Skip to content
Menü

WEG – formularmäßiger Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit im Verwaltervertrag

LG Frankfurt – Az.: 2-13 S 94/19 – Urteil vom 20.02.2020

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 15.05.2019 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Klage bezüglich des TOP 2.2 der Versammlung vom 23.05.2018 abgewiesen wurde. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.05.2018 zu TOP 2.2 wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien bilden eine WEG. Soweit für das Berufungsverfahren relevant, haben die Kläger die Beschlussfassung zu TOP 2.2 bezüglich der Entlastung der Hausverwaltung der ETV vom 23.05.2018 angefochten.

Die Kläger haben – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse – die Ansicht vertreten, dieser Beschluss widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, da Schadensersatzansprüche gegen die Verwalterin betreffend das Wirtschaftsjahr 2017 in Betracht kämen. Im Rahmen einer ETV im Jahre 2017 habe sie zwei unbestimmte Beschlüsse fassen lassen. Diese Beschlüsse seien angefochten worden, nach Beschlussaufhebung im Wege des gerichtlichen Vergleichs … seien die Kosten gemäß § 91a ZPO gegeneinander aufgehoben worden. Insofern kämen Ersatzansprüche betreffend die Prozesskosten in Betracht.

Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgen, soweit das Amtsgericht der Klage nicht bereits stattgegeben hat. …

II.

Die Berufung hat Erfolg. Der Entlastungsbeschluss zu TOP 2.2 der ETV vom 23.05.2018 entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Die Entlastung ist eine Erklärung der Sondereigentümer, dass sie die Ausführung der Verwaltertätigkeit betreffend einen bestimmten Zeitraum billigen (vgl. nur Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten WEG § 28 Rn. 241). Sie bewirkt daher als negatives Schuldanerkenntnis, dass den Sondereigentümern keine Ansprüche gegen den Verwalter zustehen, die bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren (Niedenführ/Vandenhouten WEG § 28 Rn. 376). Ein Entlastungsbeschluss widerspricht daher dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten (BGH ZMR 2010, 300; BGHZ 156, 19). Soll über die Entlastung trotz womöglich bestehender Ansprüche gegen den Verwalter beschlossen werden, ist demzufolge ein einstimmiger Beschluss gem. § 21 Abs. 1 erforderlich; ein Mehrheitsbeschluss ist anfechtbar (Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 28 Rn. 199; Riecke/Schmid/Abramenko § 28 Rn. 184; jew. mwN). Als hinreichenden Grund eine Entlastung zu verweigern, sieht der BGH bereits eine unzureichende Erstellung der Jahresabrechnung an (BGH ZMR 2010, 300).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe kommen Ansprüche gegen die Verwalterin für den von der Entlastung betroffenen Zeitraum in Betracht, so dass der Entlastungsbeschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Soweit die Verwalterin allerdings angefochtene Beschlüsse bereits umgesetzt hat, kann ihr hieraus – entgegen der Auffassung der Klägerin – kein Vorwurf gemacht werden, der zu einer Schadensersatzpflicht führen kann. Zu einer derartigen Umsetzung war sie vielmehr sogar verpflichtet (§§ 23 Abs. 4 S. 2, 27 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WEG). Eine Nichtigkeit der durchgeführten Beschlüsse ist nicht ersichtlich.

Ersatzansprüche kommen aber im Hinblick auf die Beschlussfassungen im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 11.05.2017 in Betracht, die Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens waren, welches zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entlastung noch lief und letztlich mit einer Kostenaufhebung nach Aufhebung der gefassten Beschlüsse im Vergleichswege endete.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2019, 3446) kann ein Anfechtungsverfahren zu Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter führen. Ein derartiger – eigener – Anspruch der WEG kann etwa dann bestehen, wenn das Verbandsvermögen – wie üblich – für die Prozessfinanzierung benutzt wird (BGH aaO Rn. 10).

Ob die Beschlüsse der Versammlung vom 11.05.2017 nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprachen, kann hier offenbleiben, denn dies ist im Prozess über den Schadensersatzanspruch zu klären (vgl. nur Niedenführ aaO § 28 Rn. 383). Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist insoweit auch ohne Relevanz, dass die Kammer in der Kostenentscheidung im Anfechtungsverfahren dem Verwalter nicht nach § 49 Abs. 2 WEG Kosten auferlegt hat. Dies bereits deshalb nicht, weil die Entscheidung des Gerichts von § 49 Abs. 2 WEG abzusehen, nicht in materielle Rechtskraft erwächst und daher der Anspruch nicht aberkannt wird (BGH WuM 2010, 643), zudem ist im Regelfall bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO für die Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG kein Raum (BGH WuM 2016, 704; Kammer ZMR 2014, 473).

Jedenfalls wurde durch die bei der ETV 11.05.2017 gefassten Beschlüsse eine Anfechtungsklage hervorgerufen, welche zu der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO führte. Hiernach wurden die Kosten des Rechtsstreits hälftig geteilt. Damit kommt eine Pflichtverletzung der Verwalterin, die Verfahrenskosten ausgelöst hat, in Betracht, denn die Beschlussfassung die unter anderem aufgrund mangelnder Bestimmtheit und fehlender Vergleichbarkeit der Angebote angefochten wurde, beruht auf einen Beschlussvorschlag der Verwalterin. Insoweit hat der Verwalter die Pflicht, die Wohnungseigentümer in die Lage zu versetzen, einen sachgerechten Beschluss zu fassen (vgl. jüngst BGH ZWE 2020, 44 Rn. 9). Hierzu gehört jedenfalls eine Formulierung eines hinreichend bestimmten Beschlusses sowie die erforderliche Vorbereitung der Eigentümer (etwa durch Unterbreitung vergleichbarer Angebote). Daher kommen insoweit Pflichtverletzungen der Verwalterin in Betracht.

Diese wären auch schadensursächlich. Insofern ist unerheblich, dass das Anfechtungsverfahren durch einen Vergleich beendet wurde. Die Verteilung der Kosten erfolgte durch gerichtliche Entscheidung. Auch kann in dem Vergleichsschluss, welche die gerichtliche Entscheidung bedingte, keine Unterbrechung des Kausalverlaufes gesehen werden. Durch das pflichtwidrige Verhalten der Verwalterin wurde der Rechtsstreit und letztlich die genannte Kostenentscheidung herausgefordert (vgl. zur Zurechnung BGH, Urteil vom 8.9.2016 – IX ZR 255/13 = NJW-RR 2017, 566). Insbesondere kann der Vergleichsschluss daher als eine dem Verwalterhandeln zurechenbare Reaktion der Eigentümer angesehen werden.

Letztlich kommt es allerdings auf die Beendigung des Anfechtungsverfahrens gar nicht an, denn maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung (vgl. nur LG Itzehoe ZMR 2016, 728). Zu diesem Zeitpunkt lag eine rechtskräftige Entscheidung über die Beschlussanfechtung nicht vor. Damit war für die Eigentümer bei der Beschlussfassung unklar, ob die Klage Erfolg haben wird, so dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt für die Eigentümer aufgrund des laufenden Anfechtungsverfahrens Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kamen. In einem derartigen Fall bedarf ein Verzicht auf Ansprüche indes besonderer Umstände, die nicht ersichtlich sind.

Eine Haftung der Verwaltung ist auch nicht, wie nun erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen wird, aufgrund § 5 des Verwaltervertrages ausgeschlossen, der vorsieht, dass die Verwaltung nur für Schäden wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet.

Soweit die Beklagten insoweit einen Vertrag von 1999 vorlegen, erscheint zweifelhaft, ob dieser noch das aktuelle Vertragsverhältnis betrifft. Aber auch dies kann dahinstehen, denn formularmäßig kann im Verwaltervertrag die Haftung für leichte Fahrlässigkeit nicht vollständig ausgeschlossen werden. Generelle Freizeichnungsklauseln für einfache Fahrlässigkeit sind bereits nach § 309 Nr. 7 BGB bzw. § 11 Nr. 7 AGBG a.F. unwirksam. Dies bereits deshalb, weil in der Klausel keine Ausnahme für Körper- und Gesundheitsschäden vorgesehen ist (vgl. nur BGH NJW-RR 2015, 738; Ulmer/Brandner/Hensen/Christensen, AGB-Recht, § 309 Nr. 7 Rn. 27 mwN). Letztlich kommt es aber auch hierauf in diesem Verfahren nicht an, denn der Entlastungsbeschluss entspricht bereits bei einer– wie hier – gegebenen objektiven Pflichtverletzung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, auf ein Verschulden kommt es nicht an (Niedenführ aaO § 28 Rn. 383 mwN).

Nach alledem war auf die Berufung auch der Entlastungsbeschluss für ungültig zu erklären.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49a GKG.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!