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WEG-Eigentümer als WEG-Verwalter – Wann kein Stimmrecht?

LG Hamburg – Az.: 318 S 31/21 – Urteil vom 02.02.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 28.04.2021, Az. 539 C 3/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.680,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ### in ###. Die Parteien streiten in der Berufung weiter um die Ordnungsgemäßheit des in der Eigentümerversammlung vom 30.12.2019 gefassten Negativbeschlusses zu TOP 4 (Abberufung des Verwalters / außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags) und des Positivbeschlusses zu TOP 7 (Entlastung der Verwaltung) sowie um die gerichtliche Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses zu TOP 4.

Wegen der tatsächlichen Feststellung wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben, indem es die in der Eigentümerversammlung vom 30.12.2019 gefassten Beschlüsse zu TOP 4 und 7 für ungültig erklärt und festgestellt hat, dass der Beschluss zu TOP 4 positiv gefasst wurde. Zur Begründung hat es ausgeführt, die 37 Stimmen der durch die Verwaltung vertretenen Mehrheitseigentümerin hätten bei der Abstimmung nicht berücksichtigt werden dürfen, so dass die Annahme des Beschlusses zu TOP 4 sowie die Ablehnung des Beschlusses zu TOP 7 hätten festgestellt werden müssen. Ob die Mehrheitseigentümerin selbst einem Stimmverbot unterlegen habe, könne offenbleiben. Die Verwaltung sei jedenfalls nicht berechtigt gewesen, die Mehrheitseigentümerin bei der Stimmabgabe zu vertreten, weil sie, wenn sie Wohnungseigentümerin gewesen wäre, selbst einem Stimmverbot unterlegen hätte. Den Beweis dafür, dass die Verwaltung bei der Stimmabgabe weisungsgebunden gewesen sei, hätten die Beklagten durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde vom 18.12.2019 nicht erbracht.

Für die Feststellung und Verkündung des Beschlusses zu TOP 4 als Positivbeschluss komme es weiter nicht darauf an, ob dieser ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Das Rechtsschutzziel der Klägerin sei lediglich darauf gerichtet, festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 4 gefasst worden sei und nicht ob dieser auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.04.2021 zugestellte amtsgerichtliche Urteil haben diese mit einem bei Gericht am 25.05.2021 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem bei Gericht am 11.06.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

Die Beklagten wenden sich gegen das amtsgerichtliche Urteil und tragen vor, das Amtsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Stimmen der durch die Verwaltung vertretenen Mehrheitseigentümerin bei der Abstimmung über die Beschlussvorlagen nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Weder die Mehrheitseigentümerin noch die Verwaltung habe einem Stimmverbot unterlegen. Zudem gehe das Amtsgericht zu Unrecht und ohne einen zuvor erteilten Hinweis davon aus, dass eine die Vertretungsmacht beschränkende Anweisung nicht bewiesen worden sei. Im Übrigen sei ein in der Vollmacht gebundener Vertreter auch dann zur Abstimmung zuzulassen, wenn in seiner Person Gründe für ein Stimmverbot vorliegen würden.

Durch die gerichtliche positive Beschlussfeststellung sei das Amtsgericht zudem von der Rechtsauffassung der Kammer (Beschluss vom 10.12.2007 – 318 T 49/07) abgewichen. Bei einer Feststellung eines (anderen) Beschlussergebnisses, seien auch sämtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe mit zu prüfen (two-in-one-Verfahren).

Die Beklagten beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 28.04.2021, Az. 539 C 3/20, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und trägt vor, sowohl für die Mehrheitseigentümerin als auch für die Verwaltung als ihre Vertreterin habe ein Stimmverbot vorgelegen. Eine Weisung der Verwaltung bei der streitgegenständlichen Beschlussabstimmung sei mit Nichtwissen bestritten worden. Im Rahmen des gerichtlichen Beschlussfeststellungsverfahrens sei ausschließlich ein Fehler des Versammlungsleiters korrigiert worden. Eine formelle und materielle Prüfung des Beschlusses zu TOP 4 scheide aus.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen im Berufungsverfahren Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie auch Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht den in der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.12.2019 gefassten Negativbeschluss zu TOP 4 (Abberufung der Verwaltung und außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags) sowie den Positivbeschluss zu TOP 7 (Entlastung der Verwaltung) wegen eines Stimmrechtsverbots der die Mehrheitseigentümerin vertretenden Verwaltung für ungültig erklärt (a.). Weder die Mehrheitseigentümerin noch die Verwaltung unterlag bei der streitgegenständlichen Abstimmung über die Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 7 einem Stimmverbot. Die Klägerin hatte zudem keinen Anspruch auf Abberufung der Verwaltung mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes und mangels Überschreitung des den Beklagten bei dieser Frage zustehenden Beurteilungsspielraums.

Die Beschlussergebnisfeststellungsklage war abzuweisen, weil die Beschlussergebnisse zu TOP 4 und TOP 7 ordnungsgemäß festgestellt und verkündet wurden (b.).

a. Keine Ungültigkeit der Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 7 Da gemäß § 48 Abs. 5 WEG n.F. die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG a.F. auf eine vor dem 01.12.2020 erhobene Beschlussmängelklage weiterhin anzuwenden ist, sind die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte nach wie vor passivlegitimiert. In der Sache ist das zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 15.10.2021 – V ZR 225/20, Rn. 7). Die streitgegenständlichen Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 7 waren nicht für ungültig zu erklären.

aa. TOP 4 Abberufung der Verwaltung und außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags Der Negativbeschluss zu TOP 4 entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung.

(1) Kein Stimmverbot der Mehrheitseigentümerin

Die Mehrheitseigentümerin unterlag bei der Abstimmung über den Beschluss zu TOP 4 keinem Stimmverbot.

Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn betrifft oder wenn er nach § 18 rechtskräftig verurteilt ist (§ 25 Abs. 5 WEG a.F.).

Das Stimmverbot des § 25 Abs. 5 WEG n.F. soll als Ausnahmevorschrift nur bestimmte Fälle der Interessenkollision erfassen, den Wohnungseigentümer aber nicht schlechthin daran hindern, an Entscheidungen über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mitzuwirken. Da das Stimmrecht des Wohnungseigentümers ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten ist, darf es nur ausnahmsweise unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Zur Unterscheidung zwischen den Rechtsgeschäften, die § 25 Abs. 5 WEG a. F. unterfallen, von solchen, in denen es keine Rechtfertigung für einen Ausschluss des Stimmrechts gibt, ist danach zu differenzieren, ob der Schwerpunkt der Angelegenheit in der Verfolgung privater Sonderinteressen oder in der Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Interessen liegt (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2002 – V ZB 30/02, Rn. 31). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe unterlag die Mehrheitseigentümerin vorliegend keinem Stimmverbot hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 4.

Die Stimmrechtsausübung der Mehrheitsgesellschafterin stellt sich als Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte dar. Dass die Mehrheitseigentümerin hierbei schwerpunktmäßig private Sonderinteressen verfolgt hat, ist weder hinreichend vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich. Es handelt sich bei der Mehrheitseigentümerin und der Verwaltung um zwei juristisch eigenständige Gesellschaften, die lediglich über den gleichen Mutterkonzern miteinander verbunden sind und in deren Konzernabschluss einzubeziehen sind. Dies stellt indes kein privates Sonderinteresse der Mehrheitseigentümerin von einigem Gewicht dar, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr von dem legitimen Mitwirkungsinteresse an der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft gedeckt ist. Das wohnungseigentumsrechtliche Interesse der Mehrheitseigentümerin an der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte überwiegt vorliegend. Eine Gefahr, dass die Mehrheitseigentümerin ihr Stimmrecht zum wirtschaftlichen Nachteil der Eigentümergemeinschaft ausgeübt hat, indem sie bei der Abstimmung allein private Sonderinteressen berücksichtigt und allein aus diesem Grund nicht für die Abberufung der Verwaltung als ihre Schwestergesellschaft gestimmt hat, ist nicht gegeben. Allein eine wirtschaftliche Verbundenheit zwischen der Mehrheitseigentümerin und der Verwaltung über die Muttergesellschaft führt vorliegend zu keinem Stimmrechtsausschluss. Dies wäre mit der Bedeutung des Stimmrechts als wesentlichem Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten nicht zu vereinbaren. Sofern die Mehrheitseigentümerin bei der Abstimmung auch die Konzerninteressen der gemeinsamen Muttergesellschaft berücksichtigt hat, können diese neben ihrem mitgliedschaftlichen Interesse bestehen, weil etwaige Konzerninteressen bereits weder ein privates Sonderinteresse der Mehrheitseigentümerin darstellen noch solche im konkreten Fall überwogen haben.

Anhaltspunkte für einen Stimmrechtsmissbrauch der Mehrheitseigentümerin sind von der Klägerin nicht dargetan.

Eine Majorisierung der anderen Wohnungseigentümer kann grundsätzlich den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens oder einer Verletzung der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung begründen (BGH, a.a.O., Rn. 38). Dass ein Wohnungseigentümer sein Stimmenübergewicht nutzt, um seine Bestellung zum Verwalter durchzusetzen oder seine Abberufung als Verwalter zu verhindern, stellt allein jedoch noch keinen Rechtsmissbrauch dar. Eine Majorisierung ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen. Nicht jede unter Einsatz eines Stimmenübergewichts zustande gekommene Entscheidung muss für die Gemeinschaft nachteilig und mit Rücksicht auf deren Belange treuwidrig sein (BGH, a.a.O., Rn. 39). Dies ist nicht der Fall.

Weitere Umstände neben dem alleinigen Stimmenübergewicht der Mehrheitseigentümerin, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft darstellen, sind von der Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(2) Kein Stimmverbot der Verwaltung als Vertreterin

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts unterlag die Verwaltung als Vertreterin der Mehrheitseigentümerin ebenfalls keinem Stimmverbot. Inhalt des Beschlusses zu TOP 4 war die sofortige Abberufung der Verwaltung und die außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigem Grund. Die Verwaltung hat die Mehrheitseigentümerin hierbei wirksam vertreten können, weil die Mehrheitseigentümerin ihre Vollmacht im Außenverhältnis für die Verwaltung weisungsgebunden beschränkt hat.

Grundsätzlich kann ein Nichtwohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer dann nicht bei der Stimmabgabe wirksam vertreten, wenn er – wäre er selbst Wohnungseigentümer – einem Stimmverbot unterläge. Denn der Interessenkonflikt in der Person des Vertreters hat in dieser Konstellation den gleichen schädlichen Einfluss auf die Willensbildung wie bei einer Vertretung durch einen anderen Wohnungseigentümer, in dessen Person ein Stimmverbot vorliegt (vgl. Vandenhouten in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Auflage, § 25, Rn. 36, m.w.N.).

Dass die Abstimmung über das Amt des Verwalters Einzelinteressen des betroffenen Wohnungseigentümers berührt, kann allein ein Stimmverbot noch nicht begründen, verfolgt doch letztlich jeder der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung in gewissem Umfang auch berechtigte private Interessen (BGH, Urteil vom 19.09.2002 – V ZB 30/02, Rn. 32). Eine Ausnahme von dem Stimmrecht des zum Verwalter bestellten Wohnungseigentümers ist allerdings dann zu machen, wenn ein wichtiger Grund für seine Abberufung aus dem Verwalteramt und für eine (außerordentliche) Kündigung des Verwaltervertrages vorliegt (BGH, a.a.O., Rn. 34).

Über das Stimmrecht des betroffenen Wohnungseigentümers wird im gerichtlichen Verfahren danach entschieden, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt (vgl. a.a.O.).

An dieser Stelle kann offenbleiben, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung der Verwaltung überhaupt vorlag. Denn selbst bei Unterstellung eines wichtigen Grundes konnte die Verwaltung die Mehrheitseigentümerin wirksam vertreten, weil letztere der Verwaltung eine im Außenverhältnis beschränkte weisungsgebundene Vollmacht erteilt hat.

Ein Interessenkonflikt kommt dann nicht zum Tragen, wenn die Vollmacht im Außenverhältnis beschränkt in der Weise erteilt wird, dass der Bevollmächtigte nur mit „ja“ oder „nein“ stimmen kann (vgl. Vandenhouten in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, a.a.O., § 25, Rn. 36). Es handelt sich insoweit um eine Spezialvollmacht, die auch im Außenverhältnis wirksam ist, sofern nicht die Weisungen erkennbar auf das Innenverhältnis beschränkt sind (Merle in: Bärmann, WEG, 14. Auflage, Rn. 81, zitiert nach beck-online). So liegt der Fall hier.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Verwaltung die Mehrheitseigentümerin in der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.12.2019 vertreten hat. Die Vollmachtserteilung als solche hat die Klägerin auch nicht bestritten. Die Klägerin hat lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass eine Weisung vorlag und dass die Verwaltung bei der Ausübung des Stimmrechts weisungsgebunden gehandelt habe (Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.06.2020, Seite 2, Bl. 110 d. A.). Das Bestreiten mit Nichtwissen war vorliegend jedoch unzulässig. Die Kammer folgt nicht dem Amtsgericht, soweit dieses die von den Beklagten vorgelegte Urkunde hierfür nicht als ausreichend angesehen hat. Auf eine Urkundenbeweisführung kam es hinsichtlich der der Verwaltung erteilten Weisung gar nicht an. Dass die vorgelegte Urkunde nicht von einer nicht vertretungsberechtigten Person unterzeichnet war, hat die Klägerin nicht behauptet. Denn das Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen war gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht wirksam, weil die erteilte Spezialvollmacht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung war. Die Klägerin ist Beirätin in der streitgegenständlichen Eigentümergemeinschaft und hat in dieser Eigenschaft das Protokoll zur ordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.12.2019 mitunterzeichnet. Ausweislich der unterschriebenen Protokollabschrift waren die Vollmachten dem Protokoll angeheftet (Anlage BK 2, Bl. 266 d. A.). Auch war der Klägerin der einheitliche Vordruck der von der Verwaltung erstellten Vertretungsvollmacht bekannt, weil dieser ihr mit der Tagesordnung übersandt wurde (vgl. Anlage K 2, Bl. 48 – 50 d. A.). Hieraus war für die Klägerin ersichtlich, dass die Wohnungseigentümer einem Vertreter grundsätzlich Stimmrechtsweisungen in Form von „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ geben konnten. Dieselbe Vertretungsvollmacht mit Stimmrechtsweisungen wurde auch von der Mehrheitseigentümerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vorgelegt. Diese war der Klägerin ausweislich der von ihr unterzeichneten Protokollabschrift bereits bekannt. Dass die Mehrheitseigentümerin der Verwaltung eine Stimmrechtsweisung erteilt hat, ist hieraus ersichtlich. Dass die Mehrheitseigentümerin Wohnungsgesellschaft N. mbH im Übrigen vorliegend die Rechtsnachfolgerin der WG N. A. GmbH & Co. KG ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.

(3) Kein Anspruch der Klägerin auf Abberufung der Verwaltung Der Negativbeschluss zu TOP 4 entsprach im Übrigen ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf sofortige Abberufung der Verwaltung und außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags. Das Ermessen der Beklagten war nicht auf Null reduziert.

Ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Abberufung liegt vor, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden kann und deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist (Becker in: Bärmann, a.a.O., § 26, Rn. 218, zitiert nach beck-online). Jedoch kann auch wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung des Verwalters vorliegt, ein einzelner Wohnungseigentümer nicht zwingend die Abberufung des Verwalters nach § 21 Abs. 4 WEG a.F. verlangen. Vielmehr steht den Wohnungseigentümern für ihre Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Deshalb lässt sich ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters erst dann bejahen, wenn allein dessen Abberufung ordnungsmäßiger Verwaltung entspräche. Bei einem Beschluss der Wohnungseigentümer, trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes von der Abberufung des Verwalters abzusehen, ist die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen zu respektieren, andererseits aber auch der Minderheit Schutz zu bieten. Ergibt die Abwägung, dass der Beurteilungsspielraum überschritten ist, weil die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint, muss das Gericht im Interesse der Minderheit die Abberufung vornehmen (Becker in: Bärmann, a.a.O., Rn. 225, zitiert nach beck-online; vgl. Niedenführ in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, a.a.O., § 26, Rn. 125). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die von der Klägerin vorgetragenen Pflichtverletzungen (vgl. Anlagen K4 bis K6) reichten vorliegend weder im Einzelnen noch in ihrer Gesamtschau aus, um einen wichtigen Grund für eine Abberufung und einer außerordentlichen Kündigung des Verwaltervertrages zu begründen.

Soweit die Klägerin ihren Antrag auf Abberufung der Verwaltung unter Verweis auf ihr vorgerichtliches Mahnschreiben an die Verwaltung vom 05.03.2019 (Anlage K 6) damit begründet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft seit dem 01.01.2019 ohne Gartendienst sei, da kein neuer Vertrag von der Verwaltung abgeschlossen worden sei, eine Eigentümerversammlung entgegen dem Beschluss zu TOP 15 der Eigentümerversammlung vom 04.12.2017 nicht bis zum 31.05.2018 stattgefunden habe, Balkone entgegen dem Beschluss zu TOP 15 der Eigentümerversammlung vom 04.12.2017 nicht gestrichen worden seien, keine Angebote für digitale Heizungsverdunstungsmesseinrichtungen bei der Eigentümerversammlung im Jahr 2018 vorgelegt worden seien und eine durchgeführte Belegprüfung der Jahresabrechnung 2018 zahlreiche Abrechnungsfehler bzw. Unregelmäßigkeiten aufgedeckt habe, verkennt die Klägerin, dass die Verwaltung unstreitig erst ab dem 01.01.2019 für die Eigentümergemeinschaft tätig geworden ist und die gerügten Pflichtverletzungen teilweise den Bestellungszeitraum der vorherigen Verwaltung betrafen. Im Übrigen kann die Abberufung entsprechend § 314 Abs. 3 BGB nur innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen, nachdem die Wohnungseigentümer von dem Abberufungsgrund Kenntnis erlangt haben (Becker in: Bärmann, a.a.O., Rn. 222, zitiert nach beck-online). Dies ist im Hinblick auf die in dem Schreiben vom 05.03.2019 genannten Pflichtverletzungen nicht der Fall.

Im Weiteren hat die Klägerin bereits die Einberufung einer Eigentümerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „sofortige Abberufung Verwaltung und außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrages“ mit Schreiben vom 05.03.2019 gegenüber der Verwaltung beantragt, bevor sämtliche Pflichtverletzungen überhaupt zu Tage getreten sein sollen. Die Belegprüfung der bestandskräftig genehmigten Jahresabrechnung 2018 erfolgte erst zeitlich nach dem Abmahnschreiben vom 05.03.2019, d.h. am 16.03.2019. Zudem ist der Vorwurf von Abrechnungsfehlern in der Jahresabrechnung 2018 weder hinreichend konkret dargetan noch wurde die Eigentümerversammlung hiermit zuvor befasst. Zu Recht rügen die Beklagten in diesem Zusammenhang, dass Fragen und Unklarheiten zur genehmigten Abrechnung 2018 nicht ins Blaue hinein einen wichtigen Grund zur Abberufung der Verwaltung darstellen können. Der Vortrag der Klägerin bleibt insoweit unsubstantiiert.

Schließlich vermag auch die in dem Mahnschreiben der Klägerin vom 03.06.2019 vorgetragene Pflichtverletzung, nämlich die fehlende Beseitigung von auf der Gemeinschaftsrasenfläche wegen Feuchtigkeitsschäden liegender abgebauter Balkone, keinen wichtigen Grund zur sofortigen Abberufung der Verwaltung zu begründen. Der den Beklagten zustehende Beurteilungsspielraum bei der Bejahung eines wichtigen Grundes ist nicht überschritten und die ablehnende Entscheidung über die Abberufung stellt sich nicht als objektiv unvertretbar dar.

bb. TOP 7 Entlastung der Verwaltung

Der Beschluss zu TOP 7 entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Beklagten haben der Verwaltung zu Recht mit den Stimmen der Mehrheitseigentümerin Entlastung für das Jahr 2019 erteilt.

Vorliegend unterlag weder die Mehrheitseigentümerin noch die Verwaltung als ihre Vertreterin einem Stimmverbot, weil auch hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 7 die Mehrheitseigentümerin der Verwaltung eine wirksam beschränkte Außenvollmacht erteilt hat (s.o.).

Andere Gründe als ein Stimmverbot, die gegen die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses zu TOP 7 sprechen, sind bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist von der Klägerin nicht vorgetragen worden.

b. Beschlussergebnisfeststellung

Die Beschlussergebnisfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung eines positiven Beschlusses zu TOP 4 war zurückzuweisen, weil dieser Beschluss zu Recht mit den Stimmen der Mehrheitseigentümerin als Negativbeschluss verkündet wurde (s.o.).

Die Beschlussergebnisfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung eines negativen Beschlusses zu TOP 7 war ebenso zurückzuweisen, weil dieser Beschluss zu Recht mit den Stimmen der Mehrheitseigentümerin als Positivbeschluss verkündet wurden (s.o.).

Ob das Amtsgericht insoweit zu Recht die formellen und materiellen Anfechtungsgründe des verkündeten Positivbeschlusses zu TOP 4 nicht geprüft hat, kann daher offenbleiben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gemäß § 49a Abs. 1 GKG a.F. nach altem Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2021 – V ZR 136/20) erfolgt und entspricht der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung, gegen die sich die Parteien nicht gewendet haben.

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