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WEG – Folgen eines Ladungsmangels

AG Essen – Az.: 196 C 90/21 – Urteil vom 07.07.2022

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Essen auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2022 für Recht erkannt:

Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 10 und 12 der Wohnungseigentümergemeinschaft ……… in der Wohnungseigentümerversammlung vom 25. Juni 2021 werden für nichtig erklärt. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 13 der vorgenannten Versammlung wird für ungültig erklärt.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf die Anfechtung des Tagesordnungspunktes 2 der Eigentümerversammlung vom 28.06.2021 der vorbenannten Wohnungseigentümergemeinschaft erledigt ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin der Wohneinheit Nr. 1 im Erdgeschoss, diese ist vermietet, in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilungserklärung datiert auf den 23.07.1996, vgl. Bl. 31 ff. d.A., die Immobilie besteht aus zwei Wohnungen im Erdgeschoss und jeweils einer Wohnung im 1. Obergeschoss, 2. Obergeschoss und Dachgeschoss. Im Treppenhaus des Objekts befindet sich auf jeder Zwischenetage eine Abstellkammer (vgl. u.a. den Lageplan Anlage FK, Bl. 224 d.A.).

Mit Einladung vom 14.6.2021, vgl. Bl. 4 d.A., lud die Verwalterin zur außerordentlichen Eigentümerversammlung für den 25.06.2021 ein. Mit weiterem Schreiben vom 21.06.2021 lud sie zudem für eine weitere außerordentliche Versammlung am 28.06.2021 ein, vgl. Bl. 9 d.A.

In der Versammlung am 25.06.2021 fassten die Wohnungseigentümer diverse Beschlüsse wie folgt, wobei wegen der genauen Einzelheiten auf das Protokoll vom 25.06.2021, Bl. 80 ff. d.A., Bezug genommen wird.

Unter Top 8 fassten sie mehrheitlich einen Beschluss über die Archivierung der Verwaltungsordner der Wohnungseigentümergemeinschaft:

„Die Gemeinschaft beschließt, dass die Verwaltungsunterlagen zukünftig in der Flurkammer Zwischenetage EG/Keller archiviert werden.“

Zu TOP 9 beschlossen sie in der Folge, dass eine Kündigung der zu Top 8 benannten Flurkammer erfolgen muss:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt den Mietvertrag zwischen der WEG ……… Essen und Eigentümer WE Nr. 1 über die Flurkammer Zwischenetage EG/Keller (vgl. TOP 4, ETV vom 05.10.2020) zum nächstmöglichen Zeltpunkt, d. h. den 31. Juli 2021, zu kündigen.“

In dem Mehrheitsbeschluss zu TOP 4 vom 05.10.2020 heißt es:

„Beschluss über die Vermietung der Abstellräume im Treppenhaus zur Miete von 90 Euro p.a. Hierbei haben die Eigentümer, welche die Wohnungen in Eigenbedarf nutzen ein Vorzugsrecht.

Soweit kein Widerspruch erfolgt, werden die Abstellkammern wie folgt vermietet: EG: Miteigentümer ……… (WE Nr. 1) Zwischenetage 1: Miteigentümer ……… (WE Nr. 3) Zwischenetage 2. Miteigentümer ……… (WE Nr. 5)“.

Zu TOP 10 fassten sie zudem einen Mehrheitsbeschluss über den Rückbau ungenehmigter Umbauten in der vorbenannten Flurkammer EG/Keller:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die Flurkammer Zwischenetage EG/ Keller bis spätestens zum 31. Juli 2021 (s. TOP 9) durch Miteigentümer ……… vollständig geräumt und sämtliche ungenehmigten Umbauten auf Kosten von Miteigentümer ……… vollständig zurückgebaut werden müssen. Erfolgt bis zum 31. Juli 2021 keine Räumung und Rückbau der Kammer, wird der Verwalter dazu berechtigt ein Fachunternehmen mit der Räumung und den Rückbau zu beauftragen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind durch Miteigentümer ……… zu tragen.“

Unter TOP 12 fassten sie ferner einen mehrheitlichen Beschluss über den Rückbau ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum sowie der Wohneinheit Nr. 1 und den Nachweis einer Brandschutzkonformität:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt den Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum/WE Nr. 1. Das bedeutet insbesondere der Rückbau sämtlicher Elektro-, Frischwasser- und Abwasserleitungen vom Gemeinschaftseigentum in das Sondereigentum WE NR. 1, Verschließen sämtlicher Durchbrüche sowie ordnungsgemäße Ausführung der Decke Keller/ WE Nr. 1 sowie WE Nr. 1/ WE Nr. 3 gem. geltender Brand- und Schallschutzvorschriften (F90).

Der Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen hat bis spätestens zum 30. September 2021 zu erfolgen. Der Nachweis über die Brandschutzkonformität ist ebenfalls bis spätestens zum 30. September 2021 zu erbringen.“

Darüber hinaus beschlossen sie mehrheitlich unter TOP 13:

„Die Eigentümergemeinschaft beauftragt den Verwalter mit der Durchsetzung des Anspruchs auf Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum/WE Nr. 1 sowie Nachweis der Brandschutzkonformität durch Miteigentümer ………. Soweit notwendig auch unter Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes und auf dem gerichtlichen Weg.“

In der Versammlung am 28.06.2021 fassten sie zudem unter TOP 2 einen mehrheitlichen Beschluss über die Entscheidung des Anbaus von Balkonen oder Terrassen für die Wohneinheiten. Dabei war als Alternative 1 vorgesehen:

„Anbau von Balkonen des Dipl.-Bau-Ing. ……… (vgl. Einladung zur Eigentümerversammlung vom 07.05.2021) entstehen hierdurch vsl. Kosten für 5 Balkone in Höhe von 68.401,20 EUR (je nach Ausführung, ohne Nebenkosten).“

Der Beschluss zu TOP 2 lautete dann:

„Die Gemeinschaft beschließt entsprechend [Alternative 9, dass [5 Balkone] angebaut werden sollen.“

In der Eigentümerversammlung vom 14.04.2022, vgl. Protokoll Bl. 395 ff. d.A., hoben die Eigentümer unter Top 6 den am 28.06.2021 gefassten Beschluss zu Top 2 mehrheitlich auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, die gefassten Beschlüsse entsprechen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung i. S. der §§ 18 Abs. 1, 2 und § 19 Abs. 2 WEG. Es sei weder die 3-Wochenfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG noch die 4-Wochenfrist des § 9 Abs. 1 der Teilungserklärung eingehalten. Insofern sei eine ausreichende Zeit für eine Vorbereitung nicht gegeben gewesen.

Gleiches gelte für die Einladung zur Versammlung am 28. Juni 2021. Diese datiert vom 21. Juni 2021 und habe die Klägerin erst nach der Sitzung erreicht, zu der eingeladen war. In der Sitzung am 25. Juni 2021 sei nicht einmal erwähnt worden, dass 3 Tage später eine weitere Sitzung stattfinden sollte.

Zu TOP 8 sei auszuführen, dass andere Räume zum Beispiel auf dem Dachboden, als auch im Kellerbereich zur Archivierung von Unterlagen zur Verfügung stünden. Darüber hinaus könne auch nicht darauf abgestellt werden, dass die Kammer nicht selbst genutzt wird vom Eigentümer. Der Selbstnutzung steht die Vermietung an den Wohnungsnutzer gleich.

Darüber hinaus sei den Miteigentümern bekannt, dass die Klägerin die Wohnung mit der Kammer, in der bereits beim Voreigentümer die Waschmaschine eingestellt war, erworben habe. Die Verwahrung der Verwaltungsunterlagen gebührt der Verwaltung. Es ist eine „professionelle Verwaltung“ bestellt.

Zu Top 9 ist die Klägerin der Ansicht, dass die Kündigungsfrist von 3 Monaten nicht eingehalten sei. Eine Berechtigung zur Kündigung habe nicht bestanden.

Zu Top 10 und 12 fehle die Beschlusskompetenz der Eigentümer. Das Gewaltmonopol liegt allein beim Staat, die Verwalterin konnte nicht ermächtigt werden.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht berechtigt, Änderungen am Sondereigentum zu beschließen. Insofern fehlt jedwede Beschlusskompetenz zu Änderungen an den Sondereigentumen der WE Nr. 1 als auch der WE Nr. 3. Darüber hinaus kann dem Beschluss nicht entnommen werden, welche Elektro-, Frischwasser- und Abwasserleitungen zurückgebaut werden sollen. Es fehlt jedwede Lagebestimmung der vermeintlich zurückzubauenden Leitungen. Dies gelte auch für den Beschluss zu Top 13.

Der Beschluss zu Top 2 vom 28.06.2021 sei zu unbestimmt, weil offen bleibe, wo in welcher Größe unter Verwendung welcher Materialien Balkone angebaut werden sollen. Selbst der zuvor im Vorwort zum Beschluss vermerkte Preis stehe unter dem Vorbehalt „je nach Ausführung ohne Nebenkosten“.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 17.07.2021 Klage erhoben und die Beschlüsse vom 25.06.2021 zu Top 8, 9, 10, 12 und 13 sowie vom 28.06.2021 zu Top 2 angefochten. Die Zustellung der Klage erfolgte am 23.10.2021. Nach der Versammlung vom 14.04.2022 erklärte die Klägerin die Anfechtungsklage im Hinblick auf den Beschluss vom 28.06.2021 zu Top 2 für erledigt. Die Beklagte widersprach der Erledigungserklärung.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beschlüsse, die auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ………,

1. vom 25.06.2021 zu

a. Top 8: Die Gemeinschaft beschließt, dass die Verwaltungsunterlagen zukünftig in der Flurkammer Zwischenetage EG/Keller archiviert werden;

b. TOP 9: Die Eigentümergemeinschaft beschließt den Mietvertrag zwischen der WEG ………, und Eigentümer WE Nr. 1 über die Flurkammer Zwischenetage EG/Keller (vgl. TOP 4, ETV vom 05.10.2020) zum nächstmöglichen Zeltpunkt, d. h. den 31. Juli 2021, zu kündigen;

c. TOP 10: Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die Flurkammer Zwischenetage EG/ Keller bis spätestens zum 31. Juli 2021 (s. TOP 9) durch Miteigentümer ……… vollständig geräumt und sämtliche ungenehmigten Umbauten auf Kosten von Miteigentümer ……… vollständig zurückgebaut werden müssen.

Erfolgt bis zum 31. Juli 2021 keine Räumung und Rückbau der Kammer, wird der Verwalter dazu berechtigt ein Fachunternehmen mit der Räumung und den Rückbau zu beauftragen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind durch Miteigentümer ……… zu tragen;

d. TOP 12: Die Eigentümergemeinschaft beschließt den Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum/WE Nr. 1. Das bedeutet insbesondere der Rückbau sämtlicher Elektro-, Frischwasser- und Abwasserleitungen vom Gemeinschaftseigentum in das Sondereigentum WE NR. 1, Verschließen sämtlicher Durchbrüche sowie ordnungsgemäße Ausführung der Decke Keller/ WE Nr. 1 sowie WE Nr. 1/ WE Nr. 3 gem. geltender Brand- und Schallschutzvorschriften (F90). Der Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen hat bis spätestens zum 30. September 2021 zu erfolgen. Der Nachweis über die Brandschutzkonformität ist ebenfalls bis spätestens zum 30. September 2021 zu erbringen;

und

e. TOP 13: Die Eigentümergemeinschaft beauftragt den Verwalter mit der Durchsetzung des Anspruchs auf Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum/WE Nr. 1 sowie Nachweis der Brandschutzkonformität durch Miteigentümer ………. Soweit notwendig auch unter Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes und auf dem gerichtlichen Weg.

für ungültig zu erklären sowie ferner

festzustellen, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf die Anfechtung des Beschlusses vom 28.06.2021 zu TOP 2 (Die Gemeinschaft beschließt entsprechend [Alternative 1], dass [5 Balkone] angebaut werden sollen) erledigt hat.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin wisse als Verwaltungsbeirätin, welche Verwaltungs- und Entscheidungsschritte anstünden. Sie könne sich nicht auf formale Fehler berufen. Ihre Klage sei rechtsmissbräuchlich und es fehle am Rechtsschutzbedürfnis. Für die gerichtliche Prüfung eines formellen Beschlussmangels – darum geht es der Klägerin hier – sei nach überwiegender Ansicht zu fragen, ob er sich kausal auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. Es ist weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die außerordentlichen Eigentümerversammlungen vom 25.06.2021 und 28.06.2021 ein für die Klägerseite anderslautendes Ergebnis ergeben hätten. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Klägerin ausgerechnet aus dem Grund nicht erschien, weil ihr die kurzfristige Ladung vermeintlich unzumutbar gewesen sei. Die Versammlung sei dringlich gewesen ausweislich der beschlossenen Tagesordnungspunkte.

Die Klägerin habe von beiden Versammlungen gewusst.

Die Beschlüsse vom 25.06.2021 und 28.06.2021 entsprechend ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Klägerseite verkennt systematisch, dass es nicht ausreicht, „stets und ständig“ den Einwand der Unbestimmtheit zu behaupten. Auch hierzu fehlt jeglicher Kausalvortrag, der eine Bewertung zulässig, wie aus Sicht der Klägerin die Beschlüsse hätten aussehen müssen.

Bei Top 8 stehe den Eigentümern Ermessen zu, dies hätten sie ausgeübt.

Zu Top 9 werde bestritten, dass es einen Mietvertrag der Klägerin mit ihrem Mieter überhaupt gebe. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Flurkammer Zwischenetage EG/Keller um einen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums. Dieser sei rechtswidrig in Beschlag genommen worden. Eine Kündigung sei daher zulässig, auch innerhalb der benannten Frist.

Bei Top 10 sei die Geltendmachung des Anspruchs auf die Herausgabe von einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums aus §§ 985 Abs.1, 858 Abs.1 BGB i.V.m. § 1 Abs.5 WEG und zudem die Absichtserklärung, den späteren Räumungsanspruch auch durchzusetzen, gemeint. Dies beinhalte hier Folgeansprüche wie Räumung von „Unrat“ und dort nicht hin gehörigem Mieterinventar des Mieters ……… sowie seinem Mitbewohner.

Zu Top 12 und 13 sei auszuführen, dass bereits am 31.01.2020 der Rückbau Thema gewesen sei. Dass der Klägerin der Inhalt daher unklar sein soll, erschließe sich nicht. Da die ungenehmigten Umbaumaßnahmen allein die Wohnung der Klägerin ……… betreffe und ohne offiziellen Auftrag und ohne Beschlüsse durchgeführt worden seien, seien diese im Detail auch ausschließlich der Klägerin ……… selbst bekannt. Es sei der Beklagten daher gar nicht möglich diese noch konkreter zu bezeichnen.

Zu Top 2 seien sämtliche Details dem Angebot zu entnehmen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Klage fehlt zunächst nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin macht auch nicht rechtsmissbräuchlich von ihrem Recht zur Anfechtung Gebrauch, weil sie zu jedem Beschluss hinreichende Anfechtungsgründe vorbringt.

Die Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig. Die Erledigungserklärung der Klägerin enthält den Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist. Es handelt sich insoweit um eine jederzeit zulässige Klageänderung gemäß § 264 Ziff.2 ZPO. Das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs.1 ZPO ist in diesen Fällen immer gegeben.

Der Beschluss zu Top 10 war für nichtig zu erklären, weil den Eigentümern hier die Beschlusskompetenz fehlte, § 23 WEG.

Wohnungseigentümer können eine Angelegenheit daher nur dann durch einen Beschluss ordnen, wenn das Wohnungseigentumsgesetz oder eine Vereinbarung ihnen eine Entscheidung durch Beschluss erlauben.

Von Gesetzes wegen besteht keine Beschlusskompetenz, die persönliche Leistungs – und/oder Unterlassungspflicht eines Wohnungseigentümers (BGH NJW 2015, 549; 2014, 2861; 2012, 1724; 2011, 1220; 2010, 2801; grundlegend NZM 2010, 285) oder eines Dritten (vgl. LG Dresden ZWE 2013, 97) zu begründen. Gemeint ist damit eine Pflicht, etwas zu tun, wie etwa die Auferlegung einer Räumung der Kammer durch die Klägerin. Es besteht ein Belastungsverbot (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 23 Rn: 7, 8).

Fehlt den Wohnungseigentümern für einen Beschlussgegenstand eine Beschlusskompetenz, ist der entsprechende Beschluss nichtig (vgl. BGH NJW 2019, 1673 Rn. 5; NZM 2018, 905 Rn. 10; NJW 2018, 1254 Rn. 6).

Die Klägerin wendet hier zu Recht darüber hinaus ein, dass dem Verwalter unberechtigterweise die Befugnis zur Räumung übertragen wird. Auch dazu fehlt den Eigentümern die Kompetenz. Es ergibt sich aus dem Wortlaut – entgegen der Ansicht der Beklagten – indes nicht, dass dies nur der Vorbereitung einer gerichtlichen Entscheidung dienen soll.

Denn im Wortlaut ist eindeutig von einer Beauftragung eines Fachunternehmens die Rede und nicht von weiteren rechtlichen Schritten.

Auch der Beschluss zu Top 12 war für nichtig zu erklären, weil der zu unbestimmt war.

Der Inhalt eines Beschlusses muss klar und bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Ob dies der Fall ist, ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt muss dem Beschluss selbst zu entnehmen sein.

Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer Bezug auf einen bestimmten Gegenstand, so erfordert das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass der betreffende Gegenstand mit hinreichender Sicherheit bestimmbar ist (vgl. Bärmann/Merle, Kommentar zum WEG, 14. Auflage, § 23 Rn. 54). Ist ein Beschluss unvollständig, unklar, widersprüchlich oder unbestimmt, ist er nach herrschender Meinung (vgl. Hügel/Elzer, Kommentar zum WEG, 3. Aufl., § 23 Rn 144 m.w.N.) anfechtbar oder nichtig. Dabei ist zu unterscheiden, ob noch ein durchführbarer Regelungsinhalt besteht (Anfechtbarkeit) oder nicht (Nichtigkeit). Dem Beschluss fehlt es vorliegend an der erforderlichen Bestimmtheit insgesamt, sodass er für nichtig zu erklären war.

Der Beschluss beinhaltet eine Rückbau sämtlicher ungenehmigter baulicher Veränderungen im Gemeinschaftseigentum und der Wohneinheit Nr. 1 und die beinhaltet sämtliche Elektro-, Frischwasser- und Abwasserleitungen vom Gemeinschaftseigentum in das Sondereigentum. Dies könnte zur Folge haben, dass die Wohneinheit Nr. 1 überhaupt keine Leitungen mehr für Versorgungen hätte. Denn es bleibt unklar, ob dort teilweise noch ein Zustand gemäß der ursprünglichen Bauausführung vorhanden ist. Die Eigentümer müssen sich fragen lassen, ob sie die Wohneinheit daher insgesamt mit neuen Leitungen versorgen lassen wollen oder ob nur teilweise ein Rückbau erfolgt. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie keine Kenntnis von den ungenehmigten Umbauten hat. Fehlen ihr Informationen, muss sie den jeweiligen Verursacher hier auf Auskunft in Anspruch nehmen.

Entsprechendes gilt für den Beschluss zu Top 13, § 139 BGB. Auch hier kann dem Beschluss nicht entnommen werden, welche Veränderungen hier im Einzelnen gemeint sind. Dabei war dieser Beschluss nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht nichtig, sondern lediglich ungültig, weil er lediglich die Durchsetzung des Rückbaus ungenehmigter Umbauten betraf. Bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Rückbau kann zumindest als Vorstufe eine Auskunftsklage in Betracht kommen.

Der weitere Feststellungsantrag bezüglich der Versammlung vom 28.06.2021 war begründet.

Die ursprüngliche Klage war zulässig und begründet und hat sich nach Rechtshängigkeit erledigt.

Der Beschluss zu TOP 2 vom 28.06.2021 war formell unwirksam und wäre für ungültig zu erklären gewesen.

Die Ladungsfrist nach § 24 WEG war unstreitig nicht eingehalten. Eine besondere Dringlichkeit bezüglich der Balkone hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Der Mangel war auch vorliegend kausal, die Klägerin und auch der Eigentümer ……… war nicht anwesend.

Die Kausalität eines formellen Beschlussmangels für das Beschlussergebnis wird widerlegbar vermutet, so dass eine Ungültigerklärung dann ausscheidet, wenn mit Sicherheit, nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der jeweilige Beschluss auch bei ordnungsmäßigem Verfahren ebenso gefasst worden wäre.

Die beklagten Wohnungseigentümer und der Verwalter haben vorliegend indes nicht dargelegt, dass das Beschlussergebnis hierauf nicht beruht.

Die Klage ist im Übrigen bezüglich der Anfechtung der Beschlüsse zu Top 8 und 9 jedoch unbegründet. Die Beschlüsse sind formell und materiell wirksam.

Die Einberufungsfrist soll gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG grundsätzlich mindestens drei Wochen betragen.

Es handelt sich dabei um eine Sollvorschrift; sie bezweckt, das Teilnahmerecht eines jeden Wohnungseigentümers sicherzustellen. Wird die Frist nicht eingehalten, kann eine Ungültigerklärung der in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse gem. § 44 WEG allein aus diesem Grunde nicht erfolgen.

Vielmehr muss der Mangel auch ursächlich für die Beschlussfassung geworden sein. Ist der Mangel ursächlich für die Beschlussfassung, ist der Beschluss auf Anfechtung für ungültig zu erklären, es sei denn, es steht mit Sicherheit fest, dass er auch ohne den Mangel ebenso gefasst worden wäre. Sind trotz Verstoßes gegen die Ladungsfrist alle Wohnungseigentümer erschienen oder vertreten, ist der Mangel in der Regel nicht ursächlich für die Beschlussfassung. Vorliegend war lediglich der Eigentümer ……… nicht anwesend und im Übrigen alle anderen vor Ort oder vertreten, auch die Klägerin. In Bezug auf den Beschluss zu Top 8 und auch den zu Top 9 vermag die fehlende Anwesenheit dieses einen Eigentümer an dem Mehrheitsbeschluss nichts zu ändern, da sein Anteil von 259/1000 nicht zu einer Ablehnung der Beschlüsse (mehrheitlich mit 611 zu 130 beschlossen) geführt hätte.

Im Übrigen stand den Eigentümern ein Ermessen hinsichtlich der Nutzung der Flurkammer und auch der Kündigung gegenüber der Klägerin dieser zu. Die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums richtet sich nach § 18 WEG. Dass die Kammer im Sondereigentum der Klägerin steht, hat diese weder substantiiert vorgetragen noch unter hinreichenden Beweis gestellt. Im Übrigen widerspricht auch die Beschlussfassung vom 05.10.2020 sowie die Teilungserklärung , Bl. 31 ff. d.A., eindeutig der Einordnung als Sondereigentum. In der Teilungserklärung selbst sind nur Kellerräume dem Sondereigentum zugewiesen (vgl. Bl. 47 d.A.) und in der Anlage zur Teilungserklärung sind die Abstellräume/Flurkammern nicht als Sondereigentum gekennzeichnet (vgl. Bl. 56 ff. d.A. ).

Ermessensfehler sind vorliegend nicht erkennbar. Dies gilt für die Nutzung von Dachboden und Keller sowie auch für die weiteren Kammern. Ihnen stand eine ausreichende Grundlage für die Ausübung des Ermessens zur Verfügung, sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich.

In der Folge konnten die Eigentümer auch ihr Ermessen dergestalt ausüben, dass sie den Mietvertrag gemäß Beschluss zu Top 9 kündigen. Aus dem Beschluss zu Top 4 in der Versammlung vom 05.10.2020 ergibt sich hier eindeutig, dass eine Vermietung an die Klägerin erfolgte – diese hieß zuvor ………. Soweit die Beklagte dies bestreitet, ist dies offensichtlich widersprüchlich zu der vorbenannten Beschlussfassung.

Weiterer substantiierter Vortrag fehlt hier beklagtenseits, ihr Bestreiten ist daher unbeachtlich.

Ein schriftlicher Mietvertrag nebst vereinbarter Kündigungsfrist liegt nicht vor zwischen der Klägerin und der Beklagten. Die Beklagte konnte diesen Mietvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen kündigen.

Die Klägerin rügt vorliegend zutreffend, dass die im Beschluss benannte Kündigungsfrist nicht zutreffend ist.

Die Kündigung des Raums, der kein Geschäftsraum ist, richtet sich nach § 580a Abs. 1 BGB und beträgt aufgrund der vereinbarten Jahresmiete drei Monate. Dies tangiert die Wirksamkeit des Beschlusses nach Auffassung des Gerichts indes nicht. Denn der Beschluss ist vorliegend dahingehend auszulegen, dass der nächstmögliche Zeitpunkt, wie auch wörtlich benannt im Beschlusstext, maßgeblich ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.421,10 EUR festgesetzt.

Dabei hat das Gericht entsprechend der Klageerwiderung vom 15.12.2021 zu Top 9 und 8 jeweils 90 EUR als Jahresmiete, zu Top 12 2.000,00 EUR und zu Top 2 22.241,10 EUR berücksichtigt. Für die weiteren Tops 10 und 13 hat das Gericht einen jeweiligen Betrag von 500,00 EUR geschätzt.

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