Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein Schwimmbad im Keller: Luxus oder teures Ärgernis für die Eigentümer?
- Der lange Weg zum Streit: Ein Schwimmbad sorgt für Ärger
- Die entscheidende Versammlung: Neue Beschlüsse, alte Konflikte
- Warum die Klägerin vor Gericht zog: Ihre Argumente gegen die Stilllegung
- Die Sicht der Eigentümermehrheit: Warum die Stilllegung richtig sein soll
- Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona: Die Klage wird abgewiesen
- Die Begründung des Gerichts: Schritt für Schritt erklärt
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was sind bauliche Veränderungen im Wohnungseigentum und wer entscheidet darüber?
- Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Nutzung einer Gemeinschaftsanlage ändern oder stilllegen, auch wenn diese in der Teilungserklärung festgelegt ist?
- Wann gilt eine bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum als „grundlegende Umgestaltung“ oder „unbillige Benachteiligung“?
- Welche Möglichkeiten habe ich als einzelner Eigentümer, einen WEG-Beschluss anzufechten, mit dem ich nicht einverstanden bin?
- Wer trägt die Kosten für die Stilllegung oder grundlegende Umgestaltung von Gemeinschaftsanlagen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 303a C 1/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Hamburg-Altona
- Datum: 17.10.2024
- Aktenzeichen: 303a C 1/24
- Verfahrensart: Anfechtungsklage im Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Ungültigkeit von Beschlüssen zur Stilllegung einer Schwimmbad- und Saunaanlage sowie zur Ablehnung einer Instandsetzungsplanung begehrte. Sie argumentierte, die Beschlüsse widersprächen ordnungsgemäßer Verwaltung und benachteiligten sie.
- Beklagte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Stilllegung und bauliche Veränderung der Schwimmbad- und Saunaanlage beschloss und die Planung zur Instandsetzung ablehnte. Sie vertrat die Ansicht, dass die Maßnahmen innerhalb ihrer Beschlusskompetenz lagen und zeitgemäß waren.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verfügte über eine instandsetzungsbedürftige Schwimmbad- und Saunaanlage im Gemeinschaftseigentum, deren Zweckbestimmung in der Teilungserklärung festgeschrieben war. Trotz eines früheren Urteils, das einen Stilllegungsbeschluss für ungültig erklärte, wurden keine Instandsetzungsarbeiten durchgeführt.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese Beschlüsse sahen die Stilllegung und bauliche Veränderung der Anlage sowie die Ablehnung der Planung ihrer Instandsetzung vor. Zentral war die Frage, ob die WEG die Kompetenz für eine solche Stilllegung besaß.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage der Klägerin wurde abgewiesen. Die angefochtenen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft wurden somit für gültig erklärt. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Begründung: Das Gericht befand, die Beschlüsse entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Stilllegungsbeschluss wurde als bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG eingeordnet, für die die WEG die Beschlusskompetenz hat, auch wenn die Nutzung faktisch ausgeschlossen wird. Eine grundlegende Umgestaltung oder unbillige Benachteiligung sah das Gericht nicht.
- Folgen: Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf die Schwimmbad- und Saunaanlage stilllegen und entsprechend baulich verändern. Eine Planung oder Durchführung von Instandsetzungsarbeiten ist nicht erforderlich.
Der Fall vor Gericht
Ein Schwimmbad im Keller: Luxus oder teures Ärgernis für die Eigentümer?
Viele Menschen träumen von einer Eigentumswohnung mit besonderen Extras, vielleicht sogar mit einem eigenen Schwimmbad und einer Sauna im Haus. Doch was passiert, wenn solche Anlagen in die Jahre kommen, teure Reparaturen anstehen und die meisten Eigentümer sie gar nicht mehr nutzen wollen oder können? Genau um einen solchen Fall ging es in einer Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Altona (Az.: 303a C 1/24) vom 17. Oktober 2024. Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), also die Gemeinschaft aller Eigentümer eines Gebäudes, beschließen, ein solches Schwimmbad stillzulegen, auch wenn es eigentlich Teil des Gemeinschaftseigentums ist, also jener Teile des Gebäudes oder Grundstücks, die allen Eigentümern gemeinsam gehören und für alle gedacht sind?
Der lange Weg zum Streit: Ein Schwimmbad sorgt für Ärger

In einem Mehrfamilienhaus in H., bestehend aus 13 Wohnungseigentümern, gab es genau solch ein Schwimmbad mit Sauna. Laut der Teilungserklärung (TE) – einem wichtigen Dokument, das wie eine Art Grundgesetz für die Wohnungseigentümergemeinschaft ist und festlegt, was zum einzelnen Eigentum und was zum Gemeinschaftseigentum gehört – waren diese Anlagen als Gemeinschaftseigentum ausgewiesen. Die Teilungserklärung sah sogar vor, dass eine Hausordnung die Nutzung regeln sollte. Die Kosten für die Instandhaltung sollten, wie üblich, von allen Eigentümern entsprechend ihrer Miteigentumsanteile getragen werden. Das sind die Anteile, die jeder einzelne Eigentümer am gesamten Gemeinschaftseigentum besitzt, oft abhängig von der Größe seiner Wohnung.
Doch die Realität sah anders aus: Die Schwimmbad- und Saunaanlage war marode und reparaturbedürftig. Bereits im Jahr 2021 hatte die Mehrheit der Eigentümer beschlossen, nichts mehr in die Anlage zu investieren und sie stillzulegen. Eine Eigentümerin, nennen wir sie die Klägerin, war damit nicht einverstanden und klagte erfolgreich gegen diesen Beschluss. Ein früheres Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona hatte diesen ersten Stilllegungsbeschluss für ungültig erklärt.
Trotz dieses Urteils passierte nichts. Es wurden keine Reparaturen durchgeführt. Die Mehrheit der Eigentümer hatte weiterhin kein Interesse daran, das Schwimmbad und die Sauna zu erhalten. Sie argumentierten mit hohen Betriebskosten und ökologischen Bedenken – ein Schwimmbad verbraucht schließlich viel Energie und Wasser.
Die entscheidende Versammlung: Neue Beschlüsse, alte Konflikte
Am 20. Dezember 2023 kam es zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung. Auf der Tagesordnung stand erneut das Schwimmbad.
Unter Tagesordnungspunkt 2 (TOP 2) wurde über die endgültige Stilllegung der Schwimmbad- und Saunaanlage beraten und abgestimmt. Der Beschluss war sehr detailliert: Der Heizkessel sollte entleert und ausgebaut, elektrische Leitungen und Heizungsrohre entfernt, die Pool-Pumpe und Filteranlage ausgebaut werden. Der Pool selbst sollte geleert, die Gasleitung zurückgebaut und abgedichtet, nicht mehr benötigte Elektrokabel und die Sauna samt Elektroheizung entfernt werden. Über dem leeren Becken sollte eine begehbare Fläche aus Holzplatten entstehen, die aber so konstruiert sein sollte, dass man sie theoretisch wieder zurückbauen könnte. Die Verwaltung der WEG wurde beauftragt, eine bestimmte GmbH und eine Tischlerei mit diesen Arbeiten zu beauftragen. Die Kosten dafür beliefen sich auf rund 9.726,75 Euro. Um diese Summe zu decken, beschlossen die Eigentümer eine Sonderumlage von 9.800 Euro. Das ist eine zusätzliche Zahlung, die von allen Eigentümern neben den normalen Hausgeldzahlungen geleistet werden muss, um besondere Kosten zu decken. Dieser Beschluss wurde mit 8 Ja-Stimmen gegen 3 Nein-Stimmen angenommen. Die Verwaltung wies aber darauf hin, dass es rechtlich unsicher sei, ob die Eigentümergemeinschaft überhaupt die Befugnis für einen solchen Beschluss habe, der die eigentliche Nutzung der Räume so stark verändert.
Unter Tagesordnungspunkt 3 (TOP 3) ging es um einen Antrag der Klägerin. Sie wollte, dass die Verwaltung Pläne für eine Reparatur der Schwimmbad- und Saunatechnik erstellen und Angebote von Fachfirmen einholen lässt. Dafür sollte ein Budget von 2.000 Euro bereitgestellt werden. Dieser Antrag wurde jedoch mit 8 Nein-Stimmen gegen 3 Ja-Stimmen abgelehnt.
Warum die Klägerin vor Gericht zog: Ihre Argumente gegen die Stilllegung
Die Klägerin wollte diese Entscheidungen nicht hinnehmen. Am 11. Januar 2024 reichte sie eine Anfechtungsklage ein. Das ist eine Klage, mit der ein Wohnungseigentümer einen Beschluss der Eigentümerversammlung gerichtlich auf seine Gültigkeit überprüfen lassen kann.
Sie argumentierte, der Stilllegungsbeschluss (TOP 2) verstoße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Darunter versteht man alle Maßnahmen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach vernünftigem Ermessen entsprechen und die das Gemeinschaftseigentum betreffen, wie z.B. dessen Erhaltung. Die Gemeinschaft sei verpflichtet, das Gemeinschaftseigentum instand zu halten. Der WEG fehle die Beschlusskompetenz, also die Befugnis, über eine solche Stilllegung zu entscheiden, die ihr den Mitgebrauch an dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Schwimmbad entziehe. Sie sah darin eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage – also eine so weitreichende Veränderung, dass sie ihr ursprüngliches Wesen oder Aussehen grundlegend verändert – und eine unbillige Benachteiligung ihrer Person. Eine unbillige Benachteiligung wäre eine Behandlung, die ohne sachlichen Grund unfair oder ungerecht ist und ihre Rechte in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt. Wenn die Betriebskosten zu hoch seien, müsse man eben energetisch modernisieren. Die Stilllegung sei auch keine echte bauliche Veränderung, also eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die vom ursprünglichen Zustand abweicht und mehr ist als nur eine Reparatur, sondern nur eine Folgemaßnahme.
Auch die Ablehnung ihres Antrags auf Planung der Instandsetzung (TOP 3) sei falsch, da die WEG zur Reparatur verpflichtet sei.
Die Sicht der Eigentümermehrheit: Warum die Stilllegung richtig sein soll
Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft sah das naturgemäß anders. Sie argumentierte, das neue Wohnungseigentumsgesetz, genauer gesagt § 20 Absatz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), gebe ihr sehr wohl die Kompetenz, solche baulichen Veränderungen zu beschließen. Das gelte auch dann, wenn dies einer früheren Nutzungsvereinbarung widerspreche und den ursprünglichen Zustand des Gemeinschaftseigentums neu definiere. Eine grundlegende Umgestaltung oder eine unfaire Benachteiligung einzelner Eigentümer liege nicht vor, da ja alle Eigentümer gleichermaßen von der Stilllegung betroffen seien. Außerdem sei der Betrieb eines Schwimmbades in einem privaten Mehrfamilienhaus heutzutage aufgrund des hohen Energie- und Wasserverbrauchs einfach nicht mehr zeitgemäß.
Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona: Die Klage wird abgewiesen
Das Amtsgericht Hamburg-Altona wies die Klage der Eigentümerin ab. Das bedeutet, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zur Stilllegung des Schwimmbads (TOP 2) und zur Ablehnung der Instandsetzungsplanung (TOP 3) sind gültig. Die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist für die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, die WEG könnte die beschlossenen Maßnahmen umsetzen und von der Klägerin die Prozesskosten verlangen, auch wenn diese noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen könnte. Dafür müsste die WEG aber eine Sicherheitsleistung hinterlegen, also einen Geldbetrag, der mögliche Schäden für die Klägerin abdeckt, falls das Urteil später doch noch gekippt wird. Der Streitwert, also der in Geld ausgedrückte Wert des Interesses, um das gestritten wurde, wurde auf 19.800 Euro festgesetzt.
Die Begründung des Gerichts: Schritt für Schritt erklärt
Aber warum hat das Gericht so entschieden? Die Richter prüften die Argumente sehr genau. Die Klage war zwar formal zulässig – die Klägerin hatte ein Rechtsschutzbedürfnis, also ein berechtigtes Interesse, das Gericht anzurufen, und alle Fristen eingehalten. Aber in der Sache selbst bekam sie kein Recht. Das Gericht war der Meinung, dass die Beschlüsse zu TOP 2 (Stilllegung) und TOP 3 (Ablehnung der Instandsetzung) nicht gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.
Ist die Stilllegung eine „bauliche Veränderung“?
Zuerst musste das Gericht klären: Handelt es sich bei der beschlossenen Stilllegung überhaupt um eine „bauliche Veränderung“ im Sinne des Gesetzes (§ 20 Abs. 1 WEG)? Eine bauliche Veränderung ist jede auf Dauer angelegte gegenständliche Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom ursprünglichen, im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht und über eine bloße Reparatur oder Instandhaltung hinausgeht.
Das Gericht sagte hierzu ganz klar: Ja! Die geplanten Maßnahmen – wie der Ausbau des Heizkessels, der Pumpen, der Filteranlage, der Gasleitungen, der Sauna und der Bau einer begehbaren Fläche über dem Becken – gehen deutlich über eine normale Instandhaltung hinaus. Es handelt sich um einen konkreten Substanzeingriff, also eine Maßnahme, die die bauliche Substanz, das Material und die Struktur des Gebäudes, verändert. Damit ist es eine bauliche Veränderung.
Durfte die Eigentümergemeinschaft das überhaupt beschließen? Die Frage der Kompetenz
Das war eine der Kernfragen: Hatte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) – so die offizielle Bezeichnung für die WEG als Organisation – überhaupt die Befugnis, eine solche weitreichende bauliche Veränderung zu beschließen, die ja faktisch dazu führt, dass das Schwimmbad nicht mehr als Schwimmbad genutzt werden kann?
Das Gericht bejahte dies und stützte sich dabei auf § 20 Absatz 1 WEG. Dieser Paragraph wurde durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), das 2020 in Kraft trat, neu gefasst und soll es Eigentümergemeinschaften erleichtern, bauliche Veränderungen zu beschließen. Die Richter verwiesen auf aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), des höchsten deutschen Zivilgerichts. Der BGH hat entschieden, dass Eigentümergemeinschaften nach neuem Recht auch solche baulichen Veränderungen beschließen können, die dazu führen, dass einem Eigentümer eine bisherige Nutzungsmöglichkeit entzogen wird.
Aber was ist mit der Teilungserklärung? Dort war ja festgelegt, dass die Räume als Schwimmbad und Sauna dienen sollen. Man spricht hier von einer Nutzungsvereinbarung oder einer Zweckbestimmung der Räume. Grundsätzlich gilt: Solche Vereinbarungen in der Teilungserklärung sind bindend und können normalerweise nur durch eine neue Vereinbarung aller Eigentümer geändert werden. Es sei denn, es gibt eine sogenannte Öffnungsklausel im Gesetz oder in der Teilungserklärung selbst, die eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss erlaubt.
Hier kommt der entscheidende Punkt: Das Gericht folgte der Sichtweise des BGH, dass § 20 Abs. 1 WEG selbst eine solche gesetzliche Öffnungsklausel für bauliche Veränderungen darstellt. Die beschlossene bauliche Veränderung führt zwar faktisch dazu, dass die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung als Schwimmbad nicht mehr möglich ist. Aber die Teilungserklärung selbst wird dadurch nicht formell geändert. Sie bleibt bestehen, aber die Realität sieht durch den Beschluss anders aus.
Warum ist das so? Der BGH und ihm folgend das Amtsgericht begründen das so:
- Wortlaut des Gesetzes: § 20 Abs. 1 WEG gibt den Eigentümern ganz allgemein die Kompetenz, bauliche Veränderungen zu beschließen. Es gibt keine Ausnahme für Fälle, in denen dadurch eine vereinbarte Nutzung unmöglich wird.
- Systematik des Gesetzes: Andere Paragraphen im WEG, die die Verwaltung betreffen (z.B. § 19 Abs. 1 WEG), nehmen ausdrücklich Bezug auf entgegenstehende Vereinbarungen. § 20 Abs. 1 WEG tut das nicht. Das deutet darauf hin, dass die Kompetenz für bauliche Veränderungen stärker sein soll als ältere Nutzungsvereinbarungen, solange diese nicht explizit bauliche Veränderungen ausschließen.
- Ziele des Gesetzgebers (WEMoG): Der Gesetzgeber wollte mit der Reform 2020 die Hürden für bauliche Veränderungen senken. Eigentümergemeinschaften sollen flexibler modernisieren und umgestalten können. Würde man die Beschlusskompetenz hier verneinen, nur weil eine alte Vereinbarung der faktischen Nutzung entgegensteht, würde das diesem Ziel widersprechen.
- Bindung für Rechtsnachfolger: Beschlüsse über bauliche Veränderungen, die auf § 20 Abs. 1 WEG beruhen, binden auch zukünftige Käufer von Wohnungen in der Anlage, selbst wenn diese Beschlüsse nicht im Grundbuch eingetragen sind.
Das Gericht prüfte auch, ob die Teilungserklärung vielleicht einen sogenannten „Versteinerungswillen“ enthielt. Das würde bedeuten, dass die ursprünglichen Ersteller der Teilungserklärung die Nutzung als Schwimmbad so festschreiben wollten, dass sie durch spätere Mehrheitsbeschlüsse unter keinen Umständen geändert werden darf. Solche Anhaltspunkte fand das Gericht in der Teilungserklärung aber nicht. Daher, so das Gericht, findet § 20 Abs. 1 WEG hier volle Anwendung.
Wurde die Anlage „grundlegend umgestaltet“ oder die Klägerin „unbillig benachteiligt“?
Auch wenn die Eigentümergemeinschaft grundsätzlich die Kompetenz für den Beschluss hatte, darf eine bauliche Veränderung nach § 20 Absatz 4 WEG nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen oder einzelne Eigentümer ohne triftigen Grund unbillig benachteiligen, es sei denn, diese stimmen zu.
Eine grundlegende Umgestaltung liegt vor, wenn die bauliche Veränderung der gesamten Wohnanlage ein völlig neues Gesicht gibt oder ihr charakteristisches Aussehen gravierend beeinträchtigt. Das Gericht sah hierfür keine Anzeichen. Es wurde nicht ausreichend dargelegt, dass das Vorhandensein des Schwimmbads und der Sauna für die Wohnanlage so prägend war, dass ihre Stilllegung ihr ein „komplett neues Gepräge“ geben würde.
Eine unbillige Benachteiligung der Klägerin wurde ebenfalls verneint. Warum? Weil die beschlossene Stilllegung des Schwimmbads und der Sauna alle Wohnungseigentümer in gleicher Weise betrifft. Es ist nicht so, dass nur die Klägerin die Anlage nicht mehr nutzen kann, sondern niemand mehr.
Und was ist mit der geforderten Instandsetzung?
Da der Beschluss zur Stilllegung (TOP 2) vom Gericht als rechtmäßig eingestuft wurde, hatte die Klägerin auch keinen Anspruch darauf, dass ihr Antrag auf Planung der Instandsetzung (TOP 3) angenommen wird. Wenn die Eigentümergemeinschaft wirksam beschließen darf, das Schwimmbad stillzulegen, dann kann sie nicht gleichzeitig verpflichtet sein, dessen Reparatur zu planen. Das Ermessen der Eigentümer war nicht auf Null reduziert. Das bedeutet, die Eigentümer hatten die Wahl und waren nicht rechtlich gezwungen, der Instandsetzung zuzustimmen.
Zusammenfassend kam das Gericht also zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer das Recht hatte, die Reißleine zu ziehen und das ungeliebte und teure Schwimmbad stillzulegen, auch wenn es ursprünglich anders geplant war.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Wohnungseigentümergemeinschaften seit der Gesetzesreform 2020 deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben: Sie können mit einfacher Mehrheit auch teure Gemeinschaftsanlagen wie Schwimmbäder stilllegen, selbst wenn diese ursprünglich in der Teilungserklärung fest vorgesehen waren. Einzelne Eigentümer können solche Mehrheitsentscheidungen nur dann erfolgreich angreifen, wenn sie dadurch besonders benachteiligt werden oder die gesamte Wohnanlage ihr Gesicht völlig verändert – was bei einer Stilllegung, die alle Eigentümer gleichermaßen betrifft, normalerweise nicht der Fall ist. Für Eigentümergemeinschaften bedeutet dies praktisch: Sie müssen nicht mehr jahrelang teure, ungenutzte Anlagen unterhalten, sondern können flexibel auf veränderte Bedürfnisse reagieren und Kosten sparen. Das Urteil macht deutlich, dass wirtschaftliche Vernunft und Mehrheitswille heute stärker wiegen als alte Nutzungsvereinbarungen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind bauliche Veränderungen im Wohnungseigentum und wer entscheidet darüber?
Bauliche Veränderungen im Wohnungseigentum sind Maßnahmen, die über die bloße Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen und das Gemeinschaftseigentum auf Dauer wesentlich verändern oder eine neue Funktion schaffen. Dies unterscheidet sie grundlegend von einfachen Reparaturen oder Wartungsarbeiten.
Was genau sind bauliche Veränderungen?
Stellen Sie sich vor, Ihr Wohnhaus gehört einer Gemeinschaft von Eigentümern.
- Instandhaltung und Instandsetzung dienen dazu, den bestehenden Zustand des Gebäudes zu erhalten oder Schäden zu beheben. Ein Beispiel hierfür wäre das Auswechseln eines defekten Dachziegels, das Reparieren einer kaputten Heizungsanlage oder das Streichen des Treppenhauses, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Ziel ist es, das Gebäude funktionstüchtig und sicher zu halten, ohne es zu verändern.
- Eine bauliche Veränderung hingegen geht darüber hinaus. Sie verändert das Erscheinungsbild, die Substanz oder den Zweck des Gemeinschaftseigentums dauerhaft. Beispiele für bauliche Veränderungen sind der Anbau von Balkonen, der Einbau eines Aufzugs in einem Haus, das bisher keinen hatte, die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach oder auch das Schaffen neuer Parkplätze auf dem Gemeinschaftsgrundstück. Es geht darum, etwas Neues zu schaffen oder Bestehendes grundlegend zu modifizieren.
Wer entscheidet darüber und welche Mehrheiten sind nötig?
Die Entscheidungen über bauliche Veränderungen trifft die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Dies geschieht in der Regel in einer Eigentümerversammlung durch Abstimmung.
Seit der WEG-Reform im Jahr 2020 wurden die Regeln für solche Entscheidungen vereinfacht:
- Für die meisten baulichen Veränderungen ist nun eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Wohnungseigentümer ausreichend. Das bedeutet, dass mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erforderlich sind. Dies gilt unabhängig davon, wie viele Eigentümer an der Versammlung teilnehmen. Es ist also nicht mehr notwendig, dass alle oder eine qualifizierte Mehrheit zustimmen, wie es früher oft der Fall war.
- Die Kosten für eine bauliche Veränderung tragen grundsätzlich alle Wohnungseigentümer nach ihren Miteigentumsanteilen. Die Gemeinschaft kann jedoch in bestimmten Fällen beschließen, dass die Kosten nur von den Eigentümern getragen werden, die einen besonderen Nutzen aus der Veränderung ziehen oder die Zustimmung dazu erteilt haben.
Besonderheiten: Privilegierte bauliche Veränderungen
Das Gesetz sieht für bestimmte, besonders gewünschte bauliche Veränderungen Erleichterungen vor, da diese als zukunftsweisend oder besonders wichtig erachtet werden. Diese werden als privilegierte bauliche Veränderungen bezeichnet. Dazu gehören Maßnahmen zur:
- Barrierefreiheit (z.B. Einbau einer Rampe oder eines Treppenlifts)
- Elektromobilität (z.B. Installation von Ladestationen für Elektroautos)
- Einbruchschutz (z.B. verbesserte Haustüranlagen oder Fenstersicherungen)
- Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität (z.B. Glasfaseranschluss)
Auch für diese privilegierten Maßnahmen ist eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Eigentümerversammlung ausreichend.
Eine wichtige Besonderheit bei diesen privilegierten Maßnahmen ist: Auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die Maßnahme nicht gemeinschaftlich durchzuführen oder zu finanzieren, kann ein einzelner Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen die Durchführung der Maßnahme auf eigene Kosten verlangen. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme das Gemeinschaftseigentum nicht grundlegend umgestaltet oder andere Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt. Dies ermöglicht es einzelnen Eigentümern, moderne oder notwendige Anpassungen an ihrem Wohnraum vorzunehmen, selbst wenn die Mehrheit der Gemeinschaft sich gegen eine gemeinsame Umsetzung entscheidet.
Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Nutzung einer Gemeinschaftsanlage ändern oder stilllegen, auch wenn diese in der Teilungserklärung festgelegt ist?
Grundsätzlich legt die Teilungserklärung fest, wie das Gemeinschaftseigentum, zu dem auch Gemeinschaftsanlagen gehören (wie ein Spielplatz, ein Fitnessraum oder eine Waschküche), genutzt wird. Sie ist vergleichbar mit der „Verfassung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft und ihre Regelungen sind bindend. Eine formale Änderung der Teilungserklärung ist sehr aufwendig und erfordert in der Regel die notarielle Beurkundung und die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer.
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) von 2020 hat die Möglichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) jedoch erheblich erweitert, Entscheidungen über das Gemeinschaftseigentum zu treffen. Besonders wichtig ist hierbei die gestärkte Beschlusskompetenz der WEG für bauliche Veränderungen.
Bauliche Veränderungen und § 20 Abs. 1 WEG
Seit dem WEMoG können die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließen (§ 20 Abs. 1 WEG). Eine solche bauliche Veränderung kann auch die Änderung der Nutzung oder die Stilllegung einer Gemeinschaftsanlage umfassen.
- Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihre WEG hat laut Teilungserklärung einen Spielplatz, der aber kaum genutzt wird und hohe Instandhaltungskosten verursacht. Die Eigentümer könnten mit einfacher Mehrheit beschließen, diesen Spielplatz in eine Grünfläche umzuwandeln oder ganz zu entfernen. Das wäre eine bauliche Veränderung.
Dieser Beschluss über eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG ermöglicht eine faktische Nutzungsänderung oder Stilllegung, auch wenn die ursprüngliche Nutzung weiterhin in der Teilungserklärung steht. Die Teilungserklärung selbst muss dafür nicht formal geändert werden. Sie bleibt bestehen, aber die Gemeinschaft übt ihr Recht aus, die Anlage im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben anders zu nutzen oder zu gestalten. Dies wird oft als „Öffnungsklausel“ interpretiert, da sie der WEG Flexibilität bei der Anpassung an neue Gegebenheiten ermöglicht.
Grenzen der Beschlusskompetenz
Trotz der gestärkten Beschlusskompetenz gibt es Grenzen. Ein Beschluss über eine bauliche Veränderung darf nicht unbillig gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern sein. Das bedeutet, dass der Beschluss die Interessen eines Eigentümers nicht in einem unzumutbaren Maße beeinträchtigen darf. Auch darf durch die Veränderung nicht das Wesen der Wohnanlage grundlegend geändert werden. Die Kosten und der Nutzen der geplanten Maßnahme müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Wann gilt eine bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum als „grundlegende Umgestaltung“ oder „unbillige Benachteiligung“?
Im Wohnungseigentumsrecht schützt § 20 Abs. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) die Interessen einzelner Eigentümer oder der Gemeinschaft vor bestimmten weitreichenden baulichen Veränderungen. Diese Vorschrift legt fest, dass eine bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum nicht beschlossen werden kann, wenn sie die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt. Diese beiden Kriterien dienen als wichtige Schutzmechanismen.
Grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage
Eine bauliche Veränderung gilt als grundlegende Umgestaltung, wenn sie das Wesen, den Charakter oder das Erscheinungsbild der gesamten Wohnanlage so tiefgreifend verändert, dass sie mit der ursprünglichen Planung oder dem bisherigen Zustand kaum noch zu vergleichen ist. Es geht hier nicht um kleinere Anpassungen, sondern um eine Veränderung, die den Kern der Immobilie betrifft.
- Beispiele für eine grundlegende Umgestaltung:
- Der komplette Abriss von Gebäudeteilen, die das Gesamtbild prägen, und deren Ersatz durch völlig neue, stilistisch abweichende Strukturen.
- Die Aufstockung eines flachen Gebäudes um mehrere Etagen, die die gesamte Gebäudehöhe und damit den Charakter des Gebäudes drastisch verändert.
- Die Umwandlung von Freiflächen oder Grünanlagen, die für das Wohnkonzept wesentlich sind, in umfassende Parkflächen oder gewerbliche Einheiten.
Eine solche grundlegende Umgestaltung kann nicht einfach durch einen Mehrheitsbeschluss herbeigeführt werden. Der Gesetzgeber schützt hier den ursprünglichen Charakter der Wohnanlage, den alle Eigentümer beim Erwerb ihrer Einheit vor Augen hatten.
Unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers
Eine bauliche Veränderung ist eine unbillige Benachteiligung, wenn sie einen einzelnen Wohnungseigentümer oder eine Gruppe von Eigentümern unverhältnismäßig stark in ihren Rechten oder ihrem Wohl beeinträchtigt, ohne dass diese Benachteiligung durch überwiegende Interessen der Gemeinschaft gerechtfertigt wäre. Es ist eine Abwägung zwischen dem Nutzen für die Gemeinschaft und dem Nachteil für den Einzelnen. Eine Benachteiligung ist unbillig, wenn sie über das zumutbare Maß hinausgeht.
- Wann eine Benachteiligung als unbillig eingestuft werden kann:
- Erhebliche Minderung der Nutzungsmöglichkeiten: Wenn beispielsweise eine neue Baumaßnahme die Sonneneinstrahlung, die Belüftung oder den Ausblick einer bestimmten Wohnung drastisch und dauerhaft verschlechtert.
- Unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Privatsphäre: Wenn durch eine neue bauliche Veränderung (z.B. neue Balkone) ein direkter Einblick in die privaten Wohnbereiche eines Nachbarn entsteht, der vorher nicht bestand.
- Massive Lärm- oder Schmutzbelästigung während der Bauphase: Wenn die Bauarbeiten für eine einzelne Partei über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum oder in einer extrem störenden Weise erfolgen, ohne dass alternative, schonendere Maßnahmen ergriffen werden.
- Wertminderung der eigenen Einheit: Wenn die bauliche Veränderung dazu führt, dass die eigene Wohnung objektiv erheblich an Wert verliert, ohne dass dies durch einen gleichwertigen Nutzen für die Gemeinschaft aufgewogen wird.
Schutzmechanismus und Anfechtung
Der Gesetzgeber hat mit § 20 Abs. 4 WEG klargestellt, dass Beschlüsse über solche grundlegenden Umgestaltungen oder unbilligen Benachteiligungen nicht wirksam gefasst werden können. Wenn die Eigentümergemeinschaft dennoch einen solchen Beschluss fasst, ist dieser nichtig oder zumindest anfechtbar. Das bedeutet, dass der betroffene Eigentümer die Möglichkeit hat, diesen Beschluss gerichtlich überprüfen und aufheben zu lassen. Der Schutzmechanismus soll verhindern, dass einzelne Eigentümer oder der Gesamtcharakter der Anlage durch Mehrheitsentscheidungen über Gebühr in Mitleidenschaft gezogen werden. Für Sie als Wohnungseigentümer bedeutet dies, dass das Gesetz Ihnen einen Schutz vor zu weitreichenden oder ungerechten baulichen Veränderungen an Ihrem Gemeinschaftseigentum bietet.
Welche Möglichkeiten habe ich als einzelner Eigentümer, einen WEG-Beschluss anzufechten, mit dem ich nicht einverstanden bin?
Wenn Sie als einzelner Eigentümer mit einem Beschluss der Eigentümergemeinschaft (WEG-Beschluss) nicht einverstanden sind, haben Sie die Möglichkeit, diesen gerichtlich anzufechten. Dieses Vorgehen nennt man Anfechtungsklage.
Die Anfechtungsklage: Ablauf und Fristen
Eine Anfechtungsklage ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem ein Gericht prüft, ob ein gefasster WEG-Beschluss gültig ist oder aufgehoben werden muss. Der wichtigste Aspekt dabei ist die Frist:
- Sie müssen die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erheben. Das bedeutet, die Klage muss in dieser Zeit beim zuständigen Gericht eingegangen sein.
- Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Beschluss in der Eigentümerversammlung gefasst wurde, nicht erst mit dem Erhalt des Protokolls. Dies ist eine sehr kurze und starre Frist, die unbedingt eingehalten werden muss, sonst wird der Beschluss in der Regel bestandskräftig, auch wenn er fehlerhaft ist.
Damit eine Anfechtungsklage überhaupt zulässig ist, muss zudem ein sogenanntes Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Das bedeutet, Sie müssen tatsächlich durch den Beschluss betroffen oder benachteiligt sein und die Klage muss geeignet sein, Ihr Anliegen zu lösen.
Gründe für die Anfechtung eines WEG-Beschlusses
Ein WEG-Beschluss kann aus verschiedenen Gründen gerichtlich angefochten werden, wenn er gegen bestimmte Regeln verstößt. Die häufigsten Anfechtungsgründe sind:
- Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften: Zum Beispiel, wenn eine Eigentümerversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen wurde oder ein Beschluss gefasst wird, für den der Gesetzgeber keine Beschlusskompetenz vorsieht.
- Verstoß gegen die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung: Die Teilungserklärung ist vergleichbar mit der „Verfassung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft. Werden Regelungen dieser Gründungssatzung durch einen Beschluss missachtet, kann dieser angefochten werden. Stellen Sie sich vor, die Teilungserklärung schreibt vor, dass bestimmte Kosten nur von bestimmten Eigentümern zu tragen sind, der Beschluss aber alle Eigentümer belastet.
- Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung: Dies ist der weitreichendste Anfechtungsgrund. Hier geht es darum, ob der Beschluss den Interessen der Gemeinschaft dient und die Belange der einzelnen Eigentümer angemessen berücksichtigt. Beispiele hierfür sind:
- Unverhältnismäßige Kosten: Wenn eine Maßnahme beschlossen wird, die unnötig teuer ist, obwohl es eine viel günstigere, gleichwertige Alternative gäbe.
- Ungleichbehandlung: Wenn einzelne Eigentümer ohne sachlichen Grund anders behandelt werden als andere.
- Mangelnde Sachlichkeit: Wenn eine Entscheidung getroffen wird, die objektiv unsinnig oder für die Gemeinschaft nachteilig ist.
Folgen einer erfolgreichen Anfechtung
Wird eine Anfechtungsklage erfolgreich durchgeführt und das Gericht gibt Ihnen Recht, dann wird der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt. Das bedeutet, der Beschluss gilt rückwirkend als von Anfang an nichtig – so als wäre er nie gefasst worden. Diese Ungültigkeit wirkt sich auf alle Eigentümer aus, nicht nur auf den klagenden Eigentümer. Es muss dann ein neuer, rechtlich einwandfreier Beschluss gefasst werden, falls die Angelegenheit weiterhin regelungsbedürftig ist.
Wer trägt die Kosten für die Stilllegung oder grundlegende Umgestaltung von Gemeinschaftsanlagen?
Die Kostenverteilung bei der Stilllegung oder grundlegenden Umgestaltung von Gemeinschaftsanlagen ist für alle Wohnungseigentümer von großer Bedeutung. Grundsätzlich gibt es hierfür klare Prinzipien im Wohnungseigentumsrecht (WEG-Recht).
Grundsätzliche Kostenverteilung und Miteigentumsanteile
Im Wohnungseigentumsrecht trägt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Kosten für die Instandhaltung, Instandsetzung, den Gebrauch und die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Die Verteilung dieser Kosten erfolgt in der Regel nach den Miteigentumsanteilen (MEA), die jeder Eigentümer an der gesamten Liegenschaft besitzt. Ihre Miteigentumsanteile finden Sie typischerweise in Ihrer Teilungserklärung oder im Grundbuchauszug.
Beispiel: Haben Sie einen Miteigentumsanteil von 100/1000, tragen Sie 10 % der anfallenden Kosten.
Von diesem Grundsatz kann jedoch in der Teilungserklärung oder durch einen einstimmigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft abgewichen werden, sofern dies nicht die gesetzlichen Regelungen oder die Rechte einzelner Eigentümer unangemessen beeinträchtigt.
Kosten bei grundlegenden baulichen Veränderungen
Eine Stilllegung oder grundlegende Umgestaltung einer Gemeinschaftsanlage wird rechtlich als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums eingestuft. Seit der WEG-Reform 2020 wurde die Kostentragung für bauliche Veränderungen neu geregelt.
Wenn eine Stilllegung oder Umgestaltung im Interesse der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft liegt, zum Beispiel weil eine alte, unwirtschaftliche Anlage (wie ein nicht mehr genutzter Trockenraum oder ein veraltetes Heizsystem) entfernt oder eine ungenutzte Fläche in einen allgemein zugänglichen Fahrradkeller umgewandelt wird, dann tragen alle Eigentümer die Kosten nach ihren Miteigentumsanteilen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beschluss über die Stilllegung oder Umgestaltung mit der notwendigen Mehrheit gefasst wurde und die Maßnahme der gesamten Gemeinschaft dient oder sie Vorteile für alle bringt (z.B. Kosteneinsparungen oder eine bessere Nutzung des Gemeinschaftseigentums).
Die Kosten für solche Maßnahmen können auch im Rahmen einer Sonderumlage erhoben werden. Eine Sonderumlage ist eine einmalige Zahlung, die zusätzlich zum monatlichen Hausgeld für unvorhergesehene oder besonders große Ausgaben beschlossen wird. Die Verteilung dieser Sonderumlage erfolgt dabei meist ebenfalls nach den Miteigentumsanteilen.
Besondere Fälle der Kostenverteilung
Eine andere Kostenverteilung kann sich ergeben, wenn eine bauliche Veränderung, die eine Stilllegung oder Umnutzung beinhaltet, nicht allen Eigentümern zugutekommt oder sogar zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für einzelne Eigentümer führt. In solchen Fällen können die Kosten unter Umständen von den Eigentümern zu tragen sein, die die Maßnahme begehren oder von ihr einen unverhältnismäßigen Vorteil haben. Allerdings ist dies bei der Stilllegung oder grundlegenden Umgestaltung von Gemeinschaftsanlagen, die üblicherweise der gesamten Gemeinschaft dient, seltener der Fall. Meistens sind diese Maßnahmen darauf ausgelegt, die Nutzung oder Wirtschaftlichkeit für alle zu verbessern.
Zusammenfassend bedeutet das für Sie: Die Kosten für die Stilllegung oder grundlegende Umgestaltung von Gemeinschaftsanlagen werden in den meisten Fällen von allen Wohnungseigentümern getragen, und zwar im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Maßnahme von der Gemeinschaft als Ganzes beschlossen wurde und dem allgemeinen Interesse dient.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG)
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist die Gemeinschaft aller Eigentümer eines Mehrfamilienhauses oder einer Wohnanlage, die Teile eines Gebäudes gemeinsam besitzen. Die WEG trifft Entscheidungen über das gemeinschaftliche Eigentum, zum Beispiel über Reparaturen oder bauliche Veränderungen. Sie entscheidet in der Regel in Eigentümerversammlungen mit Mehrheitsbeschlüssen, wobei jede Stimme entsprechend der Miteigentumsanteile gewichtet sein kann.
Beispiel: In einem Haus mit mehreren Eigentumswohnungen beschließt die WEG gemeinsam, das Treppenhaus neu zu streichen und die Kosten dafür auf alle Eigentümer zu verteilen.
Gemeinschaftseigentum
Gemeinschaftseigentum umfasst alle Teile eines Gebäudes oder Grundstücks, die allen Wohnungseigentümern zusammen gehören und von denen alle Nutzer profitieren. Dazu zählen zum Beispiel das Dach, die Fassade, Treppenhaus, Heizungsanlagen oder Gemeinschaftsanlagen wie ein Schwimmbad. Die Instandhaltung und Veränderungen am Gemeinschaftseigentum entscheidet die WEG gemeinsam und werden in der Regel von allen Eigentümern nach ihren Miteigentumsanteilen getragen.
Beispiel: Das Schwimmbad im Keller eines Mehrfamilienhauses gehört zum Gemeinschaftseigentum, weil es allen Eigentümern zur Nutzung bereitsteht.
Bauliche Veränderung (§ 20 Abs. 1 WEG)
Eine bauliche Veränderung ist eine dauerhafte, sichtbare oder substanzielle Änderung des Gemeinschaftseigentums, die über die bloße Instandhaltung oder Reparatur hinausgeht. Dazu gehören beispielsweise das Entfernen von Anlageeinrichtungen, der Einbau neuer Bauteile oder die Änderung der Nutzung von gemeinschaftlichen Räumen. Nach § 20 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) kann die Eigentümergemeinschaft solche Veränderungen mit einfacher Mehrheit beschließen, auch wenn sie eine bisherige Nutzungsmöglichkeit einschränken.
Beispiel: Das Beschließen, ein nicht mehr genutztes Schwimmbad zu entkernen und in eine begehbare Fläche umzubauen, ist eine bauliche Veränderung, weil die ursprüngliche Nutzung als Schwimmbad dauerhaft entfällt.
Anfechtungsklage
Eine Anfechtungsklage ist das gerichtliche Verfahren, mit dem ein einzelner Wohnungseigentümer einen Beschluss der WEG auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen lassen kann. Sie muss innerhalb eines Monats nach dem Beschluss erhoben werden und setzt voraus, dass der Kläger durch den Beschluss betroffen ist (Rechtsschutzbedürfnis). Gründe für eine Anfechtung können sein, dass der Beschluss gegen gesetzliche Vorschriften, die Teilungserklärung oder Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstößt.
Beispiel: Wenn ein Eigentümer nicht einverstanden ist, dass das Schwimmbad stillgelegt wird, kann er eine Anfechtungsklage einreichen, um den Beschluss für unwirksam erklären zu lassen.
Grundlegende Umgestaltung und unbillige Benachteiligung (§ 20 Abs. 4 WEG)
Nach § 20 Abs. 4 WEG darf eine bauliche Veränderung nicht so weit gehen, dass sie das Wesen der Wohnanlage grundlegend verändert (grundlegende Umgestaltung) oder einzelne Eigentümer ohne sachlichen Grund unzumutbar benachteiligt (unbillige Benachteiligung). Eine grundlegende Umgestaltung liegt vor, wenn das gesamte Erscheinungsbild oder der Charakter der Wohnanlage stark beeinträchtigt wird. Eine unbillige Benachteiligung liegt vor, wenn ein Eigentümer unverhältnismäßig stark in seinen Rechten oder der Nutzung seines Eigentums beeinträchtigt wird, ohne dass die Nachteile durch gemeinschaftliche Vorteile gerechtfertigt sind.
Beispiel: Das Entfernen eines für das Wohngefühl prägnanten Gartens, der die Wohnanlage wesentlich prägt, könnte eine grundlegende Umgestaltung darstellen. Wenn durch die Stilllegung eines Schwimmbades nur ein einzelner Eigentümer stark und ohne guten Grund benachteiligt wird, wäre dies eine unbillige Benachteiligung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Regelt die Möglichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum durch Mehrheitsbeschluss vorzunehmen. Bauliche Veränderungen sind dauerhaft wirkende Umgestaltungen, die über Reparaturen hinausgehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Vorschrift bildet die Rechtsgrundlage für den Streit, da die WEG hiermit berechtigt war, die Stilllegung des Schwimmbads als bauliche Veränderung zu beschließen.
- § 20 Abs. 4 WEG: Erlaubt bauliche Veränderungen durch die WEG nur, soweit sie nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen oder einzelne Eigentümer unbillig benachteiligen, es sei denn, diese stimmen zu. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte, ob die Stilllegung des Schwimmbads eine grundlegende Umgestaltung oder unbillige Benachteiligung darstellt, was verneint wurde, sodass der Beschluss zulässig ist.
- Teilungserklärung und Nutzungsvereinbarung: Schriftliche Vereinbarungen im Wohnungseigentum, die die Zuordnung von Gemeinschafts- und Sondereigentum sowie die Nutzung regeln. Diese sind grundsätzlich bindend für die Eigentümer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Teilungserklärung die Schwimmbadnutzung als gemeinschaftlichen Zweck vorgesehen hatte, entschied das Gericht, dass § 20 Abs. 1 WEG eine gesetzliche Öffnungsklausel darstellt, die den Mehrheitsbeschluss zur Änderung der Nutzung ermöglicht.
- Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 WEG analog): Verpflichtet die WEG zur Erhaltung und angemessenen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums im Interesse aller Eigentümer. Maßnahmen müssen vernünftig und dem Gesamthaus dienlich sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin berief sich auf dieses Prinzip, doch das Gericht entschied, dass Stilllegung statt Reparatur angesichts der wirtschaftlichen und praktischen Umstände ordnungsgemäß war.
- Anfechtungsklage gegen WEG-Beschlüsse (§ 44 Nr. 2 WEG): Eigentümer können Beschlüsse der Eigentümerversammlung anfechten, wenn diese ihrer Ansicht nach rechtswidrig sind oder Rechte verletzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin nutzte dieses Recht, um die Stilllegung anzufechten, doch die Klage wurde abgewiesen, weil der Beschluss rechtlich zulässig war.
- Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) 2020: Reformierte das WEG dahin gehend, dass bauliche Veränderungen durch Mehrheitsbeschluss erleichtert und damit die Modernisierung von Wohnanlagen gefördert werden soll. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das neue Recht wurde bei der Entscheidung maßgeblich herangezogen und stärkte die Position der WEG bei der Durchsetzung der Stilllegung trotz entgegenstehender Teilungserklärung.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg-Altona – Az.: 303a C 1/24 – Urteil vom 17.10.2024
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