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WEG – gerichtliche Einsetzung eines externen Verwalters

AG Hamburg-Harburg – Az.: 645 C 117/19 – Urteil vom 07.09.2020

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Beklagte zu 3) ermächtigt, die Versammlung der Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft …, mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Verwalterwahl“ einzuberufen.

3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 3) und 4) trägt die Klägerin 50 % allein und weitere 50 % mit der Beklagten zu 2) als Gesamtschuldnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 50 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

4. Der Streitwert wird auf 1.416,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft …. Das Wohnungseigentum der Beklagten zu 2) wird von den Eheleuten … bewohnt.

Ein Verwalter ist von der Wohnungseigentümergemeinschaft bisher nicht bestellt worden. Mit Schreiben vom 20.02. und 21.02.2019 (Anlage K 1) hat die Klägerin die übrigen Miteigentümer aufgefordert, eine Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen, um einen Verwalter zu bestellen. Mit Schreiben vom 02.03.2019 haben die Beklagten zu 1), 3) und 4) sowie die Eheleute … geantwortet, dass sie einen Kandidaten in Eigenverwaltung wünschen und aus diesem Grunde eine erste Eigentümerversammlung einberufen möchten, auf der die Wahl eines Verwalters Ordnungspunkt sein sollte (Anlage K 2).

Die Klägerin schlägt als Verwalter die … vor, die bereit ist, die Verwaltung durch die Bestellung durch das Gericht anzunehmen. Die Kläger legt neben dem Angebot der … zwei Vergleichsangebote vor.

Die Klägerin beantragt, die … vertreten durch den Geschäftsführer …, für die Dauer von zwei Jahren zur Verwalterin der Eigentümergemeinschaft …, für eine monatliche Verwaltervergütung von EUR 29,50 zzgl. Mehrwertsteuer je Wohneinheit zu bestellen.

Die Beklagten zu 1), 3) und 4) beantragen, die Klage abzuweisen und mit ihrer gegen die Klägerin und die Beklagte zu 2) gerichteten Widerklage zuletzt, den Beklagten zu 3) zu ermächtigen, die Versammlung der Eigentümer mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Verwalterwahl“ einzuberufen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2) stellt keinen Antrag.

Die Beklagten zu 1), 3) und 4) sind der Auffassung, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da die Klägerin noch nicht versucht habe, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung herbeizuführen. Um ihren Wunschkandidaten als Verwalter, den Beklagten zu 1), bestimmen zu können, haben sie zunächst mit der Widerklage begehrt, dass das Gericht eine Einladung zur Abhaltung einer Wohnungseigentümerversammlung ausspricht, und dies in den aktuellen Widerklageantrag geändert.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsprotokolle vom 14.11.2019 und 06.08.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig (dazu I.), die Widerklage zulässig und begründet (dazu II.).

I. Die Klage ist unzulässig. Es fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin will eine Regelung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung der Wohnungseigentümer stand. Die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den ein Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, ist jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zuständig für die Beschlussfassung ist die Versammlung der Wohnungseigentümer (§§ 21 Abs. 1 und 3, 23 Abs. 1 WEG). Soweit es – wie hier – um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung geht, muss sich der Kläger vor der Anrufung des Gerichts um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BGH, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 114/09 -, BGHZ 184, 88-100, Rn. 14 m. w. N.). Zwar fehlt das Rechtsschutzbedürfnis trotz fehlender Vorbefassung nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre (BGH, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 114/09 -, BGHZ 184, 88-100, Rn. 15). Dies ist hier aber nicht der Fall.

Bislang hat die Wohnungseigentümergemeinschaft überhaupt noch keine Eigentümerversammlung abgehalten. Die Eigentümerversammlung dient dem Gedankenaustausch und schafft Gelegenheit, die anderen Mitglieder mit der Darstellung der eigenen Argumente von seinem Standpunkt zu überzeugen. Es steht – auch wenn die Beklagten zu 1), 3) und 4) im Schreiben vom 02.03.2019 (Anlage K 2) und im Schriftsatz vom 21.10.2019 ihren Wunsch geäußert haben, einen Kandidaten in Eigenverwaltung zu bestellen – nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass bei einer Diskussion im Rahmen der Eigentümerversammlung und bei Abwägung der Vor- und Nachteile einer professionellen und der Eigenverwaltung doch ein Mehrheitsbeschluss zustande kommt, mit dem der Wunschkandidat der Klägerin oder wenigstens ein anderer beruflicher Verwalter bestellt wird. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2) sich bislang überhaupt noch nicht in der Sache zur Frage der Verwalterbestellung geäußert hat. Die Beklagten haben sich auch nicht geweigert, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, um über die Wahl eines Verwalters abzustimmen (anders als im Fall, der dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.05.2012, 318 S 198/11, zugrunde lag, dort Rn. 23). Im Gegenteil stellen sie in diesem Rechtsstreit widerklagend den Antrag auf Ermächtigung zur Einberufung einer Eigentümerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Verwalterbestellung“. Auch in dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben vom 02.03.2019 haben die Beklagten zu 1), 3) und 4) (neben den Eheleuten …) deutlich gemacht, dass sie das Ziel haben, eine Eigentümerversammlung einzuberufen.

Dass die Eigentümergemeinschaft tief zerstritten wäre, lässt sich aus dem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 3) und 4) (Az. 649 C 27/19) nicht herleiten. Es ging im dortigen Rechtsstreit um die Benutzung einer Gartenpforte; die hiesige Klägerin hat als dortige Beklagte die Klage anerkannt. Die Beklagten zu 1) und 2) waren in jenem Rechtsstreit nicht als Parteien beteiligt.

Auch aus dem Vortrag der Klägerin dazu, dass bestimmte Angelegenheiten nicht geregelt worden seien, lässt sich keine tiefe Zerstrittenheit herleiten, die die Abhaltung einer Wohnungseigentümerversammlung von vornherein als nicht erfolgversprechend und damit als unnötige Förmelei erscheinen ließe. Zudem spricht die grundsätzliche Bereitschaft aller Wohnungseigentümer bzw. der von der Beklagten zu 2) bevollmächtigten Eheleute …, an einer Mediation – die letztlich an prozessualen Formvorschriften gescheitert ist – teilzunehmen, für eine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.

II. Die Widerklage ist zulässig und begründet.

1. Das angerufene Amtsgericht ist zuständig gemäß § 43 Nr. 1 WEG. Es handelt sich bei der Klage auf Ermächtigung zur Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung einzelner Wohnungseigentümer gegen die übrigen Wohnungseigentümer um eine Klage nach § 43 Nr. 1 WEG (vgl. Merle, in Bärmann, WEG, 13. Aufl. 2015, § 24 Rn. 27).

Ein Rechtsschutzbedürfnis der Widerkläger besteht, da eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung nicht abgegeben wurde.

Die Widerklageänderung ist gemäß §§ 263, 267 zulässig.

2. Auch bezogen auf die Beklagte zu 2) ist im Rahmen eines kontradiktorischen Endurteils zu entscheiden. Der Umstand, dass sie im Termin säumig war, führt nicht zum Erlass eines Teilversäumnisurteils ihr gegenüber. Die Widerbeklagten sind notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 ZPO, da die Frage der Ermächtigung zur Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung nur allen gegenüber einheitlich zu entscheiden ist. Nach § 62 Abs. 1 ZPO gilt die im Sinne von §§ 331, 333 ZPO nicht erschienene Beklagte zu 2) als von der Klägerin vertreten.

3. Das Gericht trifft die Entscheidung auf Grundlage von § 21 Abs. 8 WEG. Nach § 21 Abs. 8 WEG kann an Stelle der Wohnungseigentümer das Gericht in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG nach billigem Ermessen entscheiden, wenn die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen, soweit sich die Maßnahme nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss der Wohnungseigentümer ergibt.

Hier ist nach billigem Ermessen der Beklagte zu 3) zur Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung zu ermächtigen, nachdem die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht getroffen haben. Die Wohnungseigentümer haben nicht einvernehmlich eine Eigentümerversammlung einberufen bzw. einstimmig den Beklagten zu 3) hierzu ermächtigt (zum Erfordernis der Einstimmigkeit vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2011, V ZR 222/10, Rn. 4, juris; OLG Celle, Beschluss vom 28.04.2000, 4 W 13/00, MDR 2000, 1428, 1429).

Die Ermächtigung zur Einberufung entspricht auch billigem Ermessen. Dabei ist im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass jeder Wohnungseigentümer nach § 21 Nr. 4 WEG einen Anspruch auf Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung hat, wenn die Durchführung einer solchen Versammlung ordnungsgemäßer, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechender Verwaltung entspricht (vgl. Merle, in Bärmann, a. a. O.; auch AG Pinneberg, Urteil vom 26.01.2016, 60 C 40/15 Rn. 34, juris). Dies ist hinsichtlich des im Antrag genannten Tagesordnungspunkts „Verwalterbestellung“ zweifellos der Fall. Fehlt einer Wohnungseigentümergemeinschaft – wie hier – ein Verwalter, liegt darin ein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltung (vgl. Elzer, in BeckOK WEG, Stand 1.8.2019, § 20 Rn. 27). Die Durchführung einer Eigentümerversammlung zur Bestellung eines Verwalters beseitigt den Zustand nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

III. Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 12.08.2020 gebietet nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Schriftsatz enthält keinen neuen Sachvortrag und im Wesentlichen Rechtsausführungen. Das Gericht bewertet die Rechtslage bezüglich des Rechtsschutzbedürfnisses wie unter Ziff. I. dargestellt. Auch die Erläuterung des Sachantrags – die wohl eher eine Änderung des Klagantrags darstellt – zwingt nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, zumal das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2019 eine Antragsumstellung angeregt und in der Verfügung vom 06.03.2020 noch einmal Gelegenheit zur Antragsanpassung gegeben hat. Im Übrigen steht auch dem Antrag, einen Verwalter durch das Gericht zu bestellen, das fehlende Rechtsschutzbedürfnis nach Maßgabe der Gründe zu Ziff. I entgegen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 49 Abs. 1 WEG, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 4 ZPO. Unter Berücksichtigung des Unterliegens der Klägerin hinsichtlich der Klage und der Widerklage sowie des Unterliegens der Beklagten zu 2) in Bezug auf die (Dritt-)Widerklage entspricht die ausgeurteilte Kostenverteilung billigem Ermessen.

V. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 45 Abs. 1 Satz 3, 49a GKG.

Dabei hat das Gericht für das Interesse der Parteien an der Entscheidung über die Klage die auf alle Wohneinheiten entfallende Verwaltervergütung für den von der Klägerin im Antrag genannten Zeitraum von zwei Jahren, d. h. 4 x 29,50 € x 24 Monate = 2.832,00 € zugrunde gelegt und den Streitwert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG auf 50 % hiervon festgesetzt. Dies hält sich auch im Rahmen von § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG.

Bei der Klage und der Widerklage handelt es sich um denselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Das Gericht könnte nicht beiden Anträgen nebeneinander stattgeben. Die Zuerkennung des Klagantrags würde die Abweisung des Widerklagantrags bedingen.

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