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WEG – Betrieb eines Wettbüros in einer Teileigentumseinheit – Unterlassung

AG München – Az.: 482 C 24227/11 – Urteil vom 18.04.2012

I. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, selbst oder durch Dritte in der Ladenteileigentumseinheit Nr. 21 laut Teilungserklärung der WEG … ein Wettbüro zu betreiben.

II. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin EUR 775,64 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 26.10.2011 zu bezahlen.

III. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin EUR 775,64 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 08.02.2011 zu bezahlen.

IV. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

VI. Der Streitwert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger zu 1) ist als Sondereigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 21 Mitglied der oben näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.

Der Beklagte zu 2) hat die streitgegenständliche Teileigentumseinheit vom Beklagten zu 1) zum Betrieb eines Wettbüros gepachtet.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung des Betriebs des Wettbüros in Anspruch.

Die Klägerin führt hierzu im Wesentlichen aus, dass die Teileigentumseinheit Nr. 21 in der streitgegenständlichen Teilungserklärung als Laden bezeichnet wird. Tatsächlich werde in der Teileigentumseinheit Nr. 21 ein Wettbüro betrieben. Zwar seien die Fenster der Ladenteileigentumseinheit verklebt worden, jedoch stehe die Tür zum Laden meist offen, da ein hoher Besucherandrang für die Wetten stattfinde und die Wettbesucher zumeist starke Raucher seien. Über die geöffnete Tür und das gekippte Fenster zum Garten hin werde der Rauch aus der Einheit abgeführt.

Die Wettbesucher würden sich auch in großer Anzahl vor dem Laden versammeln und sich dort (auch rauchend) lautstark über ihre Wetten unterhalten. Im Laden seien sechs Tische und ein Tresen aufgestellt. An den Wänden würden großflächige Fernsehbildschirme und andere großflächige elektronische Tafeln hängen, auf denen die Ergebnisse der Sportwetten und ein Teil der diesbezüglichen Sportveranstaltungen wiedergegeben werde. Wetten würden bis kurz vor dem Beginn eines jeden Sportwettkampfes angenommen. Wetten könnten abgeschlossen werden auf alle deutschen Fußballspiele in den verschiedenen Ligen, alle europäischen Fußballspiele sowie internationalen Fußballspiele, auch Basketballspiele, Eishockeyspiele, Boxen, Volleyball, American und Australien Football, Tennis, Pferderennen und dergleichen mehr. Wetten könnten hier etwa sieben Tage vorher bis unmittelbar vor dem jeweiligen Spielbeginn abgeschlossen werden.

Aufgrund der internationalen Spiele und Sportwetten werde das Wettbüro auch von Personen mit vielfältigen Migrationshintergründen aufgesucht. Bei den Wetten finde ein hoher Bargeldumsatz statt, da sowohl die Einzahlung als auch die Auszahlung der Wetten in bar erfolge. Das Wettbüro habe sehr unterschiedliche Öffnungszeiten, die nirgends veröffentlicht seien. Werktags würden sich die Öffnungszeiten deutlich über 20.00 Uhr bis ca. 22.00 oder 23.00 Uhr hinaus belaufen. An Tagen vor dem Wochenende und an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen seien die Öffnungszeiten zum Teil auch bis nach Mitternacht. Es halte sich hierbei eine große Anzahl von Wettern sowohl im Laden als auch vor dem Laden auf. Die Anzahl der Wetter gerade bei spannenden Fußballspielen überschreite deutlich 50 Personen. PKWs der Besucher würden zum Teil mitten auf der Straße, aber auch verbotswidrig beim Ausgang aus dem Müllplatz der Wohnanlage, auf dem Gehweg etc. behindernd abgestellt werden.

Auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber befinde sich die evangelische Dankeskirche mit einer Sozialstation und dem Gemeindehaus, wobei hier vor allem für Veranstaltungen für Jugendliche das Gemeindehaus abends und am Wochenende bis in die Abendstunden hinein genutzt werde. Weiter seien in der Nähe ein Kindergarten und eine Schule.

Besucher des Wettbüros würden sich zudem in der Gartenanlage der Wohnanlage hinter dem Haus aufhalten. Ähnlich einer Spielhalle sei auch ein Wettbüro geeignet, ein hohes Potenzial an suchtkranken Spielern anzuziehen, die bei hohen Geldumsätzen sehr stark zur Beschaffungskriminalität neigen, wie dies auch bei Drogenabhängigen der Fall sei. Der hohe kriminologische Hintergrund der Besucher von Wettbüros sei auch geeignet, die Eigentümer und Nutzer der Wohnanlage zu verunsichern. Nach typisierender Betrachtungsweise störe daher das Wettbüro mehr als ein nach der Zweckbestimmung der Teilungserklärung vorgesehener Laden.

Die Beklagten seien bereits vorgerichtlich mit anwaltlichem Schreiben zur Unterlassung aufgefordert worden. Die gesetzte Frist sei ergebnislos verstrichen.

Die Klägerin beantragt daher: Wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Sie führen im Wesentlichen aus, dass aus der Teilungserklärung vom 31.05.1979 hervorgehe, dass in dem Teileigentum des Klägers Nr. 21 ein Ladengeschäft eingebaut und betrieben werde, sowie, dass die jeweiligen Eigentümer dieses Ladens und deren Mieter berechtigt seien, diese Geschäfte zu betreiben, alle Maßnahmen zur Ver- und Entsorgung zu der für sie zweckmäßigen Zeit durchzuführen, die gesamte unbebaute Fläche entlang des Gehwegs dahingehend zu nutzen, dass sie Warenautomaten, Verkaufsstände, Reklameeinrichtungen aller Art und dergleichen anbringen und betreiben können. Welche konkrete Art von Ladengeschäft zulässig sein solle, regle die Teilungserklärung aber gerade nicht verbindlich, so dass jede Art von Ladengeschäft zulässig sei.

Die hier streitgegenständliche Nutzung entspreche dieser Zweckbestimmung als Laden. Die Tatsache, dass die Tür zum Laden meist offenstehen solle, stelle keine Beeinträchtigung dar. Dies könnte auch bei jedem anderen Ladengeschäft der Fall sein. Des Weiteren würden die Kunden in diesem Laden nicht mehr und nicht weniger als diejenigen anderer Läden rauchen. Beeinträchtigungen durch Rauch würden bestritten. Die Einrichtung des Wettbüros habe keinen störenden Charakter. Ebensowenig störe die Tatsache, dass hier diverse Wetten abgegeben werden könnten. Selbst wenn in diesem Wettbüro hohe Bargeldumsätze getätigt werden würden, dies werde jedoch bestritten, wäre dies für ein Ladengeschäft gerade typisch. Des Weiteren werde das Wettbüro abends regelmäßig nicht länger als 20.00 Uhr geöffnet. Ferner müsse es das Ziel eines jeden Ladengeschäfts sein, möglichst viele Kunden zu gewinnen. Auch bei einem Lebensmittelladen würden in der Regel wesentlich mehr Kunden ein- und ausgehen, als dies bei einem Internetshop/Wettbüro der Fall sei. Auch der Hinweis auf eine beengte Parkplatzsituation führe nicht zu einer höheren Beeinträchtigung, als bei einem Laden.

Auch seien Besucher eines Internetshops/Wettbüros nicht mehr suchtgefährdet oder krimineller als Besucher anderer Ladengeschäfte. Letztlich sei das Wettbüro mit einem Lottogeschäft vergleichbar. Im Umfeld des Ladens befinde sich auch ein türkischer Imbissstand mit internationalem Kundenkreis, der teilweise identisch sei mit den Kunden des Wettbüros. Die Umgebung der streitgegenständlichen Grünanlage werde geprägt von vielen Läden, Restaurants und Bars unterschiedlichen Charakters, aber auch durch Wohnungen. Eine höhere Beeinträchtigung durch das Wettbüro sei daher nicht gegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 21.03.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig gemäß § 43 Nr. 2. WEG. Sie ist auch vollumfänglich begründet.

Der klagenden WEG steht als Prozessstandschafterin der übrigen Eigentümer ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 21 zum Betrieb eines Internetshops/Wettbüro, sei es durch sie selbst oder einen Dritten gemäß § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG zu. Die Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 21 zum Betrieb eines Internetshops/Wettbüro widerspricht der in der Teilungserklärung vom 31.05.1979 (Anlage B 1) getroffenen Vereinbarung, wonach in der Einheit Nr. 21 ein Laden samt Nebenräumen und dem im Keller befindlichen Lager vorgesehen ist.

Die Teilungserklärung enthält nicht lediglich unverbindliche Nutzungsvorschläge, sondern eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne von den §§ 10 Abs. 2, 15 Abs. 1 WEG. Dies folgt schon daraus, dass die Einheit Nr. 21 in der Teilungserklärung nicht allgemein als Gewerbeeinheit bezeichnet wird, sondern als Laden. Durch die für die Einheit Nr. 21 vereinbarte Zweckbestimmung wird das Recht des Beklagten, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen in dem durch das Wohnungseigentumsgesetz vorgegebenen Rahmen nach Belieben zu verfahren, eingeschränkt. Dies gilt auch für den Beklagten zu 2) als Pächter, da auch der Pächter des betreffenden Teileigentums gegenüber den Wohnungseigentümern nicht mehr Rechte aus dem Pachtvertrag bezüglich der Nutzung ableiten kann, als dem Verpächter und Teileigentümer zustehen.

Durch die Bezeichnung als „Laden“ in der Teilungserklärung liegt eine entsprechende Zweckbestimmung vor, die die Nutzung der Gewerbeeinheit als Wettbüro verbietet. Dabei verbietet die Bezeichnung „Laden“ zwar nicht jede abweichende Nutzung. Nicht erlaubt sind aber jedenfalls Nutzungsarten, die mehr stören, als die angegebene Nutzungsart. Bei der in diesem Zusammenhang allein gebotenen typisierenden Betrachtungsweise, die eine Beweiserhebung zu den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht erforderlich macht, ist davon auszugehen, dass die Nutzung als Wettbüro schon im Hinblick auf die Geräusch- und auch Geruchsbelästigungen durch Rauch erheblich mehr stört, als die nach der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung.

Insbesondere ist bei der Nutzung in der gegenwärtigen Form schon angesichts des Umstandes, dass sich im und vor dem Wettbüro Kunden über einen längeren Zeitraum aufhalten, um dort die Wetten zu kommentieren, mit deutlich intensiveren Geräuschimmissionen auszugehen, als bei einem Laden. Unstreitig halten sich auch Personen in den Geschäftsräumen auf, die sich z.B. Übertragungen von Fußballspielen anschauen. Allein durch die mit Gesprächen verbundene Geräuschentwicklung ist von einer größeren Störung als durch den Betrieb eines Ladens auszugehen, den die Kunden nach Abwicklung ihrer Einkäufe wieder verlassen.

Zwar ist die Auffassung der Beklagten, dass bei der typisierenden Betrachtungsweise auch die Prägung durch die unmittelbare Umgebung zu berücksichtigen ist, zutreffend. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um einen „sensiblen Standort“, da es sich um ein allgemeines Wohngebiet, mit Schule, Kindergarten, Kirche und Geschäften im näheren Umfeld handelt. Der Betrieb eines Wettbüros führt daher zu einer Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Anwohner und stört schon daher regelmäßig mehr, als der Betrieb eines Ladens. Während es sich bei einem Laden um einen Betrieb handelt, in dem Kunden ihre Einkäufe erledigen und sodann die Geschäftsräume wieder verlassen, wird das Wettbüro dadurch charakterisiert, dass es seine Gewinne durch den Abschluss von Wetten in den unterschiedlichsten Bereichen national und international neben der Möglichkeit, sich entsprechende Rennen bzw. Spiele auch vor Ort anzusehen, anbietet. Auch muss bei dem Betrieb eines Wettbüros mit einer nicht unerheblichen Zahl auch abhängiger Spieler gerechnet werden, die zum Kundenkreis des Wettbüros gehören und für eine entsprechende Frequenz dort sorgen. Auch dies ist z.B. mit dem Betrieb eines Lottogeschäfts nicht vergleichbar. Die mit einem Wettbüro nach typisierender Betrachtungsweise verbundenen negativen Einflüsse auf das Sicherheitsempfinden und die Lebensqualität der im Umkreis wohnenden Bevölkerung sind bei der Beurteilung heranzuziehen.

Nach dem oben Ausgeführten stört der Betrieb eines Wettbüros daher mehr, als der Betrieb eines Ladengeschäfts und ist daher mit dem Betrieb eines Ladens nicht gleichzusetzen.

Die Beklagten waren daher auch zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten zu verpflichten.

Da beide Beklagte sowohl schriftlich als auch mündlich angegeben haben, den Betrieb des Wettbüros, den sie für zulässig erachten, fortzuführen, war auch die Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft veranlasst.

Als Unterlegene tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits, § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf § 709 ZPO.

Gemäß § 49 a Abs. 1 GKG ist das Interesse aller Beteiligter an der Entscheidung für die Streitwertbemessung heranzuziehen. Dieses Interesse wurde auf EUR 10.000,00 geschätzt.

 

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