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WEG: Beschlussfassung über Einhaltung der Mittags- und Nachtruhe

AG Hannover, Az.: 484 C 5513/17, Urteil vom 05.12.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien bilden die WEG H. 62, 64, 66 und B. 15, 17, 19 und 21 in Hannover.

Die Kläger sind Mitte Januar 2017 aus ihrer alten Wohnung in der R.-straße 38 in Hannover in ihre Wohnung im Hause H. 66 in Hannover umgezogen. Sie haben einen 12-jährigen Sohn, der die 7. Klasse besucht sowie eine Musikschule, wo er Klavier lernt. In der Gemeinschaft galt die Hausordnung aus April 2004. Nach Einzug der Kläger gab es Beschwerden von Mitbewohnern wegen des Klavierspiels.

WEG: Beschlussfassung über Einhaltung der Mittags- und Nachtruhe
Foto: Flynt/Bigstock

Die Hausverwaltung lud schriftlich zur Eigentümerversammlung am 10.04.2017 ein, wobei die Einladung der Kläger unter der (alten) Anschrift R.-straße 38 in Hannover erfolgte.

Auf der Versammlung wurden Beschlüsse gefasst (vgl. Protokoll Bl. 7 f. d. A.), u. a. zu TOP 11a folgender Beschluss unter Bezugnahme auf die neue Hausordnung (Bl. 10 d. A.):

TOP 11a

Beschluss über die Änderung der Hausordnung, Anpassung der in der Vergangenheit gefassten Beschlüsse. (Anlage 1)

Die neue Hausordnung wird bei 2 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen mehrheitlich beschlossen mit folgenden Änderungen:

  • Zusätzlich soll in der Hausordnung vereinbart werden, dass große sperrige Gegenstände aller Art nicht in den Müllcontainern oder den Müllboxen entsorgt werden darf, hierfür ist eine separate Abfuhr zu beantragen und zum Termin an die entsprechende Abholstelle herauszustellen
  • Zudem soll unter Punkt 8 die Zeit angepasst auf 9.00 bis 13.00 Uhr
  • Unter einem zusätzlichen Punkt sollen die geregelten Waschzeiten eingefügt werden.

Der Miteigentümer Herr W. wird die Hausordnung vor Versand noch redaktionell überarbeiten.

In der Hausordnung heißt es u. a.:

8. Vermeidbarer Lärm.

Jeder hat sich so zu verhalten, dass andere nicht mehr als vermeidbar durch Geräusche beeinträchtigt werden. Vermeidbar ist Lärm, wenn er ohne gerechtfertigte Veranlassung verursacht oder bei begründetem Anlass durch Gedankenlosigkeit oder fehlende Rücksicht grundlos verstärkt wird. Feiern sind rechtzeitig bei den Bewohnern über einen Aushang bekannt zu geben und ab 22.00 Uhr auf Zimmerlautstärke zu reduzieren. Ebenfalls ist beim Musizieren darauf zu achten, dass die Musikgeräte möglichst so betrieben werden, dass eine Schallübertragung weitestgehend vermieden wird und das Betreiben der Musikgeräte nur in der Zeit von 09.00 bis 13.00 sowie von 15.00 bis 18.00 Uhr von Montag bis Freitag erfolgen darf.

9. Lüften der Treppenhäuser.

Die Treppenhäuser sind mittels Stoßlüftung zu lüften. Ein dauerhaftes Lüften mittels angekippter Fenster ist besonders im Winter grundsätzlich zu vermeiden.

10. Starkes Türenschlagen oder Treppenlaufen,

der Betrieb von Musikinstrumenten, Rundfunkgeräten, Plattenspielern usw. mit belästigender Lautstärke hat grundsätzlich zu unterbleiben. Insbesondere in der Zeit von 13.00 bis 15.00 Uhr und von 20.00 bis 07 Uhr – auch auf Balkonen und bei geöffneten Fenstern – ist ein Betrieb der o.a. Geräte grundsätzlich die sogenannte Zimmerlautstärke einzuhalten. Das bedeutet, dass Musik und Sprache außerhalb des Herrschaftsbereichs des Gerätebesitzers nicht deutlich wahrnehmbar sein dürfen.

11. Lärmintensive Hobby-Arbeiten

und Arbeiten in den Wohnungen (Hämmern, Dübeln, Sägen, Bohren) dürfen von 20 Uhr bis 07.00 Uhr und von 13.00 bis 15.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen nicht ausgeführt werden.

Mit der Klagschrift (Bl. 3 d. A.) haben die Kläger beantragt, die in der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 verabschiedeten Beschlüsse für unwirksam zu erklären, insbesondere den Beschluss zu 11a. Auf Rückfrage haben sie klargestellt, dass sich die Beschlussanfechtung allein auf diesen Beschluss bezieht (Bl. 13 d. A.).

Die Kläger halten den Beschluss sowohl für formell als auch materiell rechtswidrig. Sie behaupten, eine Einladung nicht erhalten zu haben. Erst am 28.04.2017 hätten sie das Protokoll der Versammlung erhalten und eine Hausordnung vom März 2017. Sie behaupten, der Hausverwaltung ihren Umzug im Januar 2017 mitgeteilt zu haben. Sie berufen sich auf weitere Mängel und Verstöße (Bl. 4 f. d. A.). Sie wenden sich inhaltlich insbesondere gegen die zeitliche Beschränkung des Musizierens gemäß Ziffer 8 dieser neuen Hausordnung. Ein Musizieren sowie Betreiben von Musikgeräten nur in der Zeit von 9.00 bis 13.00 Uhr sei nicht hinnehmbar und greife stark in ihre Grundrechte ein. Es ergäbe sich auch ein Widerspruch zu Ziffer 10 der Hausordnung.

Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten klägerischen Vortrag Bezug genommen.

Die Kläger beantragen: Der Beschluss der Eigentümerversammlung zu TOP 11a wird für unwirksam erklärt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Kläger hätten sämtliche Beschlüsse der Versammlung vom 10.04.2017 angefochten und angesichts des Antrags im Schriftsatz vom 29.05.2017 (Bl. 13 d. A.) die Klage bis auf die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 11a im Übrigen konkludent zurückgenommen. Sie behaupten, die neue Hausordnung sei mitsamt der Einladung an die Kläger versandt worden. Im Hinblick auf die Versendung an die alte Adresse verweisen sie auf die Entscheidung des BGH vom 05.07.2013, Az.: V ZR 241/12. Im Übrigen sehen sie keine Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem gefassten Beschluss. Wegen der weiteren geltend gemachten formellen Mängel wird insbesondere auf die Ausführungen in der Klageerwiderung verwiesen (Bl. 35 f. d. A.).

Sie halten die neuen Regelungen in der beschlossenen Hausordnung für ordnungsmäßig. Ein Abspielen von Musikgeräten und Musizieren sei nicht nur von 9.00 bis 13.00 Uhr möglich, sondern auch von 15.00 bis 18.00 Uhr und im Übrigen auch darüber hinaus. Voraussetzung sei lediglich, dass kein vermeidbarer Lärm auftrete. Insoweit ergebe sich auch kein Widerspruch zwischen Punkt 8 und Punkt 10. Insoweit sei lediglich die Selbstverständlichkeit auf Grundlage des § 14 Nr. 1 aufgenommen worden. Es ginge darum, darauf zu achten, dass beim Musizieren oder Abspielen von Musikgeräten eine Schallübertragung weitestgehend vermieden und damit die Störung der übrigen Wohnungseigentümer über das zulässige Maß hinaus unterlassen werden soll.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Beklagtenvortrag Bezug genommen.

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 43 Nr. 4, 46 Abs. 1 WEG zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Denn der angefochtene Beschluss zu TOP 11a der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.04.2017 ist weder formell noch materiell rechtswidrig. Er widerspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 3 WEG und ist auch nicht nichtig.

Zunächst ist festzustellen, dass sich die Anfechtung der Kläger allein gegen den Beschluss zu TOP 11a richtet bzw. richten sollte. Die Formulierung in der Klagschrift „Aufgrund von Einberufungsmängeln sowie Mängeln der Beschlussfähigkeit, Formverstößen und inhaltlichen Mängeln sind die in der Eigentümerversammlung vom 10.04.2017 verabschiedeten Beschlüsse für unwirksam zu erklären“ spricht nicht dagegen. Die Auslegung dieses Antrages ergibt vielmehr, dass nur der Beschluss zu TOP 11a für ungültig erklärt werden sollte.

Nach Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.12.2014, Az.: V ZR 53/14) darf man bei der Auslegung auch einer Beschlussanfechtungsklage – wie allgemein im Prozessrecht – nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Nur wenn sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung unter Einbeziehung des gesamten Vortrages in der Klagschrift nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu Lasten der Partei.

Unzweifelhaft liegt hier keine sogenannte Global-Anfechtung vor, sondern aus dem Antrag Nr. 2 ergibt sich, dass „insbesondere“ der Beschluss zu TOP 11a angefochten werden soll. Zwar machen die Kläger in der Klagschrift bereits formelle Mängel gegen die Beschlüsse geltend, von Anfang an ist jedoch von den Differenzen wegen des Klavierspielens des Sohnes die Rede und von der Hausordnung, mit der die Kläger in ihrer neueren Fassung nicht einverstanden sind. Bei verständiger Auslegung des Antrages in Verbindung mit dem Antrag der Klagschrift ergibt sich damit als einziges Rechtsschutzziel der Kläger, dass sie sich gegen die neue, angepasste Hausordnung und damit allein gegen den Beschluss zu TOP 11a wenden.

Dieser Beschluss erfolgte jedoch rechtmäßig.

Zum einen können die Kläger nicht einwenden, der Beschluss sei formell rechtswidrig, weil die Einladung – unstreitig – an ihre alte Adresse versandt worden sei. Denn insoweit verweisen die Beklagten zutreffend auf das Urteil des BGH vom 05.07.2013 (Az.: V ZR 241/12). Danach kann sich ein Eigentümer nicht auf seine fehlerhafte Ladung zu einer Eigentümerversammlung berufen, wenn er dem Verwalter seine ladungsfähige Anschrift nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Teilt ein Wohnungseigentümer seine ladungsfähige Anschrift nicht oder falsch mit und misslingt seine Ladung zu der Eigentümerversammlung aus diesem Grund ohne Verschulden der Verwaltung, muss er sich die unterbliebene Ladung als Folge seiner Obliegenheitsverletzung zurechnen lassen; in der Versammlung gefasste Beschlüsse können dann nicht wegen der unterbliebenen Ladung angefochten werden. So liegt der Fall hier.

Die Kläger tragen – unwidersprochen – vor, Mitte Januar 2017 von ihrer alten Wohnung R.-straße, zu der die Einladung versandt wurde, in die neue Wohnung umgezogen zu sein. Sie behaupten zwar, der Hausverwaltung telefonisch den Umzug mitgeteilt zu haben, dies wird jedoch von dieser in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten. Weiterer, substantiierter Vortrag der Kläger zu dieser Frage erfolgt nicht, so dass ihr Vorbringen insoweit unsubstantiiert und damit unschlüssig ist. Im Übrigen sind sie auch beweisfällig geblieben. Auch die anderen vorgebrachten Mängel und Verstöße können die Kläger nicht erfolgreich vorbringen. Im Hinblick auf die Versammlung verweisen die Beklagten nämlich zutreffend darauf, dass es sich um ein Ergebnisprotokoll handelt. Insoweit verweisen sie auch berechtigt auf die Anwesenheitsliste (Bl. 42 f. d. A.). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Beschlussfähigkeit, wobei das bloße Bestreiten der Beschlussfähigkeit nicht reicht und die Beklagten sich überzeugend auf einen Schreibfehler im Protokoll berufen. Damit bestehen hinsichtlich der Beschlussfähigkeit keine Bedenken. Dass der Beschluss zu TOP 11a die neue Hausordnung meint, liegt auf der Hand. Dass eine redaktionelle Nachbearbeitung vorliegt, ist nicht schlüssig dargelegt.

Zum anderen widerspricht der Beschluss weder ordnungsmäßiger Verwaltung noch ist er nichtig.

Die Beschlusskompetenz ergibt sich aus § 15 Abs. 2 WEG. Bei Regelungen im Rahmen einer Hausordnung handelt es sich um Gebrauchsregelungen.

Die Kläger irren, soweit sie der Meinung sind, ein Musizieren ist lediglich in der Zeit von 9.00 bis 13.00 Uhr zulässig. Zum einen ergibt sich aus der Hausordnung Punkt 8 ausdrücklich auch ein Zeitfenster von 15.00 bis 18.00 Uhr.

Im Übrigen dürfen die Kläger nicht allein auf diese Zeiten schauen, sondern auch auf den Gesamtkontext der Regelung. Liest man die Nrn. 8 und 10 in verständiger Weise, ergibt sich, dass Ziel der Regelung allein ist, vermeidbaren Lärm und damit Störungen der anderen Miteigentümer zu verhindern. Insoweit ergibt sich zum einen aus den Nrn. 8 und 10 eine besondere Mittagsruhe und zum anderen eine Nachtruhe. Ein Widerspruch besteht deshalb nicht. Die Regelung manifestiert den gesetzlichen Apell aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, vom Sonder- und Gemeinschaftseigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass hierdurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Hier geht es um vermeidbaren Lärm. Dies ist ein häufiger Streitpunkt im Hinblick auf das in § 14 Nr. 1 WEG kodifizierte Rücksichtnahmegebot. Dementsprechend ist in Punkt 10 von der sogenannten Zimmerlautstärke die Rede, die auch der Regelung zu Punkt 8 gedanklich zugrunde liegt. Bei verständiger Auslegung der beiden Regelungen und insbesondere der Neuerungen zu Punkt 8 Satz 3 ergibt sich, dass grundsätzlich im Hinblick auf Lärm Rücksicht zu nehmen ist, dies im besonderen Maße in der Mittagszeit und zur Nachtzeit. Darüber hinaus ergibt sich aus den Regelungen kein Verbot, dass außerhalb der genannten Zeiten von 9.00 bis 13.00 Uhr und 15.00 bis 18.00 Uhr Musikinstrumente gespielt werden dürfen. Dieses Spielen muss jedoch so erfolgen, dass eine Schallübertragung in andere Wohnungen weitestgehend vermieden wird. Das Gleiche gilt auch für Samstag und Sonntag. Das Gericht weist zudem darauf hin, dass diese Regelung möglicherweise anlässlich des Klavierspielens des Sohnes aufgrund von Beschwerden der Miteigentümer erfolgt ist, umgekehrt diese Regelungen nicht nur für die Kläger gelten, sondern für sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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