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WEG-Beschluss – Grillverbot in der Wohnanlage zulässig?

LG München I, Az.: 36 S 8058/12

Urteil vom 10.01.2013

I. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.3.2012 hin wird dieses aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

WEG-Beschluss – Grillverbot in der Wohnanlage zulässig?
Foto: sidarta/Bigstock

Nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, § 540 Rd.-Nr. 5 m. w. N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs. 2 WEG ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 4 WEG handelt; gemäß dem Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes ist die Frist des § 62 Abs. 2 WEG mit Art. 2 des genannten Gesetzes verlängert worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Amtsgericht München hat mit dem hier angefochtenen Endurteil den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.5.2011 (im Folgenden: streitgegenständliche Wohnungseigentümerversammlung) zu TOP 6 a für ungültig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin fehle nicht ein für die Anfechtungsklage erforderliches Rechtschutzbedürfnis. Des Weiteren sei der Beschlussgegenstand in der Einladung zur streitgegenständlichen Wohnungseigentümerversammlung zwar ausreichend bezeichnet gewesen, jedoch lasse der angefochtene Beschluss wenigstens nicht erkennen, ob die Eigentümer im Rahmen ihres Ermessensspielraums sich ausreichend mit den widerstreitenden Interessen auseinandergesetzt hätten. Dies gelte namentlich vor dem Hintergrund, dass Grillen, das sich in einem bestimmten Rahmen halte, üblich sei und nicht derartig weitgehend eingeschränkt werden könne, wie durch den angefochtenen Beschluss.

Das Berufungsgericht teilt diese Ansicht im Ergebnis nicht, weswegen folgende kurze Begründung für die Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung zu geben ist, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO:

Im Ergebnis dem Amtsgericht folgend sieht das Berufungsgericht zwar nicht ein der Klägerin fehlendes Rechtschutzbedürfnis für die hier streitgegenständliche Anfechtungsklage. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang das Thema Grillen vor der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung Regelungsgegenstand vorhergehender Eigentümerbeschlüsse war. Denn selbst im Falle der Existenz eines bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses über ein Grillverbot in der streitgegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft kann der Klägerin das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtung des hiesigen Eigentümerbeschlusses nicht abgesprochen werden. Grundsätzlich und nach einhelliger Auffassung hat jeder Wohnungseigentümer ein schutzwürdiges Interesse daran, einen Eigentümerbeschluss auf seine Gültigkeit überprüfen zu lassen. Das Anfechtungsrecht dient nicht nur einem etwaigen persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung (Klein in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 46, Rz 5). Ein Rechtschutzbedürfnis kann nur ausnahmsweise bei der Anfechtung eines inhaltsgleichen Zweitbeschlusses entfallen, wenn der frühere Beschluss mangels rechtzeitiger Anfechtung bereits bestandskräftig ist (Klein, aaO). Davon kann hier aber auch vor dem Hintergrund des Vortrags der Beklagten keine Rede sein, so dass insgesamt darauf abzustellen ist, dass hier die durch den streitgegenständlichen Eigentümerbeschluss geschaffene Rechtslage zur Beurteilung ansteht. Dafür ist das Rechtschutzbedürfnis der Klägerin gegeben.

Eine formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG liegt nicht vor. Der streitgegenständliche Beschlussgegenstand ist in der Einladung zur streitgegenständlichen Eigentümerversammlung hinreichend bezeichnet worden. § 23 Abs. 2 WEG dient in erster Linie dem Schutz vor Überraschungen sowie der Möglichkeit der sachgerechten Vorbereitung und Entscheidung für den einzelnen Eigentümer, ob seine Teilnahme an der jeweiligen Eigentümerversammlung veranlasst ist oder nicht (Landgericht Karlsruhe, ZWE 2010, 377 ff.). Hierfür genügt nach ständiger Rechtsprechung eine schlagwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstandes (BayObLG, NJW-RR 1992, 403, 404; BayObLG, NZM 2004, 386, 387; OLG Düsseldorf, ZMR 2005, 895, 896). Regelmäßig ist es nicht erforderlich, dass der einzelne Eigentümer die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen der Beschlussfassung in allen Einzelheiten überblicken kann; übertriebene Anforderungen dürfen nicht gestellt werden (Spielbauer, in Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage, § 23, Rz 11; Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 23, Rz 77). Ob den geschilderten Anforderungen des § 23 Abs. 2 WEG Genüge getan ist, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Vor diesem Hintergrund hält das Berufungsgericht die schlagwortartige Bezeichnung „Grillen in der Wohnanlage“ im Zusammenhang mit der Überschrift „Beschluss über die Änderung bzw. Erweiterung der Hausordnung“ für ausreichend. Es ist allgemein bekannt, dass gerade die Hausordnung regelmäßig einengende Regelungen zum Gegenstand hat.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht entspricht der angefochtene Beschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Der angefochtene Beschluss beinhaltet seinem ausdrücklichen Regelungsgegenstand nach eine Ergänzung bzw. Abänderung der in der Wohnungseigentümergemeinschaft geltenden Hausordnung. Eine solche Hausordnung enthält im Wesentlichen Verhaltensvorschriften, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen, wobei insbesondere die §§ 13 und 14 WEG, das öffentliche Recht und Verkehrssicherungspflichten zu beachten sind. Der Inhalt der Hausordnung hat sich nach der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums und nach dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu richten, wobei auch Regelungen über den ordnungsgemäßen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, etwa der gemeinschaftlichen Grundstücksflächen getroffen werden können. Die Regelungen in der Hausordnung müssen daher ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG oder einem ordnungsgemäßen Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG entsprechen. Die Hausordnung kann sich daher sowohl auf die Verwaltung oder Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums (etwa: Nutzungszeiten für den Spielplatz) als auch des Sondereigentums (etwa Musizierverbot in den Wohnungen für bestimmte Zeiten) beziehen. Auch der konkrete Gebrauch eines in der Teilungserklärung bestellten Sondernutzungsrechts unterliegt der Regelungskompetenz durch eine Hausordnung (zu allem Spielbauer, aaO, § 21, Rz 45 m. w. N.).

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Ausführungen hält es das Berufungsgericht für den konkreten Fall für nicht allein entscheidend, ob bestimmte Arten von Grillen mittels offener Flamme unter Umständen keinen Fall des § 14 Nr. 1 WEG darstellen, weil sie nur vollkommen unerhebliche Beeinträchtigungen in diesem Sinne mit sich bringen. Das Berufungsgericht hält es daher weder für entscheidend, dass die Wohnungseigentümer ersichtlich die Möglichkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung der Grillvorgänge pro betroffenem Wohnungseigentümer nicht in die Abwägung einbezogen haben, noch, ob sich das Grillen mittels der sich vormals auf der Dachterrasse der Klägerin befindlichen Anlage konkret im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG hielt oder nicht. Auch Regelungen, die dem ordnungsgemäßen Gebrauch gemäß § 15 Abs. 2 WEG oder ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG dienen, können bisweilen in zulässiger Weise Verhaltensweisen erfassen, die in bestimmten Ausformungen die Erheblichkeitsschwelle des § 14 Nr. 1 WEG nicht übersteigen. Entscheidend ist aber, dass immer eine Verhaltensweise geregelt wird, die in bestimmten anderen Ausformungen dann gerade doch die Erheblichkeitsschwelle des § 14 Nr. 1 WEG überschreitet. Demgemäß dient die Hausordnung gerade der Konkretisierung der sich aus § 14 WEG ergebenden Verpflichtungen (BayObLG, ZMR 2005, 132; Heinemann, in Jennißen, WEG, 2. Auflage, § 21, Rz 51), und verlangt in der Regel einen vernünftigen Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen (zum Beispiel gewerblichen Nutzern und Bewohnern des Hauses, Tierhaltern und Nichttierhaltern, Musikliebhabern und Ruhebedürftigen). In diesem Rahmen steht den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum zu, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht; dieses ist einer gerichtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen (zu Vorstehendem: Vandenhouten, in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Auflage, § 21, Rz 56). Können deshalb im Wege des Mehrheitsbeschlusses über eine Hausordnung Verhaltensweisen geregelt werden, die abstrakt geeignet sind, Nachteile in einer die Erheblichkeitsschwelle des § 14 Nr. 1 WEG übersteigenden Umfang mit sich zu bringen, so gilt dies konkret hier für die Hineinnahme eines Grillverbotes mittels offener Flamme in die Hausordnung. Eine derartige Regelung ist zum Zwecke des Feuerschutzes und zur Vermeidung von Rauch möglich (Merle, aaO, Rz 21, Rz 70 m. w. N.). Das Berufungsgericht meint auch nicht, daß eine höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend existiert, daß bei der Schaffung derartiger Regelungen durch die Eigentümer die konkret in der Gemeinschaft existierenden Einzelfälle zu berücksichtigen sind. Allerdings darf es dabei nicht zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen der Wohnungseigentümer kommen (BGH, NJW 2010, 3508 f.). So liegt der Fall hier aber nicht, nachdem durch die hier streitgegenständliche Regelung ja gerade alle Eigentümer gleich behandelt werden, was nicht der Fall wäre, wenn Ausnahmen wegen der Existenz besonderer baulicher Gegebenheiten in einzelnen Sondereigentumseinheiten berücksichtigt würden.

Einer derartigen Regelung stehen schließlich auch nicht schutzwürdige Belange der Klägerin entgegen, wobei neuerlich offen bleiben kann, ob solche überhaupt der Gestalt tangiert sind, dass mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss erstmals ein Grillverbot in die Hausordnung eingeführt wird. Zwar ist es richtig, dass ein Mehrheitsbeschluss, der eine bestehende Hausordnung abändert, schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer grundsätzlich berücksichtigen muss (Merle, aaO, Rz 63). Dadurch, dass die Klägerin eine bauliche Einrichtung zum Grillen mit offener Flamme geschaffen hat und diese überdies im Rahmen von Mietverträgen ihren Mietern zur Verfügung stellt, entstehen jedoch keine schutzwürdigen Belange, die das Grillverbot in der hier beschlossenen Form hindern würden. Eine Ergänzung einer Hausordnung, die die bestehenden Regelungen unberührt lässt, ist durch Mehrheitsbeschluss immer möglich, selbst dann, wenn die Hausordnung vereinbarungsfest sein sollte (Merle, aaO). So liegt der Fall hier, wenn man den Vortrag der Klägerin zugrunde legt, nämlich dass bisher gerade keine Regelungen über ein Grillverbot in der streitgegenständlichen Wohnungseigentümerversammlung existiert haben. Des Weiteren ist hier auch die Verpflichtung jedes Wohnungseigentümers nach § 14 Nr. 2 WEG zu beachten, aus der sich regelmäßig ergibt, dass der vermietende Eigentümer durch entsprechende Regelungen im Mietvertrag sicherstellen muss, dass die Hausordnung in der jeweils geltenden Fassung auch Bestandteil des Mietvertrages wird. Auf den unveränderten Bestand einer Hausordnung ohne die Möglichkeit von deren Ergänzung darf kein Wohnungseigentümer vertrauen.

Nach alledem entsprach hier daher der angefochtene Beschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Auf die Berufung der Beklagten hin war daher das den angefochtenen Eigentümerbeschluss für ungültig erklärende Urteil des Amtsgerichts München aufzuheben und die Anfechtungsklage war abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.

Die Streitwertfestsetzung folgte der insoweit unbeanstandet gebliebenen Festsetzung seitens des Amtsgerichts.

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