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WEG – Beseitigung eines Sichtschutzelementes zwischen 2 Balkonabschnitten

Bauliche Veränderung: Mobiler Sichtschutz zwischen Balkonen

In einem Gerichtsurteil wurde eine Entscheidung über die Genehmigung einer baulichen Veränderung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen. Dabei ging es um die Entfernung einer Trennwand zwischen zwei Balkonen und die Montage eines mobilen Sichtschutzes.

Ungültiger Negativbeschluss und zustimmende Beschlussfassung

Der Versammlungsleiter hatte einen Negativbeschluss verkündet, obwohl die Abstimmung in der Eigentümerversammlung mehrheitlich für die Genehmigung der baulichen Veränderung ausfiel. Das Gericht erklärte den Negativbeschluss für ungültig und stellte das Zustandekommen der zustimmenden Beschlussfassung fest.

Keine erheblichen Beeinträchtigungen

Das Gericht stellte fest, dass die Entfernung der Trennwand und der mobile Sichtschutz keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellen. Zudem konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Rechte anderer Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt wurden. Die dünnen Trennwände dienten lediglich dem Sichtschutz und hatten keinen Einfluss auf die Bausubstanz oder die Baustatik.

Kosten des Rechtsstreits und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Beklagte wurde dazu verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil wurde als vorläufig vollstreckbar erklärt.


Urteil im Volltext

AG Bonn – Az.: 211 C 38/21 – Urteil vom 04.05.2022

1. Der (Negativ-) Beschluss unter TOP 8 in der Eigentümerversammlung vom 28.07.2021 über die Genehmigung einer baulichen Veränderung – Mobiler Sichtschutz als Trennwand zwischen seinen beiden Balkonen-Antrag Herr H, der wie folgt lautet:

„Die Wohnungseigentümer beschließen, dem jeweiligen Eigentümer der Wohnungseinheit Nummer ## und ## gemäß Aufteilungsplan die Vornahme folgender baulicher Veränderungen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums vorbehaltlich folgender Auflagen zu gestatten (nachträglich zu genehmigen):

WEG - Beseitigung eines Sichtschutzelementes zwischen 2 Balkonabschnitten
(Symbolfoto: klikkipetra/Shutterstock.com)

Entfernung der bauseits vorhandenen Trennwand zwischen den beiden Balkonen. Montage eines mobilen Sichtschutzes als Trennelement gemäß dem Musterfoto und der Spezifikation.

Die Ausübung der oben genannten Genehmigung erfolgt ausschließlich auf eigene Kosten und Gefahr des oben genannten Eigentümers. Dieser leistet Gewähr für die Einhaltung etwa zu beachtender Verkehrssicherungspflichten, öffentlich rechtlicher Vorschriften und behördlicher Auflagen auf eigene Kosten. Die Kosten des Betriebs der baulichen Veränderung trägt der begünstigte Eigentümer alleine. Machen Mieter von Wohnungseigentümern in Ansehung der oben genannten baulichen Veränderung Eigentümern gegenüber Ansprüche geltend, so ist der oben genannte Eigentümer zu deren Freistellung verpflichtet.

Entfällt ein für die Genehmigung der vorstehenden baulichen Veränderung ursächliches berechtigtes Interesse des jeweiligen Eigentümers an der baulichen Veränderung, ist der jeweilige Eigentümer zum Rückbau der baulichen Veränderungen verpflichtet.“

wird für ungültig erklärt.

2. Es ist beschlossen, dem jeweiligen Eigentümer der Wohnungseinheit Nummer ## und ## gemäß Aufteilungsplan die Vornahme folgender baulicher Veränderungen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums vorbehaltlich folgender Auflagen zu gestatten (nachträglich zu genehmigen):

„Entfernung der bauseits vorhandenen Trennwand zwischen den beiden Balkonen. Montage eines mobilen Sichtschutzes als Trennelement gemäß dem Musterfoto und der Spezifikation.

Die Ausübung der oben genannten Genehmigung erfolgt ausschließlich auf eigene Kosten und Gefahr des oben genannten Eigentümers. Dieser leistet Gewähr für die Einhaltung etwa zu beachtender Verkehrssicherungspflichten, öffentlich rechtlicher Vorschriften und behördlicher Auflagen auf eigene Kosten. Die Kosten des Betriebs der baulichen Veränderung trägt der begünstigte Eigentümer alleine. Machen Mieter von Wohnungseigentümern in Ansehung der oben genannten baulichen Veränderung Eigentümern gegenüber Ansprüche geltend, so ist der oben genannte Eigentümer zu deren Freistellung verpflichtet.

Entfällt ein für die Genehmigung der vorstehenden baulichen Veränderung ursächliches berechtigtes Interesse des jeweiligen Eigentümers an der baulichen Veränderung, ist der jeweilige Eigentümer zum Rückbau der baulichen Veränderungen verpflichtet.“

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer zweier Wohnungseigentumseinheiten (Nr. ## und ##) im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft S-I Str. ##-##, ##### C. Die beiden Einheiten Nummer ## und Nummer ## des Klägers liegen im obersten Geschoss nebeneinander. Die Balkone der jeweiligen Einheiten grenzen aneinander.

Im Jahre 2017 ließ der Kläger seine beiden Wohneinheiten zusammenlegen und entfernte die Trennwand der Balkone. In dem Objekt sind Katzennetze und Markisen vorhanden. Beschwerden über die Entfernung der Trennwand waren dem Kläger nicht bekannt. Die Verwaltung teilte dem Kläger nun mit, er müsse diese Entfernung der Trennwand noch genehmigen lassen und einen mobilen Sichtschutz anbieten. Daher wurde ein entsprechender Antrag zu TOP 8 in die Ladung und Versammlung der Eigentümerversammlung vom 28.07.2021 aufgenommen. In dem Protokoll der Eigentümerversammlung 28.07.2021 wurde festgehalten, dass es sich um eine bauliche Veränderung handele und die Allstimmigkeit zur Genehmigung erforderlich sei. Es wurden 11 Ja-Stimmen und 6 Nein-Stimmen sowie 2 Enthaltungen gezählt. Die Verwaltung hat dann verkündet, dass der Antrag abgelehnt wird. Hinsichtlich der Details der Protokollierung wird auf die Kopie des Protokolls der Eigentümerversammlung auf Bl. 15 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ein falsches Beschlussergebnis verkündet worden sei. Der Negativbeschluss sei auf seine Anfechtung hin für ungültig zu erklären und ein positives Beschlussergebnis festzustellen, wenn entgegen der Auffassung des Versammlungsleiters alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer zugestimmt haben oder kein Wohnungseigentümer beeinträchtigt sei. Spätestens aber entspreche die Ablehnung des Antrags des Klägers nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und es bestehe darüber hinaus ein Anspruch des Klägers gemäß § 20 Abs. 3 WEG.

Der Kläger beantragt, wie tenoriert.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Verletzung des Gemeinschaftseigentums vorliege. Diese liege bereits dann vor, wenn der optische Eindruck und die Ästhetik des Gebäudes – wie vorliegend – beeinträchtigt sind. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass zugleich auch ein Eingriff in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums vorliegt. Bei einem Blick auf das Haus sei die fehlende Trennwand bzw. wäre eine mobile Trennwand, welche sich beliebig verschieben lässt und damit beliebig die Vergrößerung und Verkleinerung der Balkonflächen ermöglicht, sofort zu sehen, denn die Trennwand rage erheblich über die Balkonbrüstung hinaus. Dadurch sieht die fehlende Trennwand und die jederzeit verschiebbare, mobile Trennwand sowie damit veränderten bzw. veränderbaren Balkongrößen anders aus als die übrigen 13 Trennwände und 26 Balkonflächen. Dort stehen die Trennwände nämlich alle an derselben Stelle und dortigen Balkonflächen sind alle gleich groß. Durch die Maßnahmen des Klägers wird also die äußere Gestalt des Gebäudes und der optische, gleichmäßige Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage erheblich nachteilig verändert, wodurch alle Eigentümer nachteilig beeinträchtigt sind und hätten deswegen zustimmen müssen, was jedoch nicht erfolgte.

Hinsichtlich der weiteren Details des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Protokolle und Anlage der Gerichtsakte Bezug genommen, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die Feststellung und Verkündung des Negativbeschlusses unter TOP 8 erfolgte in rechtswidriger Weise und widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Verwalter hätte die mehrheitlich beschlossene zustimmende Beschlussfassung verkünden müssen.

Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Nach der Gesetzesbegründung bedarf ein Beschluss gem. § 20 Abs. 1 WEG für seine Rechtmäßigkeit nicht der Zustimmung der Wohnungseigentümer, die durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt werden.

Nach der herrschenden Rechtsansicht kann dies allerdings uneingeschränkt nur für einen Vornahmebeschluss gem. § 20 Abs. 1 Alt. 1 WEG oder einem Gestattungsbeschluss gem. § 20 Abs. 1 Alt. 2 WEG zu privilegierten Maßnahmen gem. § 20 Abs. 2 WEG gelten. Für ein Verlangen gem. § 20 Abs. 3 WEG benennt das Gesetz hingegen selbst das Erfordernis einer Zustimmung der beeinträchtigten Eigentümer, so dass für einen hierzu ergehenden Gestattungsbeschluss nichts anderes gelten kann. Eine fehlende Zustimmung wirkt sich in diesem Fall allerdings nicht auf die Wirksamkeit des Beschlusses, sondern nur auf dessen Rechtmäßigkeit aus und muss daher im Rahmen einer Anfechtung geltend gemacht werden (vgl. Kallenborn in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 20 WEG 1. Überarbeitung (Stand: 04.10.2021), Rn. 24).

Hinsichtlich der Beschlussfassung unter TOP 8 wurde ein Abstimmungsergebnis von 11 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen sowie 2 Enthaltungen gezählt. Der Beschlussantrag hat mithin die notwendige Zustimmung erfahren, ist zustande gekommen und hätte von dem Versammlungsleiter als zustande gekommen verkündet werden müssen. Der Negativbeschluss, der verkündet wurde, ist mithin für ungültig zu erklären. An dessen Stelle ist das Zustandekommen der zustimmenden Beschlussfassung festzustellen.

Einer positiven Beschlussfassung stehen auch keine erheblichen Einwendungen entgegen. Die Beschlussfassung verstößt zum einen nicht gegen die Vorgaben des § 20 Abs. 4 WEG. Insbesondere führt die Entfernung des Trennelements nebst Ersatz durch einen mobilen Trennschutz nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage. Zudem kann einer Genehmigung nicht entgegengehalten werden, dass nach Abs. 3 zustimmungspflichtige Eigentümer der Genehmigung nicht zugestimmt hätten. Es ist nicht erkennbar und vorgetragen, wessen Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Einwendungen durch Miteigentümer gegen die Entfernung des Sichtschutzes, die bereits im Jahr 2017 erfolgte, sind dem Kläger nicht bekannt und auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Eine solche Beeinträchtigung ist auch nicht gegeben. Die dünnen Trennwände haben keinen statischen Nutzen, da sie allein dem Sichtschutz fremder benachbarter Eigentümer dienen. Durch die Beseitigung der Trennwand kommt es zu keinerlei Beeinträchtigung der Bausubstanz oder gar der Baustatik. Es handelt sich um die oberste Etage, bei der das dünne Sichtschutzelement von der Straße aus kaum wahrnehmbar ist. Dieses ergibt sich schon aus den zur Gerichtsakte gereichten Fotos des Objekts. Eine relevante Beeinträchtigung der Optik des Objektes ist durch die Beseitigung nicht erfolgt.

2.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert:  1.700 Euro

 

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