AG Mettmann – Az.: 26 C 1/21 – Urteil vom 19.04.2021
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.12.2020 zu dem Tagesordnungspunkt 4 (a) wird für ungültig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 59 % und die Beklagten zu 41 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Seiten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Fa. C GmbH aus Ratingen.
Ziffer 16.5 der Teilungserklärung lautet: „Die Versammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Stimmen, gerechnet nach der Größe der Miteigentumsanteile, vertreten ist. Ist die Versammlung hiernach nicht beschlussfähig, so hat der Verwalter eine zweite Versammlung mit gleichem Gegenstand einzuberufen. Diese ist in jedem Falle beschlussfähig. Hierauf ist in der Einladung besonders hinzuweisen.“
Mit Schreiben vom 13.05.2020 übersandte die Verwalterin die Jahresabrechnung 2019 für die Wohnung und den Tiefgaragenstellplatz. Mit Schreiben vom 16.11.2020 lud die Verwalterin zu der Eigentümerversammlung vom 16.12.2020 in den Versammlungsraum der Verwalterin ein. Auf das Einladungsschreiben wird Bezug genommen (Bl. 93-95 der Akten).
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Einladung fehlerhaft und der Beschluss deshalb nichtig sei. Der Versammlungsraum habe max. 20 Personen gefasst, eine Zulassung für eine Eigentümerversammlung mit 200 Personen habe behördlicherseits nicht vorgelegen. Hätte der Kläger an der Eigentümerversammlung persönlich teilgenommen, hätte er keine echte Möglichkeit gehabt, auf die Beschlussfassung der Gemeinschaft einzuwirken.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Eigentümerversammlung nicht beschlussfähig gewesen sei, weil entgegen der Teilungserklärung nicht die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten hätten.
Des Weiteren ist der Kläger der Ansicht, für die Anerkennung der Hausgeldabrechnungen fehle der Wohnungseigentümergemeinschaft die Beschlusskompetenz.
Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, dass in den Einzelabrechnungen zahlreiche Kostenarten entgegen der Teilungsordnung verteilt worden sein, nämlich nicht nach Miteigentumsanteilen. Diese Mängel wirkten sich im Ergebnis auf die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse aus.
Schließlich fehle es der Gesamtabrechnung an der rechnerischen Schlüssigkeit. Der Saldo zwischen dem Anfangsbestand der Bankkonten und dem Endbestand betrage 107.875,65 €. Der Saldo zwischen den Einnahmen und Ausgaben betrage 11.972,24 €.
Der Kläger beantragt:
Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft U-straße 40822 Mettmann aus der Eigentümerversammlung vom 16.12.2020 zu dem Tagesordnungspunkt „4 (a): Anerkennung der Hausgeld-Abrechnung 2019, Fälligkeit der Abrechnungsergebnisse zum 20.12.2020“ wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, die Hausgeldabrechnung der WEG U-straße, 40822 Mettmann vom 13.05.2020 für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 im erforderlichen Umfang zu ergänzen und zu korrigieren, sodass die rechnerische Schlüssigkeit der Abrechnung hergestellt wird.
Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass für den Fall der fehlenden Beschlusskompetenz, welche sie sich hilfsweise zu eigen mache, die Beschlussfassung nichtig sei. Dann sei auch der weitere Klageantrag abweisungsreif.
Für den Beschluss über die Abrechnungsergebnisse habe eine Beschlusskompetenz bestanden. Die Versammlung sei auch wegen der Auslegungsregel des § 47 WEG beschlussfähig gewesen. Es habe auch kein Ladungsmangel vorgelegen, er habe keinen Anspruch darauf, dass die übrigen Wohnungseigentümer auch persönlich zur Versammlung erscheinen. Eine Beschränkung des Stimmrechts oder des Teilnahmerechts habe nicht vorgelegen. Weder seien die Wohnungseigentümer ausgeladen worden noch von der persönlichen Anwesenheit ausgeschlossen worden.
Die Beklagte behauptet, es lägen bestandskräftige Beschlüsse vor, wonach die Kostenposition in zulässiger Abweichung von der Gemeinschaftsordnung nicht nach dem Anteil der Miteigentumsanteile umzulegen seien. Im Übrigen seien die Abweichungen gering, sodass kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Der weitere Klageantrag sei abweisungsreif, weil der Kläger keine Entscheidung der Wohnungseigentümer über die notwendige Verwaltungsmaßnahme herbeizuführen gesucht habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Beschlussanfechtungsklage ist begründet. Es liegt insoweit bereits ein formeller Beschlussfehler vor und die Beschlussfassung ist ohnehin teilweise nichtig. Dagegen hat der Verpflichtungsantrag keinen Erfolg.
Der Beschlussanfechtungsantrag hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 4 (a) der Versammlung vom 16.12.2020 ist begründet
Allerdings liegt nicht schon ein Verstoß gegen die Teilungserklärung (Ziffer 16.5) und § 25 Abs. 3 WEG alte Fassung vor. Die Beklagte verweist zu Recht auf die Auslegungsregel des § 47 WEG, wonach in der Regel nicht anzunehmen ist, dass sich ein anderer Wille bezüglich Vereinbarungen ergibt als der, dass die Vorschriften des Wohnungseigentums Modernisierungsgesetzes in der vom 01.12.2020 an geltenden Fassung angewendet werden. Danach stellt das Gesetz an die Beschlussfähigkeit der Versammlung keine besonderen Anforderungen (mehr).
Die dringende Bitte der Verwalterin im Einladungsschreiben vom 16.11.2020, nicht persönlich zu erscheinen, sondern eine weisungsgebundene Stimmrechtsvollmacht zu erteilen, und das Abhalten der Versammlung in einem Raum, der nur für den Aufenthalt von 20 Personen bei einer Gemeinschaft mit 150 Eigentümern geeignet war, führt zur Annahme eines formellen Beschlussmangels.
Zwar unterfällt die Auswahl und Festlegung des Versammlungsorts und der Versammlungsstätten bei Fehlen einer Vereinbarung dem Ermessen des Einberufenden, jedoch müssen Versammlungsort und Versammlungsstätte so beschaffen sein, dass eine ordnungsgemäße Durchführung gewährleistet und allen Wohnungseigentümern die Teilnahme möglich ist (vgl. Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 19 mit Nachweisen).
Letzteres kann nicht angenommen werden, es wurden nicht nur abgeraten von der persönlichen Teilnahme, sondern die persönliche Teilnahme war allen Wohnungseigentümern allein schon aufgrund der Auswahl des Versammlungsortes auch gar nicht möglich und die Verwalterin hat in der Einladung explizit davon abgeraten und mit der Wahl des Versammlungsortes die Teilnahme erschwert.
Nach der Rechtsprechung gilt die Vermutung, dass ein Beschluss auf einem formellen Mangel beruht. Von der Ursächlichkeit eines formellen Beschlussmangels ist daher solange auszugehen, bis der Beweis des Gegenteils zweifelsfrei erbracht ist. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müsste darlegen und beweisen, dass der formelle Beschluss Mangel unbeachtlich sei (vgl. Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021, § 44 Rn. 115).
Zwar ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Beschlussfassung auch ohne die Stimmung des Klägers zustande gekommen wäre, was sie vermutlich auch ist, allerdings kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung einer Präsenzveranstaltung der Kläger mit dem Hinweis darauf, dass die Jahresabrechnung bereits nicht rechnerisch schlüssig war, andere Teilnehmer der Versammlung zu einem anderen Abstimmungsverhalten veranlasst hätte.
Insoweit kommt es auf die vom Kläger vorgebrachten weiteren Gründe nicht mehr an.
Soweit in der Eigentümerversammlung die Hausgeld-Abrechnung 2019 anerkannt wurde, ist dieser Beschluss allerdings mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig. Hiervon gehen beide Seiten, die Beklagte jedenfalls soweit sie sich diese Ansicht hilfsweise zu eigen macht, zu Recht aus.
Gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 WEG in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung beschließen die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.
Beschlussgegenstand sind aber nur die Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- und/oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich sind. Das dem Beschluss zugrunde liegende Zahlenwerk, aus dem die Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse errechnet werden, dient nur der Beschluss Vorbereitung. Kein Gegenstand des Beschlusses sind ferner die in der Jahresabrechnung verwendeten Umlageschlüssel (vgl. zu Vorstehendem Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021 § 28 Rn. 191 f.).
Soweit die Eigentümerversammlung im Übrigen die Abrechnungsergebnisse zum 20.12.2020 fällig gestellt hat, liegt darin nach Auslegung des Gerichts eine Genehmigung der Nachschüsse bzw. Anpassung der Vorschüsse, für die eine Beschlusskompetenz bestand. Denn die Fertigstellung der Abrechnungsergebnisse impliziert die Genehmigung dieser Abrechnungsergebnisse.
Auf die Richtigkeit der Abrechnungsergebnisse und insbesondere der Verteilungsschlüssel kommt es aus den oben aufgezeigten Gründen jedoch nicht mehr an.
Der Verpflichtungsantrag ist dagegen unbegründet.
Der Verpflichtungsantrag gerichtet darauf, die Beklagte zu verurteilen, die Hausgeldabrechnung für 2019 im erforderlichen Umfang zu ergänzen und zu korrigieren, sodass die rechnerische Schlüssigkeit der Abrechnung hergestellt wird, hat keinen Erfolg.
Auch das Gericht hat bereits Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Klageantrags. Aber selbst bei Zurückstellung dieser Bedenken fehlt es an einer Vorbefassung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der Grundsatz der Vorbefassung, wonach der Kläger im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles versucht haben muss, eine Entscheidung der Wohnungseigentümer selbst zu erreichen bevor er das Gericht in Anspruch nimmt, gilt auch bei Regelungen wegen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§§ 18, 19 WEG) (vgl. Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021, Vor §§ 43ff. WEG Rn. 7).
Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer nach einer Vorbefassung der anderen Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einer Klage die Einhaltung einer ordnungsgemäßen Verwaltung verlangen (vgl. Hügel/Elzer, a.a.O. § 18 Rn. 93).
Die Notwendigkeit einer Vorbefassung entfällt auch nicht, da sie erkennbar aussichtslos, also bloße Förmelei wäre. Er ist auch nicht damit Genüge getan, dass in der Eigentümerversammlung über die Jahresabrechnung entschieden worden wäre
Eine Vorbefassung erfordert nämlich einen konkreten Beschlussantrag, mit dem der Kläger die von ihm als notwendig angenommene Entscheidung über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und damit den Entscheidungsgegenstand vorgibt (vgl. Hogenschurz in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, § 44 WEG Rn. 26), an dem es unstreitig fehlt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 5.108,03 €.