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WEG – Genehmigung zur Dachterrassenerweiterung

AG Bonn – Az.: 210 C 44/21 – Urteil vom 01.04.2022

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Bonn auf die mündliche Verhandlung vom 18.02.2022 für Recht erkannt:

Der Beschluss zu TOP 9 aus der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 über die Beschlussfassung über die Erweiterung der Dachterrasse der Wohnung 7, Antrag des Miteigentümers N, wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnungseigentumseinheit im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft Istr. ………, ………… C. In der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 beantragte der Miteigentümer N, die Erweiterung seiner Dachterrasse zu beschließen.

Die Gemeinschaft fasste sodann folgenden Beschluss:

„TOP 9

Diskussion und eventuelle Beschlussfassung über die Erweiterung der Dachterrasse der Wohnung 7, Antrag des Miteigentümers N

Der Miteigentümer N hat die Erweiterung der Dachterrasse in Absprache und Genehmigung aller selbstnutzenden Eigentümer bereits umgesetzt. Der Nachbar Herr I hat beim Bauordnungsamt angefragt, ob es für die Maßnahme eine Baugenehmigung gibt. Daraufhin hat Hr. N einen Architekten beauftragt, die Genehmigung einzuholen. Hr. N teilte mit, dass ein Bauantrag eingereicht wurde, aber noch keine Baugenehmigung vorliegt.

Frau I hat beanstandet, dass sie weder in ein Umlaufverfahren einbezogen wurde noch von der Verwaltung über das Verfahren und die Baumaßnahme in Kenntnis gesetzt wurde. Herr N erwiderte, dass er ihr zwei persönliche Gesprächsangebote unterbreitet hat, die sie nicht wahrgenommen hat.

Frau I ist mit der Entscheidung der selbstnutzenden Eigentümer nicht einverstanden. Sie verwies darauf, dass mit der Terrassenerweiterung eine Nutzung der Dachfläche einhergeht, die bisher nicht gegeben war. Es sind dadurch z.B. Beeinträchtigungen der Bausubstanz, der Privatsphäre oder Geräuschbeeinträchtigungen zu befürchten, was insgesamt zu einer Verschlechterung gegenüber der bisherigen Wohnungssituation führt, Da die Terrassenerweiterung ausschließlich den Bereich über ihrer Wohnung betrifft, sieht sich Frau I im Vergleich zu den anderen Miteigentümern unbillig benachteiligt und wird eine Beschlussfassung durch das Gericht prüfen lassen. Dee Eheleute L, Frau X und Herr C waren grundsätzlich mit der Erweiterung der Terrasse einverstanden, fanden aber die von Hr. N installierte Pergola unpassend und baten darum, diese zu entfernen. Hr. N zeigte sich in der Sache gesprächsbereit.

„Beschlussantrag: Die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt die Erweiterung der Dachterrasse. Die Genehmigung durch die Verwaltung kann den Miteigentümern erteilt werden, wenn die folgenden Vorgaben erfüllt werden: Vor Genehmigung durch die Verwaltung ist eine Baugenehmigung vorzulegen. Die Installation erfolgt auf Veranlassung des Sondereigentümers zu dessen Lasten. Für die Erweiterung der Dachterrasse ist eine Beseitigung des vorhandenen Kieses erforderIich. Die Erweiterung der Dachterrasse hat sach- und fachgerecht durch ein Fachunternehmen unter größtmögIicher Schonung des gemeinschaftlichen Eigentums, hier insbesondere die Abdichtung der Dachfläche, zu erfolgen. Die Erweiterung der

WEG - Genehmigung zur Dachterrassenerweiterung
(Symbolfoto: Procreators/Shutterstock.com)

Dachterrasse ist der Verwaltung durch Einreichung einer Rechnungskopie nachzuweisen. Der Eigentümer bzw. Rechtsnachfolger ist verpflichtet, die Installation jeweils ordnungsgemäß instand zu halten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, entweder im Wege der Ersatzvornahme das Erforderliche veranlassen oder aber den Rückbau und die ordnungsgemäße Wiedererrichtung des ursprünglichen Zustandes verlangen. Der jeweilige Eigentümer haftet für jegliche Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum. welche auf die Erweiterung der Dachterrasse, die mangelnde Instandhaltung und Instandsetzung oder den laufenden Betrieb der Erweiterung der Dachterrasse zurückzuführen sind. Diese Haftung ist völlig unabhängig von einem etwaigen Verschulden des jeweiligen Eigentümers, sondern allein durch das zusätzliche Risiko der Erweiterung der Dachterrasse selbst begründet. Die Eigentümergemeinschaft beschließt folgende Kostenregelung: Bei künftigen durch die Eigentümergemeinschaft veranlassten Modernisierung9maßnahmen (zum Beispiel: Reparatur oder Sanierung der Dachfläche) sind die Kosten, die ausschließlich auf die nachträglich angebrachten baulichen Veränderungen zurückzuführen sind, von den jeweiligen Sondereigentümern zu tragen. (hier z. B,: Entfernung der Erweiterung der Dachterrasse) Durch die Eintragung in die Beschlusssammlung, die auch für einen Nachfolgeeigentümer abrufbar ist, wird diese Kostenregelung auch wirksam für zukünftige Eigentümer

Ja-Stimmen 6

Nein-Stimmen 1

Antrag angenommen und verkündet“

Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten sowie des Balkons und der Terrasse wird auf die in der Akte enthaltenen Fotografien Bezug genommen. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung im 2. Obergeschoss. Im 3. Obergeschoss befindet sich die Einheit des Miteigentümers N. Dieser möchte den Bereich oberhalb des Balkons als Terrasse nutzen und hat diesen mit Holzplanken belegt. Ursprünglich war dieser Bereich mit Kieseln befüllt.

Die Klägerin trägt vor, dass es üblich und Teil der Bauvorschriften sei, dass verschiedene Terrassen und Balkonflächen entweder identisch übereinander liegen, so dass man sich gegenseitig nicht einsehen kann, oder sie in der Art am Gebäude angeordnet (Sichtschutzwände/ Zurückversetzten/auf die Gebäudeseiten verteilen) werden, dass so viel Privatsphäre wie möglich erhalten bleibe.

Sie ist der Auffassung, dass ein positives Beschluss-Ergebnis nicht hätte verkündet werden dürfen, da die Klägerin dagegen gestimmt habe. Zudem verstoße er gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Es handele sich um eine bauliche Veränderung. Es handele sich weder um eine privilegierte bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 2 WEG noch handele es sich um eine unwesentliche bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 3 WEG. Hier liege ein erheblicher Eingriff in das Gemeinschaftseigentum und eine deutliche starke Veränderung des Bildes der Wohnanlage vor. Vor allem jedoch würden die Rechte der Klägerin durch die Erweiterung der Dachterrasse erheblich beeinträchtigt. Die Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG seien also überschritten. Entgegen der Üblichkeit solle hier nämlich eine Dachterrasse so gestaltet werden, die von oben uneingeschränkt Einblick auf den Balkon der Einheit der Klägerin entstehen wird. Es werde zu einer Belästigung in dieser Hinsicht kommen, ebenso wie zu einer erheblicheren und größeren Lärmbeeinträchtigung. Bei der begehrten Terrassenerweiterung handele es sich ausschließlich um eine Veränderung zugunsten des Herrn N mit der Folge, dass die Einheit der Klägerin durch die geplante Terrasse überdurchschnittlich gegenüber den anderen Eigentümern beeinträchtigt und unbillig benachteiligt werde. Dies ergebe sich aus der unmittelbaren Nähe der Maßnahme, die sich über den gesamten Wohnungsbereich erstrecke. Die auf den Bildern erkennbare Nutzung des Dachbereichs spiele sich nicht nur über dem Balkon der Klägerin ab, sondern betreffe auch die überbauten Teile ihres Wohn- und Schlafzimmers. Neben der dadurch entstehenden Einschränkung der Privatsphäre würden auch Geräusch- und sonstige Immissionen und Schäden auf mehrere Teile der Wohnung der Klägerin wirken. Schließlich dient die Maßnahme auch nicht dem Wohl der Eigentümergemeinschaft, sondern ist lediglich eine „Luxusmaßnahme“, um eine bereits bestehende Terrasse zu erweitern.

Des Weiteren sei der Beschluss an sich unbestimmt. Dies habe damit zu tun, dass auf der Fotografie erkennbar sei, dass bereits Bereiche okkupiert und mit Holzdielen belegt seien. In keiner Weise werde eine solche Dachterrasse ohne Außenbegrenzung (Geländer) durch eine Behörde genehmigt werden, so dass davon auszugehen sei, dass hier noch Geländer beantragt werden und zu befestigen seien, da ansonsten eine Gefahr für jeden Nutzer der Terrasse bestünde. Der jetzige Zustand sei außerordentlich gefährlich. Des Weiteren sei hier festzuhalten, dass der Kiesbereich eines Dachs mit Holzpaneelen bedeckt wurde, ohne dass irgendeine Stellungnahme eines Sachverständigen vorliege, ob diese Kiessteine und dieser Bereich zur Entwässerung des Grundstücks benötigt werden. Der Beschluss sei unbestimmt, weil die Maßnahme an sich in keiner Weise konkret beschrieben sei. Das Endergebnis sei nicht erkennbar.

Des Weiteren verstoße der Beschluss der Genehmigung gegen die ordnungsgemäße Verwaltung dadurch, dass Bereiche, welche der Dachentwässerung dienten, durch Kieselsteine entfallen und nicht fachgerecht umgebaut werden. Durch die gewünschte Maßnahme des Herrn N werde die Unversehrtheit des Gebäudes gefährdet. Die Maßnahme, welche hier bereits erkennbar ist, ist nicht fachgerecht durchgeführt und gefährdet die Bausubstanz. Auch sei es so, dass hier ein Widerspruch im Text existiere. Einerseits bestätige die Wohnungseigentümergemeinschaft die Erweiterung der Terrasse und genehmige sie, andererseits soll die Genehmigung von Voraussetzungen abhängen, welche die Verwaltung noch prüfen soll. Zudem sei auch die Belastung eines Rechtsnachfolgers durch diesen Beschluss unwirksam. Beschlüsse könnten nicht zu Lasten Dritter getroffen werden

Die Klägerin beantragt, den Beschluss unter TOP 9 aus der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 über die Beschlussfassung über die Erweiterung der Dachterrasse der Wohnung 7, Antrag des Miteigentümers N, der wie folgt lautet:

„Die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt die Erweiterung der Dachterrasse. die Genehmigung durch die Verwaltung kann den Miteigentümern erteilt werden, wenn die folgenden Vorgaben erfüllt werden:

Vor Genehmigung durch die Verwaltung ist eine Baugenehmigung vorzulegen. Die Installation erfolgt auf Veranlassung des Sondereigentümers zu dessen Lasten. Für die Erweiterung der Dachterrasse ist eine Beseitigung des vorhandenen Kieses erforderlich. Die Erweiterung der Dachterrasse hat sach- und fachgerecht durch ein Fachunternehmen unter größtmöglicher Schonung des gemeinschaftlichen Eigentums, hier insbesondere die Abdichtung der Dachfläche, zu erfolgen. Die Erweiterung der Dachterrasse ist der Verwaltung durch Einreichung einer Rechnungskopie nachzuweisen. Der Eigentümer bzw. Rechtsnachfolger ist verpflichtet, die Installation jeweils ordnungsgemäß instand zu halten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, entweder im Wege der Ersatzvornahme das Erforderliche veranlassen oder aber den Rückbau und die ordnungsgemäße Wiederherrichtung des ursprünglichen Zustandes verlangen. Der jeweilige Eigentümer haftet für jegliche Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum, welche auf die Erweiterung der Dachterrasse, die mangelnde Instandhaltung und Instandsetzung oder den laufenden Betrieb der Erweiterung der Dachterrasse zurückzuführen sind. Diese Haftung ist völlig unabhängig von einem etwaigen Verschulden des jeweiligen Eigentümers, sondern allein durch das zusätzliche Risiko der Erweiterung der Dachterrasse selbst begründet. Die Eigentümergemeinschaft beschließt folgende Kostenregelung: Bei künftigen durch die Eigentümergemeinschaft veranlassten Modernisierungsmaßnahmen (zum Beispiel: Reparatur oder Sanierung der Dachfläche) sind die Kosten, die ausschließlich auf die nachträglich angebrachten baulichen Veränderungen zurückzuführen sind, von den jeweiligen Sondereigentümern zu tragen (hier z.B.: Entfernung der Erweiterung der Dachterrasse). Durch die Eintragung in die Beschlusssammlung, die auch für einen Nachfolgeeigentümer abrufbar ist, wird diese Kostenregelung auch wirksam für zukünftige Eigentümer.

für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass an den Balkonbereich eine weitere Dachfläche angrenze, welche mit Kies belegt war. Der Sondereigentümer habe den Kies entfernt, Steinplatten auf den Dachbereich aufgelegt und darauf einen begehbaren Holzboden verlegt, insoweit sei der begehbare Balkonbereich um weitere 14 m² erweitert worden. Diese Baumaßnahme sei bereits zu Beginn des Jahres 2021 in Absprache mit der Hausverwaltung durchgeführt worden. Man sei seinerzeit davon ausgegangen, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich sei. Es sei allerdings zu einer Anzeige eines weiteren Nachbarn bei der zuständigen Baubehörde. Der Eigentümer N sei dann aufgefordert worden, einen entsprechenden Bauantrag zu stellen. Man habe ihm allerdings signalisiert, dass die geplante Erweiterung der Nutzung baurechtlich unbedenklich sei. Der Sondereigentümer Manthey habe dann einen entsprechenden Antrag über einen Architekten beim zuständigen Bauamt stellen lassen. Das Bauamt habe angekündigt, die Baugenehmigung zu erteilen.

Die Baumaßnahme sei durch einen Fachunternehmer durchgeführt worden. Sie sei fachgerecht erstellt worden. Dies gelte insbesondere in Hinblick auf Abdichtung und Entwässerung. Die Entwässerung der Dachfläche erfolge wie bei der vorhandenen Dachfläche über eine Dachrinne. Sowohl die bauliche Durchführung als auch die Entwässerung sei daher ordnungsgemäß und fachgerecht hergestellt worden. Der Eigentümer N habe dann die übrigen Eigentümer um Zustimmung zu der baulichen Änderung gebeten. Alle selbstnutzenden Eigentümer hätten zugestimmt.

Auch die Mieter der Klägerseite, die die Baumaßnahme wahrgenommen und deren Fortschritt auch beobachten konnten, hätten Einwendungen nicht geäußert. Um die Angelegenheit wegen der Erforderlichkeit eines Beschlusses wohnungseigentumsrechtlich abzusichern, sei dieser Gesichtspunkt auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 gesetzt worden. Unter TOP 9 sei daher im Vorspann klargestellt worden, dass die hier streitige bauliche Maßnahme bereits umgesetzt worden sei, d.h. die Erweiterung des Balkonbereiches bereits vollständig hergestellt ist. Die Eigentümergemeinschaft habe mehrheitlich die Erweiterung der Dachterrasse, d.h. den Status quo genehmigt. Da eine baurechtliche Genehmigung noch nicht vorgelegen habe, sei die Genehmigung durch die Gemeinschaft unter einen nachträglichen Vorbehalt der Genehmigung durch die Verwaltung gestellt worden. Diese Genehmigung solle durch die Verwaltung dann erteilt werden, wenn die Baugenehmigung vorliege und die Rechnung über die durchgeführten Arbeiten vorgelegt werde. Die entsprechende Prüfung und Bewertung werde die Verwaltung nach Vorlage der Baugenehmigung durchführen.

Der Beschluss sei auch hinreichend bestimmt. Er bestätige den Status quo der baulichen Maßnahme, die gemäß dem Vorspann zum Beschlussantrag bereits umgesetzt sei. Soweit angebliche Widersprüchlichkeiten aufgezeigt würden, so bestünden diese tatsächlich nicht. Die Gemeinschaft wolle keine bauliche Maßnahme genehmigen, für die noch keine öffentlichrechtliche Genehmigung vorliege. Vor diesem Hintergrund sei die zusätzliche Genehmigung im Sinne einer auflösenden Bedingung durch die Verwalterin beschlossen worden, die unter konkret bestimmten Voraussetzungen (Vorlage der Rechnungskopie, Vorlage der Baugenehmigung) erteilt werden solle. Im Übrigen enthalte der Beschluss ausgewogene und klarstellende Regelungen zur Kostentragung und Freistellung der sonstigen Eigentümer von Zusatzkosten im Rahmen Instandhaltung und Instandsetzung.

In rechtlicher Hinsicht sei im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Systematik sich seit der Einführung des WEMoG in Hinblick auf positive Beschlüsse bei baulichen Veränderungen grundlegend geändert habe. Es bedürfe nun nicht mehr der Zustimmung aller beeinträchtigten Wohnungseigentümer oder gar eines „einstimmigen Beschlusses“. Die Mehrheit der Wohnungseigentümer könne sich nunmehr nach dem ausdrücklich bekundeten Willen des Gesetzgebers über die Belange des überstimmten Eigentümers. Anfechtbar sei daher im Beschluss über eine Gestattung baulicher Veränderungen bzw. die entsprechende Genehmigung nur noch dann, wenn eine der in § 20 Abs. 4 aufgeführten qualifizierten Beeinträchtigungen vorliege. Hiervon könne nicht ansatzweise ausgeglichen gegangen werden. Es komme daher zunächst, wie von Klägerseite vorgetragen werde, nicht darauf an, ob es sich um eine unwesentliche bauliche Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG handele. Es komme lediglich darauf an, ob die genehmigte bauliche Maßnahmen „die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig beteiligt“.

Zunächst behaupte die Klägerseite selbst nicht substantiiert, dass eine grundlegende Umgestaltung nach § 20 Abs. 4 WEG vorliege. Diese liege nur dann vor, wenn durch die bauliche Veränderung der Wohnanlage ein „neues Gepräge“ oder Gesicht gegeben werde. Vorliegend sei lediglich der vorher bestehende Kiesuntergrund in eine begehbare Balkonfläche ausgebaut worden. Eine erhebliche optische Änderung könne insoweit nicht ansatzweise angenommen werden.

Es sei auch keine unbillige Benachteiligung der Klägerin ersichtlich. Zunächst sei lediglich eine Erweiterung der bereits vorhandenen Terrassenfläche durchgeführt worden durch Veränderung des Bodenbelages. Die bereits vorhandene Grundfläche des Dachs sei nicht vergrößert worden. Die Gebäudestruktur habe sich nicht verändert. Auch der Kiesbelag war im Grunde begehbar, so dass sich zunächst im Hinblick auf die Einsichtsmöglichkeit keine erheblichen Änderungen ergeben. Was die Einsichtsmöglichkeit anginge, so vergesse die Klägerin vorzutragen, dass ihr Balkon mit einer Markise ausgestattet ist, so dass Privatsphäre jederzeit hergestellt werden könne. Der Balkon der Klägerin rage ca. 2 m heraus und sei ca. 1 m überbaut und daher von dem Eigentümer N nicht einsehbar. Es sei auch nicht ersichtlich, dass durch die bloße Vergrößerung der begehbaren Fläche anderweitige Immissionen entstehen könnten, die eine unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerseite darstellten. Die teilweise Ausdehnung der bereits vorhandenen begehbaren Terrassenfläche stelle keine unbillige Benachteiligung nach § 20 Abs. 4 WEG dar. Die Behauptung, der Balkon würde auch das Schlafzimmer der Klägerin überbauen, werde ausdrücklich bestritten und widerspreche den örtlichen Gegebenheiten. Auch die Behauptung, alle Balkone seien generell so gebaut, dass eine gegenseitige Einsicht nicht möglich ist, sei falsch. Die bauliche Situation sei vielmehr so, dass sehr wohl Einsichtsmöglichkeiten auf andere Sondereigentumseinheiten insbesondere den Balkonbereich bestünden. Dies werde durch die Erweiterung des begehbaren Bereichs der Dachterrasse des Sondereigentümers N nicht verändert. Es besteht auch eine Einsicht auf den Balkon der Klägerin vom Nachbarhaus aus. Durch die bauliche Maßnahme verändere sich daher die Wohn- und Nutzungssituation der Klägerin keinesfalls. Die bauliche Situation werde insgesamt eher verbessert, da eine bessere Entwässerung vorliege. Die „Kiesfläche“, welche teilweise vermoost und dauerhaft feucht sei und teilweise auch mit Wildbewuchs versehen sei, sei qualitativ nicht so hochwertig wie die vom Eigentümer N hergestellte Dachentwässerung. Durch die bauliche Maßnahme werde nicht ansatzweise der Wert des klägerischen Wohneigentums gesenkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist jedenfalls für ungültig zu erklären, da er zu unbestimmt ist. Da die Klägerin die Unbestimmtheit des angefochtenen Beschlusses während der Begründungsfrist vorgebracht hat, kann im Ergebnis auch dahinstehen, ob hieraus auch die Nichtigkeit des Beschlusses folgt, weil ihm eine durchführbare Regelung nicht entnommen werden kann.

1. Insoweit muss der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses, insbesondere wie ein Sonderrechtsnachfolger an die Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu könnten. Die Eigentümerbeschlüsse müssen „aus sich heraus“ auszulegen sein und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weitere erkennbar sind. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann (BGH, Urteil vom 08.04.2016, V ZR 104/15, Rn. 9). Soweit die Gemeinschaft die Erweiterung der Dachterrasse genehmigt hat, so ist der Beschluss zu unbestimmt, da nicht ersichtlich ist, welche konkreten Veränderungen hiermit genehmigt werden, insbesondere im Hinblick auf die optische Gestaltung der Dachterrasse wie etwa die Außenbegrenzung sowie auch das konkrete Ausmaß der Erweiterung. Insoweit wird die Erweiterung der Dachterrasse genehmigt, ohne konkret zu bezeichnen, welche Bereiche des Daches von dieser Genehmigung erfasst sein sollen. Dies ergibt sich zwar aus dem im Laufe des Verfahrens eingereichten Bauantrages, auf diesen wird jedoch im Beschluss nicht Bezug genommen und es ist insoweit auch nicht ersichtlich und seitens der Klägerin wurde auch unwidersprochen vorgetragen, dass dieser in der Versammlung nicht vorgelegen habe und diesbezüglich denklogisch auch nicht Gegenstand der Beschlussfassung der Gemeinschaft gewesen sein kann. Auch ist nicht hinreichend bestimmt, wie die Absicherung des Balkones gewährleistet werden soll, mithin welche konkreten Baumaßnahmen im Hinblick auf ein Geländer entfaltet werden sollen (vgl. zu der mangelnden Bestimmtheit eines Beschlusses hinsichtlich der Genehmigung eines Klimagerätes ohne dessen genaue Bezeichnung: AG Nürnberg, Urteil vom 15.03.2017, 30 C 6928/16). Dass die Gemeinschaft in dem Beschluss diese Entscheidung auf die Verwaltung delegiert hat, führt nicht dazu, dass der Beschluss hinreichend bestimmt ist, denn die grundlegende Entscheidung welche konkreten baulichen Maßnahmen ergriffen und genehmigt werden, obliegt allein der Gemeinschaft und nicht der Verwaltung.

2. Zudem ist der Beschluss auch deswegen unwirksam, weil es der Gemeinschaft an der Beschlusskompetenz fehlt. Die Dachflächen befinden sich im Gemeinschaftseigentum, ein Sondernutzungsrecht wurde dem Miteigentümer N hieran nicht eingeräumt. Soweit ein solches nicht besteht, unterliegt gemeinschaftliches Eigentum grundsätzlich dem Mitgebrauch aller Wohnungseigentümer. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der fragliche Teil des Gemeinschaftseigentums nach den örtlichen Verhältnissen von keinem anderen Wohnungseigentümer genutzt werden kann, denn insoweit wird die Fläche von den anderen Eigentümer als Dach genutzt. Diese Nutzung soll ihnen nicht entzogen werden, sie kann aber durch die vorgesehene zusätzlich Nutzung als Dachterrasse beeinträchtig werden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.11.1986, 8 W 581/85, Rn.12; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23.11.1999, 2Z BR 142/99). Insoweit wird dem Miteigentümer N den dem Bereich faktisch ein Sondernutzungsrecht eingeräumt, denn dieses schließt den Mitgebrauch der Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 1 S. 3 WEG dauerhaft aus (Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl. 2021, § 19 WEG, Rn. 23). Wesentliches Kriterium zur Abgrenzung ist dabei, ob der Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums entzogen und allein einem einzelnen Wohnungseigentümer zugewiesen wird (BGH, Beschluss vom 20.09.2000, V ZB 58/99). So liegt der Fall auch hier, denn die Fläche, die von der Terrasse / Balkon belegt wird, steht nicht mehr der Nutzung durch alle Eigentümer zur Verfügung. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Gemeinschaft ausdrücklich ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wird, sondern es ist entscheidend und ausreichend, dass einem Sondereigentümer durch Beschluss die Möglichkeit eingeräumt wird, auf Dauer im Gemeinschaftseigentum stehende Flächen unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu nutzen (LG Berlin, Beschluss vom 22.02.2019, 85 S 15/18, Rn. 5, m. w. N., zur Errichtung eines Gartenhauses). Die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes kann insoweit auch nicht durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung geschaffen werden, denn hierzu bedarf es einer Vereinbarung.

Hierin hat auch die Neufassung des § 20 WEG nichts geändert. Systematische Erwägungen zeigen – trotz des unbegrenzten Wortlautes – dass schon bisher anerkannte Grenzen der Beschlussmacht (Beschlusskompetenz) nicht entfallen sind, so dass durch den Beschluss über bauliche Veränderungen die Zuweisen zu Gemeinschafts- und Sondereigentum nicht geändert werden kann, sondern weiter einer Vereinbarung in Form einer Auflassung bedarf, oder auch der mehrheitsfeste Kernbereich des Sondereigentums nicht ohne Zustimmung des Betroffenen geändert werden kann (Hogenschurz, in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG Rn. 97 m. w. N.).

3. Insoweit kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob der Beschluss deswegen anfechtbar ist, weil er gegen die Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG verstößt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: Euro 8.000

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