LG Frankfurt – Az.: 2/13 S 186/14 – Urteil vom 13.01.2017
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 24.10.2014 (Az.: 313 C 187/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.06.2014 zu TOP 6 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von einer Darstellung des Tatbestands des Urteils wird nach §§ 540 Abs. 2 i. V. m. 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 24.10.2014 (Az.: 313 C 187/14) ist begründet.
Der auf der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 12.06.2014 zu TOP 6 gefasste Beschluss ist auf die Anfechtungsklage des Klägers hin nach § 46 WEG für ungültig zu erklären.
Der Beschluss konnte nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage sind nicht gegeben. Es liegt keine Modernisierung entsprechend § 555 b Ziffer 1 bis 5 BGB (n. F.) bzw. § 559 Abs. 1 BGB (a. F.) vor, da keine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts oder Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse im Sinne dieser Regelungen – andere Varianten kommen erkennbar nicht in Betracht – besteht. Diese müssten sich nach zutreffender Auffassung auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage und nicht nur – wie hier – auf eine einzelne Mit- und Sondereigentumseinheit beziehen. Anderenfalls geriete § 22 Abs. 1 WEG gegenüber § 22 Abs. 2 WEG in Umkehrung des nach der Systematik dieser Gesetzesregelungen angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses vom Regelfall zum (seltenen) Ausnahmefall, da die meisten baulichen Veränderungen, die gerade (nur) von einem einzelnen Wohnungseigentümer (nur) in Bezug auf seine eigene Mit- und Sondereigentumseinheit vorgenommen werden, eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts und/oder eine Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse für diese bedeuten würden, was gerade der Grund für deren Durchführung ist. Beispielsweise bedürften – vom Gesetz sicherlich nicht intendiert – hiernach nicht der Zustimmung aller Wohnungseigentümer: Anbau oder Errichtung eines Balkons, einer Terrasse oder eines Wintergartens an eine einzelne Wohnung; Erweiterung der Balkon-, der Terrassen- oder der Wintergartenfläche einer einzelnen Wohnung; Anbringung einer Markise für eine einzelne Wohnung; Verglasung oder Überdachung des Balkons oder der Terrasse einer einzelnen Wohnung; Errichtung einer Außentreppe für eine einzelne Wohnung; vom Kläger erwähnte Installation einer Parabolantenne für eine einzelne Wohnung. Der vom Amtsgericht gegen die hiesige Rechtsauffassung angeführte Fall eines Fahrstuhls bzw. Aufzugs ist mit diesen Beispielen gerade nicht vergleichbar, sondern unterfällt tatsächlich § 22 Abs. 2 WEG, da das Vorhandensein eines Fahrstuhls bzw. Aufzugs im Gebäude einer Wohnungseigentumsanlage in aller Regel für sämtliche sich in diesem befindende Einheiten einschließlich der Erdgeschosswohnung(-en) eine Gebrauchswerterhöhung bedeutet und nicht nur für einzelne bzw. für die über dem Erdgeschoss gelegenen Wohnungen.
Der Beschluss vom 12.06.2014 zu TOP 6 konnte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer und damit auch des Klägers gefasst werden, woran es aber fehlt. Einschlägig ist insofern § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG und nicht § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG, da die Installation der Klimaanlage mit den Maßen Breite 88,7 cm/ Höhe 61,9 cm/ Tiefe 37,0 cm (so das erstinstanzliche Urteil) bzw. Breite 87,2 cm/ Höhe 54,2 cm/ Tiefe 28,9 cm (so das unbestrittene Vorbringen des Klägers) an der Außenfassade des Gebäudes mit 10,0 cm Abstand zu dieser auch unter Berücksichtigung der Anbringung unterhalb des Dachfirsts und der gegenüber der weißlichen Fassadenfarbe ähnlichen Farbgebung eine ganz erhebliche optische Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums über das gemäß § 14 Ziffer 1 WEG zulässige Maß hinaus darstellt. Hierbei kommt es im Übrigen ausschließlich darauf an, dass das Gerät für die Wohnungseigentümer sowie Dritte – sehr deutlich, wie sich schon aus den zur Akte gereichten Lichtbildern ergibt, zumal angesichts der betroffenen zur Straße hin gelegenen Fassadenseite des Gebäudes – sichtbar ist, wohingegen die konkrete Lage der Wohnung des Klägers und die Blickrichtung von dieser aus nicht relevant sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO hierfür sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern gleichfalls keine Entscheidung durch das Revisionsgericht.