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WEG – Beschluss zum Austausch defekter Fenster

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 9/19 WEG – Urteil vom 27.03.2020

In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 980b –  auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2020 für Recht:

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.01.2019 zu TOP 4 wird für ungültig

erklärt. Zu TOP 4 wird folgender Beschluss ersetzt:

Es ist beschlossen, dass acht Fenster in den Räumen der Wohnungen Nr. 17 und Nr. 18, nämlich Einheit 18: 2x Wohnzimmer, 2x Küche, lx Schlafzimmer, und Einheit 17: lx Gästezimmer, lx Kammer und lx Badezimmer, festgestellt und beschrieben im Gutachten des Sachverständigen vom 10.12.2019, durch die Gemeinschaft und auf deren Kosten nach Erstellung und unter Beachtung eines Lüftungskonzeptes nach DIN 1946-6 (2019) sowie unter Beachtung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 06.04.2016 zu TOP 9 gegen neue dreigeteilte Glas-lsofenster mit Kunststoffrahmen ausgetauscht werden (einschließlich Demontage der alten Fenster und der Innendämmung) und die Fensterlaibungen erneuert werden einschließlich aller notwendigen Maurer- und Malerarbeiten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 10% und die Beklagten zu 90%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweils anderen
Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Notwendigkeit des Austauschs von Fenstern in zwei Wohnungen.

Die Klägerinnen – jeweils Eigentümer einer sanierungsbedürftigen Wohnung im Erdgeschoss des rechten hinteren Gebäudeflügels, die mittels eines Durchbruchs zusammengelegt worden sind – und die Beklagten sind Mitglieder der WEG ###. Beide Wohnungen verfügen über mehrere Fenster, deren Austauschbedürftigkeit im Streit steht. Wegen der Örtlichkeiten wird auf die Lichtbilder im Gutachten gemäß Anl. K1 („Anlage 1“) verwiesen.

Auf der Eigentümerversammlung vom 24.01.2019 (vgl. Protokoll, Anlage „K1“) wurde zu TOP 4 folgender Beschlussantrag gestellt:

„Es ergeht der Antrag, acht Fenster in den Wohnungen Nr. 17 und Nr. 18 zu erneuern. Die Fenster werden in den Räumen Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Gästezimmer und Kammer erneuert. Im Rahmen dieser Arbeiten soll ebenfalls die Demontage der Innendämmung in den Leibungsbereichen der Fenster erfolgen. Die Arbeiten werden von Fa. ### gemäß dem Angebot Nr. 511620187 ausgeführt und die Kosten belaufen sich auf ca. Euro 8.250,00 brutto und werden aus Mitteln der Instandhaltungsrücklage getragen.“

Gegen diesen Antrag wurden 18 Stimmen abgegeben, für ihn zwei; der Antrag wurde „mehrheitlich abgelehnt“. Wegen des Inhalts des Angebots der Firma ### wird auf die Anlage K7 Bezug genommen.

Zuvor waren auf der Eigentümerversammlung vom 06.04.2016 zu TOP 9 Beschlüsse betreffend die „zukünftige Gestaltung der Fenster“ gefasst worden (vgl. dazu Protokoll gemäß Anlage K5).

WEG - Beschluss zum Austausch defekter Fenster
(Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky/Shutterstock.com)

Mit ihrer am 25.02.2019 – einem Montag – bei Gericht eingegangenen, den Beklagten am 22.03.2019 zugestellten und mit weiterem Schriftsatz vom 25.03.2019 – Eingang bei Gericht am selben Tag, einem Montag, per Telefax – begründeten (Anfechtungs-)Klage machen die Klägerinnen geltend, dass der Beschluss vom 24.01.2019 zu TOP 4 den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche. Die streitbehafteten Fenster seien nicht lediglich zu reparieren, sondern auszutauschen. Das habe die Verwaltung außergerichtlich auch schon anerkannt (vgl. Anlage K4). Sie, die Klägerinnen, hätten einen Anspruch auf Austausch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Fenster, weswegen den Eigentümern insoweit kein Ermessen zuzubilligen sei. Demgemäß hätten die Beklagten ihrem Beschlussantrag zuzustimmen müssen; das gelte fort. Es werde im Hinblick auf eine Beschlussersetzung ins Ermessen des Gerichts gestellt, welches Angebot – das der Fa. ### vom 26.11.2018 (Anlage K6), der Fa. ### vom 29.11.2018 (Anlage K7) oder das der Fa. vom 11.12.2018 (Anlage K8) – hier ausgewählt werde. Betreffend die Laibungen liege das Angebot der Fa. ### vom 10.09.2018 (vgl. Anlage K9) vor. Die Fenster seien in dreigeteilter Form einzubauen nebst notwendiger Maler- und Mauerarbeiten.

Die Klägerinnen beantragen,

1. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.01.2019 zu TOP 4 für ungültig zu erklären;

2. im Wege der Beschlussersetzung gerichtlich zu beschließen:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt den Austausch von acht Fenstern in den Räumen der Wohnung 17 und 18, nämlich Einheit 18: 2x Wohnzimmer, 2x Küche, 1x Schlafzimmer, und Einheit 17: 1x Gästezimmer, 1x Kammer und 1x Badezimmer, einschließlich Demontage der alten Fenster und der Innendämmung gegen neue Glas-Isofenster mit Kunststoffrahmen sowie Erneuerung der Fensterlaibungen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt durch den Verwalter zur

Ausführung der Arbeiten der Fenster die Fa. ### gemäß deren Angebot vom
26.11.2018 zu Kosten von brutto 9.249,16 Euro sowie für die Arbeiten an den Laibungen

Fa. ### gemäß Angebot vom 10.09.2018 zu 2.233,63 Euro brutto.

Die Kosten dieser Maßnahme sollen der Instandhaltungsrücklage entnommen werden.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie machen geltend, dass keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Ein Instandsetzungsbedarf bei den in Rede stehenden Fenstern sei nicht gegeben. Vor der Erneuerung der Fenster im Rahmen einer Gesamtmaßnahme müsse erst ein Lüftungskonzept erstellt werden. Einzelne Fenster seien ohnehin durch von den Klägerinnen veranlasste Baumaßnahmen in den Wohnungen beschädigt worden, weil dort u.a. Bauschutt über die Fenster entsorgt worden sei. Jedenfalls könnten die Klägerinnen ihnen, den Beklagten, keinen Werkunternehmer aufdrängen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-. und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 02.09.2019 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Gutachten des Sachverständigen ### vom 10.12.2019.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1. Der angefochtene Beschluss vom 24.01.2019 zu TOP 4 widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und ist für ungültig zu erklären. Die Anfechtung eines solchen Negativbeschlusses hat – wie hier – dann Erfolg, wenn der anfechtende Eigentümer einen Anspruch auf die Beschlussfassung hat, wenn also das Ermessen der Eigentümer im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz nach § 21 Abs. 4 WEG auf Null reduziert ist (vgl. dazu nur LG Hamburg, ZWE 2018, 285, 286 = ZMR 2018, 256). Das ist vorliegend der Fall.

Die Klägerinnen können von den Beklagten verlangen, dass der Austausch der im Gemeinschaftseigentum stehenden acht Fenster – wie tenoriert – in ihren Wohnungen beschlossen wird. Die Klägerinnen haben zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass die Fenster austauschbedürftig sind. Der Sachverständige ### an dessen Sach- und Fachkunde keine Zweifel bestehen und von den Parteien auch nicht geltend gemacht worden sind – hat in seinem Gutachten vom 10.12.2019 überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass alle acht in Rede stehenden Fenster instandsetzungsbedürftig sind. Dagegen haben die Beklagten nichts erinnert. Ihre Behauptung, dass der Defekt der Fenster auf Bauschuttdurchleitungen zurückzuführen ist, findet in dem Gutachten des Sachverständigen zudem keine Stütze. Und die Erstellung eines Lüftungskonzeptes nach den Vorgaben der DIN 1946-6 (2019) sei erforderlich, aber praktisch problemlos.

Dass der Beschluss zu TOP 4 über die Grundentscheidung hinaus, dass die Fenster ausgetauscht werden, auch regelt, durch welchen Werkunternehmer ### zu welchen Kosten
 (ca. Euro 8.250,00 brutto) die Arbeiten ausgeführt werden sollen und dass auf die Instandhaltungsrücklage zurückgegriffen werden soll, führt nicht dazu, dass der Beschluss insoweit aufrechtzuerhalten. Die auf die Willensbildung der Eigentümerversammlung anwendbare Vorschrift des § 139 BGB (vgl. BGH, NZM 2012, 566, 567, Tz. 10) führt im Streitfall dazu, dass dieser Teil des Beschlusses ebenfalls für ungültig zu erklären ist. Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (BGH, a.a.O., Tz. 13). Das setzt die Teilbarkeit des Beschlusses voraus, an der es bei einem Negativbeschluss, wie er hier in Rede steht, aber regelmäßig fehlt. Ein solcher Beschluss ist das Resultat einer verbindlichen Willensbildung der Gemeinschaft aus mehreren Einzelwillen, mit der der Gemeinschaftswille dahingehend festgelegt wird, dass die beantragte Änderung oder Ergänzung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten soll (vgl. dazu BGH, NJW 2001, 3339, 3343 = ZMR 2001, 809). Ein solchermaßen gebildeter Gemeinschaftswille, der das „Ob“ einer Instandsetzungsmaßnahme ablehnt, lässt sich aber schlechterdings nicht von dem „Wie“ dieser Maßnahme trennen. Wenn die Eigentümer schon die Durchführung der Maßnahme als solche nicht wollen, dann wollen sie erst Recht keinen Dritten damit beauftragen, Kosten auslösen und auf Mittel der Instandhaltungsrückstellung zugreifen. Daher „infiziert“ die Ungültigkeit der Grundentscheidung hier auch die Ausführungsentscheidung (anders LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 20.3.2019 – 14 S 3883/18, BeckRS 2019, 30072).

2. Darüber hinaus hat auch die Beschlussersetzungsklage der Klägerinnen nach Maßgabe von § 21 Abs. 8 WEG Erfolg, allerdings nur teilweise. Treffen die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht, so kann an ihrer Stelle das Gericht in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG nach billigem Ermessen entscheiden, soweit sich die Maßnahme nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss der Eigentümer ergibt. So liegt der Fall hier in Bezug auf die Entscheidung, die streitbehafteten Fenster austauschen zu lassen. Die Klägerinnen haben nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung, weil das Ermessen der Eigentümer insoweit auf Null reduziert ist (s.o. unter Ziffer 1). Es ist zudem ein Ausfall des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümer (s. BGH, NJW 2015, 3651, 3653, Tz. 14 = ZMR 2016, 49) gegeben. Die Klägerinnen haben die Eigentümerversammlung mit ihrem Anliegen, die in Rede stehenden Fenster wegen ihrer lnstandsetzungsbedürftigkeit austauschen zu lassen, befasst. Unstreitig hat die Versammlung aber selbst den Beschlussantrag zu TOP 5, mit dem – insoweit abweichend von dem Antrag zu TOP 4 – die Kosten für den Austausch nicht vollständig durch die Gemeinschaft, sondern hälftig von den Klägerinnen selbst getragen werden sollten – mit bestandskräftigem Negativbeschluss abgelehnt. Und selbst nach Vorlage des gerichtlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen ###, das den 
Beklagten am 23. Dezember 2019 zur Kenntnis gegeben wurde, haben es die Eigentümer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vermocht, eine Entscheidung über den Austausch der Fenster herbeizuführen, obwohl dieser – wie sachverständig festgestellt – erforderlich ist. Ob und inwieweit den Klägerinnen wegen der zögerlichen Vorgehensweise ein Schadensersatzanspruch gegen die Eigentümer, die die notwendige Sanierung pflichtwidrig verzögert haben, zusteht (s. dazu etwa BGH, NZM 2018, 615 = ZMR 2018, 1015), bedarf hier keiner Entscheidung.

In der Sache können die Klägerinnen aber nur verlangen, dass der Grundbeschluss über die Vornahme der Maßnahme durch das Gericht ersetzt wird. Wegen des mit § 21 Abs. 8 WEG verbundenen Eingriffs in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer dürfen Maßnahmen nämlich nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist (vgl. BGH, NZM 2018, 615, 625, Tz. 124 = ZMR 2018, 1015). Soweit die Klägerinnen in ihr prozessuales Begehren mit aufgenommen haben, dass das Gericht einen Werkunternehmer auswählen und bestimmen soll, besteht nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine Erforderlichkeit einer Beschlussersetzung. Es ist nämlich stets zu prüfen, ob und ggfs. auf welche Weise es den Wohnungseigentümern ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Regie eine Entscheidung zu treffen (BGH, NJW 2016, 473, 476, 32 = ZMR 2016, 215). Das ist vorliegend der Fall, weil nicht anzunehmen ist, dass sich die Beklagten in Ansehung der hiesigen gerichtlichen Entscheidung einer zügig zu fassenden, konkretisierenden Ausführungsentscheidung verschließen werden und die vorlegten Vergleichsangebote zudem aktualisiert werden müssen. Gleiches gilt für die Frage, wie die anstehende Instandsetzung finanziert werden soll. Eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass nur ein Rückgriff auf die Instandhaltungsrückstellung den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums entspricht, ist nicht gegeben. Es kommt auch die Erhebung einer Sonderumlage, die Begleichung der Kosten aus den laufenden Wohngeldern und/oder die Aufnahme eines Kredites in Betracht.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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