschließen (vgl. ZMR 2021,421 und ZMR 2022, 833; differenzierend LG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.02.2023 – 2-13 S 79/22: ggfs. Teilnichtigkeit). Hier ergibt sich bei einer objektiv-normativen bzw. am Wortlaut und dem nächstliegenden Sinn seiner Bedeutung orientierten Auslegung des Beschlusstextes („Die Eigentümer genehmigen die Anpassungen und Nachschüsse, die sich aus der Wohngeldabrechnung … und deren Einzelberechnungen ergeben“), dass die Wohnungseigentümer nicht lediglich die den Abrechnungen zugrunde liegende Rechenwerke genehmigt haben, sondern – im Einklang mit § 28 Abs. 2 S. 1 WEG – nur über die Anpassung der Vorschüsse und die Anforderung von Nachschüssen Beschluss gefasst haben.
Die Klägerin hat indes schlüssig dargetan, dass die beschlossenen für 2020 und 2021 Beträge teilweise fehlerhaft sind, weil der Verteilung der Kosten für „Kabelgebühren“ bzw. „Gebühren Kabelfernsehen“ nach einem ungültigen Schlüssel erfolgt ist. Insoweit macht die Klägerin mit Recht geltend, dass die Verteilung entsprechend § 12 Ziff. 2 TE nach Wohnfläche hätte erfolgen müssen, tatsächlich aber nach „Einheiten“ erfolgt ist; dadurch hätten auf sie für 2020 nicht 113,79 Euro, sondern nur 91,00 Euro umgelegt werden dürfen, und für 2021 nur 92,17 Euro und nicht 115,24 Euro. Entgegen der Meinung der Beklagten greift insoweit nicht der in § 12 Ziff. 2 a) a.E. i.V.m. lit. d) bestimmte Schlüssel, wonach „jeder Eigentümer (…) die auf ihn bzw. sein Sondereigentum fallenden Kosten allein [trägt], soweit für diese besondere Meßvorrichtungen vorhanden sind oder sonst in einwandfreier Weise gesondert festgestellt werden können.“ Nach dem Wortlaut dieser Regelung und dessen objektiv-normativer Auslegung ergibt sich nichts dafür, dass es sich bei den Gebühren für das Kabelfernsehen um solche – dort gemeinten – Kostenpositionen handelt. Die Vereinbarung setzt dafür ersichtlich voraus, das für die Erfassung der Kosten bzw. für die Verteilung derselben – gleichsam verbrauchsabhängig – „Meßvorrichtungen“ nötig sind. Solche kommen im Zusammenhang mit Kabelgebühren aber nicht zum Einsatz. Für ein solches Ergebnis spricht indiziell auch, dass die Vereinbarung in § 12 b) eine Regelung dafür enthält, dass die „Verwaltungskosten“ nach (Wohn-)Einheiten aufgeteilt werden, und die Anwendung von § 12 d) TE nur im Ausnahmefall greifen soll (vgl. § 12 a) TE: „… wenn keine besonderen Meßvorrichtungen vorhanden sind“). Anders als die Beklagte meint, kommt eine Verteilung von solchen Kosten, die – auf Einheitenbasis – getrennt ausgewiesen werden können, also nur im Ausnahmefall und dann in Betracht, wenn ihr Anfall durch eine „Meßvorrichtung“ erfasst worden ist. In diesem Lichte ist auch der Satzteil „der sonst in einwandfreier Weise gesondert festgestellt werden können“ in § 12 d) TE zu verstehen, der darauf abzielt, Kosten nach Einheiten zu verteilen, wenn sie einem Wohnungseigentümer aufgrund einer gesonderten Erfassung direkt zugeordnet werden können.
Dahinstehen kann, ob auch die Kosten für die Position „Rauchmelder Wartung“ fehlerhaft verteilt worden sind. Die Klägerin hat dazu im Ausgangspunkt nicht geltend gemacht, wie sich die Anwendung eines anderen Verteilerschlüssels (qm statt Einheiten) auf ihre Zahlungspflicht ausgewirkt hätte; für den (Teil-)Erfolg einer Anfechtungsklage genügt es aber nicht mehr, dass lediglich einzelne Teile der Jahresabrechnung fehlerhaft sind, solange sich dieser Fehler nicht auf die Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer auswirkt (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 76). Diese Beurteilung ist dem Gericht anhand der mit der Klagebegründung gegebenen Einwendung nicht möglich, weil die Klägerin nicht darlegt, weshalb und wie konkret sich etwaig fehlerhaft in das Zahlenwerk eingestellte Beträge auf ihre eigene Zahlungspflicht ausgewirkt haben sollen. Abgesehen davon sind auf sie für das Jahr 2020 für die „Rauchmelder Wartung“ mit einem Schlüssel von „2 von 69 Einheiten“ Kosten in Höhe von 8,32 Euro umgelegt worden, während bei einer – von ihr für richtig gehaltenen – Verteilung nach qm-Wohnfläche 12,75 Euro umzulegen gewesen wären (287,03 Euro / 1.426 m² x 63,36 m²), also deutlich mehr. Das gleiche gilt für 2021 (8,67 Euro zu 13,28 Euro). Ob die Klägerin mit ihrer diesbezüglichen Anfechtung also überhaupt mit Erfolg hätte durchdringen können, weil sie damit einerseits eine Schlechterstellung und andererseits eine abweichende Kostenverteilung im Bagatellbereich erreichen würde, bedarf keiner abschließenden Würdigung. Die fehlerhafte Verteilung der Kosten für die „Kabelgebühren“ für die Wirtschaftsjahre 2020 und 20201 (s.o.) führt hier schon für sich genommen dazu, dass die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 insgesamt – und nicht nur teilweise – aufzuheben sind (vgl. LG München I, ZWE 2022, 362, 366, Rn. 36 = ZMR 2022, 817; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.12.2022 – 2/13 S 20/22, BeckRS 2022, 36422 Rn. 20 = ZMR 2023, 216; Göbel, in: Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023, § 44, Rn. 17; a.A. Elzer, ZWE 2022, 369). Demgemäß bedarf es auch keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Kosten für die „Rauchmelder Wartung“ – wie die Beklagte meint – nach dem in § 12 d) TE bestimmten Schlüssel (also nach Einheiten) zu verteilen gewesen wäre, oder – worauf sich die Klägerin beruft und was aus den o.g. Gründen vorzugswürdig ist – ob eine Verteilung nach Wohnfläche zutreffend wäre.
2. Auch der angefochtene Beschluss zu TOP 12 betreffend die Fahrradständer ist für ungültig zu erklären, weil auch er den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Die Klägerin wendet dazu zu Recht ein, dass nach dem – objektiv-normativ auszulegenden – Beschlusstext unklar bleibt, für welches konkrete Modell mit welcher Ausführung und welchen Maßen sich die Wohnungseigentümer entschieden haben. Aus der Formulierung „für den Fahrradraum sollen neue Boden-Fahrradständer mit abwechselnder Tief-/Hochstellung und einem Abstand von ca. 40-45 cm in maximaler Anzahl angeschafft werden“, geht nicht ausreichend deutlich und bestimmt genug hervor, welcher Ständer (von welchem Hersteller) angeschafft und installiert werden soll. Dafür reichte es auch nicht aus, dass es im Protokoll heißt: „Die Eigentümerversammlung vom 05.11.2021 hatte sich für das Model https://… entschieden.“, weil nicht deutlich wird, ob auch genau dieses Modell Gegenstand der hiesigen Beschlussfassung gewesen ist.
Ergänzend und durchgreifend kommt hinzu, dass die Verwaltung vor der Beschlussfassung – was unstreitig ist – keinerlei (Alternativ-)Angebote eingeholt hat. Es ist danach vollkommen unklar, ob und welches Modell für einen Preis von 2.000,00 Euro angeschafft werden kann bzw. soll. Es obliegt aber den Wohnungseigentümern, sich vor einer entsprechenden Beschlussfassung darüber informieren zu können, was Gegenstand einer solchen Anschaffung sein soll und ob der Kostenrahmen, den die Verwaltung hier vorgegeben hat, überhaupt realistischerweise eingehalten werden kann.
Dass die Verwaltung den mangelhaft vorbereiteten Beschluss gleichwohl wieder zur Abstimmung gestellt hat, obwohl die Klägerin – wie aus dem Versammlungsprotokoll hervorgeht – den vorangegangenen Beschluss gleichen Inhalts bereits erfolgreich wegen fehlender Angebote angefochten hatte, bedarf vorliegend keiner gesonderten Würdigung, sondern wirkt sich allenfalls auf eine Haftung der Verwaltung aus – für die aber auch von Bedeutung sein dürfte, dass die Verwaltung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung an ihrer rechtsirrigen Ansicht zur sachgerechten Vorbereitung eines Beschlusses über die Anschaffung der „Boden-Fahrradständer“ festgehalten hat.
3. Letztlich hat auch die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 14 Erfolg. Soweit damit beschlossen worden ist, dass dem Miteigentümer der Einheit Nr. 4 „die Kosten für den Anschluss seiner Wohnung an die Zentralheizung gemäß Pos. 4 der Rechnung der Firma … vom 18.02.2022 in Höhe von Euro 590,95 zu erstatten“ sind, hat die Klägerin dem Kern nach vorgetragen, dass die Verpflichtung der Gemeinschaft gegenüber diesem Miteigentümer für den Ersatz der o.g. Kosten nicht ersichtlich sei, weil sich nicht erschließe, was genau durchgeführt worden sei und worauf der Erstattungsanspruch beruhe. Es versteht sich mangels einer entsprechenden Regelung in der Vereinbarung auch nicht von selbst, dass einem Miteigentümer die Kosten für den späteren Anschluss an eine gemeinschaftliche Heizungsanlage erstattet werden, weswegen die Gemeinschaft ordnungswidrig handelt, wenn sie – ohne Rechtsgrundlage – zu ihren Lasten bzw. mit Kostenverteilung auf alle Wohnungseigentümer einen Erstattungsanspruch begründet.
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
5. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 49 GKG. Betreffend die Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 5 kommt es für die Bestimmung des Gesamtinteresses auf die (Gesamt-)Nennbeträge der Abrechnungen an (vgl. BGH, Urt. v. 24.02.2023 – V ZR 152/22, BeckRS 2023, 6757, Rn. 21 ff.), so dass sich – infolge der Begrenzung durch das 7,5fache Einzelinteresse der Klägerin – Beträge in Höhe von 20.677,88 Euro (TOP 4) und 21.296,40 Euro (TOP 5) ergeben. Die Werte für die Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 12 und 14 folgen den beschlossenen Beträgen (also 2.000,00 Euro bzw. 590,95 Euro), begrenzt durch das Einzelinteresse der Klägerin.