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WEG – Beseitigungspflicht für mit Verwalterzustimmung angebrachte Rollläden

LG München I – Az.: 1 S 11654/11 WEG – Beschluss vom 16.04.2012

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 10.05.2011, Az. 484 C 25922/10 WEG, aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die an den auf der Gebäuderückseite gelegenen Fenstern seiner Wohnung in der …str. …, … München, 3. Stock angebrachten Außenrollläden zu entfernen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 62 Rz. 6).

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung der an den Fenstern seiner Wohnung auf der Rückseite des Gebäudes im 3. Stock angebrachten Außenrollläden gemäß § 1004 I BGB i. V. mit § 15 III WEG.

1.

Die vom Beklagten angebrachten Rollläden befinden an der Außenseite der Fenster mithin am Gemeinschaftseigentum (vgl. Spielbauer/Then, 2. Aufl., Rn 9 zu § 5 WEG). Das Anbringen der Außenrollläden stellt einen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums dar, der über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus geht, weil hierdurch zumindest die optische Gestaltung der hofseitigen Fassade des Gebäudes so verändert wird, dass sich hierdurch andere Eigentümer verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können. Wie die Kammer beim Augenscheinstermin nämlich feststellen konnte, sind die Rollläden von der gemeinschaftlichen Hoffläche aus deutlich erkennbar und stören das einheitliche Fassadenbild. Das zeigt sich bereits bei hochgefahrenen Rollläden und verstärkt sich noch, wenn die Rollläden herunter gelassen sind. Dass der Kläger die Rollläden von seiner Wohnung aus nicht sehen kann, ist dabei unerheblich. Es reicht vielmehr aus, wenn die Veränderung von dem für alle Eigentümer zugänglichen Gemeinschaftseigentum aus sichtbar ist (vgl. Spielbauer/Then, 2. Aufl., Rn 49, 27 zu §14 WEG).

2.

Eine Berechtigung des Beklagten zum Anbringen der Außenrollläden ergibt sich nicht aus der Regelung in § 6 der Teilungserklärung und der von ihm erholten Zustimmung des Verwalters vom 10.5.2010. Die Vorschrift des § 6 der Teilungserklärung kann nämlich schon nicht dahingehend ausgelegt werden, dass durch die dort vorgesehene Zustimmung des Verwalters eine nach dem Gesetz erforderliche Zustimmung der Wohnungseigentümer zu Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, die über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus gehen, ersetzt wird. Wie sich aus der beispielhaften Aufzählungen von Maßnahmen, die einer schriftlichen Zustimmung  des Verwalters bedürfen (bauliche Änderungen am Sondereigentum, Anbringung von Schildern, Markisen, Reklameeinrichtungen, Antennen) entnehmen lässt, erfasst die Vorschrift vielmehr solche Maßnahmen, die gemäß § 14 Nr. 1 grundsätzlich zulässig sind oder bei denen zumindest zweifelhaft ist, ob sie den nach § 14 Nr. 1 zulässigen Gebrauch überschreiten bzw. auf deren Vornahme ein Eigentümer einen Anspruch haben könnte. Das spricht dafür, dass durch die in § 6 der Teilungserklärung vorgeschriebene Einbindung des Verwalters gerade eine Überprüfung dahingehend gewährleistet werden soll, ob die beabsichtigte Maßnahme rechtlich zulässig ist oder ob die anderen Eigentümer hierdurch beeinträchtigt sein können und sie deshalb der Maßnahme zustimmen müssen. Bei der in § 6 der Teilungserklärung vorgesehenen Zustimmung des Verwalters handelt es sich daher lediglich um ein Vorschalterfordernis, um eigenmächtiges Handeln eines Wohnungseigentümers zu verhindern. Demgegenüber ergibt sich aus der Regelung nicht, dass damit die Rechte der Wohnungseigentümer, die ihnen nach dem Gesetz, getroffenen Vereinbarungen oder wirksam gefassten Beschlüssen zustehenden, eingeschränkt werden sollen (vgl. Spielbauer/Then, 2. Aufl., Rn 7a zu § 15 WEG; Bärmann, 11. Aufl., Rn 322 zu § 22 WEG). Gegen diese Auslegung des § 6 der Teilungserklärung spricht auch nicht, dass es dort heißt, die Zustimmung zu baulichen Veränderungen am Sondereigentum dürfe nur aus wichtigen Gründen verweigert werden darf. Die vorgenannte Einschränkung der Möglichkeit zur Versagung der Zustimmung bezieht sich nämlich nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf bauliche Veränderungen am Sondereigentum. Insoweit erscheint es aber sachgerecht, dass die Zustimmung des Verwalters nur aus wichtigen Gründen verweigert werden darf, weil die Eigentümer gemäß § 13 I WEG mit den in ihrem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen grundsätzlich Belieben verfahren können und daher andernfalls die Gefahr bestünde, dass durch die in § 6 der Teilungserklärung vorgeschriebene Verwalterzustimmung die sich aus dem Sondereigentum ergebenden Rechte des einzelnen Eigentümers verkürzt würden. Eine Beschränkung der Wohnungseigentümer den einzelnen Wohnungseigentümern grundsätzlich zustehenden Rechte lässt sich hieraus somit ebenfalls nicht entnehmen.

3.

Der Beklagte kann gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Beseitigungsanspruch nicht erfolgreich einwenden, auch auf der Vorderseite des Gebäudes befänden sich an den Fenstern Rolllädenkästen, ebenso wie an den Fenstern im oberen Stock auf der Rückseite des Gebäudes.

Die Rollläden auf der Vorderseite des Gebäudes sind mit den streitgegenständlichen Rollläden, die der Beklagte auf der Gebäuderückseite an den Fenstern seiner Wohnung angebracht hat, schon deshalb nicht vergleichbar, weil sie unterhalb der Fassadenfläche und um hochgezogenen Zustand nicht sichtbar sind. Davon konnte sich die Kammer im durchgeführten Augenscheinstermin überzeugen. Die Rollläden auf der Vorderseite des Gebäudes weisen daher ein völlig anderes optisches Erscheinungsbild auf als die streitgegenständlichen vom Beklagten angebrachten Rollläden.

Der Kläger war auch nicht dazu verpflichtet, zunächst gegen den Eigentümer der Wohnung im obersten Stockwerk des Hauses vorzugehen und diesen auf Beseitigung der von ihm dort angebrachten Außenrollläden zu verklagen, zumal dieser sich dann wiederum darauf berufen könnte, auch der Beklagte habe an seiner Wohnung Außenrollläden angebracht. Zudem hat der Kläger erklärt, er habe die Rollläden im obersten Stockwerk erst bemerkt, als er anlässlich des hiesigen Rechtsstreits Lichtbilder der Fassade der Hofseite des Gebäudes vom Nachbargrundstück aus aufgenommen habe. Das erscheint durchaus nachvollziehbar, da, wie die Kammer beim Augenscheinstermin selbst feststellen konnte, die Rollläden im obersten Stockwerk des Gebäudes wegen eines sich zwischen dem obersten Stockwerk und dem darunter liegenden Stockwerk befindlichen Vorsprungs der Fassade von der gemeinschaftlichen Hoffläche aus nur bei sehr genauem Hinschauen erkennbar sind.

Allenfalls dann, wenn dem Eigentümer der im obersten Stockwerk gelegenen Wohnung das Anbringen von Rollläden seitens der übrigen Eigentümer rechtswirksam genehmigt worden wäre, könnte sich daher aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 GG, Drittwirkung der Grundrechte) ein Anspruch des Beklagten darauf ergeben, ihm ebenfalls das Anbringen von Außenrollläden an seinen Fenstern zu erlauben. Dass dem Eigentümer der Wohnung im obersten Stockwerk das Abringen der Rollläden rechtswirksam genehmigt worden wäre, haben die Parteien jedoch weder behauptet, noch ist dies sonst ersichtlich.

4.

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, ein wirksamer Sonnenschutz sei für ihn aus gesundheitlichen Gründen erforderlich, weil er an chronischer Migräne und vegetativer Labilität mit Kreislaufschwäche leide mit Neigung zur Kollapsbildung, lässt dies den Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Rollläden nicht entfallen. Zum einen ist nämlich schon nicht ersichtlich, warum ein wirksamer Sonnenschutz nicht auch durch Anbringen von Gardinen oder Rollläden innerhalb der Wohnung des Beklagten hergestellt werden könnte. Selbst wenn wegen der gesundheitlichen Probleme ein Anspruch des Beklagten auf Anbringung von Außenrollläden grundsätzlich gegeben wäre, hätte der Beklage diese nicht einfach eigenmächtig Anbringen und dadurch die anderen Eigentümer vor vollendete Tatsachen setzten dürfen. Vielmehr hätte er zunächst in der Eigentümerversammlung einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung der Anbringung von Außenrollläden an seinen Fenstern stellen müssen, um den übrigen Eigentümern die Möglichkeit zu geben, über das konkrete Aussehen und die technische Ausführung der Rollläden zu entscheiden (vgl. dazu Spielbauer/Then, 2. Aufl., Rn 40 zu §14 WEG).

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Demgegenüber sah die Kammer keine Veranlassung dafür, dem Verwalter die Kosten gemäß § 49 II WEG aufzuerlegen, wie das vom Kläger beantragt wurde. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob hier ein grobes Verschulden des Verwalters vorliegt, da die Bestimmung in § 6 der Teilungserklärung zumindest für einen Nichtjuristen nicht ohne weiteres verständlich und der Auslegung bedürftig ist.

2.

Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall.

3.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 1WEG nicht gegeben.

4.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde bereits im Termin der mündlichen Verhandlung vom 12.3.2012 festgesetzt.

 

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