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WEG-Eigentümerversammlung – ohne Anmeldung kein Einlass?

AG Marburg – Az.: 9 C 750/20 – Urteil vom 04.05.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Anfechtung von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungseigentümergemeinschaft ……… Die Beklagten sind die übrigen Eigentümer. Am 15. Oktober 2020 fand eine Eigentümerversammlung statt, zu der die Hausverwaltung mit Schreiben vom 24. September 2020 einlud. In diesem Schreiben wird empfohlen, nicht persönlich zu erscheinen, sondern eine Vollmacht zu erteilen. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass nur eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern, nämlich 21, möglich sei und eine Anmeldepflicht bestehe. Wörtlich heißt es „Personen, die unangemeldet erscheinen, werden daher nicht eingelassen werden können.“ Für die Einzelheiten wird auf das Einladungsschreiben, Bl. 4 d.A., Bezug genommen. Das zur Verfügung gestellte Vollmachtformular enthielt zu Abstimmungszwecken die Möglichkeit entweder anzukreuzen, dass sämtliche Abstimmungen und Entscheidungen in das Ermessen des Vertreters gestellt werden oder das Abstimmungsverhalten vorab auf bestimmte Weise vorgegeben war. Für die Einzelheiten wird auf das Vollmachtformular, Bl. 8 d.A. Bezug genommen. An der Eigentümerversammlung nahmen nur wenige Eigentümer der 32 Wohneinheiten persönlich teil, 19 ließen sich durch Vollmacht vertreten, auf die Anwesenheitsliste, Bl. 15 f. d.A. wird für die Einzelheiten Bezug genommen.

Die Eigentümer beschlossen unter anderem unter Tagesordnungspunkt 5a eine Sanierung des Parkdecks durch die Fa. adicon, die zuvor ein Angebot vorgelegt hatte, und unter Tagesordnungspunkt 5b die Finanzierung dieser Maßnahme. Dabei wurde eine Finanzierung über die Rücklage beschlossen, und eine Ermächtigung für den Verwalter zur Anforderung einer weiteren Sonderumlage von 30.000,- Euro „sollten die Kosten durch die Nebenarbeiten den Rahmen sprengen“. Für die Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung, Bl. 10 ff. d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege ein Ladungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit der auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse führe, weil durch das Werben für eine Vollmacht, die Anmeldepflicht und die Beschränkung der Teilnehmerzahl das Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung beschränkt worden sei. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 5b zur möglichen Anforderung einer weiteren Sonderumlage überschreite außerdem der Weisung durch die erteilten Vollmachten, weil er nicht dem entspreche, was auf dem Vollmachtformuiar angegeben sei. Schließlich sei dieser Beschlussteil auch zu unbestimmt.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft ……… vom 15. Oktober 2020 unter TOP 5b für ungültig zu erklären, soweit beschlossen wurde:

„Der Verwalter wird jedoch jetzt schon ermächtigt, sollten die Kosten durch die Nebenarbeiten den Rahmen sprengen, eine Sonderumlage bis zu einer Höhe von 30.000,- Euro anzufordern. Der Verwalter kann bei Zahlungsverweigerung der Sonderumlage sofort Klage bei Gericht nach fruchtlosem Verlauf einer Mahnung einreichen.“

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, es liegen kein Ladungsmangel und auch kein Überschreiten der Vollmachten vor; jedenfalls sei aber von einer nachträglichen Genehmigung der Vollmachtgeber auszugehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klage ist am 13. November 2020, also vor dem Inkrafttreten des „neuen“ WEG am 1. Dezember 2020 bei Gericht eingegangen. Gemäß § 48 Abs. 5 WEG ist das Verfahren daher nach dem bisherigen Verfahrensrecht, also gegen die übrigen Eigentümer zu führen. Materiell-rechtlich ist das bei Beschlussfassung geltende Recht, also das bis zum Inkrafttreten der Neuregelung geltende Recht anzuwenden.

1. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits aufgrund eines formellen Mangels für unwirksam zu erklären.

b) Es liegt allerdings liegt ein Ladungsmangel vor. Zwar begegnet es keine Bedenken, dass die Verwalterin in ihrem Einladungsschreiben empfohlen hat, nicht persönlich zu erscheinen, sondern vielmehr eine Vollmacht zu erteilen. Eine solche Empfehlung ist nicht als verbindliche Ausladung der Eigentümer anzusehen, denn es bleibt ihnen unbenommen, dieser Empfehlung nicht zu folgen. Auch die Anmeldepflicht ist insoweit nicht zu beanstanden, als die Verwalterin dadurch in die Lage versetzt wird, frühzeitig zu erkennen, wie viele Eigentümer an der Versammlung teilnehmen wollen und abzuschätzen, ob die zum Versammlungszeitraum geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben aufgrund der COVID-19 Pandemie eingehalten werden können. Ein rechtserheblicher Mangel liegt jedoch darin, dass im Einladungsschreiben angekündigt wird, dass Personen, die unangemeldet erscheinen, nicht eingelassen werden können. Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass dies nur gelten soll, wenn die Kapazitäten des Raums erschöpft wären – wobei auch dies erhebliche Bedenken begegnen würde, vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob die Versammlung verschoben werden muss – sondern der Text lässt keine andere Auslegung zu, als dass nichtangemeldete Eigentümer, die sich kurzfristig für eine Teilnahme entscheiden, nicht an der Versammlung teilnehmen können. Damit wurden die Eigentümer in einem Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an Eigentümerversammlung zur Auseinandersetzung und Diskussion über die verschiedenen Tagesordnungspunkte und Beschlussanträge, verletzt.

Allerdings hat die Klägerin nicht nachweisen können, dass sich dieser formelle Fehler auf die Beschlussfassung überhaupt ausgewirkt hat. Das wäre dann der Fall, wenn wegen dieser Formulierung im Einladungsschreiben die Klägerin oder andere Eigentümer an der Eigentümerversammlung nicht teilgenommen hätten. Das ist aber bereits nicht vorgetragen. Die Klägerin hat zwar geschildert, wieso eine Anmeldung für sie schwierig gewesen wäre – wobei dies nicht plausibel ist, weil die geschilderten Lebensumstände die reine Anmeldung nicht verhindert hätten. Dass sie sich jedoch kurzfristig zu einer Teilnahme entschlossen hatte, dies jedoch unterließ, weil sie annehmen musste, unangemeldet nicht zur Versammlung zugelassen zu werden, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht. Ohne eine solche Kausalität kommt eine Ungültigkeitserklärung des Beschlusses wegen eines Ladungsmangels nicht in Betracht.

b) Der angefochtene Beschluss ist auch nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil bei der Stimmabgabe die erteilten Vollmachten überschritten wurden.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass eine solche Vollmachtüberschreitung vorlag. Der angefochtene Beschluss ist erst im Laufe der Eigentümerversammlung formuliert worden. Er konnte daher von dem Vollmachtformular, das im Vorfeld der Versammlung verschickt worden war, nur umfasst sein, wenn die jeweiligen Vollmachtgeber die Abstimmungen und Entscheidungen in das Ermessen ihres Vertreters gestellt hatten, nicht jedoch, wenn eine konkrete der vorgegebenen Möglichkeiten zur Finanzierung angekreuzt war. Aus dem Protokoll zu TOP 5b ergibt sich, dass sei drei Eigentümer für eine Sonderumlage in Höhe von 26.000,- Euro ausgesprochen haben und die anderen Vollmachtgeber für eine gänzliche Finanzierung über die Rücklage sind. Das konnte nur so festgehalten werden, wenn in den Vollmachtformularen diese Optionen auch angekreuzt worden waren. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, die entsprechenden Vollmachtformulare vorzulegen, um nachzuweisen, dass entgegen der Angaben im Protokoll doch die Mehrheit der Vollmachtgeber eine Abstimmung in das jeweilige Ermessen des Vertreters gestellt hatte. Das haben die Beklagten aber nicht getan.

Diese Vollmachtüberschreitung führt aber nicht dazu, dass der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären wäre. Zwar haben die Vollmachtgeber insoweit ohne Vertretungsmacht gehandelt. Denn die Abstimmung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die die Vorschriften über die Vertretung bei Rechtsgeschäften entsprechend anzuwenden sind. Gemäß § 180 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung ist bei einseitigen Rechtsgeschäften – die Abstimmung ist einseitig – eine Vertretung ohne Vertretungsmacht zwar grundsätzlich unzulässig. Hier ist jedoch von einer Genehmigung gemäß §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung auszugehen. Nach diesen Vorschriften gelten die Regelung über die Genehmigung von vollmachtlos geschlossenen Verträgen (§ 177 BGB) dann entsprechend, wenn bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts die behauptete Vertretungsmacht von dem Erklärungsgegner nicht beanstandet wurde. Unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass die Abstimmungen gegenüber den übrigen Eigentümern oder dem Versammlungsleiter – hier der Verwalterin – zu erklären sind, ist jedenfalls in der Eigentümerversammlung eine solche Beanstandung nicht erfolgt. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie diese Beanstandung konkludent in der Klageschrift nachgeholt habe. Denn gemäß § 180 Satz 2 ist die Beanstandung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts auszusprechen. Wer nicht, auch nicht vertreten durch Vollmacht, an der Eigentümerversammlung teilnimmt, kann eine vollmachtlose Abstimmung daher auch nicht beanstanden. Findet demnach § 177 BGB entsprechende Anwendung, ist davon auszugehen, dass die vertretenen Eigentümer die Abstimmung jedenfalls konkludent genehmigt haben, denn es ist nicht ersichtlich, dass außer der Klägerin Eigentümer Bedenken gegen die angefochtene Beschlussfassung gezeigt hätten.

2. Der angefochtene Beschluss ist auch nicht mangels Bestimmtheit für nichtig zu erklären. Dabei hat die Auslegung normativ-objektiv zu erfolgen, darf also nur den Beschluss selbst und sonstige auch für einen neu eintretenden Eigentümer ersichtliche Umstände, insbesondere den Inhalt des Protokolls berücksichtigen.

Aus dem Beschlusstext und dem Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Protokolls zu den Tagesordnungspunkten 5a und 5b ergibt sich hinreichend bestimmt, dass die Finanzierung der Sanierung des Parkdecks aus der Rücklage erfolgen soll und lediglich bei Eintreten weiterer Voraussetzungen eine Ermächtigung zur Anforderung der Sonderumlage erteilt sein soll.

Auch diese Voraussetzungen, nämlich die „Kosten durch die Nebenarbeiten“, die „den Rahmen“ sprengen, sind (gerade noch) hinreichend bestimmt. Aus dem Zusammenhang mit den Protokollausführungen zu TOP 5a ergibt sich, dass mit „den Nebenarbeiten“ die Kosten für die Entsorgung von Bauschutt und gegebenenfalls Sondermüll gemeint sind, für die ein Angebot bisher nicht vorliegt. Ebenfalls ist im Protokoll festgehalten, dass mit „dem Rahmen“ die Finanzierungsplanung gemeint ist, also hier die Finanzierung aus der Rücklage.

Insgesamt ist daher hinreichend erkennbar, was der Beschluss regelt und unter welchen Umständen diese Regelung eingreifen soll.

Aus denselben Gründen kam es auch nicht in Betracht, den angefochtenen Beschluss für ungültig zu erklären.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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