Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- WEG-Stimmrecht: Teilung eines Miteigentumsanteils erhöht nicht automatisch die Stimmenzahl ohne Zustimmung aller Eigentümer
- Ausgangssituation: Die Wohnungseigentümergemeinschaft und das Kopfstimmrecht
- Streitpunkt: Vermehrung der Stimmrechte durch Teilung eines Miteigentumsanteils?
- Der Kern des Problems: Die notarielle Urkunde von 2006 und ihre Folgen
- Die Entscheidung des Landgerichts Gera: Berufung zurückgewiesen
- Begründung: Warum die Teilung nicht automatisch zu mehr Stimmen führt
- Fehlende Zustimmung zur Stimmrechtsvermehrung als entscheidender Faktor
- Auslegung der notariellen Urkunde von 2006: Kein Wille zur Stimmvermehrung
- Konsequenz: Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom Mai 2023 sind ungültig
- Fazit: Stimmrecht in WEG nach Teilung ohne Zustimmung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet das Kopfstimmrecht im Wohnungseigentumsrecht (WEG) und wann kommt es zur Anwendung?
- Kann die Teilung eines Miteigentumsanteils automatisch zu einer Erhöhung der Stimmrechte in einer WEG führen?
- Welche Rolle spielt die Gemeinschaftsordnung bei der Stimmrechtsverteilung in einer WEG?
- Welche Bedeutung hat die Zustimmung der Miteigentümer bei der Änderung der Stimmrechtsverhältnisse?
- Was sind die Konsequenzen, wenn Beschlüsse in einer WEG-Versammlung aufgrund fehlerhafter Stimmrechtsausübung angefochten werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 5 S 129/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Gera
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger erwarb einen Miteigentumsanteil von 60,09/100. Er argumentierte, dass die anderen Miteigentümer, die ihren ursprünglichen Anteil geteilt hatten, zusammen nur eine Stimme hätten.
- Beklagte: Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie vertrat die Ansicht, dass die anderen Miteigentümer, die ihren ursprünglichen Anteil geteilt hatten, jeweils eine Stimme hätten und die Beschlüsse somit gültig seien.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ursprünglich bestand eine WEG aus zwei Miteigentümern (einer GbR und Herrn D S). Herr D S teilte seinen Anteil notariell in zwei Teile, wobei eine Veränderung der Miteigentumsanteile nicht gewollt war. Einer der geteilten Anteile wurde später an Frau K S verkauft. In einer Versammlung fassten Herr D S und Frau K S Beschlüsse gegen die Stimme des Klägers (der den Anteil der GbR erworben hatte). Der Kläger focht die Beschlüsse an, da er meinte, die Eheleute S hätten zusammen nur eine Stimme.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die nachträgliche Teilung eines Miteigentumsanteils in einer WEG mit Kopfstimmrecht automatisch zu mehr Stimmrechten führt, oder ob dafür die Zustimmung der anderen Eigentümer erforderlich ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der beklagten WEG wurde zurückgewiesen. Die angefochtenen Beschlüsse der Miteigentümerversammlung wurden für ungültig erklärt. Die beklagte WEG muss die Verfahrenskosten tragen.
- Begründung: Das Gericht bestätigte, dass in dieser WEG das Kopfprinzip gilt (ein Eigentümer, eine Stimme). Es führte aus, dass eine nachträgliche Teilung eines Anteils und der Verkauf eines Teils davon grundsätzlich nicht automatisch zu mehr Stimmrechten führt. Eine solche Stimmenvermehrung wäre nur mit Zustimmung aller anderen Eigentümer möglich gewesen, die gerade auf die Erhöhung der Stimmrechte gerichtet ist. Eine solche Zustimmung fehlte hier. Der Notarvertrag von 2006 und Zeugenaussagen zeigten vielmehr, dass die damaligen anderen Eigentümer keine Änderung der Stimmrechte wünschten. Die reine Zustimmung zur Grundbucheintragung der Teilung genügte nicht. Daher stand den Eigentümern des ursprünglich einen Anteils (Herrn und Frau S) weiterhin zusammen nur eine Stimme zu. Da nur 1 von insgesamt 2 verfügbaren Stimmen für die Beschlüsse abgegeben wurde, fehlte die notwendige Mehrheit, weshalb die Beschlüsse ungültig sind.
- Folgen: Die angefochtenen Beschlüsse sind nicht wirksam. Die Kosten des Gerichtsverfahrens trägt die beklagte WEG.
Der Fall vor Gericht
WEG-Stimmrecht: Teilung eines Miteigentumsanteils erhöht nicht automatisch die Stimmenzahl ohne Zustimmung aller Eigentümer

Dieses Urteil des Landgerichts Gera beleuchtet eine zentrale Frage im Wohnungseigentumsrecht (WEG): Führt die nachträgliche Aufteilung eines Miteigentumsanteils automatisch zu mehr Stimmen in der Eigentümerversammlung, wenn das Kopfstimmrecht gilt? Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Zustimmung aller Miteigentümer für eine solche Änderung der Stimmrechtsverhältnisse.
Ausgangssituation: Die Wohnungseigentümergemeinschaft und das Kopfstimmrecht
Gegenstand des Verfahrens war eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die ursprünglich aus nur zwei Parteien bestand. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hielt einen Anteil von 60,09/100, während ein Herr D S die übrigen 39,91/100 der Miteigentumsanteile besaß. Für diese Gemeinschaft existierte keine spezielle Gemeinschaftsordnung, die Regelungen über die Verwaltung oder Stimmrechtsausübung getroffen hätte. Ebenso war kein Verwalter bestellt. Daher galt für die Beschlussfassung in Eigentümerversammlungen das gesetzliche Kopfprinzip gemäß § 25 Absatz 2 Satz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dies bedeutet, dass grundsätzlich jeder Miteigentümer eine Stimme hat, unabhängig von der Größe seines Anteils.
Streitpunkt: Vermehrung der Stimmrechte durch Teilung eines Miteigentumsanteils?
Der zentrale Konflikt entstand durch eine Veränderung der Eigentümerstruktur. Im Jahr 2006 teilte Herr D S seinen Miteigentumsanteil von 39,91/100 in zwei separate Anteile auf. Diese Teilung eines Miteigentumsanteils wurde notariell beurkundet. Später verkaufte Herr D S einen dieser neu geschaffenen Anteile an seine Ehefrau, Frau K S. Jahre danach, im Jahr 2019, erwarb ein neuer Eigentümer (der spätere Kläger im Gerichtsverfahren) den ursprünglichen Mehrheitsanteil von 60,09/100 von der GbR. Die Gemeinschaft bestand nun aus diesem neuen Eigentümer und den Eheleuten S, die gemeinsam die ursprünglichen 39,91/100 hielten, nun aber aufgeteilt in zwei Grundbucheinträge.
Auf einer Eigentümerversammlung im Mai 2023 kam es zum Streit über die Stimmrechtsverteilung. Die Eheleute S beanspruchten für sich zwei Stimmen – eine für jeden ihrer Anteile. Der Mehrheitseigentümer war hingegen der Ansicht, den Eheleuten stünde gemeinsam nur eine Stimme zu, nämlich diejenige, die ursprünglich mit dem ungeteilten Anteil von Herrn D S verbunden war. Da die Eheleute S für bestimmte Beschlüsse (u.a. Fassadenarbeiten) stimmten und der Mehrheitseigentümer dagegen, hing die Gültigkeit dieser Beschlüsse davon ab, ob die Eheleute S eine oder zwei Stimmen hatten. Der Mehrheitseigentümer focht die Beschlüsse gerichtlich an, da seiner Meinung nach keine erforderliche Mehrheit zustande gekommen war. Die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch die Eheleute S, verteidigte die Gültigkeit der Beschlüsse mit dem Argument, es lägen zwei Stimmen auf Seiten der Eheleute S vor.
Der Kern des Problems: Die notarielle Urkunde von 2006 und ihre Folgen
Eine Schlüsselrolle spielte die notarielle Urkunde aus dem Jahr 2006. In dieser Urkunde wurde nicht nur Sondereigentum neu zugeordnet, sondern Herr D S erklärte unter Ziffer IV. auch die Teilung seines Miteigentumsanteils. Entscheidend war jedoch eine Feststellung unter Ziffer III. der Urkunde: Dort hielten alle damaligen Eigentümer (die GbR und Herr D S) ausdrücklich fest, dass trotz anderer Änderungen „eine Veränderung der Miteigentumsanteile nicht erfolgen soll“. Der Notar hatte zudem auf die Konsequenzen hingewiesen. Die GbR als damaliger anderer Miteigentümer bewilligte und beantragte unter Ziffer VI. 1. a) lediglich die Eintragung der Unterteilung in das Grundbuch.
Die Frage war nun, ob diese Mitwirkung bei der grundbuchrechtlichen Eintragung der Teilung zugleich als Zustimmung zur Vermehrung der Stimmrechte von einer auf zwei Stimmen für den ursprünglichen Anteil des Herrn D S gewertet werden konnte.
Die Entscheidung des Landgerichts Gera: Berufung zurückgewiesen
Das Amtsgericht Gotha hatte der Klage des Mehrheitseigentümers bereits stattgegeben und die Beschlüsse für ungültig erklärt. Es vertrat die Auffassung, dass die Teilung des Anteils und der Verkauf an die Ehefrau keine Vermehrung der Stimmrechte nach dem Kopfprinzip bewirkt habe.
Das Landgericht Gera wies die Berufung der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen dieses Urteil nun zurück. Es bestätigte die Ungültigkeit der auf der Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2023 gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1, 2 und 3. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Gericht stellte zudem fest, dass die Prozessführungsbefugnis des Klägers trotz einer zwischenzeitlichen Veräußerung seines Anteils während des Verfahrens gemäß § 265 Abs. 3 ZPO bestehen blieb.
Begründung: Warum die Teilung nicht automatisch zu mehr Stimmen führt
Das Landgericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere auf das Urteil vom 27. April 2012 (Az. V ZR 211/11). Danach gilt im Wohnungseigentumsrecht der Grundsatz: Wird ein Miteigentumsanteil nachträglich geteilt und ein Teil davon an eine andere Person veräußert, führt dies nicht automatisch zu einer Vermehrung der Stimmrechte, wenn das Kopfprinzip (§ 25 Abs. 2 Satz 1 WEG) gilt.
Der BGH begründet dies mit dem Schutz der übrigen Wohnungseigentümer. Deren mitgliedschaftliche Rechte, insbesondere ihr Stimmgewicht, würden erheblich geschwächt, wenn ein einzelner Eigentümer durch bloße Teilung seines Anteils die Anzahl der gegen ihn stehenden Stimmen erhöhen könnte. Dies würde zudem Manipulationen der Mehrheitsverhältnisse Tür und Tor öffnen.
Daher bedarf eine solche Vermehrung der Stimmen, die eine wesentliche Änderung der ursprünglichen Machtbalance in der WEG darstellt, der ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer. Diese Zustimmung muss sich spezifisch auf die Erhöhung der Stimmenzahl beziehen.
Im vorliegenden Fall bedeutete dies: Herr D S und Frau K S sind zwar nun Inhaber von zwei grundbuchlich getrennten Miteigentumsanteilen. Da aber die erforderliche Zustimmung der anderen Eigentümer (der damaligen GbR) zur Stimmrechtsvermehrung fehlte, üben sie das Stimmrecht für den ursprünglich ungeteilten Anteil von Herrn D S gemeinsam aus. Sie haben also zusammen nur eine Stimme, die sie nach Bruchteilen (entsprechend dem sogenannten Objektstimmrecht für den ursprünglichen Anteil) ausüben müssen.
Fehlende Zustimmung zur Stimmrechtsvermehrung als entscheidender Faktor
Das Gericht stellte fest, dass die damaligen Miteigentümer (die GbR) im Jahr 2006 schutzbedürftig waren. Die Möglichkeit einer späteren Stimmrechtsvermehrung durch Teilung war in der ursprünglichen Struktur der Gemeinschaft nicht angelegt und für die GbR nicht vorhersehbar. Eine Vorhersehbarkeit und damit ein geringeres Schutzbedürfnis könnte laut BGH allenfalls dann bestehen, wenn bereits bei Begründung des Wohnungseigentums mehrere Anteile in einer Hand vereinigt sind. Hier wurde jedoch ein einzelner Anteil nachträglich geteilt.
Entscheidend war, dass es an einer Zustimmung der GbR zur Vermehrung der Stimmrechte fehlte. Die bloße Mitwirkung an der grundbuchrechtlichen Eintragung der Teilung reichte hierfür nicht aus. Diese Bewilligung der Eintragung sei lediglich eine formale Erklärung für das Grundbuchamt und habe keinen darüberhinausgehenden Erklärungswert bezüglich der internen Stimmverhältnisse in der WEG. Eine wirksame Zustimmung hätte sich explizit auf die Konsequenz der Stimmenvermehrung beziehen müssen.
Auslegung der notariellen Urkunde von 2006: Kein Wille zur Stimmvermehrung
Das Gericht legte die notarielle Urkunde von 2006 gemäß §§ 133, 157 BGB aus, um den Willen der beteiligten Parteien zu ermitteln. Dabei kam es zu dem Schluss, dass die damaligen Miteigentümer (die GbR, vertreten durch Herrn C und Herrn S) keine Vermehrung der Stimmrechte gewollt hatten. Dies ergab sich insbesondere aus der ausdrücklichen Erklärung in Ziffer III. der Urkunde, dass „eine Veränderung der Miteigentumsanteile nicht erfolgen soll“. Obwohl sich diese Aussage primär auf die wertmäßigen Anteile bezog, deutete sie nach Ansicht des Gerichts darauf hin, dass der Status quo hinsichtlich der mit den Anteilen verbundenen Rechte – und dazu gehört maßgeblich das Stimmrecht – erhalten bleiben sollte.
Dieser Befund wurde durch die Zeugenaussagen der früheren GbR-Gesellschafter H C und W S in der ersten Instanz gestützt. Beide hatten übereinstimmend bekundet, eine Änderung der Stimmrechte nicht gewollt zu haben und eine entsprechende Erklärung bei Kenntnis der Konsequenzen nicht unterschrieben zu hätten. Es sei bei der Beurkundung auch nicht über eine Änderung der Stimmrechte gesprochen worden. Dies ließ auch darauf schließen, dass die nach BGH-Rechtsprechung erforderliche Aufklärung des teilenden Eigentümers (Herr D S) durch den Notar über das nach Teilung nur noch gemeinschaftlich bzw. nach Bruchteilen auszuübende Stimmrecht unterblieben war.
Ein Einwand der beklagten WEG im Berufungsverfahren, der ursprüngliche teilende Eigentümer Herr D S sei nicht angehört worden, wurde vom Gericht als verspätet und unerheblich zurückgewiesen. Seine Aussage könne keine Rückschlüsse auf die innere Vorstellung der anderen Eigentümer (der GbR) zulassen.
Für die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit und der fehlenden Zustimmung war der Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung im Jahr 2006 maßgeblich, nicht der spätere Eintritt des Klägers in die Gemeinschaft im Jahr 2019.
Konsequenz: Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom Mai 2023 sind ungültig
Da die Eheleute S zusammen nur über eine Stimme verfügten und der Kläger ebenfalls über eine Stimme verfügte, standen in der Eigentümerversammlung vom Mai 2023 insgesamt nur zwei Stimmen zur Verfügung. Für die angefochtenen Beschlüsse stimmten die Eheleute S (1 Stimme), während der Kläger dagegen stimmte (1 Stimme). Damit wurden die Beschlüsse nicht mit der erforderlichen Mehrheit im Sinne von § 25 Abs. 1 WEG (mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen) gefasst, sondern erreichten nur ein Patt von 1:1 Stimmen. Folglich waren die Beschlüsse gemäß §§ 23 Abs. 4 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 1 WEG für ungültig zu erklären.
Fazit: Stimmrecht in WEG nach Teilung ohne Zustimmung
Das Urteil des Landgerichts Gera bestätigt die strenge Linie des BGH zum Schutz der Stimmkraft von Wohnungseigentümern bei nachträglichen Teilungen von Miteigentumsanteilen unter Geltung des Kopfprinzips. Eine Vermehrung der Stimmrechte tritt nicht automatisch durch die Teilung und Veräußerung ein. Sie erfordert vielmehr die nachweisliche Zustimmung aller übrigen Miteigentümer, die sich explizit auf die Änderung der Stimmrechtsverhältnisse bezieht. Fehlt diese Zustimmung, müssen die neuen Eigentümer der geteilten Anteile das ursprünglich mit dem ungeteilten Anteil verbundene Stimmrecht gemeinschaftlich ausüben. Dies dient dem Schutz vor ungewollten Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse und möglichen Manipulationen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass die bloße Teilung eines Miteigentumsanteils in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht automatisch zu mehr Stimmen führt, wenn das Kopfprinzip gilt. Für eine Stimmrechtsvermehrung ist die ausdrückliche Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich, die über eine reine Grundbucheintragung hinausgeht. Diese Entscheidung schützt die Stimmkraft einzelner Eigentümer vor Manipulationen der Mehrheitsverhältnisse und verhindert, dass durch einfache Teilungen die ursprüngliche Machtbalance in der Gemeinschaft umgangen werden kann.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet das Kopfstimmrecht im Wohnungseigentumsrecht (WEG) und wann kommt es zur Anwendung?
Das Kopfstimmrecht ist ein Grundprinzip für Abstimmungen in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG). Es bedeutet ganz einfach: Jeder Wohnungseigentümer hat genau eine Stimme, unabhängig davon, wie groß seine Wohnung oder sein Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum ist. Stellen Sie sich vor, in einer WEG gibt es einen Eigentümer mit einer kleinen Einzimmerwohnung und einen anderen mit einer großen Penthousewohnung – nach dem Kopfstimmrecht haben beide bei Abstimmungen genau das gleiche Stimmgewicht, nämlich eine Stimme.
Wann gilt das Kopfstimmrecht?
Das Kopfstimmrecht ist der gesetzliche Regelfall. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) legt in § 25 Absatz 2 Satz 1 fest, dass jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat. Dieses Prinzip kommt also immer dann zur Anwendung, wenn in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes vereinbart wurde.
Die Gemeinschaftsordnung ist sozusagen die „Verfassung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft. Hier können die Eigentümer von der gesetzlichen Regelung abweichen und andere Stimmrechtsprinzipien festlegen. Beispiele dafür sind:
- Wertprinzip: Das Stimmgewicht richtet sich nach der Größe des Miteigentumsanteils. Wer einen größeren Anteil hat, hat mehr Stimmgewicht.
- Objektprinzip: Pro Wohnung (Sondereigentumseinheit) gibt es eine Stimme. Ein Eigentümer mit mehreren Wohnungen hätte dann entsprechend mehrere Stimmen.
Findet sich in Ihrer Gemeinschaftsordnung keine spezielle Regelung zum Stimmrecht, gilt automatisch das Kopfstimmrecht.
Was bedeutet das Kopfstimmrecht in besonderen Fällen?
- Mehrere Eigentümer einer Wohnung: Gehört eine Wohnung mehreren Personen gemeinsam (z.B. einem Ehepaar), haben diese nicht jeweils eine Stimme. Sie gelten als ein Eigentümer und haben daher zusammen nur eine Stimme. Sie müssen sich einigen, wie sie diese eine Stimme abgeben. Können sie sich nicht einigen, ist ihre Stimme ungültig.
- Ein Eigentümer mit mehreren Wohnungen: Besitzt eine Person mehrere Wohnungen in derselben WEG, hat sie nach dem Kopfstimmrecht trotzdem nur eine einzige Stimme.
Für Sie bedeutet das: Um zu wissen, wie in Ihrer Eigentümerversammlung abgestimmt wird, ist ein Blick in die Gemeinschaftsordnung entscheidend. Ist dort nichts zum Stimmrecht geregelt, gilt das Prinzip: Ein Eigentümer, eine Stimme.
Kann die Teilung eines Miteigentumsanteils automatisch zu einer Erhöhung der Stimmrechte in einer WEG führen?
Nein, die bloße Teilung eines Miteigentumsanteils führt nicht automatisch zu einer Erhöhung der Stimmrechte in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Entscheidend ist, wie das Stimmrecht in Ihrer speziellen WEG geregelt ist.
Das Stimmrecht nach dem Gesetz: Das Kopfprinzip
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG-Gesetz) sieht als Grundregel das sogenannte Kopfprinzip vor. Das bedeutet: Jeder Eigentümer hat eine Stimme, unabhängig davon, wie groß sein Miteigentumsanteil ist oder wie viele Wohnungen ihm gehören.
Stellen Sie sich vor, eine WEG besteht aus drei Eigentümern. Nach dem Kopfprinzip hat jeder dieser drei Eigentümer genau eine Stimme in der Eigentümerversammlung. Wenn nun ein Eigentümer seinen Anteil (z.B. an seiner Wohnung) teilt und eine Hälfte an eine andere Person verkauft, gibt es zwar nun zwei Personen, die sich den ursprünglichen Anteil teilen. Gilt jedoch das Kopfprinzip pro Wohnungseigentumseinheit, so haben diese beiden Personen gemeinsam weiterhin nur die eine Stimme, die zu dieser Wohnung gehört. Sie müssen sich also einigen, wie sie diese eine Stimme abgeben. Die Gesamtzahl der Stimmen in der WEG erhöht sich dadurch nicht.
Abweichende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung
Ihre WEG kann in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung (den Gründungsdokumenten Ihrer Eigentümergemeinschaft) vom gesetzlichen Kopfprinzip abweichen. Es gibt hauptsächlich zwei andere Möglichkeiten:
- Wertprinzip: Hier richtet sich das Stimmgewicht nach der Größe des Miteigentumsanteils. Wer einen größeren Anteil hat, hat mehr Stimmgewicht. Bei einer Teilung würde sich das Stimmgewicht des ursprünglichen Anteils auf die neuen Miteigentümer aufteilen. Die Gesamtsumme des Stimmgewichts, das auf diesen Anteil entfällt, bleibt jedoch gleich.
- Objektprinzip: Hier hat jede Wohnung oder jede Gewerbeeinheit (jedes Sondereigentum) eine Stimme. Besitzt ein Eigentümer mehrere Wohnungen, hat er entsprechend viele Stimmen. Wenn eine bestehende Wohnung rechtlich geteilt wird (was aufwändig ist und eine Änderung der Teilungserklärung erfordert) und daraus zwei neue, eigenständige Einheiten entstehen, dann hätte nach dem Objektprinzip jede dieser neuen Einheiten eine eigene Stimme. Die bloße vertragliche Teilung eines Anteils an einer bestehenden Einheit führt aber nicht zu diesem Ergebnis.
Änderung der Stimmrechtsregelung
Soll die Art und Weise, wie in Ihrer WEG abgestimmt wird, geändert werden – zum Beispiel weg vom Kopfprinzip hin zu einem anderen Prinzip, oder soll eine Teilung ausnahmsweise doch zu mehr Stimmen führen – dann reicht die einfache Teilung eines Anteils nicht aus. In der Regel ist dafür eine Änderung der Gemeinschaftsordnung notwendig. Solche grundlegenden Änderungen erfordern meist einen Beschluss aller Eigentümer (Einstimmigkeit) oder zumindest eine qualifizierte Mehrheit, wie sie in Ihrer Gemeinschaftsordnung festgelegt ist.
Für Sie bedeutet das: Die Teilung Ihres Miteigentumsanteils allein verändert die Stimmrechtsverhältnisse in der WEG normalerweise nicht. Maßgeblich sind immer die Regelungen in Ihrer Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung oder, falls dort nichts anderes festgelegt ist, das gesetzliche Kopfprinzip (eine Stimme pro Eigentümer bzw. pro Wohnungseinheit).
Welche Rolle spielt die Gemeinschaftsordnung bei der Stimmrechtsverteilung in einer WEG?
Die Gemeinschaftsordnung spielt eine entscheidende Rolle, da sie die gesetzliche Regelung zur Stimmrechtsverteilung ändern kann. Sie ist sozusagen das „Grundgesetz“ Ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und kann individuelle Regeln festlegen, die für alle Eigentümer verbindlich sind.
Normalerweise gilt laut Gesetz das Kopfprinzip: Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme, unabhängig davon, wie viele Wohnungen ihm gehören oder wie groß diese sind (§ 25 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz – WEG). Wenn Ihnen also beispielsweise drei Wohnungen in der Anlage gehören, haben Sie nach dem Gesetz trotzdem nur eine Stimme, genauso wie ein Eigentümer mit nur einer Wohnung.
Wie die Gemeinschaftsordnung die Stimmrechte ändern kann
Ihre Gemeinschaftsordnung kann jedoch von diesem Kopfprinzip abweichen. Das Wohnungseigentumsgesetz erlaubt es den Eigentümern, bei der Begründung der WEG oder durch spätere einstimmige Vereinbarung andere Stimmrechtsregelungen in der Gemeinschaftsordnung festzulegen.
Häufig wird vereinbart, dass die Stimmrechte anders verteilt werden, zum Beispiel:
- Nach Miteigentumsanteilen (Wertprinzip): Hier richtet sich das Stimmgewicht nach der Größe des Miteigentumsanteils, der meist im Grundbuch eingetragen ist. Wer einen größeren Anteil am Gemeinschaftseigentum hat (oft gekoppelt an die Wohnungs- oder Nutzfläche), hat entsprechend mehr Stimmgewicht. Stellen Sie sich vor: Ihre Wohnung macht 100/1000 Anteile aus, die Ihres Nachbarn 50/1000. Sie hätten dann in der Eigentümerversammlung doppelt so viel Stimmgewicht wie Ihr Nachbar.
- Nach Anzahl der Wohnungen (Objektprinzip): Hier hat jede Wohnung (jedes Sondereigentum) eine Stimme, unabhängig davon, wem sie gehört. Wenn Ihnen also zwei Wohnungen gehören, hätten Sie in diesem Fall zwei Stimmen.
Es sind auch andere oder kombinierte Regelungen denkbar, solange sie klar und eindeutig formuliert sind und nicht gegen grundlegende Rechtsprinzipien verstoßen.
Warum das für Sie wichtig ist
Für Sie bedeutet das: Verlassen Sie sich nicht automatisch auf das gesetzliche Kopfstimmrecht. Um zu wissen, wie viele Stimmen Sie in Ihrer Eigentümerversammlung haben und wie Beschlüsse gültig gefasst werden, müssen Sie zwingend in Ihre Gemeinschaftsordnung schauen. Die dort festgelegte Regelung zur Stimmrechtsverteilung ist für Ihre WEG verbindlich und geht der gesetzlichen Regelung vor. Nur wenn die Gemeinschaftsordnung keine spezielle Regelung enthält, gilt das gesetzliche Kopfprinzip.
Welche Bedeutung hat die Zustimmung der Miteigentümer bei der Änderung der Stimmrechtsverhältnisse?
Die Stimmrechtsverhältnisse innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft legen fest, wie viel Gewicht die Stimme jedes einzelnen Miteigentümers bei Entscheidungen hat. Eine Änderung dieser Verhältnisse ist ein tiefgreifender Eingriff in die Rechte und die Mitbestimmungsmöglichkeiten jedes Einzelnen.
Warum ist die Zustimmung oft entscheidend?
Das Stimmrecht ist ein zentrales Recht jedes Miteigentümers. Es bestimmt, wie stark Sie an gemeinschaftlichen Entscheidungen mitwirken können. Die grundlegenden Regeln dazu finden sich im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) oder in der Gemeinschaftsordnung, die oft bei Gründung der Gemeinschaft festgelegt wurde.
Sollen diese grundlegenden Regeln zur Stimmverteilung geändert werden, reicht ein normaler Mehrheitsbeschluss oft nicht aus. Das gilt insbesondere dann, wenn die geplante Änderung nicht ausdrücklich durch das Gesetz oder die bestehende Gemeinschaftsordnung erlaubt ist.
Stellen Sie sich vor, die Spielregeln für Abstimmungen sollen nachträglich geändert werden – das kann die Machtbalance innerhalb der Gemeinschaft erheblich verschieben. Deshalb ist hier in vielen Fällen die Zustimmung aller im Grundbuch eingetragenen Miteigentümer notwendig. Man spricht dann von einer Vereinbarung.
Gesetzliche Regelung und Gemeinschaftsordnung
Das Gesetz sieht standardmäßig oft das „Kopfprinzip“ vor (jeder Eigentümer hat eine Stimme), es sei denn, die Gemeinschaftsordnung regelt es anders (z.B. nach Miteigentumsanteilen – das „Wertprinzip“). Soll eine von Gesetz oder Gemeinschaftsordnung abweichende Regelung eingeführt oder eine bestehende Regelung in der Gemeinschaftsordnung geändert werden, ist dies meist nur durch eine Vereinbarung aller Miteigentümer möglich.
Wie wird die Zustimmung korrekt dokumentiert?
Damit eine Änderung der Stimmrechtsverhältnisse rechtlich Bestand hat und auch für zukünftige Eigentümer gilt, muss sie formal korrekt festgehalten werden.
- Vereinbarung aller Miteigentümer: Die Änderung muss von allen im Grundbuch eingetragenen Miteigentümern gemeinsam beschlossen und vereinbart werden.
- Notarielle Beurkundung: Solche grundlegenden Vereinbarungen, die die Gemeinschaftsordnung ändern, müssen zwingend notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein. Der Notar stellt sicher, dass die Vereinbarung klar formuliert ist und dem Willen aller Beteiligten entspricht.
- Eintragung ins Grundbuch: Damit die neue Stimmrechtsregelung auch gegenüber späteren Käufern von Wohnungen wirksam ist (also „dinglich wirkt“), muss die Änderung der Gemeinschaftsordnung in das Grundbuch eingetragen werden.
Die Zustimmung aller Miteigentümer, festgehalten in einer notariellen Urkunde und ggf. im Grundbuch eingetragen, ist also oft die unerlässliche Voraussetzung, um die Stimmrechtsverhältnisse wirksam und dauerhaft zu ändern.
Was sind die Konsequenzen, wenn Beschlüsse in einer WEG-Versammlung aufgrund fehlerhafter Stimmrechtsausübung angefochten werden?
Wenn bei einer Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung Fehler bei der Ausübung des Stimmrechts passieren, können diese Beschlüsse gerichtlich angefochten werden. Das bedeutet, ein einzelner Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst kann bei Gericht beantragen, den Beschluss für ungültig erklären zu lassen.
Anfechtbarkeit und mögliche Ungültigkeit des Beschlusses
Ein Beschluss, der unter fehlerhafter Stimmrechtsausübung zustande gekommen ist (zum Beispiel, wenn Stimmen falsch gezählt wurden, jemand ohne Stimmrecht mit abgestimmt hat oder die Stimmgewichtung laut Teilungserklärung nicht beachtet wurde), ist zunächst einmal gültig. Er wird also nicht automatisch unwirksam.
Damit ein solcher Beschluss ungültig wird, muss er aktiv vor Gericht angefochten werden. Stellt das Gericht im Laufe des Verfahrens fest, dass tatsächlich ein relevanter Fehler bei der Stimmrechtsausübung vorlag und dieser Fehler das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnte, wird es den Beschluss für ungültig erklären. Diese Ungültigkeit wirkt dann für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch für diejenigen, die nicht geklagt haben. Ist der Fehler offensichtlich und sehr schwerwiegend, kann ein Beschluss ausnahmsweise auch von Anfang an nichtig (also komplett unwirksam) sein, dies ist aber seltener der Fall als die Anfechtbarkeit.
Wichtige Fristen für die Anfechtung
Wenn Sie einen Beschluss wegen fehlerhafter Stimmrechtsausübung anfechten möchten, müssen Sie sehr schnell handeln, da strenge Fristen gelten:
- Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach dem Tag der Beschlussfassung beim zuständigen Amtsgericht eingereicht werden.
- Die Begründung der Klage, also die genaue Darlegung, warum der Beschluss fehlerhaft sein soll, muss innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung bei Gericht eingehen.
Versäumen Sie diese Fristen, wird der Beschluss bestandskräftig. Das bedeutet, er ist dann endgültig gültig und kann nicht mehr angefochten werden, selbst wenn Fehler bei der Stimmrechtsausübung vorgelegen haben.
Wer muss was beweisen?
Die Person oder Partei, die den Beschluss anficht (also der Kläger), trägt die Beweislast. Das heißt, Sie müssen vor Gericht nachweisen können, dass:
- Ein Fehler bei der Stimmrechtsausübung tatsächlich stattgefunden hat. Das kann zum Beispiel durch das Versammlungsprotokoll, Zeugenaussagen oder andere Dokumente geschehen.
- Dieser Fehler erheblich war, also ursächlich dafür, dass der Beschluss überhaupt zustande kam oder mit diesem Inhalt zustande kam. Einfach gesagt: Hätte es ohne den Fehler möglicherweise ein anderes Abstimmungsergebnis gegeben?
Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, weist das Gericht die Anfechtungsklage ab und der Beschluss bleibt gültig. Fehlerhafte Stimmrechtsausübung kann also erhebliche Konsequenzen haben und zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen, deren Ausgang von der Einhaltung der Fristen und der Beweislage abhängt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Miteigentumsanteil
Ein Miteigentumsanteil bezeichnet den Bruchteil am gemeinschaftlichen Eigentum, der einem einzelnen Eigentümer gehört. Im Wohnungseigentumsrecht ist dies meist der Anteil am Grundstück und Gemeinschaftseigentum, der zu einer Wohnung gehört, und wird im Grundbuch eingetragen. Der Anteil bestimmt häufig Rechte und Pflichten, etwa die Kostenverteilung oder – bei bestimmten Stimmrechtsmodellen – das Stimmgewicht. Die Teilung eines Miteigentumsanteils bedeutet, dass dieser in mehrere kleinere Anteile aufgeteilt wird, ohne dass sich die gesamte Eigentumssumme ändert.
Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie besitzen 50 von 100 Anteilen am Gemeinschaftseigentum eines Mehrparteienhauses; eine Teilung könnte diese 50 Anteile auf zwei Personen verteilen, etwa 30 und 20 Anteile, zusammen bleibt es aber bei 50 von 100.
Kopfstimmrecht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 WEG)
Das Kopfstimmrecht ist eine gesetzliche Regelung im Wohnungseigentumsgesetz (WEG), wonach jeder Wohnungseigentümer bei Abstimmungen grundsätzlich genau eine Stimme hat – unabhängig von der Höhe seines Miteigentumsanteils. Es gilt, wenn die Gemeinschaftsordnung keine abweichenden Bestimmungen enthält. Damit wird sichergestellt, dass kein Eigentümer allein durch einen größeren Anteil mehr Einfluss in der Eigentümerversammlung erhält.
Beispiel: In einer WEG mit drei Eigentümern, die unterschiedlich große Wohnungen besitzen, hat nach dem Kopfprinzip jeder genau eine Stimme, also insgesamt drei Stimmen, egal wie groß sein Anteil am Gemeinschaftseigentum ist.
Gemeinschaftsordnung
Die Gemeinschaftsordnung ist eine vertragliche Regelung zwischen den Wohnungseigentümern einer Gemeinschaft, die ergänzend zum Gesetz die Rechte und Pflichten der Eigentümer und die Organisation der WEG regelt. Sie kann insbesondere das Stimmrecht ändern, also etwa vom gesetzlichen Kopfprinzip abweichen, und die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums näher bestimmen. Eine Änderung der Gemeinschaftsordnung bedarf in der Regel der Zustimmung aller Eigentümer und muss notariell beurkundet werden.
Beispiel: Wenn Eigentümer in einer WEG vereinbaren, dass das Stimmrecht nach den Miteigentumsanteilen vergeben wird statt nach dem Kopfstimmrecht, müssen sie dies in der Gemeinschaftsordnung festhalten und notariell beurkunden.
Zustimmung zur Stimmrechtsvermehrung
Die Zustimmung zur Stimmrechtsvermehrung bezeichnet die Einwilligung aller Miteigentümer, dass durch eine Veränderung (z. B. Teilung eines Miteigentumsanteils) die Anzahl der Stimmen eines Eigentümers vermehrt wird. Da das Stimmrecht ein wesentliches Beteiligungsrecht ist und die Machtverhältnisse innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft beeinflusst, erfordert eine Erhöhung der Stimmenzahl in der Regel die ausdrückliche oder zumindest konkludente Zustimmung aller anderen Eigentümer. Ohne diese Zustimmung bleibt die Stimmenanzahl unverändert.
Beispiel: Wird ein einzelner Miteigentumsanteil in zwei Anteile aufgeteilt und an zwei Personen verkauft, können diese nicht automatisch zwei Stimmen geltend machen, wenn nicht alle übrigen Eigentümer dafür stimmen.
Beschlussanfechtung wegen fehlerhafter Stimmrechtsausübung
Die Beschlussanfechtung wegen fehlerhafter Stimmrechtsausübung ist ein Rechtsmittel, mit dem Eigentümer Beschlüsse einer Eigentümerversammlung gerichtlich überprüfen lassen können, wenn sie glauben, dass beim Stimmrecht Fehler gemacht wurden (z. B. falsche Stimmenzahl oder unerlaubte Stimmenvergabe). Wird der Fehler als erheblich angesehen, kann das Gericht den Beschluss für ungültig erklären. Die Anfechtung muss innerhalb enger Fristen erfolgen, und der Anfechtende trägt die Beweislast für den Fehler und dessen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis.
Beispiel: Wenn in einer Versammlung trotz fehlender Zustimmung eines Eigentümers fälschlich seine Stimme gezählt wird, kann ein anderer Eigentümer diesen Beschluss anfechten und ggf. seine Unwirksamkeit gerichtlich feststellen lassen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG: Regelt das Stimmrecht in der Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei ohne abweichende Vereinbarung das Kopfprinzip gilt, d.h. jeder Miteigentümer hat eine Stimme unabhängig von der Größe des Anteils. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da keine Gemeinschaftsordnung oder abweichende Stimmrechtsregelungen existieren, bestimmt dieses Prinzip die Abstimmungsverhältnisse und die Frage der Stimmenanzahl nach der Teilung des Miteigentumsanteils.
- § 25 Abs. 1 WEG: Bestimmt, dass Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, wobei mehr Ja- als Nein-Stimmen notwendig sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gültigkeit der Beschlüsse hing davon ab, ob die Eheleute S zwei Stimmen oder nur eine Stimme gemeinsam hatten, was letztlich die erforderliche Mehrheit beeinflusste.
- § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG: Stellt klar, dass Beschlüsse, die nicht die erforderliche Mehrheit haben, für ungültig erklärt werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die angefochtenen Beschlüsse wurden wegen fehlender Mehrheit für ungültig erklärt, da die Stimmenzahl der Eigentümer korrekt zu bestimmen war.
- § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG: Bewirkt, dass Beschlüsse, die nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurden, nicht wirksam sind und angefochten werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dient als Grundlage für die gerichtliche Anfechtung und Ungültigkeit der Beschlüsse, die auf der fehlerhaften Stimmrechtsverteilung beruhen.
- §§ 133, 157 BGB: Regeln die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen nach dem wirklichen Willen der Parteien und Treu und Glauben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die notarielle Urkunde von 2006 wurde hiernach dahingehend ausgelegt, dass keine Absicht zur Vermehrung der Stimmrechte bestand, was den rechtlichen Status der Stimmabgabe der geteilten Anteile maßgeblich beeinflusst.
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Das vorliegende Urteil
WEG – Eigentumsteilung – Vermehrung der Stimmrechte?
LG Gera – Az.: 5 S 129/24 – Beschluss vom 05.11.2024
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