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WEG – Pflicht zur Angabe der Kontostände einzelner Konten in Jahresabrechnung

AG Paderborn – Az.: 52 C 2/20 – Urteil vom 13.05.2020

Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft T aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.12.2019 zu TOP 6 wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem (ausgeschiedenen) Verwalter Herrn O. auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft T. Verwalter dieser Wohnungseigentümergemeinschaft war bis zum 31.03.2020 Herr O. Seit dem 01.04.2020 ist Verwalterin die Firma B.

In der Eigentümerversammlung vom 19.12.2019 wurde zu TOP 6 (Diskussion und Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2018) folgender Beschluss gefasst:

(…)

Die Jahresabrechnung 2018 wurde wie folgt beschlossen:

dafür: 559,00 ME/1.000 ME

dagegen: 241,00 ME/ 1.000 ME

Enthaltungen: 0,00 ME/1.000 ME (…).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 19.12.2019 (Bl. 4 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Beschlussfassung lag die Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 vom 01.08.2019 (Bl. 8 ff. der Akte) zugrunde. Wegen der Gesamt- und Einzelabrechnungen der Klägerinnen wird Bezug genommen auf die Abrechnung 2018 vom 01.08.2020, Bl. 8 ff. der Akte.

Im Abrechnungsjahr 2018 wurden die Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft als Treuhandkonten geführt. Die Abrechnung 2018 basiert auf dieser Kontoführung.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Jahresabrechnung 2018 sei fehlerhaft. Denn sie erfülle nicht die Mindestvoraussetzungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung und daher entspräche ihre Genehmigung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Fragen, die die Klägerinnen im Rahmen der Eigentümerversammlung in Bezug auf die Abrechnung gestellt hätten, seien nicht zufriedenstellend beantwortet und gelöst worden. Darüber hinaus sei der Genehmigungsbeschluss auch deshalb für unwirksam zu erklären, da ihm eine unzulässige Kontoführung zugrunde liege. Denn der Verwalter Herr O habe das laufende Hausgeldkonto und das Rücklagenkonto als offenes Treuhandkonto auf seinen eigenen Namen geführt, was unstreitig ist. Die Führung der gemeinschaftlichen Konten als offene Treuhandkonten auf den Namen des Verwalters sei jedoch eine unzulässige Kontenführung. Da die erstellte Abrechnung auf dieser Kontenführung basiere, liege keine ordnungsgemäße Erstellung vor. Weiterhin sei erneut die Position Treppenhausreinigung/Hausmeistertätigkeit in die Jahresabrechnung 2018 eingestellt worden, was klägerseits unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 09.01.2019 zu Az. 52 C 30/18 für nicht korrekt erachtet werde.

Die Klägerinnen beantragen, den in der Eigentümerversammlung vom 19.12.2019 der Wohnungseigentümergemeinschaft T gefassten Beschluss zu TOP 6 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Anfechtungsklage sei verfristet.

Die Abrechnung 2018 erfülle die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung. Außerdem hätten die Klägerinnen ausweislich des Protokolls Fragen zur Abrechnung stellen können, die auch geklärt worden seien, so dass die Klage jetzt als treuwidrig zu qualifizieren sei. Die Führung von Gemeinschaftskonten der Wohnungseigentümergemeinschaft als offene Treuhandkonten sei nach wie vor nicht zu beanstanden. Im Übrigen habe die Verwendung eines Treuhandkontos de facto zu keinem wirtschaftlichen Nachteil geführt, so dass es rechtlich irrelevant sei, dass der (ehemalige) Verwalter für die Verwaltung der eingenommenen Gelder kein Fremdgeldkonto auf den Namen der Gemeinschaft eingerichtet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Gericht hat die Akten des Amtsgerichts Paderborn mit den Az. 52 C 23/19, 52 C 42/18 und 52 C 30/18 beigezogen.

Die Klage ist am 17.01.2019 erhoben worden (vergleiche Bl. 1 der Akte). Mit Vorschussrechnung vom 23.01.2020 (siehe Bl. I der Akte) ist der Vorschuss eingeholt worden, der dann unter dem 27.01.2020 (siehe Bl. II der Akte) eingezahlt worden ist. Zustellungsverfügung ist dann unter dem 30.01.2020 erfolgt (Bl. 12 der Akte), woraufhin Zustellung der Klage erfolgt ist am 05.02.2020 (vergleiche Zustellungsurkunde von Bl. 14 der Akte).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben und begründet worden.

Nach den im Tatbestand näher dargelegten Daten erfolgte die Klagezustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO, so dass die Anfechtungsklage nicht verfristet ist.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet.

Die erstellte Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 vom 01.08.2020 erfüllt nicht diejenigen Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung zu stellen sind.

Die Abrechnung muss eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr enthalten. Neben den Einnahmen und Ausgaben muss die Gesamtabrechnung auch den Bestand und die Entwicklung der Bankkonten ausweisen. Anzugeben sind die Kontostände sämtlicher Gemeinschaftskonten am Anfang und am Ende des Abrechnungszeitraumes. Darzustellen sind die Anfangs- und Endbestände der Girokonten, auf dem die Beiträge der Wohnungseigentümer vereinnahmt und von dem die Ausgaben zur Bewirtschaftung des Gemeinschaftseigentums getätigt werden. Entsprechendes gilt für die Anfangs- und Endbestände des Rücklagenkontos. Die Darstellung der Anfangs- und Endbestände ist erforderlich, um die rechnerische Schlüssigkeit der Gesamtabrechnung darzustellen. Sie ist rechnerisch nur schlüssig, wenn der Saldo zwischen den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben mit dem Saldo der Kontostände vom Anfang und Ende des Abrechnungsjahres übereinstimmt. Fehlt die Angabe der Kontostände am Anfang und am Ende des Abrechnungszeitraums, besteht ein Anspruch auf Ergänzung der Abrechnung. Unabhängig vom Bestehen eines Ergänzungsanspruchs ist der Beschluss über die unvollständige Abrechnung auf fristgerechte Anfechtungsklage insgesamt für ungültig zu erklären, da sich ohne die Angabe der Kontostände die Schlüssigkeit der Abrechnung insgesamt nicht überprüfen lässt. Würde man den einzelnen Wohnungseigentümer lediglich auf einen Ergänzungsanspruch verweisen, hätte dies zur Folge, dass er weitere Mängel der Abrechnung nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr rügen könnte, die erst nach Angabe der Kontostände zu erkennen sind (Bärmann/Becker, WEG, 14. Auflage 2018, § 28 Rn. 114, 129 f.). In der Abrechnung sind lediglich für das Rücklagenkonto Anfangs- und Endbestand angegeben. Diese Angaben fehlen aber gänzlich für das Hausgeldkonto. Schon aus diesem Grund war der Beschluss über die Jahresabrechnung 2018 für ungültig zu erklären.

Dieser Umstand konnte auch nicht durch (etwaige) mündliche Erläuterung von diesbezüglichen Fragen im Rahmen der Eigentümerversammlung behoben werden. Denn selbst wenn den Klägerinnen auch die weiteren Kontostände mündlich in der Eigentümerversammlung erläutert worden wären, kann von einem Wohnungseigentümer nicht verlangt werden, die Jahresabrechnung, bei der in der verschriftlichten Version wesentliche Inhalte fehlen, im Rahmen der Eigentümerversammlung quasi auf Zuruf der bislang fehlenden Daten komplett derart zu prüfen, dass man im Anschluss daran mit Einwendungen ausgeschlossen sein soll. Von daher kann das Gericht treuwidriges Verhalten der Klägerinnen durch die Klageerhebung nicht erkennen. Die beklagtenseits zitierte Rechtsprechung des AG Wismar, Az. 2 C 386/15 dürfte nach der Entscheidung des dortigen Berufungsgerichts in der Sache 1 S 82/17, Urteil v. 13.07.2018, auch nicht mehr gefolgt werden können.

Bzgl. der Einzelabrechnungen ist zudem zu beanstanden, dass sowohl bei der Abrechnung der Klägerin zu 1) als auch bei derjenigen der Klägerin zu 2) eine Position „Differenz aus Abrechnung 2016“ in die Abrechnung eingestellt ist mit jeweils 64,13 EUR. Forderungen und Verbindlichkeiten aus früheren Jahresabrechnungen sind aber nicht zu berücksichtigen (Bärmann/Becker a.a.O. Rn. 115).

Weiterhin ist auch die Kontenführung der Gemeinschaftskonten als offene Treuhandkonten auf den Namen des Verwalters nach hiesiger Auffassung nicht mehr zulässig. Nach inzwischen fast einhelliger Auffassung ist der WEG-Verwalter im Zuge seiner Verpflichtung aus § 27 Abs. 5 S. 1 WEG, eingenommene Gelder von seinem Vermögen getrennt zu halten, verpflichtet, ein Konto auf den Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft einzurichten. Die mit dieser Vorschrift bezweckte Insolvenz- und Pfandsicherheit der eingenommenen Gelder verbietet im bargeldlosen Zahlungsverkehr, die Gelder auf einem Eigenkonto des Verwalters zu führen, bei dem Kontoinhaber und Verfügungsberechtigter der Verwalter ist (Jennißen/Heinemann, WEG, 6. Auflage 2019, § 27 Rn. 104, LG Saarbrücken, Az. 5 S 44/17). Das diesbezüglich von den Beklagten zitierte Urteil des AG Kassel, Az. 803 C 4530/10 ist zudem vom Berufungsgericht LG Frankfurt, Az. 2-13 S 6/11 kassiert worden. Da die Abrechnung 2018 auf dieser nicht zulässigen Kontoführung beruht, ließe sich die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbeschlusses mit AG Mettmann, Urteil vom 15.04.2016, Az. 26 C 40/14 auch damit begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 49 Abs. 2 WEG.

Dass die Jahresabrechnung 2018 nicht ordnungsgemäß erstellt ist, hätte dem Verwalter bekannt sein müssen, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorverfahrens des AG Paderborn, Az. 52 C 23/19. Dies ist daher als grobes Verschulden des inzwischen ausgeschiedenen Verwalters anzusehen. Die Prozesskosten können auch einem nach Veranlassung der gerichtlichen Tätigkeit ausgeschiedenen Verwalter auferlegt werden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert auf bis zu 10.000,00 EUR festgesetzt.

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