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WEG-Beschluss – Nichtigkeit nur bei Ausnahmefällen

LG München I – Az.: 1 S 2537/20 – Beschluss vom 03.12.2020

Gründe

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.01.2020, Az. 483 C 9855/19 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

1. Die Kammer geht nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage übereinstimmend mit dem Amtsgericht davon aus, dass die Beklagte aufgrund des in der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 zu TOP 24 gefassten Beschlusses i. V. mit § 28 II WEG in der bis 30.11.2020 gültigen Fassung zur Zahlung von Euro … verpflichtet ist.

1.1 Gegenstand des Beschlusses ist die Erhebung einer Sonderumlage. Diese stellt eine Änderung bzw. Ergänzung des Wirtschaftsplanes dar (vgl. Becker in Bärmann, 14. Aufl., Rn 41 zu § 28 WEG). Der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage begründet daher, ebenso wie der Beschluss über den Wirtschaftsplan, i. V. mit § 28 II WEG in der bis 30.11.2020 geltenden Fassung in Höhe der anteilsmäßigen Verpflichtung der Wohnungseigentümer eine Zahlungspflicht gegenüber dem Verband (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2012, Az: V ZR 171/11; Becker in Bärmann, 14. Aufl., Rn 57, 58 zu § 28 WEG).

1.2 Gem. § 23 IV Satz 2 WEG ist ein Beschluss, sofern er nicht nichtig ist, gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist. Dass der Beschluss durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt worden wäre, hat die Beklagtenseite weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich. Der in der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 zu TOP 24 gefasste Beschluss dürfte entgegen der Auffassung der Beklagtenseite auch nicht nichtig sein.

1.2.1 Die Nichtigkeit dürfte sich insbesondere nicht aus einer unzureichenden inhaltlichen Bestimmtheit des gefassten Beschlusses ergeben.

Mangels ausreichender Bestimmtheit ist ein Beschluss nämlich, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur dann nichtig, wenn sich sein Inhalt auch im Wege der vorrangig gebotenen Auslegung nicht feststellen lässt, was aber die Ausnahme ist (vgl. Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 28.02.2020, Rn 85 zu § 23 WEG; Bartholome in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand 01.08.2020, Rn 124 zu § 23 WEG; Schultzky in Jennißen, 6. Aufl., Rn 168 zu § 23 WEG; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 163 zu § 23 WEG). Im Übrigen, wenn also der Beschluss zwar Unklarheiten aufweist, die sich aber im Wege der Auslegung beseitigen lassen, ist der Beschluss gültig und allenfalls anfechtbar (vgl. Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 28.02.2020, Rn 85 und 90 zu § 23 WEG; Schultzky in Jennißen, 6. Aufl., Rn 168 zu § 23 WEG; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 163 zu § 23 WEG).

Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind dabei „aus sich heraus“ – objektiv und normativ – auszulegen. Danach kommt es maßgebend darauf an, wie der Beschluss nach Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2016, Az: V ZR 75/15; BGH, Urteil vom 16.09.2016, Az V ZR 3/16).

Unter Anwendung der vorgenannten Auslegungsregeln lässt sich aber der Inhalt des in der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 zu TOP 24 gefassten Beschluss ausreichend bestimmen. Der Beschluss gibt den Betrag der von den Eigentümern zu erhebenden Sonderumlage mit Euro … an. Ebenso gibt er an, wie dieser Betrag sich auf die Wohnungseigentümer verteilt, nämlich auf die Eigentümer der Sondereigentumseinheiten Nr. 6, 26, 38, 52, 66, 72, 73, 74, 78, 94, 96, 105, 109, 110 und 111 nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Zwar wird die Höhe der mit dem Eigentum an den genannten Sondereigentumseinheiten jeweils verbundenen Miteigentumsanteile im Beschluss nicht genannt. Diese lassen sich aber zweifelsfrei dem Grundbuch und der dort in Bezug genommenen Teilungserklärung entnehmen, sind daher nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar. Im Übrigen ergibt sich, wie auch schon das Amtsgericht ausgeführt hat, aus der im Beschlusswortlaut erfolgten Bezugnahme auf die in derselben Eigentümerversammlung unter TOP 17, 19, 20 und 22 gefassten Beschlüsse und der Angabe, dass die Sonderumlage der Finanzierung der dort beschlossenen Maßnahmen dienen soll, bei nächstliegendem Verständnis, dass die Sonderumlage der Finanzierung der von den übrigen Wohnungseigentümern, also den Eigentümern mit Ausnahme der Eigentümerin …, ausweislich der zu TOP 17, 19, 20 und 22 gefassten Beschlüsse zu leistenden Ausgleichszahlung dienen soll und dass diese Eigentümer über Miteigentumsanteile von insgesamt 878/10.000stel verfügen. Daher können ernstliche Zweifel, welche anteilige Beitragsleistung an der beschlossenen Sonderumlage auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfällt und wie diese sich ermittelt, nicht aufkommen.

1.2.2 Darauf, ob die in der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 zu TOP 17, 19, 20 und 22 gefassten Beschlüsse wirksam sind und ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, kommt es nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an. Denn eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der genannten Beschlüsse hätte jedenfalls nicht zur Folge, dass analog § 139 BGB auch der unter TOP 24 der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 gefasste Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage zur Finanzierung der unter TOP 17, 19, 20 und 22 beschlossenen Maßnahmen nichtig wäre. Vielmehr führt die erfolgte getrennte Beschlussfassung über die Durchführung der Maßnahmen einerseits und die Erhebung einer Sonderumlage zu deren Finanzierung andererseits nach § 23 IV WEG dazu, dass die Beschlüsse eigenständig zu behandeln sind und in ihrem Bestand von dem Schicksal des jeweils anderen nicht berührt werden. Das schließt die Anwendung des § 139 BGB aus (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 05.07.2019, Az: V ZR 278/17).

1.2.3 Soweit die Beklagte vorträgt, für die im Beschluss festgelegte Höhe der Sonderumlage fehle es an jeglicher Grundlage und die Beklagte müsse sich an den Kosten der unter TOP 17, 19, 20 und 22 beschlossenen Maßnahmen, da es sich hierbei um bauliche Veränderungen i. S. des § 22 I WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung handele, denen sie nicht zugestimmt habe, gem. § 16 VI WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung nicht beteiligen, könnte das möglicherweise eine Anfechtbarkeit des in der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 zu TOP 24 gefassten Beschlusses begründen, hätte aber jedenfalls nicht dessen Nichtigkeit zur Folge. Denn falsche Ansätze im Wirtschaftsplan oder bei der Erhebung einer Sonderumlage führen ebenso wie die Anwendung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels nicht zur Nichtigkeit des gefassten Beschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2018, Az: V ZR 193/17; Becker in Bärmann, 14. Aufl., Rn 29, 45, 46 zu § 28 WEG).

1.3 Gem. § 28 II WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung sind Ansprüche aus einem beschlossenen Wirtschaftsplan, damit ebenso Ansprüche aus einer beschlossenen Sonderumlage nach Abruf durch den Verwalter fällig, sofern die Wohnungseigentümer nichts anderes vereinbart oder gem. § 27 VII WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung beschlossen haben (vgl. Becker in Bärmann, 14. Aufl., Rn 48 zu § 28 WEG). Letzteres ist vorliegend erfolgt. Die Eigentümer haben in dem zu TOP 24 der Eigentümerversammlung vom 11.08.2016 gefassten Beschluss als Fälligkeitstermin für die zu erhebende Sonderumlage den 01.03.2017 bestimmt. Der auf die Beklagte entfallende Anteil an der Sonderumlage beträgt dabei, nachdem die Beklagte unstreitig über Miteigentumsanteile von 50/10.000stel verfügt, 50/878 x Euro … und wurde von der Klägerin zutreffend mit Euro … beziffert.

2. Die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Gebühren für die Rücklastschriften i. H. von Euro … dürfte sich aus § 280 I BGB i. V. mit den gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Rücksichtnahme- und Treuepflichten ergeben, die Verpflichtung zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i. H. von Euro … und zur Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 280, 286 I BGB bzw. aus §§ 280, 286 I BGB i. V. mit §§ 288 I, 291 BGB. Klarzustellen wäre der Tenor des erstinstanzlichen Urteils insoweit dahingehend, dass Rechtshängigkeit zum 22.06.2019 eingetreten, Zinsen aus dem Betrag von Euro … daher ab diesem Zeitpunkt zu zahlen sind.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

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