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WEG – Einholung von Vergleichsangeboten vor Sachverständigenbeauftragung

AG München – Az.: 1292 C 23544/20 WEG – Urteil vom 23.02.2022

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Vornahme einer Handlung sowie Feststellung eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach für die Klägerin.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 2 in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der C H1. Immobilienverwaltung GmbH verwaltet wird.

Zwischen den Beteiligten gibt es unterschiedliche Auffassungen zur weiteren Vorgehensweise, seitdem Jahr 2016 in der Wohnung der Klägerin ein Feuchtigkeitsschaden entdeckt wurde, resultierend aus dem Bad oberhalb in der Wohnung Nr. 3 (Eigentümer Frau L. sowie Herr Dr. M2.).

Bei Öffnung der Deckenverkleidung der Wohnung der Klägerin stellte sich Durchfeuchtung und Schimmelbildung im inneren der Fehlbodendecke heraus. Der von der Gebäudeversicherung beauftragte Sachverständige B. stellte in seinem Gutachten vom 16.08.2016 (vorgelegt als Anlage K 1) fest, dass an den Decken eine mangelhafte Bauausführung vorhanden ist. Zudem hatte die beklagte WEG für den Nachweis des vorbeugenden Brandschutzes des Hauses die H2. Architekten GmbH beauftragt, die in ihrem Nachweis zum vorbeugenden Brandschutz vom 29.09.2016 zu den Decken des untersuchten Hauses festgehalten hat, dass die Holzbalkendecke ohne nachgewiesene Feuerwiderstandsdauer sei. Weder die teilweise zwischen die Balken eingesetzten Gipskartonplatten noch abgehängte Holzdecke erfüllen Zulassungskriterien bezüglich vorbeugendem Brandschutz (vorgelegt als Anlage K 2).

Die Klägerin leitete wegen Untätigkeit der Beklagten im Bezug auf die Sanierung des Deckenbereichs der klägerischen Wohnung vor dem Amtsgericht München ein Beweisverfahren gegen die Beklagte zur Feststellung gesundheitsgefährdender Luftbelastung in ihrer Wohneinheit ein. In seinem Gutachten vom 13.02.2017 kam der Sachverständige H3. S2. zu dem Ergebnis, dass sowohl im Wohnflur als auch im Gäste-WC ein starker und ausgedehnter mikrobieller Befall vorliege (Az.: 482 H 218717/16 WEG).

In seinem Gutachten vom 13.02.2017 (Anlage K 3) und dem Ergänzungsgutachten vom 11.10.2017 (Anlage K 4) stellte der Sachverständige S2. fest, dass nach derzeitigem hygienischen Verständnis einer üblichen bestimmungsgemäßen Nutzung als Daueraufenthaltsraum der Schimmelbefall entgegenstehe.

In der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018 fassten die Eigentümer unter TOP 4 folgenden Beschluss: „Die Wohnungseigentümer treffen die Grundsatzentscheidung, dass die Decke in der Wohnung des 1. OG der Eigentümerin Sabine Meier instandgesetzt wird.“, vgl. Protokoll der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018, vorgelegt als Anlage K 5.

In derselben Eigentümerversammlung beschlossen die Eigentümer unter TOP 5.3, dass das Sachverständigenbüro C. S. beauftragt wird, die Ursachen für die Feuchtigkeits- und Schimmelbildung im Deckenbereich der Wohnung im 1. OG zu ermitteln und die notwendigen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung im Rahmen eines Sanierungskonzeptes mit Leistungsverzeichnis darzulegen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts dieses Beschlusses wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 18.10.2018, vorgelegt als Anlage K 5, Bezug genommen.

In seinem Gutachten (vorgelegt als Anlage K 6) auf der Grundlage eines Ortstermins am 17.01.2019 stellte der Sachverständige S3. unter anderem fest, dass die Bestandsdecken zwar die aktuell gültigen Vorschriften nicht erfüllen, gleichwohl eine Ertüchtigung der Decken im Ganzen oder in den zu sanierenden Bereichen in Bezug auf den Brandschutz nicht erforderlich seien.

Die Klägerin trägt hierzu vor, dass sich der Sachverständige S3. mit der Thematik des Brandschutzes nicht ausreichend, insbesondere nicht ausreichend fachlich kompetent befasst habe. Dies habe der Sachverständige mit E-Mail vom 07.05.2020 (Anlage K 7) letztlich auch eingeräumt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ohne die Überprüfung des Brandschutzes im Deckenbereich unter Bewertung, ob und in welchem Umfang eine Nachrüstung/Ertüchtigung des Brandschutzes notwendig ist, die Fertigstellung des Sanierungskonzeptes für die Decke der Wohnung Nr. 2 nicht möglich sei. Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie die Verwalterin im Jahr 2020 mehrfach aufgefordert habe, eine außerordentliche Eigentümerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt Beauftragung eines Sachverständigen/Ingenieurbüros mit der Überprüfung des Brandschutzes im Deckenbereich der Wohnung des 1. OG und Erstellung eines Sanierungskonzeptes für den Brandschutz mit ausschreibungsfähigem Leistungsverzeichnis, Finanzierung der Beauftragung, einzuberufen. Sie nahm hierzu auch anwaltliche Hilfe in Anspruch.

Mit Schreiben vom 11.10.2020 hat die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung am 28.10.2020 eingeladen unter anderem mit dem Tagesordnungspunkt „Beauftragung eines Sachverständigen für Brandschutz“. Dem Einladungsschreiben waren Angebote von Sachverständigen/Ingenieuren für Brandschutz beigefügt, nämlich das Angebot der Firma He. vom 05.10.2020, das Angebot des Dr. Ing Architekt T. von D. ´ A. vom 02.10.2020 und das Angebot der IG M3. GmbH vom 04.09.2020. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einladungsschreiben vom 11.10.2020 mit Unterlagen, vorgelegt als Anlage K 11, Bezug genommen.

In der Eigentümerversammlung vom 28.10.2020 lehnten die übrigen Eigentümer L./Dr. M2. gemeinsam mit den Eheleuten R. unter TOP 2 die Beauftragung eines Sachverständigen für Brandschutz jedoch ab (vergleiche Protokoll der Eigentümerversammlung vom 28.10.2020, vorgelegt als Anlage K 13).

Die Klägerin führt hierzu aus, dass die Beklagte vorsätzlich die Umsetzung des bestandskräftigen Instandsetzungsbeschlusses für den Deckenbereich der klägerischen Wohnung behindere, wozu aber auch gehöre, dass die brandschutzmäßige Ertüchtigung der Decke sachkundig geprüft werde.

Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf eine nach billigem Ermessen vom Gericht zu treffenden Beschlussersetzung, wonach einer der Architekten/Sachverständigen beauftragt werden soll, deren Angebote den Eigentümern in der Eigentümerversammlung vom 28.10.2020 vorgelegen hatten.

Inzwischen wurde von der WEG im Hinblick auf die Brandschutzbegehung durch das Landratsamt München vom 12.08.2021, bei der zahlreiche Brandschutzmängel festgestellt wurden (vergleiche Schreiben des Landratsamts München vom 15.10.2021, vorgelegt als Anlage K 13) zur Beseitigung der festgestellten Mängel unter TOP 1 im Rahmen eines Umlaufbeschlusses die Erstellung einer Anleiterstelle am Balkon des 2. OG beschlossen sowie die Beauftragung eines Statikers für Brandschutz, Herrn I2., beauftragt. Aus diesem Grund hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.12.2021 die Hauptsache bezüglich Klageantrag I (Beschlussersetzung) für erledigt erklärt. Die Beklagte und die Nebenintervenienten haben der Hauptsacheerledigung unter Verwahrung gegen die Kostenlast zugestimmt.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Klägerin durch unterbliebene oder unzureichende Handlungsmaßnahmen ein Schaden am Sondereigentum entstanden sei und die Gemeinschaft ihre Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung verletzt habe. Auch wenn sie Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage erhebe,könnten bereits durch die eingetretene Verzögerung dem Wohnungseigentümer Schäden entstanden sein. Die unterlassene Zustimmung der sonstigen Eigentümer zu den Beschlussanträgen über die Beauftragung eines Brandschutzsachverständigen sei der Beklagten gemäß § 31 BGB analog zuzurechnen und stelle eine Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne von § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB dar, weil der Klägerin ein Anspruch auf Beschlussfassung zur Beauftragung eines Brandschutzsachverständigen zustehe. Da die Klägern seit mittlerweile 4 Jahren wegen der Feuchtigkeits- und Schimmelschäden in ihrem Sondereigentum nicht mehr wohnen könne, sei sie gezwungen, in einer Mietwohnung zu leben und entsprechendes Mietentgelt zu bezahlen. Wie hoch der finanzielle Schaden sein werde, lasse sich derzeit noch nicht beziffern, sodass eine Leistungsklage nicht möglich sei. Erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme würde feststehen, für welchen Zeitraum die unterlassene Beschlussfassung tatsächlich zu einer Verzögerung des Sanierungserfolges geführt habe.

Die Klägerin beantragt daher zuletzt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen hat, die ihr aufgrund der Ablehnung der Beschlussanträge zu TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 21.10.2020 entstehen.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung.

Die Nebenintervenientin beantragt, Klageabweisung und Auferlegung der Kosten der Nebenintervention auf die Klägerin.

Die Beklagte und die Nebenintervenienten führen im Wesentlichen aus, dass kein Anspruch auf Beschlussersetzung zustehe, da zum einen der bestandskräftige Beschluss der Eigentümer unter TOP 2 b in Verbindung mit TOP 2 a der Eigentümerversammlung vom 10.08.2016 noch nicht vollzogen worden und eine ordnungsgemäße Vorbefassung ebenfalls nicht erfolgt sei. Das Fassen eines Grundlagenbeschlusses sei nicht Gegenstand der Vorbefassung gewesen, was die Klägerin jedoch in ihrem gerichtlichen Ersetzungsantrag begehre. Auch die Erstellung eines Brandschutznachweises sowie die gesonderte brandschutzrechtliche Prüfung der Decke im 1. OG sei nicht Gegenstand der Vorbefassung gewesen. Im Übrigen hätten nicht mindestens drei Vergleichsangebote vorgelegen, da sich das Angebot der Firma He. vom 05.10.2020 lediglich auf die Erstellung eines neuen Brandschutznachweises für das Objekt und nicht eine Brandschutzbegutachtung beziehe. Damit seien nur zwei Konkurrenzangebote für die Kosten eines Brandschutzgutachtens sowie lediglich ein Angebot für die Kosten der Erstellung eines Brandschutznachweises vorgelegen.

Die Ablehnung des Beschlussantrags der Klägerin habe daher ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen. Auch hinsichtlich des Feststellungsantrags bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Leistungsklage grundsätzlich vorrangig sei und kein Feststellungsinteresse gegeben. Aus der Unterlassung einer hypothetisch erforderlichen brandschutzrechtlichen Untersuchung könne der Klägerin juristisch kein Schaden entstanden sein. Zumindest liege in der Ablehnung keine schuldhafte Pflichtverletzung der Miteigentümer R., L. und Dr. M2. vor, weil hierfür keine ausreichende Entscheidungsgrundlage gegeben war.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 19.01.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig auch im Hinblick auf den Feststellungsantrag. Insoweit liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor, da die Klägerin mangels Bezifferbarkeit des Schadens die grundsätzlich vorrangige Leistungsklage zum heutigen Zeitpunkt nicht erheben kann.

Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich zuständig gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG n.F. i.V.m. § 23 Nr. 2 c GVG.

Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hatte weder einen Anspruch auf die beantragte Beschlussersetzung noch auf Feststellung.

Die Eigentümer hatten bei der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung vom 21.10.2020 keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung.

Bei der zum Beschluss vorgeschlagenen Beauftragung eines Sachverständigen bedarf es der Einholung von Vergleichsangeboten. Dabei ist es erforderlich, mindestens drei Angebote jedenfalls zur Beschlussfassung vorliegen zu haben. Erst durch die Vorlage verschiedener Alternativangebote kann den Wohnungseigentümern aufgezeigt werden, welche Unterschiede zwischen den Angeboten bestehen und woran sie bei rein rechnerischer Betrachtung mit den verschiedenen Angeboten sind. Darüber hinaus treten Schwächen nur durch die Einholung von Alternativangeboten zutage (vergleiche Landgericht Frankfurt am Main, NZM 2015, 350). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vergleiche BGH NZM 2015, 515 Randnummer 13 und BGH NJW 2015, 365 Randnummer 46 f.).

Fehlt es, wie hier, an aussagekräftigen Alternativangeboten, würde die Auswahlentscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erfolgen, sodass die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschritten hätten und der gefasste Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Die zur Beschlussfassung vorgelegten drei Angebote sind inhaltlich nicht vergleichbar, da sie sich im Leistungsumfang auf unterschiedliche Maßnahmen beziehen. Es entsprach daher ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Eigentümer mehrheitlich die Fassung dieses Beschlusses abgelehnt haben.

Daraus folgt, dass auch der Feststellungsantrag ins Leere geht, da es schon an der schuldhaften Pflichtverletzung der übrigen Eigentümer hinsichtlich der Ablehnung des Beschlusses fehlt.

Die Klägerin trägt als Unterlegene die Kosten des Rechtsstreits, § 91 Abs. 1 ZPO. Dies gilt auch hinsichtlich des Klageantrags I, der in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Ohne das erledigende Ereignis der oben näher ausgeführten Beschlussfassung im Rahmen von Umlaufbeschlüssen wäre die Klägerin voraussichtlich unterlegen, da mangels ausreichender Vergleichsangebote auch kein Raum für eine Ermessensentscheidung des Gerichts vorhanden gewesen wäre. Hier wäre es Sache der Klägerin gewesen, für eine ausreichende Entscheidungsgrundlage auch für das Gericht zu sorgen. Daran hätte es hier gefehlt.

Als Unterlegene trägt die Klägerin ferner die Kosten der auf Beklagtenseite beigetretenen Nebenintervenientin.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf § 709 ZPO.

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