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WEG – nichtige Sondereigentumsbestimmung ist in Kostenregelung umzudeuten

AG Köln – Az.: 215 C 60/21 – Urteil vom 18.07.2022

Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 11.04.2022 abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. Dies gilt nicht für die der Beklagten zur Last fallenden Kosten ihrer Säumnis.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist Miteigentümer in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Bei der Wohnanlage handelt es sich um die sogenannte B. W., gelegen in der B-Straße 111 bis 222 in H.

Die Anlage besteht aus neun Einfamilienhäusern und zwei Mehrfamilienhäusern mit vier bzw. zwei Wohneinheiten. Die klägerische Wohnung Nr. 52 befindet sich im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses mit der Hausnummer 333, das über insgesamt vier Wohneinheiten verfügt.

Die Regelungen in § 3 Abs. 2 und 3 der Teilungserklärung (TE) vom 01.09.1980 betreffend die Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum wurden durch Änderungsvereinbarung vom 28.11.1980 aufgehoben und neu gefasst. Im Folgenden sind die relevanten Regelungen der TE dargestellt, wobei die gestrichenen Regelungen Teil der ursprünglichen Vereinbarung waren. Die Änderungsvereinbarung erschöpfte sich, soweit von Interesse, in den dargestellten Streichungen.

„2. Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums sind:

der Grund und Boden, die Teile der Gebäude, die für deren Bestand oder Sicherheit erforderlich sind oder die äußere Gestalt des Gebäudes bestimmen; Trennwände zwischen den Sondereigentumseinheiten, auch soweit sie nicht tragend sind, Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Miteigentümer dienen, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden. Dazu gehören auch Außenfenster, Außentüren und Zentralheizungen.

3. Gegenstand des Sondereigentums sind die zu den Wohnungen gehörigen Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile der Gebäude soweit sie nicht nach Absatz 2 Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums sind.

Dazu gehören u. a.:

(…)

c) der Wandputz und die Wandverkleidung sämtlicher, auch der nicht im Sondereigentum stehenden Wände der zum Sondereigentum gehörenden Räume;“

§ 8 „Instandhaltung und Instandsetzung des Wohnungseigentums“ lautet auszugsweise unverändert wie folgt:

„1. Die Wohnungseigentümer sind zur ordnungsmäßigen Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung ihres Sondereigentums (§ 3 Abs. 3) verpflichtet.

(…)

4. Das gemeinschaftliche Eigentum ist durch den Verwalter auf gemeinschaftliche Kosten ordnungsgemäß instandzuhalten und bei Beschädigung instandzusetzen. Soweit erforderlich haben die Wohnungseigentümer hierbei Einwirkungen auf das Sondereigentum zu dulden.

5. Die Instandhaltung und Instandsetzung der gemeinschaftlichen Gebäudeteile, Anlagen und Einrichtungen, die sich innerhalb der Räume eines Sondereigentums befinden, obliegen dem jeweiligen Wohnungseigentümer; dazu gehört auch die Verglasung.“

§ 23 „Rechtswirksamkeit“ der insoweit unveränderten TE lautet:

„Falls eine Bestimmung dieser Erklärung Rechtswirksamkeit entbehrt, soll dadurch die Rechtswirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die unwirksame Bestimmung soll vielmehr durch eine andere ersetzt werden, die dem in dieser Erklärung zum Ausdruck kommenden Willen nach Möglichkeit gerecht wird.“

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die ursprüngliche TE (Bl. 19 ff. GA) und die Änderungsvereinbarung vom 28.11.1980 (Bl. 118 ff. GA) Bezug genommen.

In der Wohneinheit des Klägers kam es im Juli 2021 zu einem Wasserschaden an der Außenwand im Wohnzimmer. Insoweit wird auf das vorgelegte Foto (Bl. 18 GA) Bezug genommen. Dabei scheidet ein Leitungswasserschaden oder ein Feuchtigkeitsauftrag von innen als Ursache aus.

Der Kläger beantragte in der Eigentümerversammlung vom 15.09.2021 zu TOP 12, die Verwaltung mit der Einholung eines Kostenvoranschlags für die Instandsetzung des Feuchteschadens zu beauftragen und eine Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen zu beschließen. Der Beschluss wurde mehrheitlich abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung (insoweit Bl. 7 GA) verwiesen.

Am 04.10.2021 hat der Kläger hiergegen Klage eingereicht, die der Beklagten am 02.11.2021 zugestellt worden ist. Die Begründung erfolgte mit am 15.11.2021 eingegangenem Schriftsatz.

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2022 für die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen war, ist in der mündlichen Verhandlung antragsgemäß Versäumnisurteil ergangen (Bl. 64 GA), mit dem der angefochtene Beschluss für unwirksam erklärt worden ist. Gegen das der Beklagten am 21.04.2022 zugestellte Versäumnisurteil hat sie rechtzeitig am 05.05.2022 Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 11.04.2022 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 11.04.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Versäumnisurteil ist nach § 343 S. 2 ZPO aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.

A.

Der angefochtene Negativbeschluss ist nicht aufzuheben, denn er entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 18 Abs. 2 WEG.

I.

Ein Negativbeschluss kann dann mit Erfolg angefochten werden, wenn ein Anspruch auf Erlass des beantragten aber abgelehnten Beschlusses bestand, weil das Ermessen der Gemeinschaft „auf Null“ reduziert ist.

II.

So liegt der Fall vorliegend aber gerade nicht. Der Kläger konnte von der Gemeinschaft einen Beschluss dahingehend, dass diese die Kosten der Instandsetzung der Außenwand seiner Wohneinheit bzw. der vorbereitenden Maßnahmen zu tragen habe, nicht verlangen.

1. Nach der TE hat der Kläger als Sondereigentümer der Wohneinheit Nr. 52 nämlich die Kosten der Instandsetzung der zugehörigen Außenwand zu tragen.

a) Das ergibt sich vordergründig unmittelbar aus der TE.

aa) Nach § 8 Abs. 1 TE ist jeder Wohnungseigentümer zur Erhaltung seines Sondereigentums im Sinne des § 3 Abs. 3 TE verantwortlich. Dass dabei in der TE nicht ausdrücklich auch die Kosten erwähnt werden, ist unerheblich. Soweit die Erhaltung ausdrücklich dem Sondereigentümer zugewiesen wird, folgt dem die Kostenlast. Einer besonderen Erwähnung bedarf es nicht.

bb) Zum Sondereigentum gehört nach den Regelungen der TE auch die Außenwand der Wohneinheit des Klägers, denn bei dieser handelt es sich weder um eine im Gemeinschaftseigentum stehende Trennwand zwischen Wohneinheiten noch um Grund und Boden im Sinne des § 3 Abs. 2 TE. Anders als in der ursprünglichen TE stellt die Regelung auch nicht mehr darauf ab, ob die Gebäudeteile für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes insgesamt erforderlich sind.

cc) Nicht maßgeblich ist demgegenüber § 8 Abs. 5 TE, der die Erhaltung auch von Gemeinschaftseigentum innerhalb der Räume des Sondereigentums dem Sondereigentümer auferlegt, denn zum einen handelt es sich nach der TE bei der Außenwand in diesem Bereich gerade um Gemeinschaftseigentum, zum anderen befindet sich eine Außenwand nicht „innerhalb“ des durch sie (mit-)gebildeten Raums. Die Regelung ist in vielfacher Hinsicht durch die nachträgliche Änderung der TE obsolet geworden.

b) Zwar ist die vorstehende Regelung nichtig, weil jedenfalls die tragenden Teile der Außenwand nach § 5 Abs. 2 WEG zwingendes Gemeinschaftseigentum sind, die bestehende Regelung der TE ist aber nach § 140 BGB in eine Regelung über die Kostentragung umzudeuten.

aa) Voraussetzung für eine derartige Umdeutung nach § 140 BGB ist, dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit der getroffenen Regelung über die Zuordnung zum Sondereigentum eine entsprechende Kostenregelung getroffen hätten. Hiervon wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen, wenn die TE bzw. Gemeinschaftsordnung eine weitere Bestimmung enthält, nach der die Sondereigentümer ihr jeweiliges Sondereigentum auf eigene Kosten zu erhalten haben (LG Dortmund, Urteil vom 1. April 2014 – 1 S 178/13 -; dieses Erfordernis nicht ausdrücklich postulierend: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 11 Wx 115/08 -; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 13. August 1996 – 15 W 115/96 -). Teilweise wird für eine derartige Umdeutung ferner das Vorhandensein einer salvatorischen Klausel verlangt (Jennißen in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 16 WEG, Rn. 45; zumindest als Argument für eine Umdeutung: OLG Karlsruhe, a. a. O).

bb) Diese Voraussetzungen liegen jeweils vor.

Zum einen überträgt die TE den Sondereigentümern die Erhaltungslast für ihr jeweiliges Sondereigentum auf ihre Kosten (s. o.). Zum anderen enthält die TE in § 23 ausdrücklich eine salvatorische Klausel, nach der eine unwirksame Regelung durch eine ihr wirtschaftlich möglichst nahekommende Regelung ersetzt werden soll. Das gelingt durch die Umdeutung in eine Regelung über die Kostentragung.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO.

C.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

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