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WEG-Beschlussanfechtung eines nachgeholten Mehrheitsbeschlusses über Sanierungsmaßnahme

AG Wedding –  Az.: 15a C 526/13 –  Urteil vom 05.02.2014

1. Die Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.08.2013 zu TOP 3 in der Fassung:

„Diese Eigentümerversammlung beschließt ausdrücklich – und im Nachhineinverfahren – die Auftragsvergabe sowie der Bezahlung der Rechnungssumme von brutto 12.915,98 EUR aus Gemeinschaftsmitteln im Wj. 2011, um auch den Gesamt- und Einzelberechnungen 2011 Gültigkeit zu verschaffen. Der Hausverwaltung … sowie die seinerzeit amtierenden Verwaltungsbeiräte, … und …, werden durch diese Versammlung ausdrücklich und nachträglich ermächtigt und legitimiert, zur Auftragsvergabe berechtigt gewesen zu sein, da es dem Willen der Gemeinschaft entsprach“ wird für ungültig erklärt.

2. Der Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.08.2013 zu TOP 4 hinsichtlich der Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2011 wird für ungültig erklärt.

3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürften die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft bezüglich der im Rubrum ersichtlichen Wohnanlage, deren Verwalter der Beigeladene ist.

Der Beigeladene erteilte in Absprache mit dem seinerzeit amtierenden Verwaltungsbeirat, bestehend aus … und …, auf der Grundlage eines Angebotes vom 04.05.2011 der Firma … den Auftrag, eine Holz-Jägerzaun, der die Wohnanlage teilweise eingefriedet hatte, durch einen Metallgitterzaun zu ersetzen.

Die bei der Durchführungen dieser Maßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 12.915,78 EUR rechnete der Beigeladene in die Wohngeldabrechnung für das Jahr 2011 unter der Position laufende Instandhaltung ein.

Auf der folgenden Wohnungseigentümerversammlung am 26.07.2012 genehmigte die Wohnungseigentümergemeinschaft mehrheitlich insgesamt die Wohngeldabrechnung 2011 nebst Einzelabrechnung.

Dies führte zur Anfechtung vor dem Amtsgericht Wedding durch die in diesem Verfahren führende Klägerin. Mit Urteil vom 16.04.2013, Az. 14 C 417/12 erklärte das Amtsgericht den Beschluss hinsichtlich der Abrechnungsposition „laufende Instandhaltung“ für ungültig. In der Urteilsbegründung führte das Amtsgericht aus, dass für den Austausch des Zaunes ein Beschluss der Wohnungseigentümer erforderlich gewesen wäre.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.08.2013 fassten die Wohnungseigentümer unter TOP 3 den folgenden Beschluss:

„Diese Eigentümerversammlung beschließt ausdrücklich – und im Nachhineinverfahren – die Auftragsvergabe sowie der Bezahlung der Rechnungssumme von brutto 12.915,98 EUR aus Gemeinschaftsmitteln im Wj. 2011, auch um den Gesamt- und Einzelberechnungen 2011 Gültigkeit zu verschaffen. Der Hausverwaltung … sowie die seinerzeit amtierenden Verwaltungsbeiräte, …. und …, werden durch diese Versammlung ausdrücklich und nachträglich ermächtigt und legitimiert, zur Auftragsvergabe berechtigt gewesen zu sein, da es dem Willen der Gemeinschaft entsprach.“

Zu diesem Beschlussantrag gab es 55 Ja-Stimmen, 5 Stimmenthaltungen und 10 Gegenstimmen.

Unter TOP 4 beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft überdies die Entlastung des Verwaltungsbeirates für das Wirtschaftsjahr 2011. Hierzu gab es 51 Ja-Stimmen, 9 Stimmenthaltungen und 10 Gegenstimmen.

Mit Anfechtungsklage vom 27.09.2013, bei Gericht an demselben Tag eingegangen, hat die Klägerin die genannten Beschlüsse angefochten. Die Klagebegründung ist am 28.10.2013 bei Gericht eingegangen.

Die Klagezustellung ist am 22.10.2013 erfolgt. Mit Schreiben vom 01.10.2013 ist die Klägerin zur Einzahlung der Gerichtskosten aufgefordert worden, die Zahlung ging am 11.10.2013 bei Gericht ein.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Austausch des Zaunes eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfordert hätte. Daher sei auch der Beschluss über die Entlastung des Verwaltungsbeirates anfechtbar.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.08.2013 zu TOP 3 in der Fassung: „Diese Eigentümerversammlung beschließt ausdrücklich – und im Nachhineinverfahren – die Auftragsvergabe sowie der Bezahlung der Rechnungssumme von brutto 12.915,98 EUR aus Gemeinschaftsmitteln im Wj. 2011, um auch den Gesamt- und Einzelberechnungen 2011 Gültigkeit zu verschaffen. Der Hausverwaltung … sowie die seinerzeit amtierenden Verwaltungsbeiräte, … und …, werden durch diese Versammlung ausdrücklich und nachträglich ermächtigt und legitimiert, zur Auftragsvergabe berechtigt gewesen zu sein, da es dem Willen der Gemeinschaft entsprach“ für ungültig zu erklären.

2. Der Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.08.2013 zu TOP 4 hinsichtlich der Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2011 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, im Mai 2011 sei der Holz-Jägerzaun umgetreten worden und eine Reparatur oder Erneuerung sei nicht sinnvoll gewesen.

Für den Tatbestand im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelten Fristen sind eingehalten worden.

Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung anhängig geworden, die Zustellung der Klage wirkt gemäß § 167 ZPO auf diesen Zeitpunkt zurück, denn die Zustellung ist demnächst erfolgt.

Zwar ist die Klage erst knapp zwei Monate später zugestellt worden, die dem zugrundeliegende Verzögerung fällt jedoch nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin.

Die Klage ist ferner innerhalb eines weiteren Monats begründet worden.

2. Der Unter TOP 3 gefasste Beschluss war für ungültig zu erklären, denn diesem Beschluss hätte gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG jeder Wohnungseigentümer zustimmen müssen.

§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG sieht für bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, die Zustimmung von allen Wohnungseigentümern vor, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehen.

a. Der Austausch des vorhandenen Holz-Jägerzauns durch einen Metallgitterzaun stellt eine bauliche Veränderung dar, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht.

Eine bauliche Veränderung im Sinne dieser Vorschrift ist jede auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht (Engelhardt in Münchener Kommentar, 6. Auflage, § 22 WEG, Rn. 2).

Instandhaltung und Instandsetzung sind demgegenüber auf die Erhaltung und ggf. Wiederherstellung des ursprünglichen, ordnungsgemäßen Zustands gerichtet (Bärmann/Pick in Bärmann/Pick, 19. Auflage, § 22 WEG, Rn. 2).

Der Austausch des Holz-Jägerzaunes durch einen Metallgitterzaun ist eine gegenständliche Veränderung, die auf Dauer angelegt ist. Durch die Ersetzung des Holz-Jägerzauns ist dieser gerade nicht lediglich wiederhergestellt worden. Für eine bauliche Veränderung ist es nicht erforderlich, dass etwa an einer Stelle ein Zaun errichtet wird, an der sich zuvor kein Zaun befunden hat. Auch gestalterische Änderungen können bauliche Veränderungen sein (vergleiche für die Änderung der farblichen Gestaltung: BayObLG NZM 2002, 869).

b. Es ist ferner davon auszugehen, dass auch sämtliche Wohnungseigentümer durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt sind, so dass auch die Zustimmung sämtlicher Eigentümer erforderlich war.

Dabei ist anzunehmen, dass jede optische Veränderung, die den jeweiligen Eigentümern auch ersichtlich ist, grundsätzlich eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung darstellt (KG, Beschluss vom 10.02.1992, Az. 24 W 402/91, Rn, 12, zitiert nach Juris).

Das Abstellen auf eine Beeinträchtigung des ästhetischen Gesamteindrucks oder auf eine Störung der Harmonie würde dazu führen, dass die ästhetischen Wertmaßstäbe des Tatrichters den Ausschlag geben würden, was nicht sachgerecht ist (KG, aaO, Rn, 13, zitiert nach Juris).

c. Bei dem Austausch des Holz-Jägerzauns durch einen Metallgitterzaun handelt es sich auch nicht um eine Modernisierung gemäß § 559 Abs. 1 BGB oder um eine Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik (§ 22 Abs. 2 WEG).

Es ist keine allgemeine Entwicklung erkennbar, wonach Metallzäune Holzzäune als die modernere Variante ablösen, wonach Holzzäune als veraltet nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen.

3. Der unter TOP 4 gefasste Beschluss zur Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2011 war für ungültig zu erklären, weil er nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 und 4 WEG entspricht.

Durch die Zustimmung und Mitwirkung des Verwaltungsbeirates hinsichtlich der Auftragserteilung und Durchführung der Zaunerneuerung hat sich der Verwaltungsbeirat pflichtwidrig verhalten, weshalb nicht auszuschließen ist, dass den Wohnungseigentümern Ansprüche aus dieser Pflichtverletzung gegen den Verwaltungsbeirat zustehen könnten. Ein Verzicht auf solche Ansprüche durch Vornahme der Entlastung entspricht daher nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Wie oben ausgeführt war für den Austausch des Zaunes die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich. Eine solche Zustimmung lag zum Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme nicht vor und ist auch nachträglich nicht erfolgt.

Die Maßnahme war auch nicht als Notgeschäftsführungsmaßnahme gerechtfertigt. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Holz-Jägerzaun im Mai 2011 erheblich beschädigt wurde und dadurch seine Einfriedungsfunktion einbüßte und nicht reparabel gewesen ist, war die Auftragserteilung ohne Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses nicht geboten. Es drohte keine konkrete unmittelbare Gefahr für die Wohnungseigentümer oder Dritte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Prozesskosten wurden nicht dem Beigeladenen nach § 49 Abs. 2 WEG auferlegt, denn ihn trifft bezüglich der streitgegenständlichen Beschlüsse jedenfalls kein grobes Verschulden.

Der Umstand, dass für den Austausch des Zaunes gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich war, ist nicht in der Weise offensichtlich, dass dem Beigeladenen grobes Verschulden vorgeworfen werden kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass hier lediglich ein vorhandener Zaun durch einen anders gearteten Zaun ersetzt wurde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des AG Wedding vom 16.04.2013, Az. 14 C 417/12. In diesem Urteil ist der Beigeladene zwar darauf hingewiesen worden, dass für den Austausch des Zaunes ein Beschluss der Wohnungseigentümer notwendig war, nicht jedoch auf den Umstand, dass ein einstimmiger Beschluss erforderlich ist.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708Nr. 11, 709,711 ZPO.

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