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WEG-Beschluss – Anfechtung bei ungerechter Heizkostenverteilung

AG Herford – Az.: 16 C 29/15 – Urteil vom 03.05.2018

Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 28.11.2015 wird für ungültig erklärt, soweit dort Hausgeldabrechnungen für das Jahr 2014 für die Klägerin beschlossen wurden.

Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 02.07.2016 wird für ungültig erklärt, soweit dort Hausgeldabrechnungen für das Jahr 2015 für die Klägerin beschlossen wurden.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 8 % und die Beklagten nach Kopfteilen zu 92 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin aber nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Im Übrigen bleibt der Klägerin nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien sind Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümeranlage xxxxxx, deren 154 Wohnungen in Mehrfamiliendoppelhäusern liegen. Jedes Doppelhaus verfügt über eine eigene Heizungsanlage. Über die Heiz- und Wasserkosten wird getrennt nach Doppelhäusern abgerechnet. Zu diesem Zweck sind die Heizkörper in den Wohnungen mit elektronisch messenden Heizkostenverteilern ausgestattet.

Die Klägerin ist Eigentümerin von 20 Eigentumswohnungen, von denen jeweils zwei in den Dachgeschossen der Doppelhäuser Nr. 13 und 15, 17 und 19, 21 und 23, 18 und 20 sowie 22 und 24 liegen. Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin ursprünglich die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 28.11.2015 hinsichtlich der Hausgeldabrechnungen für das Jahr 2014 und dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 sowie die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 02.07.2016 zu den Hausgeldabrechnungen 2015 und dem Wirtschaftsplan 2016 angefochten.

Hinsichtlich des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 28.11.2015 bezüglich des Wirtschaftsplanes für das Jahr 2016 hat die Klägerin den Antrag zurück genommen. Hinsichtlich des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 02.07.2016 hinsichtlich des Wirtschaftsplanes für das Jahr 2016 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Angefochten werden mit der vorliegenden Klage daher nur noch die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 28.11.2015 und 02.07.2016 hinsichtlich der Hausgeldabrechnungen für das Jahr 2014 und 2015.

Ausweislich der jeweiligen Protokolle der Eigentümerversammlungen wurden die Hausgeldabrechnungen und die jeweiligen Wirtschaftspläne mehrheitlich genehmigt.

Aus § 11 Abs. 2 b der Teilungserklärung ergibt sich, dass über die Heizkosten nach Verbrauch abzurechnen ist, was durch Beschluss der Wohnungseigentümer dahin konkretisiert worden ist, die Heizkosten im Verhältnis 30 % Grundkosten zu 70 % Verbrauchskosten  aufzuteilen.

Die Klägerin bestreitet jeweils mit Nichtwissen, dass in den jeweiligen Eigentümerversammlungen wirksam Beschlüsse gefasst worden seien. Sie bestreitet die ordnungsgemäße Bevollmächtigung, soweit Wohnungseigentümer durch Vollmacht vertreten worden seien.

Die Klägerin behauptet, dass die Heizkosten systematisch falsch und ungleichwertig erfasst worden seien. Die in die Dachgeschosse führenden Heizungsrohre seien wenig isoliert, davon würden die darunter liegenden Wohnungen profitieren. Die Verteilung der Heizkosten sei insgesamt unzutreffend vorgenommen worden, indem Dachgeschosswohnungen jeweils ein überproportional hoher Heizkostenanteil zugewiesen worden. Es gebe nicht hinnehmbare Rohrwärmeverluste. Durch die nicht richtige Erfassung von Heizkostenanteilen gebe es erheblich Ungleichgewichte, die gegen die Regeln der ordnungsgemäßen Verwaltung verstießen.

Die Klägerin beantragt,  den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 28.11.2015  für ungültig zu erklären, soweit dort Hausgeldabrechnungen für das Jahr  2014 für die Klägerin beschlossen wurden, ferner  den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 02.07.2016  für ungültig zu erklären, soweit dort Hausgeldabrechnungen für das Jahr  2015 für die Klägerin beschlossen wurden.

Die Beklagten beantragen,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagten treten den Behauptungen und Rechtsansichten der Klägerin unter näheren Darlegungen entgegen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung des Verfahrens 16 C 1/12 sowie die Verwertung des dortigen schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen xxxxx vom 21.03.2015 (Bl. 509 – 553 d.A. 16 C 1/12) und das erste Ergänzungsgutachten vom 01.12.2014 (Bl. 601 – 613 d.A. 16 C 1/12) und das zweite Ergänzungsgutachten vom 21.08.2015 (Bl. 852 – 859 d.A. 16 C 1/12).

Die Parteivertreter haben in der mündlichen Verhandlung im hiesigen Verfahren der Verwertung des Beweisergebnisses aus dem Verfahren 16 C 1/12 ausdrücklich zugestimmt.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten wird auf die oben bezeichneten Sachverständigengutachten zur beigezogenen Akte 16 C 1/12, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2018 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

WEG-Beschluss - Anfechtung bei ungerechter Heizkostenverteilung
(Symbolfoto: Von tommaso79/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

Die Klage ist rechtzeitig gem. § 46 Abs. 1, 2 WEG erhoben und begründet worden.

Die Beschlüsse über die Genehmigung der der Klägerin erteilten Abrechnungen für das Wirtschaftsjahre 2014 und 2015 sind anfechtbar, da sie insoweit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dass die Abrechnungen entsprechend mehrheitlich genehmigt worden sind, ist dem Rechtsstreit zugrunde gelegen. Die Klägerin hatte dies nicht ausreichend substantiiert bestritten. Dem Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen stehen die Wissenserklärungen der Verwalterin entgegen, die die Klägerin bevollmächtigt hatte, ihre Interessen in den jeweiligen Eigentümerversammlungen zu vertreten. Sonst fehlt jegliches weiteres hinreichendes substantiiertes Bestreiten.

Die angefochtenen Beschlüsse entsprechen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG.

Denn die in den mit den angefochtenen Beschlüssen genehmigten Jahreseinzelabrechnungen der Klägerin vorgenommene Verteilung der Heizkosten im Verhältnis 30 % Grundkosten zu 70 % Verbrauchskosten führt vorliegend zu nicht mehr hinnehmbaren Verteilungsungerechtigkeiten bei den Heizkosten, so dass gem. § 7 Abs. 1 S. 3 Heizkostenverordnung ein Korrekturverfahren entsprechend der Linie VDI 2077 vorzunehmen ist.

Der Sachverständige xxxxx hat in seinen jeweiligen Gutachten für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die sich ergebenden Werte für den erfassten Verbrauchswärmeanteil fast sämtlich erheblich über 34 % liegen, so dass unter Berücksichtigung der VDI 2077 davon auszugehen ist, dass ein wesentlicher Anteil des tatsächlichen Wärmeverbrauchs von den an den Heizkörpern angebrachten Heizkostenverteilern nicht erfasst wird.

Es kann aus Sicht des Gerichts auch tatsächlich dahinstehen, ob § 7 Abs. 1 S. 3 der Heizkostenverordnung analog anzuwenden ist oder nicht. Der BGH hat diese Frage im Urteil vom 05.03.2017 (Az. VIII ZR 5/16) verneint.

Denn selbst wenn eine analoge Anwendung hier nicht geboten wäre, steht nach dem Sachverständigengutachten jedenfalls fest, dass ein ganz wesentlicher Teil der Heizenergie nicht durch die Verbrauchserfassungsgeräte erfasst wird. Dies führt nach Auffassung des Gerichts dazu, dass eine verbrauchsabhängige Abrechnung so nicht möglich ist und jedenfalls in derart gelagerten Fällen gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstößt.

Dazu kommt noch folgender Aspekt, den auch das Landgericht Dortmund in seiner Berufungsentscheidung 17 S 160/16 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford zum Verfahren 16 C 1/12 klarstellt:

Bei dem vorliegenden Sachverhalt musste es sich den Eigentümern aufdrängen, dass die Vielverbraucher die Wenigverbraucher subventionieren, zumal es bereits vor den hier angefochtenen Beschlüssen einen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und den damaligen Mietern über die Heizkostenabrechnung 2004 bis 2008 gab, welchem die Verwalterin beitrat, die Problematik also spätestens nach dem dortigen Gutachten des Sachverständigen xxxxx vom 29.11.2010 bekannt war. Eine derartige Verteilungsungerechtigkeit ist mit dem wohnungseigentumsrechtlichen Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren, weswegen die Beklagten in ihrem Vertrauen darauf, dass keine rückwirkende Änderung des Verteilungsschlüssels und/ oder der Verbrauchsermittlungsmethode stattfindet, nicht schutzwürdig sind (LG Dortmund, Urteil vom 31.03.2017, 17 S 160/16).

Insgesamt waren die angefochtenen Beschlüsse also für unwirksam zu erklären.

Hinsichtlich des zurück genommenen Antrags hat die Klägerin des Kosten des Verfahrens entsprechend §§ 269 Abs. 3 ZPO zu tragen.

Hinsichtlich des erledigten Teils haben die Beklagten die Kosten ebenfalls nach Kopfteilen zu tragen, da aufgrund der fehlerhaften Verbrauchserfassung auch der Wirtschaftsplan nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben kann.

Im Übrigen haben die Beklagten die Kosten nach Kopfteilen zu tragen.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Die Streitwerte werden wie folgt festgesetzt:

Antrag zu 1 vom 22.12.2015: 25.021,67 EUR

Antrag zu 2 vom 22.12.2015:  5.405,00 EUR

Antrag zu 1 vom 27.07.2016: 21.596,70 EUR

Antrag zu 2 vom 27.07.2016: 20.000,00 EUR

Insgesamt: 72.023,37 EUR.

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