AG Bremen, Az.: 29 C 55/15, Urteil vom 22.01.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 10.341,53 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit ihren Aufwendungen für Fensteraustausch.
Die Klägerin ist seit Mai 2013 als Eigentümerin des Wohnungseigentums Nr. 16 und seit Dezember 2013 als Eigentümerin des Wohnungseigentums Nr. 10 Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft E. in Bremen, deren Verwalterin wiederum die Beklagte seit vielen Jahren ist. Hierbei ist deren Mitarbeiter B. der „technische“ Sachbearbeiter für diese Wohnungseigentumsanlage und Frau A. die „kaufmännische“ Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage.
Der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt die Teilungserklärung vom 27. November 1978 zugrunde (Bl. 27 ff. d.BA.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
§ 9 Abs. 1 der Miteigentümerordnung enthält folgende Regelung:
„Die Instandhaltung und Instandsetzung der zu dem Sondereigentum gehörigen Räume und Gebäudeteile sowie der einem Wohnungseigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche ist Angelegenheit des Wohnungseigentümers. Dies gilt auch für den Innenanstrich von Außenfenstern, Balkon- und Außentüren, Eingangstüren der Sondereigentume und deren Verglasung“.
Auf einer Wohnungseigentümerversammlung vom 29. Mai 1979 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 7a die Frage von Fenstererneuerungen thematisiert (Bl. 50, 53 d.BA).
In deren Anschluss kam es zu einem Umlaufbeschluss vom 29. Oktober 1979 (Bl. 11 d.A.):
„Jedem Wohnungseigentümer wird gestattet, seine Wohnungsfenster und Balkontüren auf seine eigenen Kosten zu erneuern, wobei folgendes zu beachten ist:
Farbe mahagoni, große Fenster einheitlich geteilt auf ca. 2/3 zu 1/3, kleine Fenster einteilig.
Die Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung aller Wohnungsfenster und Balkontüren wird mit sofortiger Wirkung auf den jeweiligen Wohnungseigentümer übertragen.“
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 27. November 2001 wurde dieser Umlaufbeschluss unter dem Tagesordnungspunkt 3 vor dem Hintergrund der aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.09.2000 anzunehmenden Nichtigkeit aufgehoben (Bl. 93, 94 d.BA).
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. Juni 2011 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 6 der Neuanstrich der Außenseiten der Fenster der Wohnanlage zu Lasten der Instandhaltungsrücklage beschlossen und im Anschluss weiter ausgeführt, dass die Verwaltung in diesem Zuge ein Kostenangebot über den regelmäßigen Anstrich der Fensteraußenseiten einholen und im nächsten Jahr vorstellen wird (Bl. 48, 49 f. BA).
Im März 2013 kam es zu einem Kontakt zwischen der Klägerin und dem Mitarbeiter B. der Beklagten. Hierbei ist der Inhalt des Gespräches streitig und hierbei auch, ob in dessen Anschluss der Klägerin der Umlaufbeschluss aus dem Jahre 1979, so die Klägerin, oder aber der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 17. Juni 2011, so die Beklagte, übersandt wurde.
Die Klägerin holte im Anschluss daran das Angebot der Fa. L. vom 19. März 2013 ein (Bl. 14 d.A.) und ließ Fensterelemente nach Maßgabe der Rechnung vom 3. Mai 2013 in ihr Sondereigentum Nr. 16 einbauen (Bl. 12 f. d.A.). Von dem Gesamtrechnungsbetrag von Euro 7.700,00 begehrt die Klägerin von der Beklagten im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits einen Teilbetrag von Euro 4.942,50.
Im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung vom 19. Juni 2013 begehrte die Klägerin die Erstattung ihrer Kosten zu Lasten der Instandhaltungsrücklage:
Unter dem Tagesordnungspunkt 13 enthält das Protokoll folgende Ausführungen:
„Der Verwalter erläuterte, dass Fenster unabdingbar zum Gemeinschaftseigentum gehören. Es kann lediglich in der Teilungserklärung vereinbart werden, dass die Instandhaltung, Instandsetzung sowie auch die Kostentragung dem Sondereigentümer auferlegt wird. Die Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft sieht folgendes vor:
§ 9 Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums und des Sondernutzungsbereichs
1. Die Instandhaltung und Instandsetzung der zu dem Sondereigentum gehörigen Räume und Gebäudeteile sowie der einem Wohnungseigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche ist Angelegenheit des Wohnungseigentümers. Dies gilt auch für den Innenanstrich von Außenfenstern, Balkon- und Außentüren, Eingangstüren der Sondereigentume und deren Verglasung.
Die Miteigentümerin Frau W. hat ihre Fenster im vergangenen Jahr auf Grund blinder Scheiben auf eigene Kosten erneuern lassen. Daher bittet sie die Gemeinschaft um Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten. Da die erfolgte Diskussion zu keinem Ergebnis geführt hat, wird dieses Thema auf Antrag durch Frau W. im kommenden Jahr noch einmal zur Beschlussfassung gestellt.“
Auch hier ist zwischen den Parteien streitig, ob Herr B. im Rahmen dieser Eigentümerversammlung auf den Umlaufbeschluss von 1979 hingewiesen und sich u.a. dahingehend erklärt habe, dass der Austausch von Fensterelementen allein Sache des Sondereigentümers sei.
In der Folge erwarb die Klägerin das Wohnungseigentum Nr. 10 und vermietete dieses per 15. Dezember 2015, wobei sie zuvor gem. der Rechnung vom 5. Dezember 2013 (Bl. 22 ff. d.A.) auch hier die Fenster für einen Gesamtbetrag von Euro 6.310,57 erneuern ließ. Hiervon macht sie im Rahmen der vorliegenden Klage einen Teilbetrag von Euro 5.399,03 gegenüber der Beklagten geltend.
In einer Wohnungseigentümerversammlung vom 22. Juli 2014 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 10 der Antrag der Klägerin auf Erstattung ihrer Kosten abgelehnt.
Dies geschah erneut in der Wohnungseigentümerversammlung vom 1. Dezember 2014 unter den Tagesordnungspunkten 4 und 5 (Bl. 7 ff. = 62 ff. d.BA).
Die hiergegen gerichtete Beschlussanfechtungsklage wurde durch das Amtsgericht Bremen mit Urteil vom 29. April 2015 rechtskräftig abgewiesen (Az. 29 C 120/14).
Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, der Mitarbeiter B. der Beklagten habe mehrfach und insbesondere im März 2013 und auch im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung vom 19. Juni 2013 auf den Umlaufbeschluss von 1979 abgestellt und hierbei jeweils die Ansicht vertreten, dass insbesondere der Austausch von Fenstern allein Sache des jeweiligen Sondereigentümers sei. Sie habe auf diesen Angaben vertraut und habe den Austausch auf ihre Kosten veranlasst. Anderenfalls hätte sie sich an das wohnungseigentumsrechtliche Procedere gehalten und der Wohnungseigentümerversammlung die Problematik vorgelegt, so seien die Fenster tatsächlich auch nicht mehr reparabel gewesen und hätten zwingend ausgetauscht werden müssen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von insgesamt Euro 10.341,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet im Wesentlichen den Vortrag der Beklagten im Zusammenhang mit den behaupteten Äußerungen ihres Mitarbeiters B. und ergänzt hierzu, dass diesem im März 2013 der Umlaufbeschluss aus dem Jahre 1979 überhaupt nicht bekannt gewesen sei und dieser der Klägerin vielmehr das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. Juni 2011 übermittelt habe, schließlich ergebe sich gerade aus dem Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 19. Juni 2013 der Inhalt der Erörterung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Akte 29 C 120/14 wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz von Euro 10.341,53 im Zusammenhang mit dem von der Klägerin durchgeführten Austausch der Fensterelemente für ihre Wohnungen Nr. 16 und Nr. 10.
Die Klage ist daher in voller Höhe abzuweisen.
Die Beklagte haftet bereits dem Grunde nach nicht für „rechtliche Auskünfte“ ihres (nur) für den technischen Bereich zuständigen Mitarbeiters B..
So bestehen bereits zwischen den Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen.
Eine solche besteht aufgrund der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft vielmehr zwischen dieser und der Beklagten.
Gleichwohl sind in den Schutzbereich des Verwaltervertrages u.a. auch die jeweiligen Wohnungseigentümer einbezogen, so dass bei einer Pflichtverletzung auch hier vertragliche Schadensersatzansprüche begründet werden können.
Bereits vom Ansatz her besteht aber kein Rechtsberatungsanspruch im Sinne einer geschuldeten Dienstleistung im Verhältnis zwischen dem jeweiligen Wohnungseigentümer und der Verwalterin.
Hier kann die Klägerin auch nicht auf § 5 Abs. 2 RDG abstellen.
Dies berührt nur die Erlaubnis einer Nebenleistung im Rahmen der Haus- und Wohnungsverwaltung und dies gerade nur im Verhältnis zum Dienstherrn, dies ist hier die Wohnungseigentümergemeinschaft, und begründet keinen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Rechtsdienstleistung.
Selbst wenn grundsätzlich als Reflex aus einem Gesamtverhalten eines Verwalters ein gewisser Grad von Vertrauen abgeleitet werden könnte, kann dies bei den hier vorliegenden Strukturen nicht angenommen werden.
Die Beklagte als juristische Person erbringt ihre Verwaltungstätigkeit abgeschichtet mit unterschiedlichen „Funktionsträgern“, dies auch transparent und offenkundig, indem sie zwischen kaufmännischer Verwaltung und technischer Verwaltung differenziert (vgl. bereits auch die Differenzierung in den Protokollen, z.B. Bl. 1 des Protokolls für die Wohnungseigentümerversammlung vom 19. Juni 2013, Bl. 16 d.A.). Dies ist den Beteiligten auch bekannt.
Daher ist es der Klägerin, selbst zudem auch noch Volljuristin, verwehrt, auf mündliche oder telefonische Auskünfte (nur) des/eines technischen Sachbearbeiters abzustellen oder auch auf dessen mögliche Redebeiträge im Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung.
Die Beklagte hat gerade aufgrund ihrer transparenten arbeitsteiligen Verwaltung erkennbar keinerlei Anschein dafür erweckt, dass hier rechtliche Auskünfte „der Verwaltung“ erteilt werden könnten.
Dies galt schon im Vorfeld im Zusammenhang mit den Vorgängen im März 2013 und dies gilt noch umso mehr für die Abläufe im Juni – Dezember 2013.
So kann dahingestellt bleiben, ob der Mitarbeiter B. im Rahmen dieser Wohnungseigentümerversammlung die von der Klägerin behaupteten Äußerungen getätigt hat oder nicht, da in dem von der kaufm. Verwaltung (Frau A.) erstellten und auch an die Wohnungseigentümer übersandten Protokoll im Ergebnis das Gegenteil ausgeführt wird. Von einem Umlaufbeschluss aus dem Jahre 1979 ist hier gerade nicht die Rede.
Vor dem Hintergrund dieser Protokollierung kann keine Bestärkung oder auch Wiederholung der von der Klägerin behaupteten Falschauskunft angenommen werden. Bei Entgegennahme dieses Protokolls hätte dann vielmehr Anlass zur weiteren Überprüfung bestanden.
Gerade diese Wohnungseigentümerversammlung und die hier erfolgte Protokollierung stellt eine wesentliche Zäsur dar. Dies war in der mündlichen Verhandlung auch eingehend erörtert worden.
Dies auch noch alles vor dem Hintergrund, dass die Klägerin als Wohnungseigentümerin alleinverantwortlich für ihre Kenntnislage und insbesondere für die Beschlusslage ist.
Sie muss sich selbst um die vollständige Kenntnisverschaffung kümmern.
Selbst wenn zuerst nur auf die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung abgestellt wird, ergibt sich bereits aus dieser die Verantwortung der Gemeinschaft für die Frage des Austauschs der Fenster.
So hat der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 2. März 2012 (V ZR 174/11) und damit bereits vor den hier relevanten Zeiträumen konstatiert, dass dann, wenn die Gemeinschaftsordnung die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster nebst Rahmen in dem räumlichen Bereichs des Sondereigentums den einzelnen Wohnungseigentümern zuweist und hierbei den Außenanstrich ausnimmt – wie vorliegend, wenn dies nur (auch) für den Innenanstrich von Außenfenstern etc. geltend soll -, eine vollständige Erneuerung der Fenster im Zweifel Sache der Gemeinschaft ist. Im Sinne dieser Interpretation durch den Bundesgerichtshof müssen sowohl die streitgegenständliche Regelung in der Gemeinschaftsordnung und sogar der Umlaufbeschluss vom 29. Oktober 1979 ausgelegt werden: Danach umfasst eine Instandsetzung und Instandhaltung gerade nicht per se auch einen erforderlichen Austausch.
Aber nicht nur die Regelungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung sondern auch die Beschlusslagen müssen dem jeweiligen Wohnungseigentümer bekannt sein, so u.a. auch der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. Juni 2011, in welchem sich die Wohnungseigentümergemeinschaft ausdrücklich und nach der Rechtslage auch konsequent der Fenster in deren aktuellem Zustand und auch für die Zukunft angenommen hatte.
Das Gericht hatte im Rahmen der Erörterungen bereits darauf hingewiesen, dass auch ein Schaden nicht schlüssig dargelegt sei.
So kann die Klägerin nicht auf die schlichten Rechnungsbeträge abstellen und diese um gewisse Rechnungspositionen bereinigen und den Restbetrag von der Beklagten begehren.
Gerade bei der von ihr vorgetragenen alternativen Handlungsweise wäre die weitere Entwicklung zu prognostizieren und darzulegen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin einen Austausch im Ergebnis wohl „auf jeden Fall“ durchgeführt haben wollte.
Bei „Einhaltung der wohnungseigentumsrechtlichen Regeln“ kann gerade angesichts der Beschlusslage zum Außenanstrich vom 17. Juni 2011 der Fenster nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass unter dessen Aufhebung nunmehr ein Austausch der Fenster nur (?) für die Wohnungen Nr. 10 und Nr. 16 auf Kosten der Gemeinschaft (?) beschlossen worden wäre. Das Gericht hatte hierbei auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine ordnungsgemäße Befassung mit dieser Fragestellung eine erhebliche Verzögerung mit sich gezogen hätte. Eine Umsetzung auf „Zuruf“, wie von der Klägerin angedeutet, entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben und wäre wiederum anfechtbar gewesen.
Bei der schadensrechtlichen Betrachtung müsste die Klägerin zudem einen Kostenanteil, der dann im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern auf sie entfallen wäre, in Abzug bringen.
Auch konnte die Klägerin für das Wohnungseigentum Nr. 10 bereits seit dem 15. Dezember 2013 Einnahmen erzielen, was bei einer ordnungsgemäßen Befassung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Frage des Fensteraustauschs nicht der Fall hätte sein können, da die Wohnung nach den Darlegungen der Klägerin ja ohne deren Austausch unbewohnbar gewesen sei.
Schließlich konnte die Klägerin die Ausgaben für das Wohnungseigentum Nr. 10 als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in Abzug bringen oder auch als anschaffungsnahen Aufwand im Rahmen der Abschreibung. Auch die auf das Wohnungseigentum Nr. 16 entfallenden Beiträge sind zumindest anteilmäßig über „haushaltsnahe Aufwendungen“ steuerlich zu berücksichtigen.
Zu dieser schadensrechtlichen Gesamtbetrachtung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auch dies war in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 709 ZPO, § 49a GKG.