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WEG – Fassade verstößt gegen Baurecht – Zwangsgeld gegen Eigentümergemeinschaft

OVG Niedersachsen – Az.: 1 ME 106/22 – Beschluss vom 16.11.2022

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 4. Kammer – vom 5. September 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wendet sich gegen die Festsetzung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer bauaufsichtlichen Verfügung, die ihr die Entfernung einer brennbaren Fassadenverkleidung eines Hochhauses aufgibt.

Die Antragstellerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, in deren gemeinschaftlichem Eigentum das mit einem 12-geschossigen Hochhaus bebaute Grundstück ###-Straße im Stadtgebiet der Antragsgegnerin steht. Das in den 1970er-Jahren errichtete und mehr als 30 m hohe Gebäude weist 48 Wohneinheiten auf. Die Außenwände sind mit brennbaren Holzwolleleichtbauplatten gedämmt und mit Faserzementplatten verkleidet; dazwischen befindet sich ein Hohlraum.

Anlässlich der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower überprüfte die Antragsgegnerin das Gebäude und ordnete gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 8. Juli 2019 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsgeldandrohung die Entfernung der brennbaren Fassadenkonstruktion in zwei Bauabschnitten an. Ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren endete unter anderem damit, dass die Antragsgegnerin die Ausführungsfristen verlängerte. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Die Antragstellerin begann daraufhin mit vorbereitenden Maßnahmen zur brandschutzgerechten Sanierung der Fassade und fasste entsprechende Beschlüsse, die das Amtsgericht Wennigsen mit Urteil vom 5. Juli 2022 für unwirksam erklärte. Bis heute sind die angeordneten Maßnahmen nicht durchgeführt, obwohl die Ausführungsfristen seit Sommer 2021 verstrichen sind.

WEG - Fassade verstößt gegen Baurecht - Zwangsgeld gegen Eigentümergemeinschaft
(Symbolfoto: graja/Shutterstock.com)

Mit Bescheid vom 24. Mai 2022 setzte die Antragsgegnerin das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 100.000 EUR fest und drohte für den Fall der weiteren Nichtbefolgung der Anordnung die Festsetzung weiterer Zwangsgelder in Höhe von 200.000 EUR an. Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. September 2022 ab. Insbesondere sei es der Antragstellerin möglich, der bauaufsichtlichen Anordnung nachzukommen. Einer Duldungsverfügung gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Antragstellerin habe es nicht bedurft, weil diesen keine sich aus Eigentums- oder Besitzrechten ergebenden Abwehransprüche zustünden. § 9a Abs. 2 WEG weise die Zuständigkeit im Hinblick auf bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum allein der Antragstellerin zu. Das gelte auch dann, wenn kein wirksamer Beschluss der Wohnungseigentümer vorliege; auf einen solchen Beschluss komme es aus vollstreckungsrechtlicher Sicht nicht an.

Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass der auf § 64 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Nr. 2, § 67 NPOG gestützten Zwangsgeldfestsetzung kein Vollstreckungshindernis entgegensteht. Ein solches Hindernis liegt u. a. dann vor, wenn der Vollstreckungsschuldner einer ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommen kann, ohne in die Rechte Dritter (Miteigentümer oder sonstige Nebenberechtigte) einzugreifen; in diesem Fall muss mindestens zeitgleich mit dem Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen eine Duldungsverfügung gegenüber dem Dritten ergehen (vgl. Senatsbeschl. v. 24.5.1994 – 1 M 1066/94 -, NJW 1994, 3309 = BRS 56 Nr. 214; v. 6.5.2011 – 1 ME 14/11 -, NJW 2011, 2228 = BRS 78 Nr. 202). Ein solches Erfordernis bestand hier nicht.

Verstößt eine in Wohnungseigentum aufgeteilte bauliche Anlage hinsichtlich der in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Gebäudeteile (vgl. § 1 Abs. 5 WEG) – dazu zählt die Fassade – gegen öffentliches Baurecht, ist richtiger Adressat einer bauaufsichtlichen Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 NBauO die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, weil diese die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte ausübt und die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnimmt (§ 9a Abs. 2 WEG, vgl. zuvor bereits § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung; näher dazu Drasdo, NVwZ 2022, 1575 f.). Die einzelnen Wohnungseigentümer sind insoweit von der Verwaltung ausgeschlossen (vgl. § 18 Abs. 1 WEG), sodass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogene bauaufsichtliche Forderungen erfüllen kann und erfüllen muss. Demzufolge muss auch die Vollstreckung gegenüber der Gemeinschaft und nicht gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern erfolgen.

Vollstreckt die Bauaufsichtsbehörde – wie hier – eine bauaufsichtliche Forderung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, bedarf es aufgrund des vollständigen Ausschlusses der einzelnen Wohnungseigentümer von der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums keiner gegen diese gerichteten Duldungsverfügungen. Die Rechte der Wohnungseigentümer beschränken sich im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum auf die Mitwirkung an der entsprechenden Beschlussfassung im Innenverhältnis (§ 19 Abs. 1 WEG). Ihnen stehen hingegen keine Rechte zu, aufgrund derer sie die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an der Befolgung einer wirksamen und vollziehbaren bauaufsichtlichen Verfügung hindern könnten.

Soweit die Antragstellerin dagegen einwendet, die Verwaltungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei im Innenverhältnis gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern beschränkt; jeder Wohnungseigentümer könne gemäß § 18 Abs. 2 WEG eine ordnungsgemäße Verwaltung im Rahmen der bestehenden Beschlüsse der Gemeinschaft verlangen und gerichtlich durchsetzen, trifft das zwar grundsätzlich zu. Aufgrund der wirksamen und vollziehbaren – und daher zwingend zu befolgenden – bauaufsichtlichen Anordnung steht jedoch für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verbindlich und ohne Rücksicht auf eine fehlende oder sogar gegenläufige Beschlussfassung der Wohnungseigentümer fest, dass ein Handeln in Befolgung der Verfügung geboten ist. Die Handlungspflicht folgt unmittelbar aus der Anordnung selbst und überwindet etwaige Hindernisse aufgrund einer fehlenden oder entgegenstehenden internen Willensbildung (vgl. zutreffend OVG Saarland, Beschl. v. 17.8.2022 – 2 B 104/22 -, NVwZ 2022, 1572). Demzufolge kann der einzelne Wohnungseigentümer die Gemeinschaft nicht unter Berufung auf zivilrechtliche Bestimmungen zur Willensbildung im Innenverhältnis hindern, ihrer öffentlich-rechtlichen Handlungspflicht nachzukommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG; der Senat schließt sich den Erwägungen des Verwaltungsgerichts an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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