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WEG – Glatteisunfall auf Gehweg infolge Verletzung der Straßenreinigungs- bzw. Streupflicht

AG Hamburg-Wandsbek – Az.: 716b C 53/12 – Urteil vom 04.09.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Streithelferin trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

WEG - Glatteisunfall auf Gehweg infolge Verletzung der Straßenreinigungs- bzw. Streupflicht
Symbolfoto: Von Miriam Doerr Martin Frommherz /Shutterstock.com

Der Kläger begehrt von der Beklagten Ausgleich der materiellen und immateriellen Schäden eines Glatteisunfalls im Dezember 2010.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft über die Häuser belegen im … in Hamburg. Der Kläger ist ebenfalls Wohnungseigentümer dieser Wohnungseigentümergemeinschaft. Im maßgeblichen Zeitpunkt war die Streitverkündete, die … für die Durchführung des Reinigungs- und Winterdienstes verantwortlich.

Der Kläger behauptet vor dem Haus der Wohneigentumseigentümergemeinschaft … Hamburg am 9.12.2010 gegen 9:45 Uhr aufgrund der Glätte des nicht vom Schnee geräumten öffentlichen Gehwegs gestürzt zu sein und infolge des Sturzes zunächst bewusstlos gewesen zu sein. Der Kläger behauptet, dass es bis zum vorhergehenden Abend geschneit habe. Ferner behauptet er, dass der Fußgängerweg vor der Wohnanlage der Beklagten mit Schnee bedeckt gewesen sei, als er gegen 9:45 Uhr seine Wohnung im … verlassen habe. Er behauptet, bei dem Sturz einen Trümmerbruch des rechten Fußgelenks sowie eine leichte Gehirnerschütterung erlitten zu haben. Am selbigen Tag wurde der Kläger in der Asklepios Klinik Wandsbek operiert. Ferner behauptet der Kläger bis zum 22.2.2011 bettlägerig gewesen zu sein, da der rechte Fuß nicht habe belastet werden dürfen. Er behauptet weiterhin, während der Zeit der Bettlägerigkeit in der ehelichen Wohnung von seiner Ehefrau und seinen Kindern betreut und gepflegt worden zu sein. Er behauptet dass er zum bis zum 6.2.2011 nicht in der Lage gewesen sei, einfachste Handlungen vorzunehmen und sich etwa selber zu waschen.

Der Kläger behauptet, dass der Unfallort erst nach seinem Sturz, gegen 16.10 Uhr durch die Firma … und damit entgegen der Regelung des § 33 III HmbWegG nicht unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls gereinigt worden sei.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagten die Fehlleistungen der Firma … betreffend der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten als ihre Erfüllungsgehilfin zuzurechnen seien.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Erstattung eines Betreuungsschadens in Höhe von 1.470,00 €, die Leistung von Schadensersatz für die unfallbedingte Anschaffung von Haushaltsgegenständen, auf die er wegen seiner verletzungsbedingten körperlichen Einschränkungen angewiesen gewesen sei sowie die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.500,00 €.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.820,00 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1.1.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 2.500,00 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.1.2011 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorprozessuale Kosten i.H.v.489,45 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klagschrift zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihre Verkehrssicherungspflicht habe sich auf eine Auswahl- und Überwachungspflicht verengt, da die Räum- und Streupflicht für den streitgegenständlichen Unfallort auf die Streitverkündete, die Firma … übertragen worden ist. Sie behauptet, dass es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gegeben habe, welche das Vertrauen in die Leistung der Streitverkündeten habe erschüttern können.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 8.5.2012 der Firma …, den Streit verkündet. Die Streitverkündete ist mit Schriftsatz vom 4.6.2012 dem Streit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Mit Schreiben vom 27.07.2012, welches dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.07.2012 überreicht worden ist, bestreitet die Streithelferin unter anderem, dass sie ihren Räum- und Streupflichten nicht nachgekommen ist. Die Streithelferin hat sich dem Klagabweisungsantrag der Beklagten angeschlossen.

Für die Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 30.07.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Dem Kläger steht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Be-Dem Kläger steht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte auf Leistung von Schmerzensgeld und Schadensersatz zu.

In Ermangelung einer vertraglichen Beziehung kann der Kläger von der Beklagten einen Ersatz der von ihm behaupteten materiellen und immateriellen Schäden allenfalls nach deliktischen Grundsätzen verlangen. Die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB liegen indes nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einer gerichtlichen Inanspruchnahme nicht entgegen, dass der Kläger als Wohnungseigentümer sich nicht zunächst um eine Beschlussfassung der Beklagten bemüht hat. Ein solches Erfordernis besteht nach der Rechtsprechung des BGH nur in solchen Fällen, in denen das Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bzw. das Rechtsverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft betroffen ist (vgl. BGH, Urteil v. 15.01.2010, V ZR 114/09, ZMR 2010, 542). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Der Kläger ist zwar Wohnungseigentümer, nimmt die Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch nach deliktischen Grundsätzen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. Dabei ereignete sich der Unfall nicht auf dem Gelände der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern auf einem öffentlichen Weg vor dem Grundstück der Beklagten, so dass der Kläger nicht als Wohnungseigentümer gegen die Beklagte als Verband klagt, sondern als Dritter im Sinne von § 43 Nr.5 WEG (vgl. Palandt, 69.Aufl, § 43 WEG Rn.19).

Ein Unterlassen ist nur dann als pflichtwidrig anzusehen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht und dieser Rechtspflicht nicht nachgekommen wurde, obwohl dies der Beklagten tatsächlich möglich und zumutbar war. Die Beklagte ist als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks grundsätzlich räum- und streupflichtig gem. §§ 29 Abs. 1 i.V.m. 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 S. 1 HmbWegG in der Fassung vom 22.01.1974 (HmbGVBl. S. 41, 83). Danach sind die Anlieger verpflichtet, insbesondere Geh- und Fahrradwege in der erforderlichen Breite, mindestens aber einen 1 Meter breiten Streifen, von Eis und Schnee zu reinigen. Gemäß § 32 Abs. 2 HmbWegG ist bei Glätte mit abstumpfenden Mitteln, wenn nötig wiederholt, zu streuen. Eisbildungen, denen nicht ausreichend durch Streuen entgegengewirkt werden kann, sind gem. § 32 Abs. 3 S. 2. 2.Halbs. 2 HmbWegG zu beseitigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist diese auch in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümergemeinschaft zur Reinigung und Räumung der an das Grundstück angrenzenden Wege verpflichtet. Zwar ist zutreffend, dass Eigentümer des Grundstücks nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern die Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach Bruchteilen ist, welche für den Fall, dass die Reinigungspflicht öffentlicher Wege durch Verordnung oder Gesetz auf die Anlieger übertragen wurde als Gesamtschuldner haften. Allerdings ist auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche selbst Trägerin der Reinigungspflicht und kann daher aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit gemäß § 10 VI WEG als solche wegen Verletzung der Reinigungs- bzw. Streupflicht im Klagewege in Anspruch genommen werden.

Der konkrete Inhalt und Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, des Gefährlichkeit des Verkehrsweges sowie der Stärke des Verkehrs (Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 225).

Sie kann auf Dritte übertragen werden (BGH NJW 2008, 1440; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2008, 1476; BbgOLG VersR 2009, 682). Vorliegend hat die Beklagte die Räum- und Streupflicht unstreitig auf die Firma DCH übertragen. Die Verkehrssicherungspflicht des Delegierenden, hier der Beklagten, ist damit jedoch nicht erloschen, sondern hat sich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verengt, die neben die Pflichten des Übernehmenden tritt (BGH NJW-RR 1989, 394; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rn. E 126) und deren wesentlicher Inhalt darin besteht, zum einen eine geeignete Person auszuwählen und zum anderen diese im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu überwachen (vgl. LG Wiesbaden MDR 2011, 35). Der Umfang der Überwachung bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere Art und Häufigkeit der möglichen Schäden (BbgOLG VersR 2009, 222). Der Delegierende ist lediglich zu einer stichprobenhaften Kontrolle des Übernehmers verpflichtet (Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 229; BGH NJW 1999, 3633; BbgOLG, Urt. v. 05.08.2008 – 2 U 15/07; LG Wiesbaden MDR 2011, 35).

Bei § 823 Abs. 1 BGB trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Delegierende seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden ist. Ein Leistungsanspruch des Klägers scheitert im vorliegenden Fall daran, dass er nicht im Ansatz dargelegt hat, dass die Beklagte ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist. Er hat lediglich vorgetragen, dass der auf dem Gehweg befindliche Schnee nicht unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls am Vorabend durch die Firma … beseitigt worden sei und, dass sich die Beklagte diese Fehlleistung ihrer Erfüllungsgehilfin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2012 darauf hingewiesen, dass eine Zurechnung des Verschuldens eines Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB im Deliktsrecht nicht erfolgt. Trotz dieses Hinweises und der Ausführungen der Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 08.05.2012, dass die Beklagte den Reinigungs- und Winterdienst auf die Firma … übertragen habe und sie ihren eigenen noch verbleibenden Pflichten -den Kontroll- und Überwachungspflichten- nachgekommen sei, hat der Kläger nichts zur maßgeblichen Anspruchsvoraussetzung, nämlich der Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht der Beklagten vorgetragen.

Aus den soeben genannten Gründen vermag der Kläger auch nicht mit einem Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 229, 13 Abs. 1 StGB bzw. §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 HmbWegG durchzudringen. Zwar sind sowohl die fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen gem. §§ 229 i.V.m. 13 Abs. 1 StGB als auch die Räum- und Streuvorgaben nach dem HmbWegG als Schutzgesetz anzusehen, da es im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dem Schutz des Einzelnen bzw. einer abgrenzbaren Personenmehrheit zu dienen bestimmt ist. Für eine Schutzgesetzverletzung gelten jedoch dieselben Maßstäbe wie im Fall der Haftung aus §823 Abs. 1 BGB.

Der Kläger kann ferner auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB herleiten. Zum einen mangelt es bereits an der Darlegung eines Auswahl- bzw. Überwachungsverschuldens und zum anderen handelt es sich bei der Firma … mangels Weisungsbefugnis der Beklagten nicht um eine Verrichtungsgehilfin der Beklagten. Die Firma … ist vielmehr selbstständige Unternehmerin, die nicht den Weisungen der Beklagten unterliegt.

Nach alledem steht zugleich fest, dass ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz ebenfalls nicht in Betracht kommen kann.

2.

Mit dem Hauptanspruch entfallen auch die Nebenforderungen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 101 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zu entnehmen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.320,00 € festgesetzt (§ 3 ZPO).

 

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