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WEG – Gesetzeswidrigkeit der Vergütungsklausel in einem Verwaltervertrag

AG Reutlingen – Az.: 9 C 1006/11 WEG – Beschluss vom 20.07.2012

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor ist vom Gericht nicht mitgeteilt worden.

Tatbestand

Der Kläger ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft B. In der Eigentümerversammlung vom 29.06.2011 wurde unter Tagesordnungspunkt 5 die Verwalterin wiederbestellt und der Verwaltervertrag verlängert. Der Verwaltervertrag sollte in § 6 Nr. 2 Unterabsatz (UA) 6 und 7 folgenden Wortlaut erhalten:

„Sobald höherer Arbeitsaufwand (vor allem durch Änderungen von Rechtsprechung oder Gesetzen) oder unvermeidliche Kostensteigerung (hier: Inflation) dem Verwalter in der Folgezeit höhere Kosten verursachen, die nicht durch die Indexierung gemäß folgendem Absatz abgedeckt sind, kann der Verwalter die Gemeinschaft bitten, die laufenden Verwaltergebühren nach den Grundsätzen der §§ 315 ff. BGB zu erhöhen.

Eine Erhöhung der Verwaltergebühren wegen laufend höheren Arbeitsaufwandes ist den Eigentümern 3 Monate vorher mit Begründung schriftlich anzuzeigen. Eine Erhöhung kann auch ohne spezielle Ankündigung aufgrund Kostensteigerungen zum Jahresbeginn vorgenommen werden. Eine solche Kostensteigerung gilt als gegeben, in der Höhe, wie sich der vom Statistischen Bundesamt oder einer entsprechenden staatlichen Nachfolgestelle ermittelte monatliche Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis: Jahr 2005 = 100) gegenüber dem Stand vom ersten Monat seit der letzten Gebührenanpassung bis zum Oktober des Vorjahres erhöht hat. Für Folgeerhöhungen ist vom Monat, der der Erhöhung zu Grunde lag (also z. B. Oktober für Erhöhung zum Jahresbeginn) auszugehen. Das gleiche Verfahren gilt für Gebührensenkungen bei Indexrückgängen“.

Der Kläger hält § 6 Nr. 2 UA 6 und 7 für unwirksam. Es handele sich um eine unzulässige Wertsicherungsklausel.

Der Kläger beantragte daher, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.06.2011 zu Tagesordnungspunkt 5: „Die Dr. A. R. Verwaltungs-GmbH wird ab dem 01.01.2012 für weitere 5 Jahre bis zum 31.12.2016 als Verwalterin auf der Basis des mit der Einladung zur Eigentümerversammlung vorgelegten Verwaltervertrages mit der Ergänzung in § 6 Nr. 2, zweitletzter Absatz wiederbestellt“, für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass es sich um eine bloße Leistungsvorbehaltsklausel handelt. Der Beschluss sei jedenfalls deshalb gültig, da die Mehrheit den Verwaltervertrag auch dann beschlossen hätte, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätte.

Nach Rechtshängigkeit der Klage hat die Wohnungseigentümerversammlung in der ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung am 14.05.2012 den Verwaltervertrag angepasst und § 6 Nr. 2 UA 6 und 7 neu gefasst. Daraufhin haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und verhandeln nunmehr über die Kosten des Rechtsstreits.

Entscheidungsgründe

Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten auf die Beklagten, da die Beklagten ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wären.

1. Die Klage war zulässig

2. Die Klage wäre auch begründet gewesen.

a) […]

b) Der Beschluss war materiell rechtswidrig.

Die organschaftliche Bestellung der Verwalterin war zwar nicht zu beanstanden: Eine wiederholte Bestellung ist gemäß § 26 Abs. 2 WEG zulässig; der Bestellungsbeschluss war auch nicht verfrüht.

Der daneben beschlossene Verwaltervertrag enthielt aber eine rechtswidrige Regelung.

Während § 6 Nr. 2 UA 6 des Verwaltervertrages rechtlich unbedenklich war, enthielt UA 7 eine im Sinne von § 134 BGB verbotene Regelung.

Auch auf WEG-Verwalterverträge findet das PreisklauselG Anwendung. § 6 Nr. 2 UA 6 des Verwaltervertrages stellte für sich genommen noch keine Preisklausel im Sinne § 1 Abs. 1 PreisklauselG dar, da es sich nicht um eine „selbsttätige Bestimmung“ handelte, sondern um eine sog. Bittklausel, die der Verwalterin keinen Anspruch im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB gewährte, sondern nur eine Verhandlungsgrundlage schuf. Zudem verwies § 6 Nr. 2 UA 6 auf die §§ 315 ff. BGB, womit den Wohnungseigentümern ein billiges Ermessen belassen wurde. Damit lag eine gesetzlich gestattete Leistungsvorbehaltsklausel im Sinne § 1 Abs. 2 Nr. 1 PreisklauselG vor.

Dahingegen stellte § 6 Nr. 2 UA 7 des Verwaltervertrages eine im Sinne von § 1 Abs. 1 PreisklauselG verbotene Preisklausel dar. Ausweislich des klaren Wortlauts („eine Erhöhung kann auch ohne spezielle Ankündigung […] vorgenommen werden“) handelte es sich um einen unmittelbaren und selbsttätigen Mechanismus. Die Verwalterin hätte mit dieser Klausel ihre Vergütung eigenständig und unmittelbar erhöhen können. Eine solche Klausel verstößt gegen das Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 PreisklauselG. Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Preisklauselgesetz war nicht ersichtlich, insbesondere lag kein langfristiger Vertrag von mindestens zehn Jahren vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 d PreisklauselG), was bei Verwalterverträgen aufgrund der fünfjährigen Höchstbestelldauer des § 26 Abs. 1 S. 2 WEG auch kaum vorkommen dürfte.

An der Unwirksamkeit des § 6 Nr. 2 UA 7 änderte sich auch nichts dadurch, dass der vorangehende Unterabsatz eine bloße Leistungsvorbehaltsklausel enthielt. Die beiden UA 6 und 7 waren nicht als einheitliche Regelung zu sehen, sondern getrennt zu betrachten. Das ergab sich daraus, dass beide Unterabsätze schon optisch getrennt wurden und damit die Systematik unterschiedliche Regelungen nahelegte. Auch der Zusatz in UA 6 („…die nicht durch die Indexierung gemäß folgendem Absatz abgedeckt sind“) verdeutlicht den unterschiedlichen Regelungsinhalt. Insoweit sollte UA 6 als allgemeiner Auffangtatbestand dienen und UA 7 die speziellere Regelung enthalten. Während UA 6 höheren Aufwand (vor allem) durch Änderungen von Rechtsprechung und Gesetzen erfassen sollte, richtete sich UA 7 an allgemeine Kostensteigerungen. Schließlich spricht für diese Auslegung, dass beide Unterabsätze auch verschiedene Mechanismen vorsahen. Während UA 6 von einem Ermessen der Wohnungseigentümer ausging, enthielt UA 7 eine vertragliche Fiktion („gilt als gegeben“).

c) Die Unwirksamkeit dieser Klausel schlägt auf die Gültigkeit des Beschlusses unter TOP 5 insgesamt durch.

Der Einwand der Beklagten, es sei allenfalls eine einzelne Klausel betroffen gewesen, so dass die Klage ganz überwiegend unbegründet gewesen sei, verfängt nicht.

Der Beschluss könnte allenfalls dann wirksam sein, wenn feststünde, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer den teils unwirksamen Verwaltervertrag auch dann beschlossen hätte, wenn die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre (vgl. in diese Richtung Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.10.1997, 5 W 60/97). Daran hat das Gericht aber deshalb Zweifel, da in der Eigentümerversammlung vom 14.05.2012 ausgerechnet der im Streit stehende § 6 Nr. 2 UA 7 durch eine bloße Leistungsvorbehaltsklausel ersetzt wurde. Der Vertrag wurde damit gerade nicht gebilligt.

Anders ist es auch nicht, wenn man die Wertungen der §§ 305 ff. BGB heranzieht. Auch dort ist im Grundsatz vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auszugehen. Der Vertrag darf also nicht auf das gerade noch zulässige oder angemessene Maß reduziert werden (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 306 Rn. 6). Der sogenannte Blue-Pancel-Test führt zu keinem anderen Ergebnis, da das Herausstreichen der unwirksamen Klausel dazu führt, dass in die Vergütung des Verwalters eingegriffen würde. Die Vergütung stellt in Verwalterverträgen aber einen essentiellen Vertragsteil dar (essentialia negotii). Damit ist davon auszugehen, dass eine unwirksame Vertragsklausel die Wirksamkeit des Vertrages insgesamt beeinflusst und damit die Gültigkeit des Beschlusses.

Schließlich führt auch die Regelung des § 139 BGB zu keinem anderen Ergebnis. Ist danach ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. § 139 BGB findet auch auf Beschlussanfechtungsklagen Anwendung (Klein, in Bärmann, WEG, 11. Aufl. 2010, § 46 Rn. 80). Allerdings setzt § 139 BGB im Rahmen einer Beschlussanfechtung voraus, dass der Beschluss einen teilbaren Regelungsgegenstand hat. Das ist bei der Beschlussfassung über einen Verwaltervertrag nicht möglich. Der Vertrag kann entweder angenommen werden oder nicht.

Schließlich ist die Annahme, eine unwirksame Vertragsklausel schlage auf die Gültigkeit des Beschlusses insgesamt durch, auch vom Ergebnis her überzeugend. Andernfalls müsste nämlich ein Wohnungseigentümer, der sich zu Recht gegen eine unwirksame Klausel wehrt, die Kosten des Rechtsstreits tragen, wenn der Beschluss gültig bliebe, obwohl dessen Beschlussgegenstand gegen geltendes Recht verstößt.

Nach alldem wäre die ursprüngliche Klage aller Voraussicht nach begründet gewesen.

 

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