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WEG-Sanierung – zerstörerische Bauteilöffnungen

Amtsgericht Hamburg – Az.: 11 C 113/21 – Urteil 01.11.2021

In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg – Abteilung 11 – auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2021 für Recht:

I. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung v. 18.3.2021 zu den Tagesordnungspunkten 2.1.2; 2.1.3; 2.1.4.1; 2.1.6; 2.1.7; 2.1.8; 2.1.9; 2.1.10; 2.1.11; 2.1.13; 21.15 und 2.1.16 werden für ungültig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf insgesamt EUR 728.406,– EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Notwendigkeit und Erforderlichkeit von Instandsetzungsbeschlüssen im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Beklagte gem. Teilungserklärung v. 2.11.1999 bildet (es wird auf Anl. K 1 vollumfänglich Bezug genommen), wobei die Klägerin zu 1.) Eigentümerin der Wohnung Nr. 11 (MEA 2,53 % +0,2% (Stellplatz 40)), die Kläger 2.) und 3.) gemeinsam Eigentümer der Wohnung Nr. 15 (MEA 2,99 % +0,2% (Stellplatz 48)) und die Klägerin zu 4.) Eigentümerin der Wohnung Nr. 23 ((MEA 2,49 % +0,2% (Stellplatz)) in den im Jahre 1999 fertig gestellten drei zusammenhängenden Häusern sind.

Seit mehreren Jahren treten am Gesamtgebäude der WEG, zunächst erscheinend nur in einzelnen Wohnungen, Feuchtigkeitsschäden auf. Seit 2016 ist die Fa. „###“ diesbzgl. für die Beklagte tätig, die unter dem 4.4.2018 für die Beklagte eine Chronologie erstellte (Anl. B 10). Das Gericht nimmt hierzu weiterhin Bezug auf den beklagtischen Schriftsatz v. 1.7.2021, S. 5 ff.. Auf der Eigentümerversammlung (folgend: EtV) v. 6.6.2018 (Vortrag Beklagte, Anl. B 6 spricht v. 5.6.2018) beschloss die Gemeinschaft die Einbeziehung der vertikalen Fensterbänder und der Pfosten-Riegel-Fassaden dreier Erkervorbauten in die Überprüfung. Auf der EtV v. 2.4.2019 wurden die Ergebnisse vorgestellt (hierzu verhält sich bzgl. einzelner Beschlussanfechtungen das Urteil des LG Hamburg v. 21.4.2021 zu Az. 318 S 7/20, AnI. B 6). Auf der EtV v. 22.9.2020 erfolgte noch kein Beschluss über mögliche Instandsetzungsmaßnahmen, es wurde ein „Bauausschuss“ gebildet (auf Anl. B 5 (Protokoll der EtV) und dort die TOP 4.2 und 4.1 wird Bezug genommen).

Auf der Versammlung v. 18.3.2021 wurden nach Einladung v. 19.2.2021 (auf AnI. K 2 wird Bezug genommen) die streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst (auf das Protokoll AnI. K 4 (BI. 165 ff.d.A.) wird Bezug genommen mit der Anl. K 5 (Kostenverteilung-Sonderumlage)). Auf der EtV v. 25.5.2021 zu TOP 4 (Einladung Anl. K 5 Klägerin zu 4.)) wurden Ergänzungen und Abweichungen beschlossen (vorliegend nicht streitgegenständlich, teilweise anderweit rechtshängig). Auf der EtV v. 19.10.2021 wurden die Beschlüsse zu den TOPs 2.1.6- 2.1.9 aufgehoben (noch nicht bestandskräftig).

Die Kläger tragen vor:

Die streitgegenständliche EtV sei schon nicht ordnungsgemäß eingeladen worden. Die Eigentümer sollten gem. Restriktionshinweisen auf „COVID-19“-Bedingungen nicht alle erscheinen. Die wesentlichen Unterlagen zum Verständnis der gestellten Anträge seien nur in einer virtuellen „Drop-Box“ herunterladbar enthalten gewesen. Es handele sich im Grunde um eine Luxussanierung, wohingegen nur begrenzte Schäden instandzusetzen seien, insbesondere der weitgehende Gesamtaustausch der Fenster sei unverhältnismäßig (Sachverständigengutachten).

Die nunmehr beschlossene „Variante 1“ sei, wie der protokollierte Verlauf der Abfolge der Tagesordnungspunkte auch zeige, zunächst in einer Vielzahl v. Beschlüssen bereits zur Grundlage gemacht, schließlich aber erst zum Schluss zu TOP 2.1.2 beschlossen worden. Die sinnvolle „Variante 3“ (Beseitigung der akuten Mängel, hierzu Protokoll der streitgegenständlichen EtV S.13), die der Architekt ### v. „###“ aber abgelehnt habe, sei beschlussmäßig abgelehnt worden (TOP 2.1.1). Das beschlossene Maßnahmepaket sei mangelhaft vorbereitet worden, so sei per Beschluss die eigentlich die Untersuchungen auslösende Wohnung Nr. 19 aus den Maßnahmen herausgenommen worden, gleichzeitig weitere Untersuchungen v. Fenstern der Wohnungen Nr. 6, 20 und 26 beschlossen worden. Im Grunde seien 16 Hausbereiche ohne Schäden. Die zugrundeliegenden Einzelmaßnahmen seien unbestimmt, so sei die „Bieterliste“ als Beschlussausformungsgrundlage genutzt, aber ungeeignet und nicht mit ausreichenden Angeboten unterlegt, das Wärme-Verbundsystem in seiner Ausgestaltung unbestimmt, die Fenstergrößen und – maße für die neuen Fenster unbestimmt und unklar, der Vorhalt v. 10% für Unvorhergesehenes zu hoch und der KfW-Zuschuss sei nicht vorausberechnet. Demgemäß rügen die Kläger hinsichtlich der streitgegenständlichen Ausführungsbeschlüsse Unbestimmtheit, Mangel v. Angeboten, Nichtbelastbarkeit v. Kostenrahmen und unzulässige Delegation auf die WEG-Verwaltung bei der Umsetzung (auf die klägerseitigen Schriftsätze wird insofern Bezug genommen).

Die Kläger beantragen, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie erwidert:

Die streitgegenständlichen Beschlüsse entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung. Die beschlossenen Maßnahmen seien notwendig (Sachverständigengutachten). Die Unterlagen zur streitgegenständlichen EtV hätten in der genannten „Drop-Box“ zur Verfügung gestanden, hätten aber auch auf der EtV ausgedruckt vorgelegen. Die Versammlung sei mehrfach (5.1.2021, 17.2.2021) vom „Bauausschuss“ vorbereitet worden. Die „Variante 2“ sei übereinstimmend nicht weiterverfolgt worden, die „Variante 3“ hätte zusätzlicher Honorarleistungen an den Architekten bedurft, der diese nicht abgelehnt habe, sondern dazu nicht beauftragt gewesen sei; „Variante 3“ beseitige nicht alle Mängel, wie notwendig. Mit der Abfolge der Tagesordnungspunkte habe seitens der anwesenden Eigentümer auf der Versammlung ausweislich des Protokolls Einverständnis geherrscht. Der Bieterliste lägen ausreichend Angebote zugrunde. Sie sei als Beschlussgrundlage bestimmt genug. Der Fensteraustausch sei notwendig, die derzeitigen Fenster hätten eine Haltbarkeitsdauer v. ca. 25 Jahren. Der KfW-Zuschuss bzw. die Zuschüsse ließen sich erst nach Beschlussfassung berechnen und ermitteln.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und ihre Terminerklärungen Bezug genommen. Das Gericht hat die Verfahren der Kläger zu 1) – 3.) mit demjenigen der Klägerin zu 4.) nach dortiger Teilabtrennung verbunden mit Beschluss v. 25.5.2021.

Entscheidungsgründe

Die gem. § 44 Abs.1 S.1 WEG zulässigen und rechtzeitig erhobenen verbundenen Anfechtungsklagen sind begründet. Die angefochtenen Beschlüsse widersprechen ordnungsmäßiger Verwaltung i.S.v. §§ 18 Abs.2 Nr.1, 19 Abs.1 WEG.

I.

„Dreh- und Angelpunkt“ des streitgegenständlichen beschlossen Vorgehens der WEG zur Instandsetzung der Feuchtigkeitsschäden ist der Beschluss zu TOP 2.1.2, der Erhaltungsmaßnahmen für alle drei Häuser basierend auf der v. „W. u. S.“ vorgelegten Bieterliste v. 10.2.2021 beinhaltet. Das Maßnahmepaket ist nach objektivem Empfängerhorizont jedoch unbestimmt und die Maßnahmen sind unzureichend vorbereitet. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Geschuldet ist bei größeren Sanierungsvorhaben (und das hier streitgegenständliche Vorhaben ist im Bereich „sehr groß“ einzuordnen, was die Sorgfaltsanforderungen erhöht) eine vollständige Sanierungsbestandsaufnahme und eine belastbare Kostenschätzung für die einzelnen Maßnahmen (Niedenführ-Vandenhouten, 13. Aufl. WEG, § 21 Rn. 75 m.w.N.). Das Gericht hat nicht feststellen können, dass diese vorliegt, was sich an nachfolgend genannten Punkten zeigt. Zu einer Beweiserhebung über die Frage der Notwendigkeit mittels Sachverständigengutachten kommt das Gericht daher nicht.

-Die beschlossene Sanierungsvariante 1 ist auf der Versammlung v. 25.5.2021 bereits wieder abgeändert worden, die Sanierungsvorgehensweise zu den Erkern der Häuser Nr. 23 und 25 wurde geändert (TOP 4.1), die zeitliche Reihenfolge der Sanierungsschritte geändert (TOP 4.1.1), weitere Änderungsmöglichkeiten wurden im Umlaufverfahren eröffnet (TOP 4.1.5). Soweit die Beklagtenseite darauf hinweist, ein Auftragsanbieter habe sein Angebot zurückgezogen, betrifft dies nur die Beschlussfassung zu TOP 4.1.3 der Folgeversammlung und rechtfertigt die Änderungen ex ante nicht.

-Noch innerhalb der Beschlussfassung zu TOP 2.1.2 der streitgegenständlichen Versammlung wurde beschlossen „W. u. S.“ mit der Prüfung „weiterer“ (offenbar noch nicht untersuchter) Feuchtigkeitsprobleme der Wohnungen Nr. 6, 20 und 26 zu beauftragen. Dies zeigt, dass der Sanierungsumfang nicht „durchermittelt“ ist.

– Die Beklagte räumt selbst ein, dass im Rahmen der Bau-Begleitung (TOP 2.1.10) ergänzende Bestandsaufnahmen und Bauteilöffnungen notwendig werden. Im Rahmen einer Sanierungsnotwendigkeitsuntersuchung sind aber nicht zerstörerische Bauteilöffnungen von Anfang an vorzunehmen und zumutbar (Niedenführ-Vandenhouten, a.a.O.).

Soweit die Beklagte meint, es bei stichprobenhaften Untersuchungen bewenden lassen zu können und auf LG Hamburg Az. 318 S 85/19 verweist, sei dazu gesagt, dass es dort um eine Flachdachsanierung über einer einzigen Einheit mit Kostenvolumen i.H.v. ca. 24.000,– EUR ging und nur um einen Grundbeschluss. Dies ist mit dem hier in Rede stehenden umfangreichen Sanierungsvorhaben mit Umsetzungsbeschluss nicht vergleichbar. Im ebenfalls beklagtenseitig angezogenen Verfahren Az. 318 S 88/15 ging es um die überschaubare Sanierung v. Balkonen und Balkonköpfen. Hierzu waren Voruntersuchungen erfolgt und ein Sanierungsgutachten lag vor. Im hiesigen Fall erfasst der Beschluss zu TOP 2.1.10 hingegen ausdrücklich, dass eine Bestandsaufnahme der Mängel der Fassaden erst hausweise vor jedem Bauabschnitt (dessen Beschreiten allerdings dann schon beschlossen ist !) erfolgen soll. Dies erfüllt die Anforderungen an ein vor der Beschlussfassung erforderliches Sanierungsgutachten ersichtlich nicht, sondern kann als „Blindflug“ gewertet werden.

– Die im Bauausschuss erörterte „Variante 3“ ist nicht ausformuliert und abstimmungsfähig gemacht worden. Auch wenn die WEG hierfür weitere Honorarfreigaben hätte beschliessen müssen, wäre es zur Herstellung angemessener Beschlussalternativen notwendig gewesen, die Mindestsanierungsnotwendigkeiten genau zu erfassen, kostenmäßig zu berechnen und auch die hierfür ggfs. erhältlichen KfW-Mittel darzustellen. Die Ablehnung der Weiterverfolgung der „Variante 3“ auf der Versammlung zu TOP 2.1.1 ist der dortigen Darstellung geschuldet, dass ihre Ausgestaltung und Ausformulierung weiteres Architektenhonorar kosten würde. Dies folgt daraus, dass eine eigentliche Beschlussfassung „nach Vorlage der Kosten“ auf einer weiteren EtV dann hätte erfolgen sollen. Dieses Vorgehen entspricht der „self-fullfilling-prophecy“-Methode. Was nicht (ausreichend) vorliegt, wird abgelehnt, weil es nicht ausreichend vorliegt. Die Versammlung hatte daher keine belastbare Alternative zur Sanierungsvariante 1, die zum Zeitpunkt der Abstimmung über TOP 2.1.1 schon weitgehend über Einzelbeschlüsse „festgezurrt“ war. Dieses Vorgehen entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, es ermöglicht keine faire und transparente Meinungsbildung der einzelnen Wohnungseigentümer, sondern „peitscht“ ein Vorhaben durch.

– Die möglichen KfW-Zuschüsse waren bei Beschlussfassung über die Sanierungsvariante 1 nicht durchgerechnet, dies zeigt auch der -anderweitig angefochtene (Az. 11 C 111/21) Beschluss zu TOP 2.1.12. Soweit die Beklagte vorträgt, diese seien „Vorher“ nicht ermittelbar, ist dies unrichtig. Ein Energieberater hätte der WEG für die einzelnen Sanierungsmaßnahmen durchaus vorher die Zuschusshöhen nennen können, ggfs. im Wege der Schätzung mit einer mitzuteilenden Bandbreite. Dies ist aber nicht geschehen, die Gemeinschaft hat zu TOP 2.1.13 ersichtlich einen „Gesamtkostenrahmen“ beschlossen, den die Eigentümer mittels Entnahme aus IRL, „angefüttert“ über eine Sonderumlage, vorschiessend zu erbringen/aufzubringen haben. Die dort genannte Summe i.H.v. EUR 1.088.000 brutto entspricht den Brutto-Gesamtbaukosten gem. Mail des Architekten D. v. 10.2.2021 (Anl. K 2.5), KfVV-Zuschüsse sind nicht eingerechnet. Da ein wesentlicher Entscheidungspunkt auch die Kosten und die Durchfinanzierung einer Maßnahme im Sanierungsbereich ist, entspricht es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, die möglichen Zuschüsse nicht transparent darzulegen.

2. Mit den vorgenannten Mängeln korrespondiert, dass die eigentliche Beschlussfassung zum TOP 2.1.2 nach objektivem Empfängerhorizont (also für einen nur den Beschlusstext wahrnehmenden, an der Versammlung nicht teilgenommen habenden Betrachter) unbestimmt ist und geeignet ist, weiteren Streit in die Gemeinschaft über den Umfang der beschlossenen Sanierungsmaßnahme(n) hineinzutragen. Geschuldet sind erkennbare und leicht identifizierbare Beschlussinhalte, nämlich welches Angebot jeweils angenommen wurde und welche Maßnahmen konkret durch wen vorgenommen werden sollen (Niedenführ-Vandenhouten, 13. Aufl. WEG, § 21 Rn. 76, 77 m.w.N.). Diese Anforderungen genügt der auf S. des Protokolles der streitgegenständlichen EtV niedergelegte Beschluss ersichtlich nicht.

Der Umfang der beschlossenen Maßnahme(n) wird ausschliesslich durch Bezugnahme auf die „Bieterliste“ v. 10.2.2021 (als Anl. 1 der Einladung (Anl. K 2.5)) dargestellt und durch in vier „bulletpoints“ kursorisch beschriebene Maßnahmenschilderungen mit kursorischer, schlagwortartiger Nennung v. Gewerken (z.B. „Wiederherstellungsarbeiten am Wärmeverbundsystem“) dargestellt. Bereits die Bezugnahme auf die „vorgelegten Planungs- und Ausschreibungsergebnisse“ in Satz 1 der Beschlussfassung ist v. d. Reichweite her völlig unkonkret. in anderen Protokollteilen, z.B. zu TOP 1, wird z.B. auf bereits zur EtV am 17.92020 vorgelegte Ergebnisse der Fa. „W. u. S.“ verwiesen, ob diese auch hier gemeint ist, ist unklar. Weder das Fenstermaterial noch die Fenstermarke für die weitgehend auszutauschenden Fenster werden beschrieben. Dies geschieht auch nicht in dem vorgezogenen Beschluss zu TOP 2.1.3. Die Maßnahmen am Wärmeverbundsystem sind beschlussmäßig ebenfalls v. Umfang und Methodik her völlig unklar.

Zusammen mit der rechtswidrigen Auswahldelegation für die Werkunternehmer auf die WEG-Verwaltung im Beschluss zu TOP 2.1.16 ist der Beschluss zu allen Gewerken völlig unbestimmt. Eine Delegation der Auswahl der Gewerke auf die WEG-Verwaltung ist nur bei kleinen Maßnahmen v. untergeordneter Bedeutung und begrenztem finanziellen Risiko für einzelne Wohnungseigentümer zulässig; der BGH spricht v. einer niedrigen dreistelligen Summe (BGH v. 11.6.2021, V ZR 215/20, Rn.8, 11, 13, 14; so zu § 9b WEG auch Dötsch/Schultzky/Zschieschak, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rn.99), von solchen Umständen kann vorliegend ersichtlich nicht die Rede sein. Die neue Regelung des § 9b Abs.1 WEG erlaubt nicht, dem Verwalter umfangreiche Auswahlrechte für Werkunternehmer und Gewerksumsetzungen per Beschluss zu geben. Die Regelung regelt die Vertretung der WEG durch den Verwalter nach außen, nicht die Verwalterbefugnis nach innen (beck-online.GROSSKOMMENTAR WEG, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Greiner zu § 9b Rn.2). Die Regelung intendiert nicht, dass die Auswahlbefugnis der Gemeinschaft durch „Vertretung“ des WEG-Verwalters leer läuft. Die im Beschluss vorgenommene „Vorgabe“, es sei das „beste Preis-/Leistungsverhältnis“ v. WEG-Verwalter jeweils zu wählen, erfüllt nicht einmal die Anforderungen der Minderansicht, die Delegationsbeschlüsse mit eindeutigen bestimmten Vorgaben zulassen will (Dötsch/Schultzky/Zschieschak, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rn.156), denn dieses Verhältnis von Preis zu Leistung wird immer ein subjektives Werturteil erfordern.

Aus den vorgenannten Gründen ist der grundlegende Beschluss zu TOP 2.1.2 für ungültig zu erklären.

II.

Da der grundlegende Sanierungsvariantenauswahlbeschluss für ungültig zu erklären ist, teilen die Ausgestaltungs- und Finanzierungsbeschlüsse zu den TOP 2.1.3, 2.1.4, 21.6, 2.1.7, 2.18, 2.1.9, 2.1.10, 2.1.11, 2.1.13, 2.15 und 2.1.16 dieses Schicksal, da sie „alleinstehend“ keinen ausführbaren Regelungsgehalt haben. Die weiteren Anfechtungsargumente der Kläger können daher dahinstehen. Lediglich am Rande sei bemerkt: es ist zu TOP 2.1.3 nicht ersichtlich, ob die neuen Fenster das Gesamtbild beeinträchtigen und ob sie den Lichteinfall in die Wohnungen im Vergleich zu den bisherigen verkleinern/beschränken. Der -anderweit angefochtene- Beschluss zu TOP 2.1.12 konkretisiert die Fenstermarke und das Fenstermaterial ebenfalls nicht genauer. Der Einbezug der vertikalen Fensterbänder in die Sanierungsplanung per Beschluss der EtV v. 5.6.2018 zu TOP 4.1.1 rechtfertigt nur das entsprechende Architektenhonorar für die Planung, er stellt keinen Grundbeschluss dar, die Sanierungsvariante so auch auszuführen.

Der Beschluss zu TOP 2.1.4 ist ein unzulässiger Blankettbeschluss, der in der Reichweite unbestimmt ist. Der Beschluss zu TOP 2.1.10 enthält die Festlegung einer „hausweisen“ Abrechnung, die in der Teilungserklärung als Kostenverteilschlüssel keinen Niederschlag findet. Die Entscheidung des LG Hamburg v. 21.4.2021 (Anl. B 6) stellt nicht fest, dass dieser Verteilschlüssel ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dem Beschluss zu TOP 2.1.11 ermangelt es an der Grundlage mehrerer Angebote. Der Beschluss zu TOP 2.1.13 nimmt die Wohnung Nr.19, wie auch der Grundsatzbeschluss zu TOP 2.1.2 aus den Sanierungsmaßnahmen aus. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage dies beruht (Vereinbarung?, fachliche Empfehlung?, Änderung der Sanierungsnotwendigkeiten für diese Wohnung?, Sanierung in „Eigenregie“?). Dieses Vorgehen ohne klare haftungsbegrenzende Vereinbarungen oder Beschlussfassungen gegen mögliche Ansprüche der diesbzgl. Wohnungseigentümer entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Soweit die Beklagte auf der EtV v. 19.10.2021 die Beschlüsse zu TOP 2.1. – 2.1.9 bereits wieder aufgehoben hat, ist zum Zeitpunkt der Verkündung des hiesigen Urteils kein erledigendes Ereignis eingetreten, da die Aufhebungsbeschlüsse (noch) nicht bestandskräftig sind.

Der Schriftsatz der Beklagten v. 17.10.2021 ist nicht nachgelassen, er gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, die dortigen Rechtsausführungen sind zur Kenntnis genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 709 S.1 ZPO.

Der Streitwert ist nach den zutreffenden Darlegungen der Kläger zu 1.) – 3.) in deren Klagschrift -auf die insofern Bezug genommen wird- hinsichtlich der Einzelwerte der einzelnen streitgegenständlichen Beschlüsse in Anbetracht der Miteigentumsanteile nach § 49 GKG festgesetzt worden,. allerdings erhöht durch den Anteil der hinzugetretenen Klägerin zu 4.) . Eine Verkehrswertüberschreitung ist nicht ersichtlich und nicht v. d. Parteien vorgetragen.

 

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