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WEG – Herausgabeanspruch gegen ehemalige Verwalterin

LG Bremen – Az.: 4 S 185/21 – Beschluss vom 08.07.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 16.06.2021 zum Aktenzeichen 28 C 18/20 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.436,23 €.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines behaupteten Fehlbetrages an die Klägerin.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergesellschaft. Die Beklagte war bis zum 31.12.2017 die Verwalterin der Klägerin. Zum Ende der Verwaltung erstellte die Beklagte die Gesamtabrechnung für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.11.2017. Sämtliche Konten der Klägerin wurden auf die neue Verwalterin übertragen. Unter Bezugnahme auf diese Gesamtabrechnung behauptet die Klägerin, es fehle der eingeklagte Betrag (2.436,23 €) auf dem Festgeldkonto, auf dem sich die Instandhaltungsrücklage befinde. Sie meint, die Beklagte müsse sich an der Ausweisung der Instandhaltungsrücklage als Ist-Rücklage festhalten lassen.

Die Beklagte behauptet unter Bezugnahme auf dieselbe Abrechnung, sämtliche Gelder der Klägerin am Ende der Verwaltung ausgezahlt zu haben. Einen Fehlbetrag gebe es nicht. Der Betrag auf dem Girokonto, der Rückstand sowie der noch offene Anspruch aus der Abrechnung über das Jahr 2017 seien dem Festgeldkonto noch zuzurechnen. Denn die jährliche Rücklage von 2.000 € sei nicht regelmäßig auf das Festgeldkonto transferiert worden.

Das Amtsgericht Bremen hat der Klage zunächst durch Versäumnisurteil vom 13.01.2021 stattgegeben und dieses Versäumnisurteil durch das angefochtene Urteil vom 16.06.2021 aufrechterhalten. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar und nachprüfbar dargelegt habe, den in der Gesamtabrechnung für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.11.2017 aufgeführten Ist-Wert vollumfänglich an die Klägerin herausgegeben zu haben.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bremen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Urteil ist der Beklagten am 01.07.2021 zugestellt worden (Bl. 108 d.A.).

Mit der am 23.07.2021 bei Gericht eingegangen Berufung, die die Beklagte innerhalb verlängerter Frist begründet hat, verfolgt die Beklagte unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags und unter Vorlage eines Kontoverlaufs ihr Begehren weiter. Die Beklagte rügt unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages, dass das Amtsgericht die angebotenen Beweise nicht erhoben habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 16.06.2021 zum Aktenzeichen 28 C 18/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages die angegriffene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässige, nämlich form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) der Beklagten ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.436,23 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. §§ 675, 667 Alt. 2, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB.

Nach § 667 Alt. 2 BGB muss der Beauftragte dem Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herausgeben.

Bei § 667 Alt. 2 BGB trifft die Darlegungs- bzw. Beweislast, dass der Beauftragte etwas durch die Auftragsausführung erlangt hat, den Auftraggeber, der gem. § 666 BGB jederzeit einen Auskunftsanspruch über den Stand der Geschäfte geltend machen kann (BGH Urt. v. 23.6.2005 – IX ZR 139/04, BeckRS 2005, 10267, beck-online; MüKo/Schäfer, BGB, 8. Aufl., § 667 Rn. 42). Sodann muss der Beauftragte darlegen und beweisen, dass er das unstreitig bzw. nachweislich Erlangte an den Auftraggeber herausgegeben hat (vgl. dazu MüKo/Schäfer, BGB, 8. Aufl., § 667 Rn. 42).

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte aufgrund der Verwaltung über die Beträge auf dem Girokonto und dem Festgeldkonto für die Instandhaltungsrücklage hinausgehend Gelder erhalten hat. In dieser Abrechnung ist der Anfangsbestand per 01.01.2017 des Festgeldkontos mit 5.697,07 € angegeben, der Endbestand per 30.11.2017 mit 10.697,07 €. Der Endbestand des Girokontos ist mit 2.304,10 € ausgewiesen. Dass die Beklagte diese Konten an die jetzige Hausverwaltung der Klägerin herausgegeben hat, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Aus der Gesamtabrechnung der Beklagten für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.11.2017 ergibt sich nicht, dass die Beklagte weitere Gelder der Klägerin erhalten hat, die noch bei der Beklagten verblieben sind, also ein Fehlbetrag gegeben ist, auch wenn die Beklagte in dieser Abrechnung die Instandhaltungsrücklage mit 14.280,19 EUR angegeben hat.

Unter Punkt „VIII. Darstellung und Entwicklung der Instandhaltungsrücklage und des Sollvermögens“ ist folgende Rechnung aufgemacht worden:

Es ist für die Instandhaltungsrücklage zwar der Endbestand per 30.11.2017 mit 14.280,19 € angegeben, allerdings wird diese Angabe durch die weiteren Angaben zum Bestand des Rücklagenkontos und durch Berechnung des Vermögensstatus (Punkt VIII. 2.), nämlich Berechnung genau der Summe von 14.280,19 € unter Einbeziehung des Rücklagenkontos, des Girokontos, der Fehlbeträge aus der Abrechnung und der Unterzahlung des Hausgeldes revidiert. Der Abrechnung ist daher nicht zu entnehmen, dass die Beklagte die Summe von 14.280,19 € erlangt hat, also Gelder in dieser Höhe bei der Beklagten eingegangen sind. Denn bei den in die Berechnung eingestellten offenen Forderungen der Klägerin (1.136,02 € Fehlbeträge, 143,00 € Unterzahlung Hausgeld) fehlt es gerade an einem Geldeingang bei der Beklagten.

Die Beklagte muss sich nach Auffassung der Kammer auch nicht an der Angabe der Instandhaltungsrücklage mit 14.280,19 € festhalten lassen. Aus der Gesamtabrechnung selbst ergibt sich, dass die angegebene Summe von 14.280,19 € nicht dem Ist-Wert entspricht, der in der Abrechnung richtigerweise hätte angegeben werden müssen.

Die Instandhaltungsrücklage ist im Rahmen der gem. § 28 Abs. 3 WEG geschuldeten Abrechnung mit den Ist-Werten in der Abrechnung darzustellen. Die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat gemäß § 28 Abs. 3 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben zu erstellen. Dazu hat die Verwaltung eine geordnete und übersichtliche Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorzulegen, die auch Angaben über die Höhe der gebildeten Rücklagen enthält. Sie muss für einen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein. Diesen Anforderungen genügt eine Abrechnung nur, wenn sie, anders als der Wirtschaftsplan, nicht die geschuldeten Zahlungen und die vorgesehenen Ausgaben, sondern die tatsächlichen Einnahmen und Kosten ausweist.

In der Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage, die in die Jahresgesamt- und -einzelabrechnung aufzunehmen ist, sind lediglich die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Rücklage als Einnahmen darzustellen und zusätzlich auch die geschuldeten Zahlungen anzugeben. Eine Abrechnung, in welcher der Soll-Betrag der beschlossenen Zuführung zur Instandhaltungshaltungsrücklage als fiktive Ausgabe angesetzt wird, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie ist nämlich für den Wohnungseigentümer nicht mehr ohne fachkundige Unterstützung zu verstehen und in der Sache auch irreführend. Denn der Soll-Betrag steht der Gemeinschaft bei Rückständen einzelner Wohnungseigentümer nicht im ausgewiesenen Umfang zur Verfügung.

Die tatsächlich erfolgten Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage sind wie die Vorschüsse auf das Wohn- oder Hausgeld eine Einnahme der Gemeinschaft. Diese muss in der Abrechnung als solche erscheinen. Daran ändert es nichts, wenn die Zahlungen der Wohnungseigentümer auf dem allgemeinen Konto der Gemeinschaft eingehen und von dort entsprechend ihrer Zweckbestimmung auf ein davon getrenntes Rücklagenkonto weitergeleitet werden.

Geschuldete, jedoch tatsächlich nicht geleistete Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage können weder auf ein Rücklagenkonto weitergeleitet noch auf ein für sie in der Buchführung eingerichtetes Konto gebucht werden, weil sie der Gemeinschaft nicht zur Verfügung stehen. Würde man sie dennoch als fiktive Ausgabe buchen, müsste diese Buchung zudem in der Darstellung der Rücklage nachvollzogen werden. Das führt dann, wie im vorliegenden Fall, dazu, dass die Rücklage bei der Darstellung ihrer Entwicklung in der Abrechnung größer erscheint als sie ist.

Wie die Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage in der Abrechnung darzustellen sind, bestimmt sich nach dem Zweck der Abrechnung einerseits und der Darstellung der Entwicklung der Rücklage andererseits. Die Abrechnung soll den Wohnungseigentümern aufzeigen, welche Ausgaben und welche Einnahme die Wohnungseigentümergemeinschaft im Abrechnungszeitraum wirklich hatte. Deshalb dürfen in ihr nur tatsächlich erzielte Einnahmen und tatsächlich erfolgte Ausgaben gebucht werden. Die Darstellung der Entwicklung der Rücklage in der Abrechnung soll den Wohnungseigentümern ermöglichen, die Vermögenslage ihrer Gemeinschaft zu erkennen und die Jahresabrechnung auf Plausibilität zu überprüfen. Eine Prüfung der Abrechnung ist aber nur anhand des tatsächlichen Bestands der Instandhaltungsrücklage und auch nur möglich, wenn die Darstellung der Entwicklung der Rücklage erkennen lässt, in welchem Umfang die Wohnungseigentümer mit ihren Zahlungen im Rückstand sind. Das erfordert zwar keine gesonderte Abrechnung der Rücklage, wohl aber eine Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage, die den Wohnungseigentümern diesen Einblick verschafft. Dazu muss die Darstellung sowohl die Zahlungen ausweisen, die die Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage tatsächlich erbracht haben, als auch die Beträge, die sie schulden, aber noch nicht aufgebracht haben (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2009 – V ZR 44/09 –, Rn. 10 – 17, juris).

Diesen Maßstäben entspricht die vorgelegte Gesamtabrechnung nicht, da unter anderem die tatsächlich erfolgten Zahlungen/Zuweisungen auf das Rücklagenkonto nicht übersichtlich dargestellt sind. Die in der Berufungsinstanz vorgelegte Darstellung der Kontoentwicklung kann vorliegend nach § 531 ZPO nicht berücksichtigt werden, verschafft aber ohnehin keine Abhilfe.

Die fehlerhafte Abrechnung führt nach Auffassung der Kammer aber lediglich dazu, dass die Klägerin gem. § 28 Abs. 2 WEG einen Anspruch auf korrekte Abrechnung hätte, nicht jedoch dazu, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung eines etwaigen Differenzbetrages zwischen dem Bestand des Festgeldkontos und dem ausgewiesenen Bestand der Instandhaltungsrücklage hätte.

Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche RVG-Kosten).

III.

Die prozessualen Nebenfolgen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

V.

Die Festsetzung des Streitwertes hat seine Grundlage in §§ 43, 48 GKG, §§ 3 ff. ZPO, § 511 ZPO.

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