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WEG: Beschlussanfechtung bzgl. Wohnungseigentumsverwalterbestellung

LG Itzehoe, Az.: 11 S 33/17

Urteil vom 26.01.2018

1. Die Berufung der Beklagten zu 1), 3) und 4) gegen das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 21.03.2017, Az. 60 C 49/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten zu 1), 3) und 4) haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Pinneberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Die Kläger begehren die Ungültigerklärung des zum Tagesordnungspunkt 4 auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.06.2016 gefassten Beschlusses, mit dem der Beklagte zu 1) zum Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft gewählt worden ist. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Begründung des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

WEG: Beschlussanfechtung bzgl. Wohnungseigentumsverwalterbestellung
Foto: alexraths/Bigstock

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten zu 1), 3) und 4) mit ihrer Berufung, die sie wie folgt begründen: Die Bestellung des Beklagten zu 1) als Verwalter widerspreche nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und sei insbesondere von dem den Wohnungseigentümern bei der Bestimmung des Verwalters gegebenen Beurteilungsspielraum gedeckt. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung seien erst dann verletzt, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheine, den Verwalter ungeachtet etwaiger gegen ihn sprechender Umstände zu bestellen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Das Amtsgericht substantiiere den der Entscheidung zugrunde liegenden Verdacht, wonach die teilweise Eigentumsübertragung auf die Lebensgefährtin und den Bruder des Beklagten zu 1) nur zum Zwecke der Stimmenmehrung erfolgt sei, nicht hinreichend. Tatsächlich sei die Eigentumsübertragung zwecks Nutzung der schenkungssteuerlichen Freibeträge und als vorweg genommene Regelung des testamentarischen Nachlasses des Beklagten zu 1) erfolgt.

Es sei auch eine Majorisierung durch das Amtsgericht unzutreffend angenommen worden. Es lägen keine weiteren Umstände vor, die darauf hindeuteten, dass der Beklagte zu 1) bei einer Abstimmung nicht die Interessen der Gemeinschaft im Auge habe, sondern ausschließlich eigene Interessen verfolge. Konkrete Umstände, die eine solche Befürchtung begründen könnten, seien vom Amtsgericht nicht ausgeführt worden und würden auch nicht bestehen.

Soweit das Amtsgericht darauf abstelle, dass die Quantität und Qualität der in der Vergangenheit teilweise auch gerichtlich ausgetragenen Konflikte für eine Vermengung der persönlichen Interessen des Beklagten zu 1) und der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft sprächen, fehle es an konkreten Ausführungen zu den Hintergründen dieser Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und an einer Darstellung der konkreten Umstände, die eine solche Sorge begründen könnten.

Die Beklagten seien wegen dieser lediglich abstrakten Darstellung in den Entscheidungsgründen auch daran gehindert, dem Vorwurf einer etwaigen Interessenvermengung und fehlenden Neutralität konkret entgegenzutreten.

Die Beklagten zu 1), 3) und 4) beantragen: Das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 21.03.2017 (Geschäftszeichen: 60 C 49/16) – den Beklagten zugestellt am 28.03.2017 – wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger beantragen: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger verteidigen im Wesentlichen das amtsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Beklagte zu 2) hat bereits in der ersten Instanz erklärt, den Klägern als Nebenintervenient beizutreten.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den streitgegenständlichen Beschluss im Ergebnis zutreffend für ungültig erklärt.

1.

Die Bestellung eines Verwalters ist am Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu messen. Denn die Wohnungseigentümer haben nach § 21 Abs. 3 und Abs. 4 WEG nicht nur einen Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Verwaltung diesen Grundsätzen entspricht, sondern auch darauf, dass der Verwalter selbst diesen Anforderungen genügt (BGH, Urteil vom 22.06.2012 – VZR 190/11).

Daran fehlt es, wenn ein wichtiger Grund gegen die Bestellung spricht. Wann ein solch wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich in Anlehnung an § 26 Abs. 1 Satz 3 WEG nach den für die Abberufung des Verwalters geltenden Grundsätzen (BGH, Urteil vom 22.06.2012 – VZR 190/11; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.12.1985 – 8 W 338/85).

Ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Abberufung des Verwalters liegt vor, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter, Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden kann, insbesondere weil das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist (BGH, Beschluss vom 22.06.2002 – V ZB 39/01; BayObLG, Beschluss vom 29.01.2004 – 2Z BR 181/03).

Das Vorliegen eines solch wichtigen Grundes verpflichtet die Wohnungseigentümer allerdings nicht ohne Weiteres dazu, den Verwalter abzuberufen. Sie haben vielmehr einen Beurteilungsspielraum und dürfen von einer Abberufung absehen, wenn dies aus objektiver Sicht vertretbar erscheint (BGH, Urteil vom 10.02.2012 – V ZR 205/11).

Einen entsprechenden Beurteilungsspielraum haben die Wohnungseigentümer auch bei der Bestellung des Verwalters, bei der sie eine Prognose darüber anstellen müssen, ob er das ihm anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird. Die Bestellung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung deshalb erst, wenn die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, das heißt, wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen (BGH, Urteil vom 22.06.2012 – V ZR 190/11).

Bei der Entscheidung über diese Frage muss das Gericht einerseits die Entscheidung der Mehrheit im vertretbaren Rahmen respektieren, andererseits aber auch den Minderheitenschutz berücksichtigen. Zu einer Ungültigkeitserklärung eines mehrheitlich gefassten Bestellungsbeschlusses kann es vor diesem Hintergrund etwa kommen, wenn der Verwalter offensichtlich die für die Amtsführung erforderliche Neutralität vermissen lässt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.2000 – 15 W 109/00; LG Düsseldorf, Urteil vom 18.10.2013 – 25 S 7/13 U); aber auch eine Majorisierung durch einen Mehrheitseigentümer kann Anlass für eine kritische Würdigung der Beweggründe sein (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2012 – V ZR 105/11; BGH, Urteil vom 28.10.2011 – V ZR 253/10).

2.

In Anwendung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss unter Überschreitung des den Wohnungseigentümern zustehenden Beurteilungsspielraums zustande gekommen.

a)

Eine unzulässige Majorisierung steht der Ordnungsgemäßheit des Beschlusses jedoch nicht entgegen. Der Beklagte zu 1) allein verfügt nicht über eine Stimmenmehrheit, weil nach der maßgeblichen Teilungserklärung das sogenannte Kopfprinzip gilt und in der Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt sechs Personen stimmberechtigt sind. Neben dem Beklagten zu 1) sind dies seine Lebensgefährtin als Beklagte zu 3), sein Bruder als Beklagter zu 4), die Kläger sowie der Beklagte zu 2).

Selbst wenn man jedoch – wie das Amtsgericht – die Lebensgefährtin und den Bruder des Beklagten zu 1) als derart in dessen Lager stehend ansehen wollte, dass diese drei Stimmen quasi als in einer Person – der des Beklagten zu 1) – vereint zu werten wären, läge angesichts der insgesamt sechs stimmberechtigten Eigentümer ein Stimmenpatt von drei gegen drei Stimmen vor, jedoch keine Stimmenmehrheit. Dass auch der Beklagte zu 2) als im Lager des Beklagten zu 1) stehend angesehen werden muss, ist nicht vorgetragen worden und erscheint angesichts von dessen Einlassung im gegenständlichen Verfahren auch als abwegig.

b)

Der Beschluss ist jedoch wegen fehlender Neutralität des Beklagten zu 1) und eines zerstörten Vertrauensverhältnisses für ungültig zu erklären. Eine Gesamtabwägung aller vorliegend maßgeblichen Punkte führt hier zu dem Ergebnis, dass die Begründung eines unbelasteten, für die Tätigkeit des Verwalters erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu sämtlichen Wohnungseigentümern ausgeschlossen erscheint. Eine neutrale Wohnungseigentumsverwaltung, die weder persönlich noch von ihrem Interesse her der einen Seite näher steht als der anderen ist nicht gewährleistet.

Allein nicht ausreichend ist der Umstand, dass der Beklagte zu 1) und die Kläger zahlreiche Rechtsstreitigkeiten ausgetragen haben, unter anderem wegen einer von den Klägern aufgestellten Parabolantenne. Auch dass der Beklagte zu 1) mehrfach Strafanzeige gegen den Kläger gestellt hat, wie der Übersicht auf Blatt 10 der Akte zu entnehmen ist, genügt für sich genommen nicht, um eine fehlende Neutralität des Beklagten zu 1) zu begründen. Denn unter Umständen kann es sogar zur Pflicht eines Verwalters gehören, gerichtlich gegen Wohnungseigentümer vorzugehen. Da zu den Hintergründen der aufgeführten Verfahren und Strafanzeigen nicht weiter vorgetragen wurde, vermag die Kammer hierauf allein eine Ungültigerklärung des Beschlusses nicht zu stützen.

Der Beklagte zu 1) hat jedoch in anderer Weise zum Ausdruck gebracht, dass er die Kläger nicht als gleichberechtigte Wohnungseigentümer ansieht, deren Interessen er als Verwalter ebenfalls zu vertreten verpflichtet ist. So hat er unstreitig gegenüber dem Voreigentümer der von den Klägern erworbenen Wohnung schriftlich geäußert, dass er auf keinen Fall wolle, dass die Wohnungen an „Türken oder andere Ausländer“ verkauft würden. Dies stellt eine ausländerfeindliche und diskriminierende Aussage dar, von der die tunesisch stämmigen Kläger sich in besonderem Maße betroffen fühlen können. Vor diesem Hintergrund ist auch die ordnungswidrige Zustimmungsverweigerung des Beklagten zu 1) zu der Veräußerung der Wohnung an die Kläger in die Bewertung einzustellen.

Darüber hinaus hat der Beklagte zu 1) sich im Rahmen von zahlreichen als „Abmahnungen“ bezeichneten Schreiben gegenüber den Klägern in einer Art und Weise geäußert, die es aus Sicht der Kläger als ausgeschlossen erscheinen lässt, dass der Beklagte zu 1) auch ihre Interessen als Verwalter ordnungsgemäß vertreten wird. Die Diktion und die Form der Schreiben lassen besorgen, dass der Beklagte zu 1) den Klägern gerade nicht mehr neutral gegenüber steht. So hat er in diesen Schreiben Kochgerüche aus der Wohnung der Kläger als „unerträglichen Gestank“ bezeichnet. Auch hat er sich wegen „Pinkelgeräuschen“ der Kläger diesen gegenüber beschwert. Zudem hat der Beklagte zu 1) den Kläger in einem Schreiben als „sogenannten Eigentümer“ bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, diesen nicht als gleichberechtigten Wohnungseigentümer mit entsprechenden Rechten anzuerkennen.

Auch angesichts der hohen Anforderungen, die an eine Ungültigerklärung eines Bestellungsbeschlusses aufgrund der Bedeutung des Selbstorganisationsrechtes der Wohnungseigentümer zu stellen sind, ist der vorliegende Beschluss in der Gesamtabwägung nicht mehr von dem Ermessen der Wohnungseigentümer gedeckt, da eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) sich für die Kläger als schlichtweg unzumutbar darstellt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Eine Kostenentscheidung über die Nebenintervention nach § 101 Abs. 1 ZPO war nicht veranlasst, da es an einer wirksamen Nebenintervention des Beklagten zu 2) fehlt.

Eine Nebenintervention war im vorliegenden Rechtsstreit nicht zulässig. Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Parteien anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Der Nebenintervenient muss dabei eine von den Parteien verschiedene Rechtspersönlichkeit sein, mithin ein Dritter im Sinne von § 72 ZPO. Daran fehlt es vorliegend, da der Beklagte zu 2) selbst Partei ist.

Sofern der Bundesgerichtshof ursprünglich eine Nebenintervention eines beklagten Wohnungseigentümers in einem Beschlussanfechtungsverfahren für zulässig erachtet hatte (vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2009 – V ZR 196/08), hat er diese Rechtsprechung in einer neueren Entscheidung ausdrücklich aufgegeben (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2012 – V ZR 7/12). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an (ebenso mit ausführlicher Begründung: LG, Berlin, Urteil vom 28.05.2013 – 55 S 73/12 WEG).

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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