AG Hamburg-St.Georg – Az.: 980b C 19/22 WEG – Beschluss vom 26.08.2022
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,00 Euro.
Zusammenfassung:
Der Eigentümer einer Mietwohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte die Genehmigung für die Installation einer Ladestation für Elektroautos, die auf einer Gemeinschaftsversammlung einstimmig erteilt wurde. Die Verwaltungsgesellschaft der Gemeinschaft teilte dem Eigentümer jedoch anschließend mit, dass die Genehmigung ungültig sei, und verlangte, dass die Installation gestoppt wird. Der Eigentümer beantragte eine einstweilige Verfügung, um die Verwaltungsgesellschaft zu zwingen, die Installation zuzulassen, und berief sich dabei auf die finanzielle Belastung, die seinem Mieter durch das Fehlen von Lademöglichkeiten entsteht. Das Gericht lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach den neuen Rechtsvorschriften alle rechtlichen Schritte zur Durchsetzung der Beschlüsse der Gemeinschaft gegen die Gemeinschaft als Ganzes und nicht gegen die Verwaltungsgesellschaft gerichtet werden müssen. Selbst wenn der Antrag zulässig wäre, bestand nach Ansicht des Gerichts kein unmittelbarer Bedarf an einer einstweiligen Verfügung, da der geltend gemachte finanzielle Schaden indirekt sei und somit nicht die Kriterien für ein dringendes rechtliches Eingreifen erfülle.
Gründe:
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Vollzug eines Beschlusses, hat keinen Erfolg. Es besteht schon kein Verfügungsanspruch gegen die Antragsgegnerin als Verwalterin der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (b). Im Übrigen ist kein Verfügungsgrund gegeben, weil der Erlass der einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorwegnehmen würde (c).
a) Der Antragsteller ist Eigentümer einer Teileigentumseinheit, die er an eine Hebammenpraxis vermietet hat, und Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer…, deren Verwalterin die Antragsgegnerin ist. Auf der Eigentümerversammlung vom 23.11.2021 wurde zu TOP 7.1. einstimmig folgender – bestandskräftig gewordener – Beschluss gefasst: „Die Eigentümergemeinschaft beschließt dem [Antragsteller] die Genehmigung zur Aufstellung einer Ladestation/Wallbox auf eigene Kosten zu erteilen, unter der Voraussetzung das die Eigentümergemeinschaft vorab detailliert über die Installation informiert wird und keine Beeinträchtigung der Stromversorgung für die Gemeinschaft eintritt. Die Eigentümergemeinschaft erhält ein Mitspracherecht bei der Installation (Leerrohre für die Verkabelung etc.). Zudem muss gewährleistet sein, dass die Montage kompatibel mit den Parkliften ist.“ (vgl. Protokoll, Anlage K2). Der Antragsteller holte ein Angebot für die Installation einer Ladestation ein (Anlage K4). Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.06.2022 (Anlage K5) wurde dem Antragsteller auf seine Anfrage hin ein Termin für die „angekündigte Montage bzw. Installation einer Standsäule/Wallbox“ am 07.07.2022 in der Zeit ab 07:00 Uhr genehmigt. Für weitere Tage, die die Arbeiten in Anspruch nehmen sollten, bat die Antragsgegnerin um detaillierte Beschreibung, um mit den Eigentümern etwa das Freihalten von Stellplätzen abzusprechen. Mit den entsprechenden Arbeiten wurde am 07.07.2022 begonnen, sie konnten aber nicht fertiggestellt werden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.08.2022 (Anlage K6) wandte sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an den Antragsteller und forderte diesen auf, jegliche Arbeiten an der Installation der Ladestation unverzüglich einzustellen und sie unverzüglich und vollumfänglich über die zu errichtende Ladestation durch Vorlage der Planung und Angebote zu informieren. Ferner wurde der Antragsteller aufgefordert, jegliche Installation und geschaffene Einrichtungen zurückzubauen, die gegen ihre berechtigten Interessen verstoße würden. Ein Zugriff auf den Sicherungskasten der Gemeinschaft wurde dem Antragsteller untersagt. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Beschluss zu TOP 7.1 vom 23.11.2021 an eine aufschiebende Bedingung geknüpft sei, weshalb dieser formell unwirksam sei und der Antragsteller daraus keine Rechte herleiten könne. Ferner werde der Gemeinschaft nach dem Inhalt des Beschlusses ein Informationsrecht zugesprochen und es sei Voraussetzung, dass mit der zu errichtenden Anlage keine Beeinträchtigung der gemeinschaftlichen Stromversorgung einhergehe. Diesen Anforderungen entspreche die geplante Anlage nicht. Zudem fehle es an der Kompatibilität mit weiteren geplanten Ladestationen für andere Eigentümer.
Der Antragsteller fragte bei der Antragsgegnerin per E-Mail vom 17.08.2022 als neue Termine für den Elektriker den 29.09.2022 sowie den 30.09.2022 an. Die Antragsgegnerin lehnte diese ab.
Der Antragsteller macht mit seinem am 25.08.2022 bei Gericht eingegangenem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin geltend, dass sich die geplante Ladestation in ihrer technischen Umsetzung vor Ort als unproblematisch darstelle. Er habe einen Anspruch auf Umsetzung des Beschlusses vom 23.11.2021 zu TOP 7.1. Der Antragsgegnerin sei der Inhalt der Planungen bekannt und sie habe Gelegenheit zur Prüfung derselben gehabt. Es sei auch unerheblich, dass die Arbeiten nicht von dem Unternehmen ausgeführt würden, bei dem das – von der Antragsgegnerin genehmigte – Angebot eingeholt worden sei. Es dränge sich für ihn der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die Umsetzung des Beschlusses in rechtswidriger Ansprache mit Teilen der Gemeinschaft blockiere. Er habe auch keinen ungehinderten Zugang zum Zählerraum und den Kabelrohren. Es bestehe auch eine Eilbedürftigkeit. Seine Mieterin, die Hebammenpraxis, habe bereits vor längerer Zeit mehrere Elektrofahrzeuge angeschafft, die derzeit zu deutlich höheren Preisen nur an öffentlichen Lademöglichkeiten geladen werden könnten. Dies stelle eine erhebliche finanzielle Belastung seiner Mieterin dar und die Benutzung ihrer Fahrzeuge sei nur eingeschränkt möglich, so dass eine Betriebsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne. Über Monate habe er bzw. sein anwaltlicher Vertreter vergeblich versucht, eine Klärung der Angelegenheit mit der Antragsgegnerin zu erreichen. Für seine Mieterin bestehe allerdings dringender Behandlungsbedarf bzw. gebe es Notfälle von erheblicher Wichtigkeit, weshalb die Umsetzung des Beschlusses und die Schaffung der Lademöglichkeit ohne Verzug nötig sei.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, umgehend den Beschluss der ordentlichen Eigentümerversammlung 2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft .-21, 2… H. vom 23.11.2021, TOP 7, 7.1, betreffend die Genehmigung zu seinen Gunsten zur Aufstellung einer Ladestation umzusetzen bzw. die Umsetzung zu ermöglichen und hierfür den ausführenden Handwerkern am 29.09.2022 und am 30.09.2022, jeweils von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr, u.a. Zugang zu dem Zählerraum des auf dem Grundstück .H., belegenen Gebäudes (Kellergeschoss, am Treppenabgang rechts) sowie den Kabelrohren zu gewähren.
b) Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin kein Verfügungsanspruch i.S.d. §§ 935, 940 ZPO zu. Sein Begehren ist auf den Vollzug des Beschlusses vom 23.11.2021 zu TOP 7.1. gerichtet, also auf die Umsetzung der Genehmigung zur „Aufstellung einer Ladestation/Wallbox“. Zwar kann jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Durchführung bzw. Vollzug eines Beschlusses zustehen, dieser ist aber nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage infolge des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl. I 2020, 2187) jedenfalls gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verband und Träger der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (s. § 18 WEG) zu richten, nicht (mehr) gegen deren Verwaltung; diese ist (lediglich) Vollzugsorgan der Gemeinschaft, weswegen sie auch nur von ihr im Wege einer Leistungs- oder Unterlassungsklage in Anspruch genommen werden kann, nicht aber unmittelbar von einzelnen Eigentümern (vgl. etwa Greiner, in: BeckOGK-WEG, § 27, Rn. 21; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, § 6, Rz. 521 f.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9, Rn. 108). Die anderslautende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. NJW 2018, 3305, 3308, Rz. 24 ff.) ist zur früheren Rechtslage ergangen und überholt.
Dahinstehen kann daher vorliegend, dass der Antragsteller das Bestehen seines Verfügungsanspruchs nicht in der gehörigen Form glaubhaft gemacht hat, also mit dem Eilverfahren zugelassenen (Beweis-)Mitteln (vgl. § 294 Abs. 2 ZPO) die Erfüllung der Voraussetzungen des Beschlusses vom 23.11.2021 zu TOP 7.1 belegt hat; der Verweis auf E-Mail-Verkehr etc. reicht dafür nicht.
c) Selbst wenn dem Antragsteller ein Verfügungsanspruch zustehen würde, fehlte es hier an einem Verfügungsgrund i.S.d. §§ 935, 940 ZPO. Es wird zwar vertreten, dass der einzelne Wohnungseigentümer bei einer pflichtwidrigen Weigerung der Verwaltung, einen Beschluss durchzuführen, gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer „notfalls eine einstweilige Verfügung erwirken“ könne (siehe Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, § 6, Rz. 522). Insoweit sind allerdings die allgemeinen Grundsätze des Eilrechtsschutzes zu beachten, insbesondere das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Eine Leistungsverfügung, wie sie der Antragsteller hier erstrebt, ist neben Fällen der Existenzgefährdung und Notlage des Antragstellers als Eilmaßnahme nur dann zulässig, wenn die geschuldete Handlung oder Leistung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht (mehr) möglich ist, das heißt, wenn ohne Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung anders nicht abwendbare Nachteile für den Antragsteller entstünden, ferner die Erwirkung eines Titels im Hauptsacheverfahren irreversible Fakten schaffen würde und der Verweis auf das ordentliche Verfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. nur AG Hamburg-St. Georg, B. v. 05.08.2021 – 980a C 25/21, ZMR 2021, 847 mit Verweis auf OLG Celle, NJW 2015, 711, 712, Rn. 11; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 940, Rn. 14). Diese recht strengen Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Der Antragsteller mag ein eigenes Interesse an der Umsetzung des in Rede stehendes Beschlusses haben, welches sich nach seinem Vortrag aber ohnehin im Wesentlichen nur daraus ergibt, dass seine Mieterin durch die Anschaffung von Elektrofahrzeugen und der fehlenden Lademöglichkeit vor Ort wirtschaftliche Nachteile zu fürchten habe. Diese bloß mittelbare Betroffenheit des Antragstellers reicht nicht aus, selbst wenn er mangels Umsetzung des Beschlusses (und eines möglichen Anspruches seiner Mieterin auf Schaffung der Lademöglichkeit) einen Schaden erleidet; in solchen Fällen ist der Antragsteller auf Sekundäransprüche zu verweisen. Eine Existenzgefährdung oder sonstige Notlage sind überdies auch nicht glaubhaft gemacht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Streitwertbestimmung aus § 3 ZPO.