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WEG – Beschlussanfechtung bei Mehrheitsbeschluss über einen Wärmelieferungsvertrag

LG Berlin, Urteil vom 29.11.2013

Az.: 55 S 216/12 WEG

Die Berufung der Beklagten … … GmbH gegen das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 21. Juni 2012 – 72 C 130/11 WEG – wird zurückgewiesen.

Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Absatz 1, 540 Absatz 2 ZPO abgesehen.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 511 Absatz 2 ZPO statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

II.

WEG – Beschlussanfechtung bei Mehrheitsbeschluss über einen Wärmelieferungsvertrag
Foto: deagreez/Bigstock

Sie ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 27. Juni 2011 zu TOP 11 in nicht zu beanstandender Weise für ungültig erklärt.

Nach § 30 Abs. 3 S. 2 WEG sind auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes entsprechend anwendbar.

1.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist der angefochtene Beschluss ist nicht schon formell unwirksam, denn die Eigentümerversammlung vom 27. Juni 2011 hatte Beschlusskompetenz.

a. Hinsichtlich der Bevollmächtigung des Verwalters zum Abschluss des Wärmelieferungsvertrages ergibt sich die Beschlusskompetenz aus §§ 27 Abs. 3 Nr. 7 i.V.m. 23 und 17 Nr. 3 a) der Teilungserklärung. Da dem Verwalter nach der Teilungserklärung gestattet werden kann, Verträge über die Lieferung von Wärme- bzw. Energieträgern und anderen abzuschließen, kann er für diese Vertragsabschlüsse auch von der Versammlung ermächtigt werden. Dass gegebenenfalls in der Vergangenheit individuelle Verträge mit den einzelnen WEG-Mitgliedern geschlossen wurden, ist unbeachtlich, da die Teilungserklärung explizit einen Vertrag der Eigentümergemeinschaft mit dem Wärmelieferanten vorsieht.

b. Für die majorisierende Ausübung der Stimmrechte durch die Kapitalgesellschaften der WEG gibt es nach Auffassung der Kammer keine Anhaltspunkte. Der Vortrag dazu ist unsubstantiiert und angesichts des Beschlussergebnisses nicht nachvollziehbar (von 1983 Stimmen: 570 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen, alle anderen dafür).

2.

Der angefochtene Beschluss ist jedoch materiell unwirksam.

Der Abschluss des Wärmelieferungsvertrages steht im Widerspruch zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wie sie nach § 21 Abs. 4 WEG von jedem Wohnungseigentümer verlangt werden kann. Denn § 3 des streitgegenständlichen Vertrages verstößt gegen § 24 Abs. 4 AVB Fernwärme VO, was zur Unwirksamkeit dieser Klausel gemäß § 134 BGB führt. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung dürfen aber keine Verträge genehmigt werden, die in einem so wesentlichen Punkt unwirksame Klauseln enthalten.

a. Bei der in dem Wärmelieferungsvertrag enthaltenen Preisanpassungsklausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, weil die in dem Vertrag enthaltene Klausel der Formulierung nach jedenfalls für eine mehrfache Verwendung vorgesehen ist. Sie wurde in den einzelnen Verträgen mit den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft auch dem Grunde nach bereits seit 1.6.72 verwendet (s.h. Vertrag unter § 2). Aber auch, wenn es sich der Formulierung nach um eine von einem Dritten für eine mehrfache Verwendung formulierte Bedingung handelt, ist nicht erforderlich, dass die Partei selbst eine mehrfache Verwendung plant (sh. Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013 § 305 Rz. 9 unter Verweis auf BGH NJW 2010, 1131).

Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB. Bei der Bereitstellung von Fernwärme im Rahmen der Wohnraumnutzung besteht regelmäßig nicht die Möglichkeit, die Lieferbedingungen weitgehend auf der Grundlage der allgemeinen Vertragsfreiheit auszugestalten. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Energieversorger einen Vertragsabschluss zu abweichenden Bedingungen anbietet und der Kunde ausdrücklich mit diesen abweichenden Bedingungen einverstanden ist. Dass die Berufungsklägerin ein außerordentliches Kündigungsrecht für die Gemeinschaft mit im Vertrag berücksichtigen würde – wie in TOP 11 des Beschlusses der Eigentümerversammlung festgestellt – macht den Vertrag nicht zu einem Individualvertrag. Denn in TOP 11 heißt es auch, dass zahlreiche Fragen und Änderungswünsche an die Berufungsklägerin heran getragen wurden. Nur in einem Bereich, nämlich der Aufnahme des außerordentlichen Kündigungsrechtes, hat die Berufungsklägerin dem nachgegeben. Man kann damit nicht von einem individuell ausgehandelten und auf die WEG zugeschnittenen Vertrag sprechen.

In Verträgen mit Privatkunden (also nicht Industriekunden) ist grundsätzlich § 24 Abs. 3 AVBFernwärme VO als Spezialvorschrift anwendbar (BGH – Urteil vom 6. April 2011 VIII ZR 273/09 Rz. 23 f zitiert nach juris).

b. Die Preisanpassungsklausel verstößt gegen § 24 Abs. 3 AVBFernwärme VO, denn sie weist die maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht vollständig und in allgemein verständlicher Form aus und sie berücksichtigt die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt nicht angemessen. Es soll nämlich eine kostenorientierte Preisbemessung gewährleistet werden, aber auch garantiert sein, dass sich die Gestaltung der Fernwärmepreise nicht losgelöst von den Preisverhältnissen am Wärmemarkt vollziehen kann (vgl. insoweit BGH Urteil vom 13. Juli 2011, VIII ZR 339/10, Rz. 21, zitiert nach juris).

Dies erfordert, dass als Bemessungsgröße ein Indikator gewählt wird, der an die tatsächliche Entwicklung der Kosten des bei der Wärmeerzeugung überwiegend eingesetzten Brennstoffs anknüpft. Der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel lässt sich nicht entnehmen, dass ein Bezug zu den konkreten Kosten der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme besteht und sie damit die neben den Marktverhältnissen erforderliche Kostenorientierung aufweist. Der Grundsatz der Kostenorientierung ist dann tangiert, wenn die Preise oder einzelne ihrer Bestandteile kostenmäßige Zusammenhänge nicht mehr hinreichend erkennen lassen (BGH Urteil vom 6. April 2011 VIII ZR 273/09 Rz. 38 zitiert nach juris).

Der Vertrag nimmt für den nunmehr tatsächlich verwendeten Brennstoff Gas bei der in der Berechnung des Arbeitspreises enthaltenen Preisgleitklausel nur Bezug auf einen Index (Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte für Erdgas bei Abgabe an die Industrie). Auch für den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung verwendeten Brennstoff Heizöl nimmt der Vertrag nur Bezug auf den Index „jeweiliger Marktpreis in Euro/hl“ und einen durchschnittlichen Marktpreis des Kalenderjahres 2005.

Darüber hinaus wird auch hinsichtlich der tatsächlichen Lohnkosten im Grundpreis lediglich auf den Index der tariflichen Monatsverdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich verwiesen.

Eine Kostenorientierung fehlt aber bei der bloßen Berücksichtigung eines Indexes für den eingesetzten Energieträger, es sei denn, es wäre sichergestellt, dass sich die konkreten Kosten der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme im Wesentlichen in gleicher Weise entwickelten wie der Index (vgl. insoweit BGH Urteil vom 13. Juli 2011, VIII ZR 339/10, Rz. 25, zitiert nach juris). Im konkreten Fall wird dies seitens der Kläger bestritten.

Die Anknüpfung von Preisanpassungen unter anderem wie hier an Parameter für leichtes Heizöl ist nicht ohne weiters mit der Kostenentwicklung bei Erdgasbezugskosten gleichzusetzen.

Folglich sind in § 3 des Wärmelieferungsvertrages die tatsächliche Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch die Berufungsklägerin und die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt nicht angemessen berücksichtigt.

Wenn die Preise oder einzelne ihrer Bestandteile kostenmäßige Zusammenhänge nicht mehr hinreichend erkennen lassen, werden die maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht vollständig und in allgemein verständlicher Form ausgewiesen und es fehlt insoweit auch an der erforderlichen Transparenz und Nachvollziehbarkeit gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 und 3 AVBFernwärme VO.

Es kommt also nicht mehr darauf an, ob, wie seitens des Berufungsklägervertreters in der mündlichen Verhandlung der Kammer am 29. Oktober 2013 vertreten, nach dem BGH in seinem Urteil vom 6. April 2011 VIII ZR 273/09 Rz. 41 zitiert nach juris im konkreten Fall der Berufungsklägerin die Rückbezugnahme auf … Berechnungsfaktoren erlaubt wäre, weil feststünde, dass die Berufungsklägerin ihrerseits gegenüber ihrer Vorlieferantin … einer Preisbindung unterliege, die ihrem Art und ihrem Umfang nach im Wesentlichen der von der Berufungsklägerin gegenüber der WEG praktizierten Verwendung von Berechnungsfaktoren zur Berechnung der jeweiligen Preisänderung entspricht.

Denn im vorliegenden Fall knüpft keiner der in dem Wärmelieferungsvertrag verwendeten Berechnungsfaktoren – unabhängig ob für Heizöl oder Erdgas – an die konkreten Kosten der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme an.

Darüber hinaus steht nach dem Vortrag der Berufungsklägerin – auch unter Berücksichtigung des eingereichten Schreibens von … vom 23. März 2012 – nicht fest, dass … bei ihrer Preisbestimmung als Referenzgröße vergleichbare örtliche Notierungen der streitbefangenen Indizes heranzieht und ob … bei der Berufungsklägerin neben den Indizes zusätzliche Bemessungsfaktoren vorsieht, ob sie einen ähnlichen Äquivalenzfaktor verwendet und ob sie vergleichbare Berechnungszeiträume zugrunde legt.

c. Die aus der Unvereinbarkeit der Klausel mit § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärme VO folgende Nichtigkeit (§ 134 BGB) erfasst allerdings nicht den gesamten Wärmelieferungsvertrag, sondern nur die für den Kunden – hier die WEG – nachteilige Preisanpassungsklausel (vgl. hierzu BGH Urteil vom 6. April 2011 aaO. m.w.N ).

d. Die Unwirksamkeit dieser Klausel schlägt jedoch auf die Gültigkeit des Beschlusses unter TOP 11 insgesamt durch. Enthält der Wärmelieferungsvertrag eine rechtswidrige Klausel, ist der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung über den Abschluss des Wärmelieferungsvertrages insgesamt für ungültig zu erklären, wenn – wie hier – ein essentieller Vertragsteil betroffen ist. Für die Beurteilung, ob ein Teil des Rechtsgeschäfts Bestand haben kann, ist auf den Parteiwillen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abzustellen. In vorliegenden Fall ist nach Ansicht der Kammer gerade nicht davon auszugehen, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer den teils unwirksamen Wärmelieferungsvertrag auch dann beschlossen hätte, wenn die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel bekannt gewesen wäre. Das folgt schon daraus, dass – wie seitens des Klägervertreters auch noch im Termin vorgetragen – die Kläger sich keiner Rechtsunsicherheit über den aufgrund veränderter Verhältnisse hinsichtlich der Preise möglicherweise gerichtlich anzupassenden Vertrag aussetzen wollen. Auch für die Berufungsklägerin war die Preisänderungsklausel ein essentieller und unverzichtbarer Vertragsteil. Sie wollte die zukünftigen Preisanpassungsmodalitäten bereits von Anfang an festlegen, um eine verläßliche Kalkulationsgrundlage auch gegenüber ihrer Vertragspartnerin … zu haben und sich nicht in die Unsicherheit möglicher Streitigkeiten mit der WEG zu begeben.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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