Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Konflikte im Wohnungseigentumsrecht: Gerichtsurteil zu Gemeinschaftseigentum und Baumaßnahmen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie können bauliche Veränderungen in einer Eigentumswohnung rechtssicher durchgeführt werden?
- Welche Mehrheiten sind für die Genehmigung baulicher Veränderungen nach dem neuen WEG erforderlich?
- Was sind die rechtlichen Folgen nicht genehmigter baulicher Veränderungen?
- Welche Bedeutung haben alte Teilungserklärungen für aktuelle bauliche Veränderungen?
- Wann ist eine nachträgliche Genehmigung baulicher Veränderungen möglich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht München
- Datum: 13.10.2022
- Aktenzeichen: 1293 C 365/22 WEG
- Verfahrensart: Anfechtungsklage gegen Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, Eigentümerin einer Wohnung mit einem Miteigentumsanteil. Die Klägerin argumentiert, dass bestimmte Beschlüsse der Eigentümerversammlung ungültig sind und strebt eine Rückgängigmachung baulicher Maßnahmen an, die ohne ordnungsgemäßen Beschluss durchgeführt wurden.
- Beklagte: Wohnungseigentümergemeinschaft, die die angefochtenen Beschlüsse gefasst hat. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin ficht Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung an, bei denen bauliche Veränderungen genehmigt wurden, die ohne vorherige Zustimmung realisiert wurden. Dazu gehört der Aus- und Umbau von Bauteilen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören, ohne entsprechende Genehmigungen. Die Klägerin sieht die Abstimmungsergebnisse als ungültig an, da sie glaubt, einige Stimmrechte seien nicht korrekt gezählt worden.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Baumaßnahmen ohne ordentlichen Beschluss genehmigt werden durften und ob der Beschluss der Klägerin einen Anspruch gibt, die Baumaßnahmen rückgängig zu machen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen und die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung als gültig erachtet. Die Klägerin wurde verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Begründung: Der Beschluss zur Genehmigung der Baumaßnahmen war rechtmäßig, da nach der aktuellen Rechtslage einfache Mehrheit ausreichend ist. Die Vereinbarungen in der Teilungserklärung entfalten aufgrund geänderter gesetzlicher Regelungen keine Wirkung mehr. Die baulichen Veränderungen brachten keine unzumutbaren Nachteile oder unbillige Benachteiligungen für die Klägerin mit sich. Darüber hinaus wurde der Zeitraum für Einwendungen nicht eingehalten.
- Folgen: Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen. Das Urteil bekräftigt, dass einfache Mehrheitsbeschlüsse für bauliche Veränderungen ausreichend sein können, auch wenn frühere Regelungen (im Sinne einer qualifizierten Mehrheit) noch in einer Teilungserklärung stehen.
Konflikte im Wohnungseigentumsrecht: Gerichtsurteil zu Gemeinschaftseigentum und Baumaßnahmen
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bildet die rechtliche Grundlage für Eigentümergemeinschaften und regelt komplexe Aspekte des gemeinschaftlichen Wohnens. Insbesondere Regelungen zur Veränderung des Gemeinschaftseigentums und Baumaßnahmen sind für Wohnungseigentümer von zentraler Bedeutung.
Althergebrachte Teilungserklärungen enthalten oft veraltete Bestimmungen, die nicht mehr den aktuellen rechtlichen und baulichen Anforderungen entsprechen. Dies kann zu Konflikten und Rechtsunsicherheiten bei geplanten Modernisierungsmaßnahmen oder individuellen baulichen Veränderungen führen. Die Frage nach der Rechtswirksamkeit solcher historischen Regelungen und deren Auslegung beschäftigt Gerichte und Eigentümergemeinschaften zunehmend.
Der nachfolgende Beitrag beleuchtet einen aktuellen Gerichtsfall, der zentrale Aspekte dieser rechtlichen Herausforderungen im Wohnungseigentumsrecht aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Umstrittene Baumaßnahmen in Eigentumswohnung nachträglich von WEG genehmigt
Ein Streit um bauliche Veränderungen in einer Wohnungseigentumsanlage in München wurde durch das Amtsgericht München entschieden. Die Eigentümer einer Wohnung hatten ohne vorherige Genehmigung Mitte Januar 2021 ein Außenfenster zumauern lassen und einen Deckendurchbruch zwischen Erdgeschoss und Untergeschoss im Bereich ihrer Sondereigentumseinheit vergrößert.
Gemeinschaft stimmt Umbaumaßnahmen mehrheitlich zu
In einer Eigentümerversammlung am 20.12.2021 genehmigte die Wohnungseigentümergemeinschaft die bereits durchgeführten Umbaumaßnahmen nachträglich per Mehrheitsbeschluss. Eine Eigentümerin, die einen Miteigentumsanteil von 185,180/Tausendstel besitzt, focht diesen Beschluss beim Amtsgericht München an. Sie argumentierte, die Stimmen der Wohnungen Nummer 1 und 2 seien ungültig gewesen. Nach ihrer Darstellung stimmten wirksam 294,290/1000 Miteigentumsanteile für den Beschluss und 185,180/1000 dagegen, während sich 274,300/1000 enthielten.
Gericht bestätigt Rechtmäßigkeit der nachträglichen Genehmigung
Das Amtsgericht München wies die Klage ab. In der Urteilsbegründung verwies das Gericht auf den seit Dezember 2020 geltenden § 20 Abs. 1 WEG, nach dem bauliche Veränderungen durch Mehrheitsbeschluss gestattet werden können. Zwar sah die Teilungserklärung der Gemeinschaft aus dem Jahr 1994 noch eine Drei-Viertel-Mehrheit für bauliche Veränderungen vor. Diese Regelung hatte jedoch mit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes ihre Wirksamkeit verloren, da das neue Gesetz mildere Voraussetzungen für bauliche Veränderungen vorsieht.
Keine grundlegende Umgestaltung oder unbillige Benachteiligung
Die klagende Eigentümerin hatte nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen vorgetragen, dass die genehmigten Baumaßnahmen für sie einen nicht hinnehmbaren Nachteil bedeuteten oder zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führten. Ihr späterer Einwand, die neue Optik des Objekts sei störend und sie habe ihre Wohnung auch unter dem Gesichtspunkt der Außenansicht erworben, wurde vom Gericht als verspätet zurückgewiesen. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage oder eine unbillige Benachteiligung der Klägerin sah das Gericht nicht als gegeben an.
Rückbau der Maßnahmen nicht durchsetzbar
Das Gericht wies auch den Antrag der Klägerin ab, die Eigentümer zum Rückbau der Maßnahmen zu verpflichten. Eine solche Handlungspflicht könne die Eigentümergemeinschaft nicht per Beschluss auferlegen, da ihr dafür die Beschlusskompetenz fehle. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Beschlüssen über bauliche Veränderungen. Es stellt klar, dass der neue §20 WEG auch dann Anwendung findet, wenn alte Teilungserklärungen höhere Mehrheitserfordernisse vorsehen. Die mildere gesetzliche Regelung hat dabei Vorrang vor strengeren Vereinbarungen in der Teilungserklärung. Dies bedeutet eine deutliche Erleichterung für die Beschlussfassung bei baulichen Veränderungen in Wohnungseigentümergemeinschaften.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Wohnungseigentümer können Sie bauliche Veränderungen nun einfacher durchsetzen, da die gesetzliche Mehrheitsregelung nach §20 WEG gilt – auch wenn Ihre Teilungserklärung strengere Vorgaben macht. Sie müssen nicht mehr die oft schwer erreichbare Drei-Viertel-Mehrheit organisieren. Nachträgliche Genehmigungen bereits durchgeführter Umbaumaßnahmen sind ebenfalls mit der einfachen Mehrheit möglich. Allerdings sollten Sie vor Umbaumaßnahmen immer erst einen Beschluss der Eigentümerversammlung einholen, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Bei Zweifeln empfiehlt sich die Beratung durch einen Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht.
Rechtssicherheit bei baulichen Veränderungen
Das neue Wohnungseigentumsrecht erleichtert bauliche Veränderungen, birgt aber auch Fallstricke. Gerade bei älteren Teilungserklärungen ist die Rechtslage oft unklar. Um spätere Streitigkeiten und unnötige Kosten zu vermeiden, sollten Sie sich vor Beginn jeglicher Umbaumaßnahmen über Ihre Rechte und Pflichten informieren. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre baulichen Vorhaben rechtssicher umzusetzen und Ihre Interessen als Wohnungseigentümer zu wahren.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie können bauliche Veränderungen in einer Eigentumswohnung rechtssicher durchgeführt werden?
Wenn Sie eine bauliche Veränderung in Ihrer Eigentumswohnung planen, müssen Sie zunächst zwischen Maßnahmen am Sonder- und am Gemeinschaftseigentum unterscheiden. Jede bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum erfordert einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft.
Beschlussfassung und Mehrheitserfordernisse
Seit der WEG-Reform 2020 genügt für die meisten baulichen Veränderungen eine einfache Mehrheit in der Eigentümerversammlung. Dies gilt auch dann, wenn alte Teilungserklärungen noch höhere Mehrheiten vorsehen.
Privilegierte Maßnahmen
Bei bestimmten baulichen Veränderungen haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung. Dies betrifft Maßnahmen für:
- Barrierefreiheit
- Ladestationen für Elektrofahrzeuge
- Einbruchschutz
- Anschluss an Hochgeschwindigkeits-Telekommunikationsnetze
Durchführung und Dokumentation
Vor Beginn der Baumaßnahme müssen Sie folgende Schritte beachten:
Eine detaillierte Beschlussvorlage muss bei der WEG-Verwaltung eingereicht werden. Diese muss auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung gesetzt werden. Nach erfolgreichem Beschluss wird dieser in der Beschlusssammlung dokumentiert.
Grenzen der Veränderung
Auch bei Mehrheitsbeschluss sind bestimmte Grenzen zu beachten. Bauliche Veränderungen sind unzulässig, wenn sie:
- die Wohnanlage grundlegend umgestalten
- andere Eigentümer unbillig benachteiligen
Kostenverteilung
Die Kosten einer baulichen Veränderung trägt grundsätzlich derjenige Eigentümer, der sie veranlasst hat oder dem sie durch Beschluss gestattet wurde. Nur ihm stehen auch die Nutzungen zu.
Wenn Sie eine bauliche Veränderung planen, sollten Sie das Vorhaben frühzeitig und transparent kommunizieren. Eine sorgfältige Dokumentation aller Beschlüsse und eine klare Abstimmung mit der Eigentümergemeinschaft sind für die rechtssichere Durchführung unerlässlich.
Welche Mehrheiten sind für die Genehmigung baulicher Veränderungen nach dem neuen WEG erforderlich?
Grundregel der einfachen Mehrheit
Seit der WEG-Reform 2020 können bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum mit einfacher Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden Eigentümer beschlossen werden. Dies stellt eine wesentliche Vereinfachung gegenüber der früheren Regelung dar, bei der alle betroffenen Eigentümer zustimmen mussten.
Privilegierte Maßnahmen ohne Mehrheitsbeschluss
Bestimmte bauliche Veränderungen gelten als privilegiert und können von einzelnen Eigentümern auch ohne Mehrheitsbeschluss verlangt werden. Zu diesen privilegierten Maßnahmen gehören:
- Maßnahmen zur Barrierefreiheit
- Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge
- Einbruchschutzmaßnahmen
- Anschluss an das Glasfasernetz
Qualifizierte Mehrheit bei Kostenverteilung
Wenn die Kosten einer baulichen Veränderung von allen Eigentümern getragen werden sollen, ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Diese besteht aus:
- Zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen
- Mindestens der Hälfte aller Miteigentumsanteile
Grenzen der Beschlussfassung
Bauliche Veränderungen dürfen nicht beschlossen werden, wenn sie:
- zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen
- einzelne Wohnungseigentümer unbillig benachteiligen
Wenn Sie eine bauliche Veränderung planen, müssen Sie diese vor der Durchführung in einer Eigentümerversammlung zur Abstimmung bringen. Der Beschluss muss in der Beschlusssammlung der Gemeinschaft dokumentiert werden.
Was sind die rechtlichen Folgen nicht genehmigter baulicher Veränderungen?
Eine nicht genehmigte bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum ist grundsätzlich rechtswidrig. Dies gilt auch dann, wenn ein Anspruch auf Genehmigung bestanden hätte.
Rückbauverpflichtung und Beseitigungsanspruch
Wenn Sie eine bauliche Veränderung ohne erforderlichen Beschluss der Eigentümerversammlung vornehmen, können die anderen Eigentümer die Beseitigung der Veränderung und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn die Veränderung keine erkennbaren Nachteile für andere Eigentümer mit sich bringt.
Kostenfolgen
Bei nicht genehmigten baulichen Veränderungen müssen Sie als verursachender Eigentümer sämtliche entstehenden Kosten tragen. Dies umfasst:
- Die Kosten für den Rückbau
- Mögliche Folgekosten für Schäden am Gemeinschaftseigentum
- Schadensersatzansprüche anderer Eigentümer
- Bei gerichtlicher Durchsetzung auch die Prozess- und Anwaltskosten
Durchsetzung der Ansprüche
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ihre Ansprüche auf dem Rechtsweg durchsetzen. Ein Beschluss zum Rückbau ist bereits dann hinreichend bestimmt, wenn aus dem Protokoll hervorgeht, welche konkreten Veränderungen zurückgebaut werden sollen. Die Gemeinschaft kann eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen und bei Nichteinhaltung den Rückbau gerichtlich durchsetzen lassen.
Ordnungsrechtliche Konsequenzen
Nicht genehmigte bauliche Veränderungen können zusätzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellen, insbesondere wenn baurechtliche Vorschriften verletzt wurden. In solchen Fällen drohen neben dem Rückbau auch behördliche Bußgelder.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt: Die Reihenfolge „erst Beschluss, dann bauen“ ist zwingend einzuhalten. Wenn Sie der Auffassung sind, einen Anspruch auf die Genehmigung einer baulichen Veränderung zu haben, müssen Sie zunächst einen entsprechenden Beschluss erwirken und dürfen nicht eigenmächtig mit den Bauarbeiten beginnen.
Welche Bedeutung haben alte Teilungserklärungen für aktuelle bauliche Veränderungen?
Alte Teilungserklärungen müssen seit der WEG-Reform 2020 neu bewertet werden. Das reformierte Wohnungseigentumsgesetz geht grundsätzlich den Regelungen in alten Teilungserklärungen vor, sofern sich aus der Teilungserklärung nicht ausdrücklich ein anderer Wille ergibt.
Verhältnis zum neuen Recht
Eine Regelung in einer alten Teilungserklärung, die bauliche Veränderungen nur mit Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer erlaubt, hat keinen über die frühere Gesetzeslage hinausgehenden Regelungsgehalt. In solchen Fällen gilt automatisch das neue Recht, das deutlich großzügigere Möglichkeiten für bauliche Veränderungen vorsieht.
Neue Mehrheitserfordernisse
Bauliche Veränderungen können nun mit einfacher Mehrheit beschlossen oder einem einzelnen Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Dies gilt auch dann, wenn die alte Teilungserklärung strengere Anforderungen vorsah. Besonders relevant ist dies für:
- Barrierefreie Umbauten
- Installation von E-Auto-Ladestationen
- Einbruchschutzmaßnahmen
- Glasfaseranschlüsse
Prüfung alter Regelungen
Bei der Anwendung alter Teilungserklärungen ist zu prüfen, ob diese einen Versteinerungswillen enthalten. Ein solcher liegt vor, wenn die Teilungserklärung explizit festlegt, dass ihre Regelungen auch bei künftigen Gesetzesänderungen gelten sollen. Die Beweislast für einen solchen Versteinerungswillen trägt derjenige, der sich auf die alte Regelung beruft.
Wenn die Teilungserklärung lediglich den damaligen Gesetzestext wiedergibt oder sogar Erleichterungen vorsah, gilt automatisch das neue, liberalere Recht der WEG-Reform. Dies entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, bauliche Veränderungen zu erleichtern und einzelne Blockaden zu verhindern.
Wann ist eine nachträgliche Genehmigung baulicher Veränderungen möglich?
Eine nachträgliche Genehmigung bereits durchgeführter baulicher Veränderungen ist durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich möglich. Dies gilt auch dann, wenn die ursprünglich erforderliche Zustimmung nicht eingeholt wurde.
Voraussetzungen für die nachträgliche Genehmigung
Die nachträgliche Genehmigung erfordert eine umfassende Information aller Eigentümer vor der Beschlussfassung. Wenn Sie eine nachträgliche Genehmigung anstreben, müssen folgende Punkte beachtet werden:
- Detaillierte Dokumentation der durchgeführten Veränderungen
- Technische Spezifikationen und Unterlagen zur Bauausführung
- Informationen zu Kosten und deren Verteilung
- Klärung der Haftung für eventuelle Folgeschäden
Rechtliche Wirkung der nachträglichen Genehmigung
Ein rechtswirksamer Genehmigungsbeschluss schließt nachträgliche Beseitigungsansprüche einzelner Wohnungseigentümer aus. Selbst wenn nicht alle erforderlichen Zustimmungen vorliegen, ist der Beschluss nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.
Besonderheiten bei privilegierten Maßnahmen
Bei privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG – wie etwa Maßnahmen zur Barrierefreiheit, zum Einbruchsschutz oder zur Installation von E-Ladestationen – besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Genehmigung. In diesen Fällen muss die Eigentümergemeinschaft die Maßnahme genehmigen, sofern keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage vorliegt.
Kostenregelung bei nachträglicher Genehmigung
Die Eigentümergemeinschaft kann die Genehmigung mit einer Kostenregelung verbinden. Dabei können die bauwilligen Eigentümer verpflichtet werden:
- Sämtliche Errichtungskosten zu tragen
- Für zukünftige Folgekosten aufzukommen
- Die Haftung für eventuelle Schäden zu übernehmen
Die nachträgliche Genehmigung kann auch dann erfolgen, wenn die bauliche Veränderung bereits abgeschlossen ist. In diesem Fall bezieht sich die Kostenregelung naturgemäß nur noch auf künftige Folgekosten.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Teilungserklärung
Die Teilungserklärung ist die rechtliche Grundlage einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie wird beim Grundbuchamt hinterlegt und regelt die Aufteilung des Gebäudes in einzelne Wohnungseigentumseinheiten sowie die Rechte und Pflichten der Eigentümer. Darin werden unter anderem Sonder- und Gemeinschaftseigentum definiert und Nutzungsregelungen festgelegt. Basis ist § 8 WEG. Beispiel: Eine Teilungserklärung legt fest, dass der Keller zur Wohnung Nr. 1 gehört (Sondereigentum), während das Treppenhaus Gemeinschaftseigentum ist.
Sondereigentumseinheit
Dies bezeichnet den Teil einer Wohnungseigentumsanlage, der sich im alleinigen Eigentum eines Wohnungseigentümers befindet und von diesem ausschließlich genutzt werden kann. Typischerweise umfasst dies die eigentliche Wohnung mit allen nicht tragenden Wänden, Böden und Installationen. Geregelt in § 5 WEG. Zum Sondereigentum gehören nicht tragende Gebäudeteile wie Außenwände oder das Dach – diese sind Gemeinschaftseigentum. Beispiel: Die Innenwände einer Wohnung können vom Eigentümer frei gestaltet werden.
Miteigentumsanteil
Der Miteigentumsanteil bestimmt den rechnerischen Anteil eines Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum, ausgedrückt in Bruchteilen oder Prozenten. Er basiert meist auf der Wohnungsgröße und bestimmt Stimmgewicht bei Beschlüssen sowie die Verteilung von Kosten und Lasten. Geregelt in § 6 WEG. Beispiel: Bei einem Miteigentumsanteil von 185/1000 trägt der Eigentümer 18,5% der Gemeinschaftskosten.
Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz
Dieses 2020 in Kraft getretene Gesetz modernisierte das Wohnungseigentumsrecht grundlegend. Es vereinfachte Beschlussfassungen für bauliche Veränderungen und Modernisierungen durch neue Mehrheitsregelungen. Das Gesetz hat Vorrang vor älteren Regelungen in Teilungserklärungen. Kernpunkt ist die Erleichterung von Modernisierungsmaßnahmen durch einfache Mehrheitsbeschlüsse statt der früher oft erforderlichen Drei-Viertel-Mehrheit.
Beschlusskompetenz
Die Beschlusskompetenz bezeichnet die rechtliche Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft, zu bestimmten Themen verbindliche Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss treffen zu können. Sie ist gesetzlich geregelt und kann durch die Teilungserklärung konkretisiert werden. Die Grenzen der Beschlusskompetenz sind wichtig, da Beschlüsse ohne Kompetenzgrundlage nichtig sind. Beispiel: Die WEG kann über Hausordnung oder Instandhaltung beschließen, nicht aber über privates Sondereigentum.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 20 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieser Paragraph regelt die Beschlussfassungen in der Wohnungseigentümergemeinschaft, insbesondere hinsichtlich baulicher Veränderungen. Er legt fest, welche Mehrheiten für bestimmte Entscheidungen erforderlich sind und ermöglicht flexiblere Abstimmungsmodalitäten. Ziel ist es, bauliche Maßnahmen im Interesse der Gemeinschaft effizienter umzusetzen.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass § 20 WEG Anwendung findet, da diese Regelung milder ist als die in der alten Teilungserklärung festgelegte 3/4-Mehrheit. Dadurch wurde der Beschluss zur Genehmigung der Umbaumaßnahmen trotz der höheren Mehrheitserfordernisse der Teilungserklärung bestätigt. - Teilungserklärung gemäß WEG: Die Teilungserklärung ist eine grundlegende Vereinbarung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Eigentumsanteile und Nutzungseinheiten definiert. Sie enthält spezifische Regelungen zu Rechten und Pflichten der Eigentümer sowie zu Beschlussfassungen innerhalb der Gemeinschaft.
In diesem Fall enthielt die alte Teilungserklärung eine Bestimmung, dass bauliche Veränderungen mit einer Drei-Viertel-Mehrheit beschlossen werden müssen. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass die neuere Regelung des § 20 WEG vorrangig anzuwenden ist, da sie weniger strenge Anforderungen stellt. - § 23 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieser Paragraph behandelt die grundlegenden Bestimmungen zur Beschlussfassung in der Eigentümergemeinschaft. Er legt fest, wie Beschlüsse zustande kommen, welche Mehrheiten erforderlich sind und welche formalen Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Der Beschluss zur Genehmigung der Umbaumaßnahmen wurde gemäß den Bestimmungen des § 23 WEG gefasst. Das Gericht prüfte, ob die formalen Anforderungen erfüllt waren und bestätigte die Gültigkeit des Beschlusses unter Anwendung der aktuellen gesetzlichen Regelungen. - § 24 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): § 24 WEG spezifiziert die erforderlichen Mehrheiten für besondere Beschlüsse, wie Änderungen der Gemeinschaftsordnung oder bauliche Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen. Er differenziert zwischen einfachen Mehrheiten und qualifizierten Mehrheiten wie der Drei-Viertel-Mehrheit.
Obwohl die Teilungserklärung eine Drei-Viertel-Mehrheit für bauliche Veränderungen vorschreibt, entschied das Gericht, dass § 24 WEG mit seinen milderen Bestimmungen gemäß § 20 WEG angewendet wird. Somit war der ursprüngliche Beschluss rechtmäßig. - Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum gemäß WEG: Diese Unterscheidung ist essenziell im Wohnungseigentumsrecht und definiert, welche Teile des Eigentums gemeinschaftlich und welche ausschließlich im Eigentum einzelner Eigentümer stehen. Gemeinschaftseigentum umfasst beispielsweise Mauern und Decken, während Sondereigentum Teile wie Wohnungen betrifft.
Im vorliegenden Fall betrafen die durchgeführten Baumaßnahmen sowohl das Sondereigentum als auch das Gemeinschaftseigentum. Die Erweiterung eines Durchbruchs durch die gemeinschaftliche Decke erforderte eine entsprechende Genehmigung gemäß den Bestimmungen des WEG, was durch den Beschluss der Eigentümerversammlung nach § 20 WEG erfüllt wurde.
Das vorliegende Urteil
AG München – Az.: 1293 C 365/22 WEG – Endurteil vom 13.10.2022
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