AG Kassel – Az.: 800 C 2038/19 – Urteil vom 31.10.2019
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren die Berichtigung eines Protokolls einer Wohnungseigentümerversammlung.
Die Klägerinnen sind Miteigentümerinnen der Wohnungseigentümergemeinschaft A. Die Beklagte zu 1. ist die Hausverwaltung deren Geschäftsführer das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 02.05.2019 führte und gemeinsam mit dem Beklagten zu 2. die Urschrift des Protokolls unterzeichnete. Diese Urschrift enthält eine dritte Unterschrift, die in der abgetippten Fassung als diejenige des Beklagten zu 3. genannt wird. Zum Tagesordnungspunkt 6 verhandelte die Versammlung über einen Antrag des Beklagten zu 2. zur Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Immobilie. Die Urschrift des Protokolls wie auch die an die Eigentümer nach der Versammlung versendete getippte Fassung enthält hierzu die Ausführungen, „der Antrag [sei] vom Antragsteller zurückgezogen“.
Die Klägerinnen behaupten, dieser Protokolleintrag sei unrichtig. Es habe eine förmliche Abstimmung stattgefunden und zwar in einer Art und Weise, dass der Versammlungsleiter entsprechend seiner üblichen Praxis zunächst Nein-Stimmen und Enthaltungen abgefragt habe. Üblicherweise stelle er dann die Ja-Stimmen durch Subtraktion der Nein-Stimmen und Enthaltungen von der Gesamtzahl der anwesenden Eigentümer fest. Bei der hier gegenständlichen Versammlung habe es zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung gegeben, so dass es folglich sieben Ja-Stimmen im Umkehrschluss gegeben habe. Dieses Beschlussergebnis hätte im Protokoll vermerkt werden müssen zusammen mit dem Ergebnis, dass wegen Fehlens der erforderlichen qualifizierten Mehrheit der Antrag abgewiesen worden sei. Sie sind der Ansicht, alleine die Unrichtigkeit des Protokolls rechtfertige die Klage. Sollte das Thema erneut zur Abstimmung in der Eigentümerversammlung gestellt werden, so würde ein Zweitbeschluss höheren Zulässigkeitsanforderungen unterliegen. Der Inhalt eines ablehnenden Erstbeschlusses führe dazu, dass bei einem Zweitbeschluss aus dem Erstbeschlusses folgende schutzwürdigende Belange der Klägerinnen zu berücksichtigen seien.
Die Klägerinnen beantragen, das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 02.05.2019 zu TOP 6 wie folgt zu berichtigen:
Antrag Installation einer Photovoltaikanlage für die Wohneinheit Nr. 11 (Eigentümer B) und Finanzierung der Maßnahme
zur Versammlung sind zehn/elf Köpfe anwesend
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen 7/10
Nein-Stimmen 2/10
Enthaltung 1/10
Der Antrag ist damit abgewiesen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1. rügt vorab das fehlende Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen. Die begehrte Protokollberichtigung führe nicht zu einer erheblichen Verbesserung der Rechtsstellung der Klägerinnen. Darüber hinaus verteidigt sie den Inhalt des Protokolls als richtig. Der Beklagte zu 2. schließt sich dem Vorbringen des Erstbeklagten an.
Der Beklagte zu 3. zieht die Eigentümerstellung der Klägerin zu 1. in Zweifel. Er selbst sei nicht passiv legitimiert, da er das Protokoll im Original nicht unterschrieben habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft er den Vortrag des Beklagten zu 1.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll vom 31.10.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Zwar ist die Klägerin zu 1. neben der Klägerin zu 2. klagebefugt. Denn sie hat durch Vorlage eines Grundbuchauszuges (Bl. 64 d.A.) ihre Eigentümerstellung belegt. Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Beklagten zu 3. zur Klagebefugnis der Klägerin zu 1. überhaupt ausreicht, um Letztere ernstlich in Abrede zu stellen.
Die Klage ist jedoch mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig.
Grundsätzlich kann ein Miteigentümer nur dann die Berichtigung des Protokolls einer Eigentümerversammlung verlangen, wenn sich durch die Berichtigung seine Rechtsposition verbessern oder in rechtlich erheblicher Weise verändern würde (allgemeine Meinung, z.B. LG Dresden, Urteil vom 22.05.2013 – 2 S 311/12, zit. n. juris; LG Stuttgart, Urteil vom 05.08.2015 – 10 S 10/15, zit. n. juris; LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 12.10.2017 – 2-13 S107/17, zit. n. juris; Jenißen/Schultzky, § 24 WEG Rn. 158; Niedenführ/Kümmel, § 24 WEG Rn. 80; Bärmann/Roth, § 46 WEG Rn. 24). Eine solchermaßen rechtliche Relevanz fehlt jedenfalls dann, wenn lediglich untergeordnete Aspekte des Verlaufs der Eigentümerversammlung vom Protokollberichtigungsbegehren erfasst sind (LG Frankfurt/Main a.a.O.) oder die Berichtigung Bagatellen betrifft und dadurch insbesondere die Auslegung von Beschlüssen der Eigentümerversammlung nicht beeinflusst wird (LG Dresden a.a.O.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Rechtsposition der Klägerinnen unterscheidet sich nicht danach, ob das Protokoll der Versammlung vom 02.05.2019 in seiner jetzigen Form Bestand hat oder im Sinne des Klageantrags zu berichtigen ist.
Denn die Parteien streiten darüber, ob ein Negativbeschluss gefasst wurde oder ob vor Beschlussfassung der entsprechende Sachantrag vom Antragsteller zurückgezogen worden war. Beides führt zu einem identischen Ergebnis, da in beiden Fallkonstellationen ein positiver Beschluss über eine Maßnahme nicht gefasst worden ist. Bei der Verlaufsvariante, die die Klägerin schildert, wäre ein Beschluss deswegen nicht zustandegekommen, weil Beschlussgegenstand nicht eine schlichte Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gewesen wäre die mit einer einfachen Mehrheit hätte beschlossen werden können. Denn die Neuinstallation einer Photovoltaikanlage betrifft nicht die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Instandhaltung bedeutet lediglich, dass Maßnahmen zum Erhalt des bestehenden Zustandes der gemeinschaftlichen Bauten und Anlagen zur Debatte stehen (bzw. in der Variante der Instandsetzung solche zur Wiederherstellung des früheren Zustandes). Auch liegt hier kein Fall einer so genannten modernisierenden Instandsetzung im Sinne von § 22 Abs. 3 WEG vor, da nicht einen Teil des vorhandenen Bestands an die aktuellen Standards angepasst worden wäre, sondern eine zusätzliche Maßnahme bei der Errichtung einer bislang noch nicht vorhandenen Photovoltaikanlage zu Debatte stand (s. dazu Bärmann/Merle, § 21 WEG Rn. 125 m.w.N. zur Kasuistik im Einzelfall). Die Errichtung einer zusätzlichen Anlage kann daher allenfalls unter dem Blickwinkel des § 22 Abs. 1, 2 WEG betrachtet werden. Selbst wenn lediglich eine Modernisierung im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG gemeint gewesen sein sollte, hätte dies zumindest einer doppelt qualifizierten Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und der Hälfte der Miteigentumsanteile bedurft, die bei dem von den Klägerin vorgetragenen Mehrheitsverhältnissen nicht erreicht worden wäre. Bei zehn Miteigentümern hätte es der Zustimmung von wenigstens acht Miteigentümern bedurft, wobei die Klägerinnen nur von sieben Ja-Stimmen ausgehen. Dies gilt erst recht bei einer baulichen Veränderung Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, die nur einstimmig beschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner Vertiefung der Frage, ob die Eigentümerversammlung überhaupt die Errichtung einer Photovoltaikanlage im gemeinschaftlichen Eigentum lediglich zu isolierten Nutzungen durch einen der Eigentümer hätten beschließen können, wie nach dem Vorbringen der Klägerinnen der Antrag ausgesehen haben soll.
Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich also keinerlei Unterschied im rechtlichen Ergebnis, ob ein Beschlussantrag abgelehnt wurde oder der Zweitbeklagte seinen Beschlussantrag zurückgenommen hatte, weil in beiden Varianten das Ergebnis dasselbe bleibt: Ein Beschluss über die Errichtung einer Photovoltaikanlage liegt nicht vor. Gerade dann ist eine isolierte Protokollberichtigungsklage nicht gerechtfertigt, wenn im Ergebnis kein Beschluss gefasst wurde (vgl. LG Frankfurt/Main a.a.O).
Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ergeben sich aber auch für die weitere Behandlung des Themas keinerlei Unterschiede, ob ein Antrag abgelehnt wurde (Negativbeschluss) oder wegen vorheriger Antragsrücknahme ein Beschluss nicht gefasst wurde. Denn zusätzliche Hürden für die erneute Befassung der Eigentümerversammlung mit demselben Antragsthema lassen sich weder dem Gesetz noch sonstigen Rechtsregeln entnehmen. Insbesondere führt ein Negativbeschluss nicht dazu, dass einem einzelnen Miteigentümer daraus eine besondere schützenswerte Position erwächst. Denn ein Negativbeschluss, der ein Antrag abgelehnt, hat nur zum Inhalt, dass genau dieser Antrag nicht beschlossen wurde. Er entfaltet keinerlei Bindungswirkung der Eigentümerversammlung im Hinblick auf die Motive, die zur Antragsablehnung geführt haben. Folglich ist durch den Negativbeschluss auch nicht verhindert, dass derselbe Antrag erneut gestellt wird, erst recht nicht ein Antrag, der das schon abgelehnte Begehren in irgend einer Art und Weise modifiziert.
Soweit zu besorgen ist, dass eine Eigentümerversammlung unnötigerweise in sich ständig perpetuierender Form mit demselben Thema beschäftigt wird, kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob im hier streitgegenständlichen Protokoll der von den Klägerinnen behauptete Verlauf der Versammlung niedergelegt ist oder ein anderer. Denn maßgeblich ist insoweit nur das Interesse der übrigen Miteigentümer, dass sie nicht immer wieder mit einem schon hinreichend behandelten Thema beschäftigt werden. Maßgeblich ist folglich nur, dass ein Protokoll dazu Ausführungen enthält, dass das betroffene Thema ohne Beschluss über eine Maßnahme beendet wurde. Das ist aber sowohl in der Fassung des Protokolls der Fall, die die Klägerinnen angreifen, als auch in derjenigen, die die Klägerinnen mit ihrem Klageantrag verfolgen. In beiden Varianten ergibt sich aus dem Protokoll, dass das Thema behandelt wurde und ein Beschluss gerade nicht gefasst worden ist. In jedem Fall lässt sich eine Rechtsposition daraus ablehnen, dass die Eigentümerversammlung bereits einmal erfolglos im Sinne des ursprünglichen Sachantrages mit dem Thema beschäftigt war.
Fehlt es also bereits deswegen am Rechtsschutzinteresse, weil sich die Position der Klägerinnen auch im Erfolgsfalle der Klage nicht anders darstellt als ohne Protokollberichtigung, so bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob das Rechtsschutzinteresse deswegen fehlt, weil hier nicht im Vorfeld der Klage auf eine andere Art und Weise eine Protokollberichtigung verlangt worden war (nach Niedenführ/Kümmel, § 24 WEG Rn. 75 ist Voraussetzung der Klage eine zunächst außergerichtlich verfolgte Protokollberichtigung, die erfolglos geblieben war).
Auch spielt es keine Rolle, ob der Beklagte zu 3. zu Recht in Anspruch genommen wurde. Zwar ist Gegner einer Klage auf Berichtigung des Protokolls einer Eigentümerversammlung jeder, der das Protokoll (in der Originalniederschrift) unterzeichnet hat. Ob der Beklagte zu 3. allerdings nur scheinbar dazu gehört, weil er möglicherweise lediglich in der gedruckten und versendenden Fassung des Protokolls als Unterzeichner genannt ist, muss ebenfalls wegen des fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerinnen nicht mehr untersucht werden. Allerdings hat sich der Beklagte zu 3. nicht dazu erklärt, warum das auch von ihm vorgelegte Originalprotokoll drei Unterschriften enthält, die Dritte davon jedoch nicht die seinige sein soll.
Schließlich bedarf es keiner Entscheidung mehr über die Frage, ob der von den Klägerinnen geschilderte Verlauf der Eigentümerversammlung zutrifft oder nicht. Lediglich vorsorglich merkt das Gericht an, dass die Richtigkeit der Auffassung der Klägerinnen bereits nach ihrem eigenen Vorbringen im Termin vom 31.10.2019 nicht unerheblichen Zweifeln begegnet. Selbst wenn bei anderer Gelegenheit der Geschäftsführer der Hausverwalterin als Versammlungsleiter in einer Art Subtraktionsverfahren nach Feststellung von ablehnenden Stimmen ein Beschlussergebnis festgestellt und verkündet haben sollte, steht damit nicht fest, dass dies in allen Entscheidungssituationen so gewesen sein muss bzw. war. Insbesondere steht nicht fest, dass auch in der konkreten hier gegenständlichen Situation solches beabsichtigt war. Gerade die Erklärungen der Klägerin zu 1. im Verhandlungstermin deutet darauf hin, dass sie lediglich davon ausging, der Versammlungsleiter werde in einer solchen Art und Weise eines Subtraktionsverfahrens vorgehen, nicht aber, dass er dies ausdrücklich so verlautbart hatte. Darüber hinaus ist auch noch eine Antragsrücknahme zwischen Abstimmung und Beschlussfeststellung bzw. –verkündung denkbar.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.