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WEG-Beschluss – Verbot des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage

AG Wiesbaden – Az.: 92 C 2541/21 – Urteil vom 04.02.2022

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 wird für ungültig erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin ist Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellplatz. Die Wohnung der Klägerin nebst Tiefgaragenstellplatz war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten Stellplatz in der Tiefgarage abstellte. Dieses Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.

WEG-Beschluss – Verbot des Abstellens von E-Autos in Tiefgarage
(Symbolfoto: l i g h t p o e t/Shutterstock.com)

In der Eigentümerversammlung am 24.08.2012 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 11 mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Wegen des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 27 d.A.) Bezug genommen.

Dieser Beschluss wird von der Klägerin mit der vorliegenden Klage angefochten. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beschluss sei bereits wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig. Der Beschluss greife unzulässigerweise in das Sondernutzungsrecht der Klägerin ein und verstoße gegen das gesetzgeberische Ziel der Förderung der Elektromobilität.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin besitze für die Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis, da das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzte, mittlerweile beendet ist. Die Beklagte behauptet, es bestehe die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit den Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden. Komme es zu einem Brand, sei die Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand. Hinzu komme, dass ein Brand einer solchen Batterie – im Gegensatz zu einem Benzinbrand – nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne. Ein Elektrofahrzeug müsse im Brandfall durch die Feuerwehr in einen Container gezogen werden, um dort auszubrennen. Das Hineinfahren mit einem solchen Container sei in der Tiefgarage des Anwesens nicht möglich. Somit müsste in einem Brandfall das Elektroauto in der Tiefgarage ausbrennen, was eine nicht hinzunehmende Gefahr für das Gemeinschaftseigentum darstelle. Somit diene die beschlossene Einschränkung der Nutzung des Sondernutzungsrechts dem Schutz des Gemeinschaftseigentums und entspreche daher ordnungsgemäßer Verwaltung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG ausschließlich zuständig.

Die Klägerin besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Da das Anfechtungsrecht nicht dem persönlichen Interesse des Anfechtenden dient, sondern dem Interesse aller Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Verwaltung, muss der anfechtende Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss nicht persönlich betroffen sein (s. BGH Beschluss vom 17.07.2003 Az. V ZB 11/03 zitiert nach juris). Somit lässt die Tatsache, dass das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzt, mittlerweile beendet ist, das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entfallen.

Die Klage ist auch begründet.

Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 45 S. 1 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Gemäß § 19 Abs. 1 WEG besitzen die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz Nutzungsregelungen hinsichtlich des Gemeinschafts- und des Sondereigentums zu treffen. Der angegriffene Beschluss ist durch diese Beschlusskompetenz gedeckt. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass ein solcher Beschluss über eine Nutzungsregelung nichtig ist, wenn sie das Sondernutzungsrecht „aushöhlt“ (s. Hügel/Elzer „WEG“ 3. Aufl. 2021 § 23 Rdnr. 8 Stichwort „Sondernutzungsrecht“), diese Grenze wird jedoch durch den angegriffenen Beschluss nicht überschritten, da dieser nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt, so dass die zweckbestimmte Nutzung der Sondernutzungsfläche als Pkw-Abstellfläche erhalten bleibt.

Der angegriffene Beschluss verstößt jedoch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch, der nicht abdingbar ist (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 20 Rdnr. 188), würde durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne Wohnungseigentümer könnte zwar die Installation einer Lademöglichkeit erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der WEG-Reform war (so Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021“ Kapitel 6 Rdnr. 169) und macht einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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