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WEG-Beschluss zur Fassadenrreparatur bedarf zuvor mehrerer Angebote

Streit um Gültigkeit von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Ein komplexer Fall wird vor dem Amtsgericht Charlottenburg verhandelt: Mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung stehen auf dem Prüfstand. Dabei geht es um die Beauftragung und Finanzierung von Reparaturarbeiten und Legionellenbekämpfung. Doch sind die Beschlüsse rechtens oder nicht? Welche Auswirkungen hat das Urteil für die beteiligten Parteien?

Direkt zum Urteil Az: 74 C 47/21 springen.

Ungültige Beschlüsse und Verfahrenskosten

In dem Urteil vom 10.05.2022 entscheidet das Amtsgericht Charlottenburg, dass die Beschlüsse zu TOP 2.1 und 2.2 der Eigentümerversammlung vom 6.9.2021, die sich auf die Beauftragung einer Baufirma für Reparaturarbeiten und deren Bezahlung durch eine Sonderumlage beziehen, für ungültig erklärt werden. Ebenso ergeht es den Beschlüssen zu TOP 3.1 und 3.2, bei denen es um die Beauftragung einer Firma zur Legionellenbekämpfung und deren Finanzierung durch eine Sonderumlage geht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Kläger, welche als Wohnungseigentümer Mitglieder der Beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft sind, hatten die Gültigkeit der Beschlüsse in Frage gestellt. Die Beschlüsse zur Reparatur der Fassadenschäden und der Legionellenbekämpfung wurden in einer Wohnungseigentümerversammlung am 6.9.2021 gefasst, allerdings mit Mehrheitsbeschluss.

Probleme bei der Beschlussfassung?

Nach § 14 Abs. 3 der Teilungserklärung, auf welcher die Gemeinschaft basiert, genügt für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung die Absendung an die zuletzt bekannte Anschrift des Wohnungseigentümers. Die Kläger werfen jedoch die Frage auf, ob dies in diesem Fall eingehalten wurde.

Das Urteil führt zu der Entscheidung, dass die Beschlüsse zur Beauftragung der Baufirma und der Legionellenbekämpfung sowie ihre Finanzierung durch Sonderumlagen als nicht ordnungsgemäß gefasst gelten. Die Kläger konnten jedoch nicht nachweisen, dass die Einladung zur Eigentümerversammlung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden wäre.


Das vorliegende Urteil

AG Charlottenburg – Az.: 74 C 47/21 – Urteil vom 10.05.2022

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Charlottenburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2022 für Recht erkannt:

1. Die Beschlüsse zu TOP 2.1. (Beschlussfassung zur Beauftragung der Baufirma zur Ausführung der Reparaturarbeiten) und zu TOP 2.2 (Beschlussfassung zur Bezahlung der in TOP 2.1 beschriebenen Reparaturen durch eine Sonderumlage aller Eigentümer) der Eigentümerversammlung vom 6.9.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft ### werden für ungültig erklärt.

2. Die Beschlüsse zu TOP 3.1. (Beschlussfassung zur Beauftragung der mbH zur Bekämpfung der Legionellen) und zu TOP 3.2 (Beschlussfassung zur Bezahlung der in TOP 3.1 beschriebenen Maßnahmen zur Legionellenbekämpfung durch eine Sonderumlage alle Eigentümer) der Eigentümerversammlung vom 6.9.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft ### werden für ungültig erklärt.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

WEG-Beschluss zur Fassadenrreparatur bedarf zuvor mehrerer Angebote
(Symbolfoto: vieninsweden/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen einer Wohnungseigentümerversammlung. Die Kläger sind als Wohnungseigentümer der Beklagten, einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Gemeinschaft ist errichtet auf Grundlage der Teilungserklärung vom 7.6.1978 (Anlage K8 – Blatt 44-59 d.A.). § 14 Abs. 3 der Teilungserklärung lautet:

„Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von den Wohnungseigentümern zuletzt mitgeteilt worden ist.“

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 6.9.2021 nahm die Gemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss folgenden Beschlussanträge an:

Unter dem Tagesordnungspunkt 2.1:

„Die Wohnungseigentümer beschließen, dass der Auftrag zur Reparatur der Fassadenschäden bei den Wohnungen ### (WE 11) und ### (WE 12) in Höhe von maximal 8.000,00 Euro an die Baufirma ### vergeben wird, sobald diese ihr Angebot bestätigt hat, mit der Maßgabe diese Arbeiten so schnell wie möglich durchzuführen.“

Unter dem Tagesordnungspunkt 2.2:

„Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die Kosten der Reparaturen für die Fassadenschäden in Höhe von maximal 8.OOO, OO Euro durch Erhebung einer Sonderumlage in Höhe der Rechnung erfolgt. Gemäß der Teilungserklärung vom 07. Juni 1978 der Wohnungseigentümergemeinschafl erfolgt die Verteilung der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Miteigentums unter sämtlichen Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen.

Die Beiträge sind bis zu zwei Wochen nach Zahlungsaufforderung dem gemeinschaftlichen Girokonto anzuweisen. Wohnungseigent0mer, die ein Lastschriftmandat erteilt haben, sorgen bitte zum Zeitpunkt der Fälligkeit für ausreichende Kostendeckung.“

Unter dem Tagesordnungspunkt 3.1:

„Die Wohnungseigentümer beschließt, dass die Firma ### beauftragt wird, die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Legionellenbefalls im Objekt gemäß Kostenvoranschlag vom 24.10.2020 in Höhe von 6.597,40 Euro bei 19 % U.-St (siehe Angebote ###) durchzuführen.“

Unter dem Tagesordnungspunkt 3.2:

„Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die Kosten der Legionellenbekämpfung in Höhe von 6.597,40 Euro bei 19 % U.-St durch Erhebung einer Sonderumlage in Höhe der Rechnung erfolgt. Gemäß der Teilungserklärung vom 07. Juni 1978 der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt die Verteilung der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Miteigentums unter sämtlichen Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen.

Die Beiträge sind bis zu zwei Wochen nach Zahlungsaufforderung dem gemeinschaftlichen Girokonto anzuweisen. Wohnungseigentümer, die ein Lastschriftmandat erteilt haben, sorgen bitte zum Zeitpunkt der Fälligkeit für ausreichende Kostendeckung.“

Die Kläger rügen mit der am 5.10.2021 bei Gericht eingegangenen Klageschrift:

Die Einladung zur Eigentümerversammlung seien nicht innerhalb der zu wahrenden Frist und unzulässig per E-Mail erfolgt, die zudem im Spam-Ordner des Klägers zu 2) gelandet sei, sodass dieser erst am 1.9.2021 davon Kenntnis genommen habe. Eine Dringlichkeit der angefochtenen Beschlüsse habe auch nicht vorgelegen. Eine Teilnahme an der Eigentümerversammlung sei den Klägern aufgrund der Kurzfristigkeit der Einladung nicht möglich gewesen. Bei Teilnahme hätten sie ihre sachlichen Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Angebote, äußern können.

Den Beschlüssen zu TOP 2 und TOP 3 sei lediglich die Einholung jeweils eines Angebotes eines Fachunternehmens vorangegangen. Die Frist zur Annahme des zu TOP 2 vorliegenden Angebotes sei darüber hinaus abgelaufen und das Angebot der ### betreffend den Beschluss zu TOP 3 vom 24.10.2020 bereits derart veraltet gewesen, dass von einer Bindung nicht mehr habe ausgegangen werden können.

Die Kläger beantragen,

1. den auf der Eigentümerversammlung vom 6.9.2021 der Eigentümergemeinschaft ### zu TOP 2.1. („Beschlussfassung zur Beauftragung der Baufirma ### zur Ausführung der Reparaturarbeiten“) und zu TOP 2.2. („Beschlussfassung zur Bezahlung der in TOP 2.1. beschriebenen Reparaturen für eine Sonderumlage aller Eigentümer“) gefassten Beschluss für ungültig zu erklären,

2. den auf der Eigentümerversammlung vom 6.9.2021 der Eigentümergemeinschaft ### zu TOP 3.1. („Beschlussfassung zur Beauftragung der Firma ### zur Bekämpfung der Legionellen“) und zu TOP 2.2. („Beschlussfassung zur Bezahlung der in TOP 3.1. Beschriebenen Maßnahmen zur Legionellenbekämpfung durch eine Sonderumlage aller Eigentümer“) gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Die Regelung in der Teilungserklärung sei nicht dahingehend zu verstehen, dass ausschließlich eine postalische Versendung der Einladung in Betracht komme. Die Kläger hätten als professionelle Betreiber „mehrerer Hotels“ ihre im Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfaltspflicht verletzt soweit sie es unterlassen haben, ihren Spam-Ordner täglich zu kontrollieren. Beide Tagesordnungspunkte seien bereits Gegenstand der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 10.11.2020 zur Eigentümerversammlung am 26.11.2020 als TOP 7 und 8 gewesen, sodass der Sachverhalt und die Angebote der Firmen ### und ### den Klägern bekannt gewesen seien und diese 10 Monate Gelegenheit gehabt hätten, andere Ideen oder Angebote vorzulegen, was jedoch nicht geschehen sei. Die Eigentümerversammlung sei dringlich gewesen, weil die Miteigentümerfamilie ### angekündigt hätten die Eigentümergemeinschaft zu verklagen, soweit die Fassadenreparatur nicht innerhalb von 2 Wochen beschlossen würde.

Die Ansicht, dass stets drei Alternativangebote einzuholen sein, verkenne, dass Handwerker oft nicht (mehr) bereit seien, kostenlose Angebote vorzulegen und dass trotz Anfragen durch die Hausverwaltungen keine drei Vergleichsangebote von den Handwerksfirmen zur Verfügung gestellt würden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um einen Rechtsstreit im Sinne von § 43 Nr. Abs. 2 Nr. 4 WEG, über den das Amtsgericht Charlottenburg als Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ausschließlich zu entscheiden hat.

II.

Die Klage ist rechtzeitig im Sinne von § 45 Satz 1 WEG erhoben und auch rechtzeitig inhaltlich begründet worden. Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben gerügt, dass den Eigentümern keine drei Angebote über die zu TOP 2.1 und TOP 3.1. beschlossenen Maßnahmen vorlagen. Die Einholung mehrerer Angebote ist aber regelmäßig erforderlich, um die Angemessenheit der Honorarvorstellung des jeweiligen Leistungsanbieters überprüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 1.4.2011 – V ZR 96/10, WM 2011 ,1239 und Urteil vom 22.6.2012 – V ZR 190/11, NJW 2012, 3175; OLG Hamm, Beschluss vom 4.6.2002 – 15 W 66/02, NZM 2003, 486 Beschluss vom 3.1.2008 – 15 W2 140/07, ZMR 2009, 58). Der einzelne Wohnungseigentümer muss die Möglichkeit erhalten, vor der Eigentümerversammlung von den Angeboten Kenntnis zu nehmen und eigene Vorschläge einbringen zu können (Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Auf. 2012, S 26 Rn. 30; in diesem Sinne wohl auch: BGH, Urteil vom 1.4.2011 – V ZR 96/10, GE 2011, 765). Die Möglichkeit der Kenntnisnahme lediglich eines weiteren Angebotes in der Eigentümerversammlung ist nicht ausreichend (vgl. auch Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl. 2015, S 26 Rn. 22 unter Verweis auf LG Köln, Urteil vom 30.1.2013 – 29 S 135112, ZMR 2013, 379). Lediglich hinsichtlich der Verwalterwahl wird in der Instanzrechtsprechung und Literatur vertreten, dass deren Rechtswidrigkeit nicht allein aufgrund des Umstands begründet sein soll, dass nur ein Kandidat zur Verfügung steht (OLG Hamm, Urteil vom 3.1.2008 – 15 W2 140/07, Engelhardt in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, S 26, Rn. 19). Eine Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Einholung von Angeboten zur Vergabe von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen wird demgegenüber weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt im Übrigen auch die Bestellung eines neuen Verwalters die Einholung mehrerer Angebote voraus (BGH, Urteil vom 1.4.2011 – V ZR 96/10 -, Rn. 12). Dieser Auffassung ist zu folgen, da sich den Wohnungseigentümern lediglich auf der Grundlage mehrerer Angebote ein ausreichender Überblick der Marktlage bietet. Die Einholung von mindestens drei Angeboten ist dabei erforderlich, um etwaige „Ausreißer“ nach oben oder unten auszuschließen, die bei der Einholung von lediglich zwei Angeboten vorliegen könnten. Der weitere pauschale Vortrag der Beklagten, dass Handwerker oft nicht (mehr) bereit seien, kostenlose Angebote vorzulegen und dass trotz Anfragen durch die Hausverwaltungen keine drei Vergleichsangebote von den Handwerksfirmen zur Verfügung gestellt würden, ist bereits deshalb unerheblich, weil die Beklagte selbst nicht behauptet, dass dies vorliegend der Fall war. Das Vorliegen von Ladungsmängeln kann danach dahinstehen. Die Klage ist auch hinsichtlich der Klägerin zu 3) begründet. Insoweit lag lediglich eine im Wege der Rubrumsberichtigung zu berichtigende Falschbezeichnung vor, denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass neben der Klägerin zu 3) eine „Schiela GbR“ besteht, die am Sitz der Klägerin zu 3) ansässig ist.

Die Sonderumlagenbeschlüsse zu TOP 2.2 und TOP 3.2 zur Finanzierung der Beschlüsse zu TOP 2.1 und TOP 3.1 waren danach ebenfalls für ungültig zu erklären.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.

 

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