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WEG – rechtswidrige bauliche Veränderung – Rückbauverpflichtung

AG Brühl – Az.: 29 C 5/22 – Urteil vom 20.10.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Forderung abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Zusammenfassung

Eine Gruppe von Sondereigentümern in einer deutschen Wohnungseigentümergemeinschaft hat Klage gegen die Gemeinschaft eingereicht. Sie macht geltend, dass der Beschluss der Jahreshauptversammlung, ihnen die Vergrößerung der Terrassenfläche ihrer Wohnungen zu untersagen, nicht ordnungsgemäß verwaltet worden sei. Die Eigentümer hatten ihre Terrassenfläche ohne vorherige Genehmigung vergrößert, und die Gemeinschaft hatte die Eigentümer aufgefordert, die Fläche wieder auf ihre ursprüngliche Größe zu bringen. Sollten die Eigentümer der Aufforderung nicht nachkommen, ist die Gemeinschaft befugt, die baulichen Veränderungen gerichtlich durchsetzen zu lassen. Die Eigentümer argumentieren, dass die Entscheidung nicht ordnungsgemäß getroffen wurde, da das Verfahren nicht eingehalten wurde und die vollberechtigten Eigentümer nicht berechtigt waren, begründete Stellungnahmen abzugeben. Sie machen außerdem geltend, dass der Beschluss zur Einschränkung ihrer Erweiterung unzulässig war, da einer der Eigentümer lungenkrank und auf einen Rollstuhl angewiesen ist und ihr Gartenbereich eine leichte Neigung aufweist, die zu Mobilitätsproblemen führt. Das Gericht entschied zugunsten der Gemeinschaft und stellte fest, dass die Eigentümer eine nicht genehmigte bauliche Veränderung vorgenommen hatten und die Gemeinschaft das Recht hat, die Beseitigung der Veränderungen gerichtlich durchzusetzen. Außerdem konnten die Eigentümer nicht nachweisen, dass die Entscheidung zur Einschränkung ihres Ausbaus unzulässig war. Die Entscheidung kann nur durch eine ordnungsgemäße Verwaltung getroffen werden und muss ein strenges Verfahren einhalten, das eine Mehrheitsentscheidung für die Entscheidung beinhaltet.

Tatbestand

Die Kläger sind Sondereigentümer einer im Erdgeschoss liegenden Wohnung in der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dem Sondereigentum zugeordnet ist ein Sondernutzungsrecht an der an die Wohnung angrenzenden Terrasse und Gartenfläche.

Die Kläger haben eigenmächtig eine Vergrößerung der Terrassenfläche vorgenommen. Die Fläche wurde von 12,32 qm auf 21,76 qm vergrößert.

Die Eigentümerversammlung am 16.12.2021 beschloss zu TOP 16 e:

„Die Eigentümerversammlung genehmigt keine Vergrößerung der Terrassenflächen und beschließt, den Verwalter zu beauftragen die Wohnungseigentümer der Einheit 00, 0.00, Eheleute T und T1 aufzufordern, die ohne Gestattungsbeschluss im Bereich des Sondernutzungsrechts angebrachte Vergrößerung der Terrassenflächen der Erdgeschosswohnungen zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Für den Fall, dass die Eigentümer dieser Aufforderung nicht nachkommen, ist der Verwalter weiter ermächtigt, namens und im Auftrag der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beseitigung der baulichen Veränderung gerichtlich durchzusetzen. Der Verwalter darf hiermit namens und im Auftrag der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt beauftragen, um außergerichtlich und gerichtlich tätig zu werden. Zur Finanzierung beschließt die Eigentümerversammlung die vorbeschlossene Maßnahme zu Lasten der laufenden Mittel der Gemeinschaft zu finanzieren.“

Die Kläger sind der Ansicht, der Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Klägerin lungenkrank und gehbehindert sei, einen Rollator benötige und dieser sich auf der Rasenfläche nicht so leicht rollen lasse wie auf der Terrassenfläche. Durch die Terrassenerweiterung werde der Teil eines rückseitige Fluchtwegs, der über Rasen führe, verkürzt sowie die Höhendifferenz von Boden und Unterseite des Fensterrahmens an dem Küchenfenster von 10 auf 6 cm verringert.Die Kläger meinen, der Beschluss sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil bei der Einladung zur Eigentümerversammlung den Miteigentümern Vollmachten durch die Hausverwaltung übersandt wurden, die bereits unwirksam seien, da zum hier streitgegenständlichen TOP – sowie bei allen anderen Top´s im Übrigen auch – der Beschluss nur mit ja, nein oder Enthaltungen angewiesen werden konnte, eine Differenzierung nicht möglich gewesen sei.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft N-Straße, L-Straße, G-Str.. 50389 Wesseling vom 16.12.2021 hinsichtlich TOP 16e für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss ist nicht fehlerhaft zustande gekommen, weil in übersandten Vollmachtsformularen zu den einzelnen TOP nur „ja“, „nein“ und „Enthaltung“ angegeben werden konnte. Zu Beschlussanträgen kann nur mit ja oder nein abgestimmt oder sich enthalten werden. Im Übrigen stand es jedem Eigentümer frei, Vollmachten mit anderem Inhalt zu erteilen oder selbst teilzunehmen. Eine Vorschrift, die der Verwalterin aufgibt Vollmachtsformulare zur Verfügung zu stellen und dafür einen bestimmten Inhalt oder Aufbau vorschreibt, gibt es nicht.

Das pauschale und offensichtlich in Blaue hinein erfolgte Bestreiten der Ja-Stimmen ist in Anbetracht des Protokolls der Eigentümerversammlung unbeachtlich. Es wäre an den Klägern gewesen, im Einzelnen vorzutragen, warum das protokollierte Abstimmungsergebnis in einem relevanten Ausmaß nicht richtig sein soll.

Der angefochtene Beschluss widerspricht auch inhaltlich nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Wohnungseigentümer dürfen im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung grundsätzlich beschließen, den Verwalter zu ermächtigen, einen von ihnen erkannten und nicht von vorn herein ausgeschlossenen Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Die Klärung, ob der Anspruch tatsächlich besteht, hat dann in dem gegebenenfalls angestrengten gerichtlichen Verfahren zu erfolgen. Der Zugang zu diesem kann nicht durch eine Beschlussanfechtung des betroffenen Eigentümers unterbunden werden, indem der Streit in ein Anfechtungsverfahren nach § 44 WEG verlagert wird.Dies gilt umso mehr, als durch die eigenmächtige bauliche Veränderung, die die Kläger mit der Vergrößerung der Terrasse geschaffen haben, ein rechtswidriger Zustand entstanden ist, denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht dulden muss. Unzulässige, also weder durch Vereinbarung oder Beschluss legitimierte, bauliche Veränderungen sind rechtswidrig (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 102). Auch, wenn eine bauliche Veränderung nach § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG verlangt werden kann, ist gemäß § 20 Absatz 2 Satz 2 über deren Durchführung durch Beschluss zu entscheiden. Auch über die Gestattung nach § 20 Absatz 3 WEG ist durch Beschluss der Wohnungseigentümer zu entscheiden. Eine eigenmächtig vorgenommene bauliche Veränderung braucht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer solange nicht im Sinne des § 1004 Absatz 2 BGB zu dulden, wie sie nicht durch entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung oder eine Vereinbarung aller Eigentümer legitimiert ist. Es ist von dem Gesetz nicht gewollt, dass Eigentümer, die eine bauliche Veränderung wünschen, einfach drauf los bauen und vollendete Tatsachen schaffen, statt ihren Wunsch zunächst der Eigentümerversammlung vorzutragen und zur Beschlussfassung zu stellen. Sollte ein Beschluss zur Gestattung verweigert werden, obwohl eine bauliche Veränderung bzw. deren Gestattung nach §§ 20 Absatz 2 Satz 1 oder § 20 Absatz 3 WEG verlangt werden kann, berechtigt auch das einen Eigentümer nicht, eigenmächtig ohne entsprechenden Beschluss baulich zu verändern. Es steht ihm dann frei, eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Absatz 1 Satz 2 WEG zu erheben. Vornehmen darf er und dulden muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung erst dann, wenn diese durch eine entsprechende Beschlussersetzung gestattet ist. Eine die bauliche Veränderung legitimierende Beschlusslage würde auch dann nicht bestehen, wenn das Gericht die Ablehnung der Genehmigung durch den angefochtenen Beschluss für ungültig erklären würde, denn dies würde nichts daran ändern, dass ein Beschluss, der die bauliche Veränderung gestattet oder genehmigt, nicht gegeben wäre, die eigenmächtige bauliche Veränderung durch die Kläger also weiterhin rechtswidrig wäre, nicht geduldet werden muss und ihr Rückbau verlangt und verfolgt werden kann.

Auch bezüglich des Inhalts, dass die Eigentümerversammlung keine Vergrößerung der Terrassenfläche genehmigt, ist der Beschluss nicht für ungültig zu erklären. Abgesehen von der Problematik der Zulässigkeit der Anfechtung eines so genannten Negativbeschlusses, deren Erfolg den Klägern vorliegend gar nichts bringen würde, weil ihrer Terrassenerweiterung damit immer noch nicht durch entsprechenden Beschluss legitimiert wäre, widerspricht die Ablehnung der Genehmigung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Ein etwaiger Anspruch der Kläger aus § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 WEG auf eine angemessene bauliche Veränderung, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dient, führt nicht dazu, dass die Ablehnung der Genehmigung der von den Klägerin eigenmächtig vorgenommenen bauliche Veränderung durch die Eigentümerversammlung nicht hätte erfolgen dürfen. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der Erweiterung der Terrasse um eine angemessene bauliche Veränderung im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG handelt. Angemessen können nur solche Veränderungen sein, die geeignet sind, dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung zu dienen. Es muss sich mithin um eine Veränderung handeln, die für die Nutzung durch Menschen mit Behinderung förderlich im Sinne einer Barrierereduzierung ist. Es muss ein Bezug zu einer körperlichen oder geistigen Einschränkung bestehen. Bei der Erweiterung der Terrasse ist dieser nicht vollständig zu erkennen. Auch nach dem Vortrag der Kläger besteht ein Bezug und eine Förderlichkeit nur im Hinblick auf eine bessere Erreichbarkeit des Gartentores. In Bezug dazu kann aber nur der Teil stehen, der als solcher Weg dienen kann, nicht auch der gesamte weitere Bereich, in dem die Kläger die Terrasse erweitert haben. Bezüglich dessen ist eine Dienlichkeit im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 WEG nicht dargelegt.

Zudem ist § 20 Absatz 2 Satz 2 WEG zu beachten, nach dem über die Durchführung der baulichen Veränderung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu beschließen ist. Der Individualanspruch aus § 20 Abs. 2 S. 1 WEG ist durch § 20 Abs. 2 S. 2 WEG hinsichtlich der Durchführung eingeschränkt, der Art und Weise der Durchführung der Entscheidung der Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nach eigenem Ermessen unterwirft. Die Wohnungseigentümer entscheiden sowohl über die Frage, wer die Baumaßnahme durchführt, als auch über die Art und Weise der Bauausführung bis hin zu den baulichen Details (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 58). § 20 Absatz 2 Satz 2 WEG schränkt den Anspruch aus § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG insoweit ein, als dass der Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der baulichen Veränderung hat (BT-Drucksache 19/18791 S. 65). Es ist von den Klägern nicht dargelegt, dass das insoweit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eingeräumte Ermessen vorliegend dahingehend eingeschränkt wäre, dass allein die von den Klägerin vorgenommene Vergrößerung der Terrasse in der durchgeführten Weise ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde und deshalb genehmigt werden müsste. Andere dem vorgebrachten Interesse Rechnung tragende Maßnahmen wie etwa die Anlage eines gepflasterten Weges sind denkbar.

Auch aus § 20 Absatz 3 WEG ergibt sich nicht, dass es ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach, die Terrassenerweiterung nicht zu genehmigen. Der Begriff der über das bei einem geordneten Zusammenleben hinausgehenden Beeinträchtigung ist weiterhin weit auszulegen. Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass von der baulichen Veränderung keine solche Beeinträchtigung ausgeht oder alle Beeinträchtigten zugestimmt haben, ist der Eigentümer, der die Gestattung der baulichen Veränderung begehrt. Dass von der Terrassenerweiterung der Kläger keine relevante Beeinträchtigung ausgeht, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Die vorgelegten Fotos zeigen eine deutliche Veränderung des optischen Erscheinungsbilds der Terrassen- und Gartenfläche insbesondere im Hinblick auf das Abstellen von Pflanzgefäßen und anderen Gegenständen auf den Erweiterungsflächen sowie die Möglichkeit einer intensiveren Nutzung der Terrasse. Die Veränderung ist insbesondere aufgrund des Maßes der Erweiterung der Terrasse von 12,32 qm auf 21,76 qm nicht unerheblich, weil sich dadurch ein deutlich anderes Erscheinungsbild und ganz andere Nutzungsmöglichkeiten ergeben. Dass alle, die von einer relevanten Beeinträchtigung betroffen wären, der baulichen Veränderung zugestimmt haben, haben die Kläger nicht dargelegt und unter Beweis gestellt. Der Kreis der in Betracht kommenden Personen ist nicht nur auf die von den Klägern angeführten Eigentümer M und L1 beschränkt. Zudem haben sie nicht dargelegt, dass das Einverständnis zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses vorlag.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 ff. ZPO.

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